Ad edictum provinciale libri
Ex libro XI
Gaj. lib. XI. ad Ed. provinc. Dass Raserei [der Eingehung] eines Verlöbnisses hinderlich sei, ist mehr als handgreiflich, aber wenn sie nachher eintritt, so entkräftet sie das Verlöbniss nicht.
Gaj. lib. XI. ad Ed. provinc. Ein durch Adoption entstandenes geschwisterliches Verhältniss (fraternitas) verhindert die Ehe so lange, als die Adoption dauert; und darum werde ich diejenige, welche mein Vater adoptirt und aus der väterlichen Gewalt entlassen hat, zur Frau nehmen können; auf gleiche Weise werden wir auch, wenn er mich aus der Gewalt entlassen, und jene in der Gewalt behalten haben wird, durch die Ehe verbunden werden können. 1Daher wird dem, welcher seinen Schwiegersohn adoptiren will, gerathen, dass er seine Tochter aus der Gewalt entlasse, auf gleiche Weise wird dem, welcher seine Schwiegertochter adoptiren will, gerathen, dass er seinen Sohn aus der Gewalt entlasse. 2Auch werden wir abgehalten, die Vatersschwester und die Mutterschwester, desgleichen die Grossvatersschwester und die Grossmutterschwester zur Frau zu nehmen, obwohl die Grossvatersschwester und Grossmutterschwester auf dem vierten Grade stehen. Schlechterdings aber werden wir abgehalten, die Vatersschwester und Grossvatersschwester zur Frau zu nehmen, auch wenn sie durch Adoption mit uns verbunden sind.
Gaj. lib. XI. ad Ed prov. Es kann keine Ehe zwischen solchen Personen bestehen, welche in dem Verhältniss von Eltern und Kindern stehn, mögen sie auf dem nächsten Grade [der Verwandschaft] stehen, oder auf einem entfernteren bis ins Unendliche.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Ja es wird sogar auch für unrecht gehalten, wenn [Jemand] die zur Frau nimmt, welche durch Adoption [seine] Tochter oder Enkelin zu sein angefangen hat, so sehr, dass eben dasselbe Rechtens bleibt, wenn auch durch Entlassung aus der väterlichen Gewalt das Adoptionsverhältniss aufgelöst worden ist. 1Die Mutter, oder Mutterschwester, oder die vom Sohn erzeugte Enkelin meines Adoptivvaters kann ich nicht zur Frau nehmen, nämlich so lange ich mich in der Familie desselben befinde; sonst, wenn ich von ihm aus der väterlichen Gewalt entlassen sein werde, so verhindert ohne Zweifel nichts die Ehe, weil ich nämlich nach der Entlassung aus der väterlichen Gewalt als Fremder angesehen werde.
Ad Dig. 23,3,42Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 500, Note 1.Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Solche zum Heirathsgut gegebene Sachen, welche nach Gewicht, Zahl, Maas berechnet werden, stehen auf Gefahr des Ehemannes, weil sie zu dem Zwekc gegeben werden, dass der Ehemann über sie nach seinem Gutdünken verfüge (distrahat,) und entweder er selbst, oder sein Erbe einst nach aufgelöster Ehe andere von derselben Gattung und Beschaffenheit zurückerstatten solle.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. dass es an einem früheren Termine zurückgegeben werden solle.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Das Julische Gesetz, welches in Bezug auf das zum Heirathsgut gehörige Grundstück dafür gesorgt hat, dass es der Ehemann nicht [als Pfand] verbindlich machen oder veräussern dürfe, ist mit Ausdehnung (plenius) zu erklären, so dass auch in Bezug auf den Bräutigam dasselbe Rechtens ist, was in Bezug auf den Ehemann [gilt].
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. weil, wenn Etwas aus einer nicht gestatteten Schenkung zurückbehalten wird, man dies entweder als ohne Grund, oder als aus einem unrechtmässigen Grund zurückbehalten ansieht; und aus solchen Gründen pflegt die Condiction zu entstehen.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Wenn die Ehe früher, als der Sclav freigelassen wird, durch Tod oder Scheidung aufgelöst sein wird, so wird die Schenkung wieder aufgehoben; denn es scheint in der Schenkung die Bedingung enthalten zu sein, dass er während der Dauer der Ehe freigelassen werden solle.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. weil der Erfolg der Schenkung in die Zeit fällt, wo sie aufgehört haben, Mann und Ehefrau zu sein;
Gaj. lib. XI. ad Ed provinc. dem Manne stehe jedoch eine analoge Klage zu.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Neulich ist durch die Gnade des Kaisers Antoninus11Nach v. Glück a. a. O. S. 15. ff. Ant. Pius, nach Zimmern Gesch. d. R. Pr. R. B. 1. §. 93. S. 345. und §. 164. S. 509. Marcus Aurel. Anton. ein neuer Grund zu einer [erlaubten] Schenkung [unter Ehegatten] eingeführt worden, welche wir [Schenkung] um einer Ehrenstelle willen nennen, wie z. B., wenn die Ehefrau dem Manne, damit er um das Ehrenkleid mit dem Purpurstreif22Laticlavii petendi gratia, d. h. um die Senatorenwürde; denn die Tunica mit breitem Purpurstreif war Ehrenzeichen der Senatoren. S. v. Glück a. a. O. S. 19. f. nachsuche, oder damit er [Mitglied] des Ritterstandes werde, oder um der Spiele33Welche die mit obrigkeitlichen Aemtern Bekleideten geben mussten. willen [Etwas] schenken sollte.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. der [wegen] hohen Alters, oder Krankheit, oder Kriegsdienstes die Ehe nicht wohl beibehalten werden kann;
Gaj. lib. XI. ad Ed prov. Die Scheidung ist aber entweder von der Verschiedenheit der Gesinnungen [so] benannt worden, oder weil die, welche die Ehe trennen, sich nach verschiedenen Seiten wenden. 1Bei Kündigungen aber, das heisst bei der Aufsagung, sind diese Worte gebräuchlich geworden: du magst deine Sachen für dich behalten, ingleichen diese: du magst deine Sachen mit dir nehmen44Die erstere Formel sprach wohl die Frau zum Manne, die letztere der Mann zur Frau, wie auch die Basil. XXVIII. t. 7. c. 9. Tom. IV. p. 328. andeuten. S. v. Glück a. a. O. XXIII. S. 130. Anm. 61. — Wächter a. a. O. S. 111 ff. will aus einer Handschrift und gestützt auf andere Gründe statt der ersten Formel (tuas res tibi habeto) lesen: tuas res tibi, abeo (du magst deine Sachen für dich behalten, ich gehe weg) und statt der zweiten (tuas res tibi agito) tuas res tibi, ago (du magst deine Sachen mit dir nehmen, ich jage dich fort).. 2Man hat angenommen, dass auch bei der Trennung eines Verlöbnisses eine Aufsagung vorkommen müsse, und dabei sind diese Worte gebräuchlich geworden: ich will die Verbindung mit dir nicht eingehen55Conditione tua non utor. Die Vulg. liest utar.. 3Es macht aber keinen Unterschied, ob er [oder sie]66Ob der Theil, dem die Ehe oder das Verlöbniss aufgekündigt werden soll. gegenwärtig sei und ihm [oder ihr] selbst, oder ob er [oder sie] abwesend sei und ihm [oder ihr] durch den aufgesagt werde, der sich in seiner [oder ihrer] Gewalt befindet, oder in dessen Gewalt er oder sie sich befindet.
Gaj. lib. XI. ad Ed. provinc. Wenn die Frau nach der Scheidung gestorben ist, und der Erbe derselben gegen den Ehemann oder dessen Vater klagen sollte, so scheint eben dasselbe in Bezug auf das Zurückerstatten des Heirathsguts einzutreten, was beobachtet zu werden pflegt, wenn die Frau selbst klagt.
Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Durch unsere Sclaven wird für uns auch ohne unsern Willen fast aus allen möglichen Gründen erworben.