Excusationum libri
Ex libro II
Idem lib. II. Excusat. Es werden von der [Uebernahme der] Vormundschaft oder Cura auch die, welche siebenzig Jahre erfüllt haben, freigesprochen; sie müssen aber siebenzig Jahre zu der Zeit überschritten haben, wo sie gewählt werden, oder wo der [Erbe] die Erbschaft antritt, oder wo die dem Testament beigefügte Bedingung erfüllt worden ist, nicht während der Fristen zur Entschuldigung. 1Das Alter aber wird entweder durch Geburtsscheine, oder durch andere gesetzliche Beweismittel bewiesen. 2Es befreit auch die Menge von Kindern von der [Uebernahme der] Vormundschaft oder Cura. 3Es müssen aber die Kinder alle gesetzmässige sein, wenn sie auch nicht in der Gewalt sein sollten. 4Es müssen aber die Kinder [dann] am Leben sein, wenn die Väter zu Vormündern bestellt werden; denn die vorher verstorbenen werden nicht mitgerechnet, und es schaden wiederum die nachher gestorbenen nichts, und dies besagt eine Verordnung des höchstseligen Severus. 5Dies scheint nun zwar von dem einem Testamente gemäss bestellten Vormunde gesagt zu sein; es passt aber auch auf jeden anderen. 6Ein sich noch im Mutterleibe befindendes [Kind] aber nützt, wenngleich es in vielen Rechtstheilen den schon geborenen gleichgestellt wird, gleichwohl dem Vater weder in dem gegenwärtigen Falle, noch bei den übrigen bürgerlichen Aemtern; und dies ist durch eine Verordnung des höchstseligen Severus ausgesprochen worden. 7Nicht blos Söhne aber und Töchter geben eine Befreiung von der [Uebernahme der] Vormundschaft, sondern auch von männlichen Kindern erzeugte männliche und weibliche Enkel. Sie helfen aber dann, wenn sie, nachdem ihr Vater gestorben ist, dem Grossvater die Stelle jenes ersetzen werden. So viele Enkel aber von einem Sohne vorhanden sind, so viele werden für ein Kind gerechnet. Dies kann man auch aus den Verordnungen, welche von den Kindern sprechen, folgern; denn man findet nicht leicht, dass die Verordnungen irgendwo von Söhnen sprechen, sondern von Kindern; dieser Name aber wird auch auf die Enkel ausgedehnt. 8Die Zahl der Kinder aber, welche durch die Verordnungen bestimmt ist, muss jeder dann haben, wenn er gewählt wird, nicht auch, wenn sie nach der Wahl geboren werden, ehe die Rechtsgründe der Befreiung bewiesen werden; denn die nach der [Wahl] geborenen helfen nichts, wie eine Verordnung von Severus und Antoninus sagt. 9Ferner auch die, welche drei Vormundschaften oder drei Curatelen haben, oder drei Curatelen und Vormundschaften untermischt haben, und [zwar solche,] welche noch bleiben, das heisst, da die Minderjährigen das [minderjährige] Alter noch nicht überschritten haben, werden freigesprochen, wenn sie zu einer vierten Vormundschaft oder Curatel berufen werden. Aber auch wenn Jemand Curator nicht eines Minderjährigen, sondern eines Rasenden sein sollte, so wird auch diese Curatel in die Zahl der Curatelen eingerechnet, und dass dies sich so verhalte, lehrt eine Verordnung von Severus und Antoninus. Es spricht auch der vortrefflichste Ulpianus in Bezug auf drei Vormundschaften so:
Modestin. lib. II. Excusat. Wir haben gesagt, dass diejenigen, welche drei Vormundschaften haben, zu einer vierten nicht berufen werden sollen; man hat daher gefragt, ob, wenn Jemand zwei Vormundschaften auf sich habe, sodann zu einer dritten berufen, appellirt habe, und während die Rechtsverhandlung über die Appellation noch schwebte, zu einer vierten Vormundschaft berufen worden sei, er, wenn er die Rechtsgründe gegen die vierte ausführe, auch die dritte erwähnen, oder ob er jene überhaupt unbeachtet lassen könne? Und ich finde, dass von den höchstseligen Severus und Antoninus verordnet worden ist, dass der, welcher gegen eine dritte [Vormundschaft] appellirt habe, zu einer vierten nicht gewählt werden dürfe, sondern dass man, während die Ausführung der Rechtsgründe gegen die dritte Wahl noch unentschieden sei, die Beendigung derselben abwarten müsse, welche für die vierte Wahl zur Richtschnur dienen werde; [und zwar] aus einem richtigen Grunde, denn wenn Jemand die der Reihefolge nach vierte, als die Wirksamkeit nach dritte, übernehmen würde, so würde er, wenn sich die Appellation gegen die dritte als unrechtmässig ergeben hätte, zu vier Lasten gegen die Gesetze berufen werden. 1Wenn ein Vater die Besorgung von drei Vormundschaften oder Curatelen auf sich haben sollte, so wird der Sohn desselben [mit einer solchen] nicht belästigt werden; und dies ist so von den höchstseligen Severus und Antoninus verordnet worden. Dies findet auch umgekehrt Statt, so dass die Vormundschaften des Sohnes dem Vater eine Befreiung geben müssen, und ebenso gemeinschaftliche beiden, das heisst, eine des Sohnes und zwei des Vaters, oder umgekehrt. Dies findet aber dann so Statt, wenn die Last ein einziges Haus (Familie), nicht [wenn sie] getrennte Häuser betrifft; es schreibt auch der vortrefflichste Ulpianus so:
Modestin. lib. II. Excusat. Wenn Jemand, der zwei Vormundschaften [zu führen] hat, mit zwei anderen zugleich beschwert werden sollte, so wird ihm die der Reihefolge nach dritte zur Befreiung von der vierten nützen, wenngleich es der Kaiser sein sollte, welcher die vierte auferlegt hat, oder die dritte, nämlich wenn er, ehe er den Willen des Kaisers erfuhr, zuvor zu einer anderen berufen sein wird. Wenn aber keine Reihefolge zum Vorschein kommt, sondern die zwei Wahlen an einem Tage in verschiedenen Schreiben bekannt gemacht sein sollten, so würde nicht der Gewählte, sondern der, welcher gewählt hat, [die Vormundschaft] auslesen, welche er übernehmen sollte. 1Die Grammatiker11D. h. Professoren der Grammatik. S. v. Glück Erl. d. Pand. XXXI. S. 327. f., die Sophisten, die Rhetoren22Beide Lehrer der Beredsamkeit, die sich vielleicht so unterschieden, dass die Sophisten die Praxis, die Rhetoren die Theorie lehrten. S. v Glück a. a. O. S. 330. ff., die Aerzte, welche περιοδευταὶ33D. h. solche, welche umhergehen und die Arzneikunde ausüben. S. v. Glück a. a. O. S. 338. ff. Kriegel l. l. p. 41. not. 182. Der alte Uebersetzer hat dafür circulatores, oder nach Kriegels Recension: circuitores. (S. L. 5. §. 4. D. de instit. act. 14. 3.) genannt werden, haben eine Befreiung wie von den übrigen Aemtern, so auch von der Vormundschaft und Curatel. 2Es ist aber auch die Zahl der Rhetoren, welche in einer jeden Stadt die Freiheit von Aemtern haben sollen, und es sind gewisse Bedingungen in dem Gesetze festgesetzt; wie aus der Epistel des Antoninus Pius erhellt, welche zwar an die Gemeinde [der Griechen] in Asien geschrieben ist, aber auf das ganze Römische Reich44Παντὶ δὲ τῷ κόσμῳ. passt, und von welcher hier folgendes Capitel angeführt wird. Die kleinern Städte können fünf befreite Aerzte haben, und drei Sophisten, und ebenso viele Grammatiker; die grösseren Städte sieben Aerzte, vier, welche [jene] beiden Wissenschaften lehren; die grössten Städte aber zehn Aerzte, und fünf Rhetoren, und ebenso viele Grammatiker. Ueber diese Zahl hinaus verschafft auch nicht einmal die grösste Stadt Befreiung. Es ist aber passend, dass sich der grössten Zahl die Hauptstädte der Provinzen, der zweiten die [Städte], welche Gerichtsbarkeit haben55Τὰς ἐχούσας ἀγορὰς δικῶν, quae habent fora causarum. S. v. Glück a. a. O. S. 358. f., der dritten aber die übrigen bedienen. 3Diese Zahl darf man zwar weder in Folge eines Beschlusses des Senats, noch vermittelst irgend eines anderen Ausfluchtsmittels überschreiten; vermindern darf man sie aber, weil es augenscheinlich ist, dass so Etwas zum Besten der bürgerlichen Aemter geschieht66Indem dadurch, dass weniger Personen Freiheit von der Vormundschaft haben, die übrigen weniger beschwert werden.. 4Auch werden [jene Personen] diese Freiheit von Aemtern durchaus nicht anders geniessen, als wenn sie durch eine Verordnung des Senats zu der gestatteten Zahl gerechnet worden sind, und in ihrem Berufe nicht fahrlässig sind. 5Und dass die Philosophen von [der Uebernahme von] Vormundschaften befreit sind, schreibt Paulus so: Die Philosophen, Redner, Grammatiker, welche den Jünglingen öffentlich nützen, werden gegen Vormundschaften entschuldigt, denn auch Ulpianus schreibt so in vierten Buche de officio Proconsulis. 6Aber dass ein Arzt, obwohl er einmal für tüchtig erklärt worden ist, von der Stadt auch [wieder] verworfen werden könne, hat unser Kaiser mit seinem Vater77Anton. Caracalla und sein Vater Septimius Severus. an den Lälius Bassus rescribirt. 7Ueber die Philosophen spricht aber dieselbe Verordnung von Pius88S. oben §. 2. so: Die Zahl der Philosophen ist nicht bestimmt, weil die, welche sich mit der Philosophie beschäftigen, seltener sind. Ich glaube aber, dass die, welche an Reichthum Ueberfluss haben, freiwillig mit ihrem Gelde ihrer Vaterstadt Nutzen verschaffen werden. Wenn sie es aber in Hinsicht auf ihr Vermögen genau nehmen, so würde es schon dadurch offenbar werden, dass sie keine Philosophen seien. 8Es steht aber auch unter den Verordnungen des Kaisers Commodus ein Capitel aus einer Epistel des Antoninus Pius geschrieben, aus welcher sich ergibt, dass auch die Philosophen Freiheit vor den Vormundschaften haben. Die Worte aber sind folgende: Auf gleiche Weise hat diesen allen mein höchstseliger Vater99Hadrianus. sogleich, nachdem er zur Herrschaft gelangt war, die vorhandenen Vorrechte und Freiheiten durch eine Verordnung bestätigt, indem er schrieb, dass die Philosophen, Rhetoren, Grammatiker, Aerzte, von der Aufsicht über die Leibesübungen, von der Aedilität, von den Priesterämtern, von den Einquartierungen, von der Sorge für Anschaffung von Getreide [und] Oel1010S. v. Glück a. a. O. S. 368. ff. Kriegel l. l. ß. 44. sqq. frei sein sollten, und dass sie weder Richter, noch Gesandte zu werden brauchten, noch wider Willen zum Kriegsdienste ausgehoben werden sollten, noch zu einem anderen Dienste in der Provinz oder irgend einem anderen gezwungen werden sollten. 9Ferner muss man wissen, dass der, welcher in seinem eigenen Vaterlande lehrt, oder die Heilkunde ausübt, diese Befreiung hat; denn wenn ein Comaner in Neucäsarea als Sophist lehrt, oder die Heilkunde ausübt, oder Unterricht gibt, so hat er bei den Comanern keine Befreiung; und dies ist so von den höchstseligen Severus und Antoninus verordnet worden. 10Dass freilich die sehr gelehrten auch über die Zahl hinaus, und [auch] wenn sie in einer fremden Stadt ihren Aufenthalt haben, befreit seien, schreibt Paulus, indem er sagt, dass der höchstselige Antoninus Pius so geboten habe. 11Von den höchstseligen Severus und Antoninus ist verordnet worden, dass wer in Rom für Honorar, oder ohne Honorar, als Sophist lehrt, die Befreiung habe, ebenso, als wenn er in seiner eigenen Vaterstadt lehrte. Und man kann als Grund dieser Verordnungen anführen, dass, weil die Residenzstadt die gemeinschaftliche Vaterstadt ist und dafür gehalten wird, billiger Weise der, welcher sich gleichsam in seiner eigenen Vaterstadt nützlich bewährt, die Befreiung geniessen wird. 12Die Lehrer der Rechte, welche in der Provinz lehren, haben keine Befreiung; die aber, welche in Rom lehren, sind befreit. 13Ulpianus schreibt in dem einzelnen Buche de officio Praetoris tutelaris so: Die Athleten haben eine Entschuldigung gegen die Vormundschaft, aber solche, welche in den heiligen Wettkämpfen gekrönt worden sind. 14Ein Priesteramt in einer Provinz, wie in Asien, Bithynien, Cappadocien, gewährt eine Befreiung von Vormundschaften, das heisst, so lange, als man [diesem Amte] vorsteht. 15Die Vormundschaft ist kein Staatsamt, auch nicht was den Aufwand anlangt, sondern ein bürgerliches; auch scheint es kein Provincialamt zu sein, wenn man eine Vormundschaft verwaltet. 16Es sind auch die Obrigkeiten in den Städten1111Στρατηγοὶ τῶν πόλεων. Ob hierunter blos die Duumvirn, oder alle Municipalobrigkeiten zu verstehen seien, ist bestritten. S. v. Glück a. a. O. S. 270. ff. und vgl. L. 15. §. 9. h. t. von Vormundschaft und Curatel frei. 17Auch eine Todfeindschaft, welche der [zum Vormund] Gewählte gegen den Vater der Mündel hat, gibt Befreiung1212D. h. nach v. Glück XXIX. S. 87. einen Grund zur Verwerfung des Vormundes. von der Vormundschaft, ausser wenn es sich ergibt, dass der Vormund durch das Testament ernannt ist, wenn nicht, nachdem das Testament geschrieben worden ist, die Todfeindschaft zwischen ihnen entstanden ist, oder die Feindschaft zwar älter ist, als das Testament, der Vormund aber darum ernannt zu sein scheint, damit er der Verbindlichkeit und den Geschäften ausgesetzt sei, und das ergibt sich aus einer Epistel des Kaisers Severus. 18Ferner wird man von der Vormundschaft befreit, wenn man dem Mündel über seinen Rechtszustand Streit erregt, es sich aber zeigt, dass man dies nicht aus Chicane, sondern im guten Glauben thue; und dies haben die höchstseligen Marcus und Severus1313In der Flor. steht Σεβήρος, Taurell. hat Βῆρος und Augustin. Verus. S. Kriegel l. l. p. 51. not. 261. verordnet. 19In Betreff der Geschäftsunkundigen, der Geringen und derer, welche nicht lesen und schreiben können, schreibt Paulus so: Geschäftsunkunde und Beschränktheit gewähren zuweilen eine Entschuldigung nach den Episteln der höchstseligen Hadrianus und Antoninus. Die Entschuldigung dessen, der behauptet, dass er nicht lesen und schreiben könne, darf nicht angenommen werden, wenn er nur der Geschäfte nicht unkundig ist.
Übersetzung nicht erfasst.