Ad edictum provinciale libri
Ex libro XII
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Die Vormundschaft ist meistens11Dieses plerumque, welches vielleicht auf die ausnahmsweise Vormundschaft der Mutter hindeutet, hält Wissenbach für ein Einschiebsel des Tribonian. ein Geschäft blos für Männer. 1Mau muss wissen, dass keine Vormundschaft erbrechtlich auf einen Andern übergehe. Aber die gesetzlichen Vormundschaften kommen auf die Kinder männlichen Geschlechtes, wenn diese das volle Alter haben, herab. Dies ist aber nicht der Fall bei den übrigen Vormundschaften.
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Nach dem Zwölftafelgesetze22Ulpian führt die Worte des Zwölftafelgesetzes an im Fr. XI. §. 14. ist es den Vätern erlaubt, ihren Kindern, männlichen oder weiblichen Geschlechts, in ihrem Testamente Vormünder zu geben, wenn diese (Kinder) nur in ihrer Gewalt sich befinden. 1Ferner muss man wissen, dass auch nachgebornen Söhnen oder Enkeln, oder den übrigen Kindern, ihre Väter im Testamente Vormünder bestellen dürfen, nur müssen sie in einem solchen Verhältnisse sich befinden, dass sie, wären sie noch bei des Erblassers Lebzeiten geboren worden, in seine Gewalt gekommen wären, und das Testament nicht umgestossen hätten. 2Eben so ist zu bemerken, wenn Jemand, der einen Sohn, und von diesem einen Enkel zusammen in seiner Gewalt hat, dem Enkel einen Vormund bestellte, diese Bevormundung nur dann gültig sei, wenn der Enkel nach seinem Tode nicht in die Gewalt seines Vaters zurückfallen wird; ein Umstand, der dann eintritt, wenn der Sohn bei Lebzeiten des Erblassers aufhört, in dessen Gewalt zu sein.
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Sind mehrere Agnaten da, so erhält der Nächstverwandte die Vormundschaft; stehen mehrere in demselben Verwandschaftsgrade, so erhalten alle die Vormundschaft.
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Es war jederzeit etwas Bekanntes, dass der Präses sowohl für einen abwesenden als gegenwärtigen Mündel einen abwesenden sowohl als gegenwärtigen Vormund bestellen könne.
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Der Vormund muss nach dem Range und Vermögen des Mündels die Zahl der Sclaven, die künftighin ihn umgeben sollen, bestimmen. 1Ein Vormund ist mit dem Vorbringen, er sei deshalb mit dem Gelde des Mündels im Verzuge, weil er es nicht sicher unterbringen konnte, abzuweisen, wenn dargethan wird, er habe um dieselbe Zeit sein eigenes Geld gut ausgeliehen. 2Beim Auszahlen der Vermächtnisse und Fideicommisse muss der Vormund darauf merken, dass er Niemandem zahlt, was er nicht schuldig ist. Er darf auch weder der Mutter noch Schwester des Mündels ein Brautgeschenk zusenden. Etwas Anderes ist es, wenn der Vormund etwa der Mutter oder Schwester des Mündels den nothwendigen Lebensunterhalt darreichte, da diese sich selbst nicht ernähren konnten; denn diese Handlung muss genehmigt werden. Denn das, worauf dieses verwandt wird, ist ein ganz anderes Verhältniss, als das, was als Geschenk oder Vermächtniss aufgeht.
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Ein Mündel kann ohne Ermächtigung des Vormundes nicht aus jedem Vertrage verbindlich gemacht werden, erwerben aber aus einer Stipulation oder durch Annahme einer Uebergabe kann er sich auch ohne des Vormundes Vollwort. Durch das Geben eines Darlehns33Accursius erklärt credendo durch numerando alicui pecuniam ex causa mutui. aber kann er sich (Andere) nicht verbindlich machen, weil er ohne Ermächtigung des Vormundes nichts veräussern kann. 1Aus dem Satze aber, dass der Mündel nichts ohne Vollwort des Vormundes veräussern dürfe, ergibt sich, dass er auch nicht freilassen könne ohne des Vormundes Vollwort. Ferner wenn er auch gleich mit Zustimmung des Vormundes freilässt, so muss er doch nach der [Bestimmung] des Aelisch-Sentischen Gesetzes den Beweggrund [des Freilassens] vor der Rathsversammlung (apud consilium) darthun. 2Zahlt ein Mündel ohne Ermächtigung des Vormundes, so hat dies in keinem Falle die (beabsichtigte] Wirkung, weil er kein Eigenthum übertragen kann. Hat jedoch der Gläubiger das vom Mündel [bezahlte] Geld im guten Glauben verbraucht, so wird der Mündel [von seiner Verbindlichkeit] befreit. 3Eine Erbschaft kann der Mündel ohne Ermächtigung des Vormundes nicht antreten, wenn diese auch vortheilhaft, und ohne alle nachtheiligen Folgen wäre. 4Es kann auch der Mündel ohne seines Vormundes Ermächtigung keine Erbschaft nach dem Trebellianischen Senatsschlusse annehmen. 5Der Vormund muss sogleich bei [der Eingehung des] Geschäftes selbst, ermächtigen. Geschieht dies erst späterhin oder schriftlich, so bleibt es ohne Berücksichtigung. 6Das Geschäft ist rechtlich geschlossen, wenn auch der, welcher mit dem Mündel es einging, des Vormundes Ermächtigung nicht hörte, diese jedoch schriftlich bewiesen wird, wie z. B. wenn ich an den abwesenden Mündel etwas verkaufen oder vermiethen will, und dieser auf die Genehmhaltung seines Vormundes seine Zustimmung erklärt.
Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Wenn der Vormund nach der Mündigkeit des Mündels einige, wenngleich ganz kurze Zeit, die Verwaltung eingestellt, sodann sie zu führen [wiederum] angefangen haben sollte, so ist ohne allen Zweifel sowohl mit der Vormundschafts- als mit der Geschäftsführungsklage gegen ihn zu klagen.