Epistularum libri
Ex libro I
Javolen. lib. I. Epistol. Das Geld, welches du mir ohne Bedingung schuldetest, hast du auf meinem Befehl dem Attius unter einer Bedingung versprochen; da, während die Bedingung schwebt, deine Verbindlichkeit gegen mich in einem solchen Zustande ist, als wenn du mir das [Geld] unter der entgegengesetzten Bedingung angelobt hättest, würde ich wohl nichts bewirken, wenn ich, während die Bedingung schwebt, fordern sollte? Er hat zum Bescheid gegeben11Nämlich Javolenus. Die Röm. Juristen führen ihre Bescheide zuweilen so an, dass sie von sich in der dritten Person sprechen.: ich zweifle nicht, dass mein Geld, welches ich selbst ohne Bedingung stipulirt habe, auch wenn die Bedingung in der Person des Attius, der mit meinem Willen dasselbe Geld unter einer Bedingung stipulirt hat, nicht eingetreten sein sollte, [gleichwohl] dargeliehen bleibe; denn es ist ebenso, als wenn keine Stipulation vorgekommen wäre; während aber das Verhältniss der Bedingung noch schwebt, kann ich dasselbe nicht fordern, weil ich, da es ungewiss ist, ob aus jener Stipulation geschuldet werden könne, vor der Zeit zu fordern scheine.
Idem lib. I. Epist. Ein Bürge, der Weizen zu liefern, ohne Hinzufügung der Güte angelobt hat, kann, glaube ich, durch Lieferung einer jeden Sorte von Weizen den Hauptschuldner befreien; von diesem aber kann er keinen andern Weizen ersetzt verlangen, als den schlechtesten, womit die Verbindlichkeit gegen den Gläubiger gelöst werden konnte. Wenn also der Hauptschuldner bereit ist, dem Bürgen das zu geben, durch dessen Entrichtung er sich gegen den Gläubiger befreien konnte, und der Bürge das, was er gegeben hat, nämlich bessern Weizen, einklagt, so wird ihm, glaube ich, die Einrede der Gefährde22Mithin bleibt dem Bürgen, wenn er nicht aus Gefährde (dolo malo) oder der ihr gleich zu schätzenden culpa lata gehandelt hat, wenn kein schlechterer Weizen zu haben war, sein Anspruch ungekränkt, nach Fr. 50. §. 1.entgegenstehen.
Übersetzung nicht erfasst.
Idem lib. I. Epist. Wenn wir zu Erben eingesetzt worden sind, so gehen zwar durch den Erbschaftsantritt alle Rechte auf uns über, allein der Besitz steht uns nur dann zu, wenn er natürlich ergriffen worden ist. 1In Betreff Derer, die in die Gewalt der Feinde gefallen sind, besteht rücksichtlich der Erhaltung der Rechte an ihren Sachen ein besonderes Rechtsverhältniss; körperlich verlieren sie jedoch den Besitz, denn es kann von ihnen nicht angenommen werden, dass sie Etwas besitzen, da sie selbst von einem Andern besessen werden; es erfolgt also hieraus, dass, wenn sie zurückgekehrt sind, dieselben einer neuen Besitzergreifung von Nöthen haben, wenn auch in der Zwischenzeit Niemand ihre Sachen besessen hat. 2Ich frage ferner, ob, wenn ich einen freien Menschen gefesselt habe, sodass ich ihn wirklich besitze, ich durch ihn auch alles Dasjenige besitze, was er besass? Antwort: wenn du einen freien Menschen gefesselt hast, so besitzest du ihn meiner Meinung nach gar nicht; also besitzest du auch noch bei weitem weniger seine Sachen durch ihn; denn die Vernunft macht es unzulässig, dass man durch Den Etwas besitzen kann, den man bürgerlichrechtlich nicht in seiner Gewalt hat.
Javolen. lib. I. Epist. Wenn du einen Sclaven [unter der Bestimmung] gekauft hast, dass, wenn eine Bedingung eingetreten wäre, der Kauf als ungeschehen betrachtet werden solle, und derselbe dir übergeben worden ist, darauf aber die Bedingung den Kauf wieder aufgelöst hat, so muss meiner Meinung nach die Zeit, welche über er beim Käufer gewesen, dem Verkäufer zugerechnet werden, weil der Verkauf auf diese Art, ähnlich der Wandelung, rückgängig geworden ist, bei welcher ohne allen Zweifel die Zeit Dessen, der ihn zur Zurücknahme genöthigt, dem Verkäufer zugerechnet wird, weil dies eigentlich kein Verkauf genannt werden kann.
Ad Dig. 42,5,28Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 559, Note 11; Bd. III, § 559, Note 25.Javol. lib. I. Epist. Ein Hausvater ernannte seinem unmündigen Sohn auf den Fall, wenn er vor erlangter Mündigkeit stürbe, einen Nacherben; dieser Sohn masste sich der väterlichen Erbschaft nicht an, und es kam zur Vergantung des Nachlasses; nachher fiel dem Sohne eine Erbschaft zu, nach deren Antritt er starb. Ich frage nun: da der Prätor wider den Unmündigen selbst, obgleich ihm später eine Erbschaft zugefallen, doch den Gläubigern des Vaters keine Klage gestattet, ob diesen Gläubigern des Vaters eine Klage wider den Nacherben zuzugestehen sei? da er doch aus dem väterlichen Vermögen, als welches den in Besitz gesetzten Gläubigern gehört, nichts erwirbt, und da die Gläubiger [des Vaters] kein Recht auf das Vermögen des Unmündigen hatten, es auch für sie gleichgültig war, ob die Erbschaft des Unmündigen angetreten würde oder nicht, indem solches Vermögen im Falle der Ausschlagung der Erbschaft von Seiten des Nacherben ihnen nicht gehörte; mich beunruhigt vorzüglich der von den Lehrern deiner Schule33Tuis praeceptoribus. Priscus Javolenus gehörte zur Sabinianischen Schule. angenommene Satz, dass nur Ein Testament vorhanden sei44Nicht, wie wohl die Proculianer lehrten, zwei Testamente, das des Vaters und das im Namen des Sohnes errichtete (die Pupillarsubstitution) in einem. Vergl. Zimmern Gesch. d. R. Pr. R. Thl. I. 243. 244. Gajus, auch ein Sabinianer, drückt sich hierüber schwankend aus: quodammodo duo sunt testamenta, — aut certe unum est testamentum duarum hereditatum. (II, 180.). — Hierauf habe ich geantwortet: was der Prätor dem Sohne gewährt, welcher der väterlichen Erbschaft sich nicht anmasst, dass nemlich nach Vergantung des väterlichen Nachlasses wider ihn keine Klage zugelassen wird, und er, wenn auch nachher eine Erbschaft ihm zufällt, den Gläubigern diese nicht herzugeben braucht, das kann bei dem Nacherben des Sohnes nicht so gehalten werden, weil damit nur das Ehrgefühl des Sohnes geschont werden soll, dass vielmehr des Vaters Vermögen, als das seinige in Gant geräth. Deshalb wird wegen dessen, was ihm in der Folge zufällt, den Gläubigern keine Klage gestattet, weil das, was er von aussen her erwirbt, nicht durch den Vater auf ihn kommt. Wenn hingegen der Nacherbe des Sohnes die Erbschaft angetreten hat, nachdem der Sohn sich des väterlichen Nachlasses angemasst hatte55Dies ist ja aber gegen die Angabe im Vortrag. S. Ant. Faber Conj. II, 2., dann ist die Erbschaft des Sohnes und des Vaters nur eine; wegen jeder Schuld, die dem Vater oder dem Sohne obgelegen hat, ist der Erbe auch wider Willen gehalten, und so wie ihm nach der Verpflichtung66Durch den Erbschaftsantritt. nicht möglich ist, die Vergantung seines Vermögens zu vermeiden, falls er nicht dagegen vertheidigt wird77Durch Ablehnung des Verdachts der Insolvenz. S. fr. 3. 7. de cess. bon. 42. 3., so kann er auch die Schulden des Vaters und des Sohnes nicht einmal von einander sondern; woraus denn folgt, dass den Gläubigern die Klage gegen ihn zu gestatten ist. Hat der Nacherbe die Erbschaft nicht angetreten, so darf den Gläubigern des Vaters wegen Dessen, was der Unmündige hinterlassen hat, keine Klage bewilligt werden, weil weder das Vermögen des Unmündigen wegen der Schulden des Vaters vergantet werden soll, noch das, was der Unmündige erworben hat, zum Nachlass des Vaters gehört.