Institutionum libri
Ex libro I
Marcian. lib. I. Instit. Auch der Redner Demosthenes bestimmt so den Begriff: „Gesetz ist dasjenige, dem Jeder, sowohl aus vielen andern Gründen als hauptsächlich darum gehorchen muss, weil jedes Gesetz eine Erfindung und Gabe Gottes, ein Beschluss der Weisen, ein Zügel dessen, was freiwillig, oder unfreiwillig verbrochen wird, und eine gemeinsame Angelobung der Staatsgesellschaft ist, nach welcher alle Staatsmitglieder handeln müssen.“ Auch der Philosoph der erhabensten stoischen Weisheit, Chrysippus, beginnt sein Buch, welches er über das Gesetz schrieb, folgendermaassen: „Das Gesetz ist der Beherrscher aller göttlichen und menschlichen Angelegenheiten; es soll der Hort des Guten und des Bösen, der Herrscher und Führer sein; daher die Richtschnur des Gerechten und des Ungerechten, und für die von der Natur zu Staatsbürgern bestimmten Geschöpfe ein Gebot dessen, was sie thun, und ein Verbot dessen, was sie unterlassen sollen.“
Marcian. lib. I. Instit. Der Zustand der Sclaven ist nur ein und derselbe; von den freien Menschen sind aber die einen Freigeborene, die andern Freigelassene. 1Sclaven kommen entweder nach bürgerlichem Recht oder nach Völkerrecht in unsere Gewalt; nach bürgerlichem Recht, wenn Jemand, der über zwanzig Jahre alt ist, sich, um Theil am Kaufpreis zu haben, selbst hat verkaufen lassen; nach Völkerrecht sind diejenigen unsere Sclaven, welche vom Feinde gefangen genommen oder von unsern Sclavinnen geboren werden. 2Freigeborene sind diejenigen, welche von einer freien Mutter geboren worden sind; denn es genügt, dass sie zur Zeit der Geburt frei gewesen sei, wenn sie auch als Sclavin empfangen hat, und auch im umgekehrten Fall, wenn sie als Freie schwanger geworden und nachher als Sclavin geboren hat, wird das Kind freigeboren. Auch ist es einerlei, ob sie in rechtmässiger Ehe empfangen hat, oder im gemeinen Umgange, weil der Leibesfrucht der Mutter Unglücksfall nicht schaden darf. 3Hieraus hat man die Frage aufgeworfen, ob wenn eine schwangere Sclavin freigelassen, nachher aber wieder Sclavin geworden, oder aus dem Staate verwiesen, wiederkommt, sie einen Freien oder einen Sclaven gebiert? — Es ist jedoch für richtiger befunden worden, dass [das Kind] freigeboren werde, und es für die Leibesfrucht genüge, auch nur in der dazwischen liegenden Zeit eine freie Mutter gehabt zu haben.
Marcian. lib. I. Instit. Jeder Proconsul hat, sobald er sich aus der Stadt begeben hat, die Gerichtsbarkeit, aber keine streitige, sondern blos eine freiwillige, so dass also vor ihnen sowohl Kinder als Sclaven entlassen und Annahmen an Kindes Statt geschehen können. 1Vor dem Legaten des Proconsuls kann aber Niemand freilassen, weil er keine Gerichtsbarkeit dazu hat,
Übersetzung nicht erfasst.
Marcian. lib. I. Instit. Ein in einem Testamente freigelassener [Sclave] wird nur dann frei, wenn das Testament gilt, und in Folge desselben die Erbschaft angetreten ist, oder wenn Jemand nach Ausschlagung der Testaments-[Erbfolge] die Erbschaft als gesetzlicher Erbe besitzt. 1Die in einem Testamente ertheilte Freiheit steht, wenn sie unbedingt ertheilt worden ist, sogleich zu, wenn die Erbschaft auch nur von einem einzigen von den Erben angetreten sein wird; wenn die Freiheit aber unter einem Anfangstermine, oder unter einer Bedingung ertheilt worden ist, so steht die Freiheit dann zu, wenn der Termin gekommen, oder die Bedingung eingetreten sein wird.
Marcian. lib. I. Inst. Ein Sclave wird nicht frei sein, wenn er seinen Herrn gezwungen, ihn freizulassen und dieser in Schrecken gesetzt geschrieben hat, dass er frei sei. 1Desgleichen kann auch der nicht frei werden, welcher von seinem Herrn in einer Capitalanklage nicht vertheidigt und nachher freigesprochen worden ist. 2Diejenigen, welche unter dieser Bedingung, dass sie nicht freigelassen werden sollen, verkauft worden sind, oder welche freizulassen, in einem Testament, oder durch einen Befehl des Provinzialpräsidenten verboten worden ist, gelangen, wenn sie auch freigelassen werden, doch nicht zur Freiheit.
Marcian. lib. I. Inst. Zuweilen werden auch Die, welche als Sclaven geboren sind, in Folge eines nachherigen Ereignisses durch Hülfe des Rechts Freigeborene, wie z. B. wenn ein Freigelassener vom Kaiser in seinen Geburtsstand zurückversetzt worden ist. Denn er wird jeden Falls in den Geburtsstand zurückversetzt, in welchem sich ursprünglich alle Menschen befunden haben, nicht in den, in welchem er selbst geboren wurde, da er als Sclave geboren war. Ein solcher wird nemlich in Bezug auf das ganze Recht ebenso angesehen, als wenn er als Freigeborner geboren wäre, auch kann sein Patron nicht zur Nachfolge gelangen. Und darum pflegen die Kaiser nicht leicht Jemand in den Geburtsstand zurückzuversetzen, wenn nicht der Patron einwilligt.
Übersetzung nicht erfasst.