De usu fructu et quemadmodum quis utatur fruatur
(Vom Niessbrauch und auf welche Weise man niessbraucht.)
1Paul. lib. III. ad Vitell. Der Niessbrauch ist ein Recht, fremde Sache zu benutzen und zu gebrauchen, während der Bestand der Sachen unversehrt bleibt.
2Celsus lib. XVIII. Dig. Denn der Niessbrauch ist ein Recht an einem Körper, mit dessen Untergang er selbst nothwendig erlischt.
3Gaj. lib. II. Rer. quotid. vel Aureor. An allen Grundstücken kann vermöge eines Vermächtnisses der Niessbrauch bestellt werden, so dass dem Erben befohlen wird, Jemandem den Niessbrauch zu verabreichen. Unter Verabreichen wird verstanden, wenn er den Vermächtnissinhaber in das Grundstück führt und ihm Gebrauch und Benutzung gestattet. Will Jemand einen Niessbrauch ohne Testament bestellen, so kann er es durch Verträge und Stipulationen thun. 1Der Niessbrauch findet aber nicht blos an Grundstücken und Gebäuden, sondern auch an Sclaven, Zugvieh und andern Sachen Statt. 2Damit jedoch die Eigenheit nicht ganz und gar ohne Nutzen wäre, wenn ihr der Niessbrauch für immer abginge, so hat man angenommen, dass derselbe auf bestimmte Art und Weise erlösche und zur Eigenheit zurückkehre. 3Auf dieselbe Weise aber, wie der Niessbrauch entsteht und endet, pflegt auch der blosse Gebrauch bestellt zu werden und zu enden.
4Ad Dig. 7,1,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 200, Note 3.Paul. lib. II. ad Ed. Der Niessbrauch ist in vielen Fällen dem Eigenthume ähnlich11Pars dominii, s. Glück IX. p. 165 sq., und es ist gewiss, dass er sowohl sogleich, als von einem bestimmten Tage an gegeben werden kann.
5Papin. lib. VII. Quaest. Der Niessbrauch kann sowohl von Anfang an theilweise getrennt22S. Donell. Commentar. Lib. X. C. XV. p. 48. (T. VI. Ed. Nor.) oder ungetrennt bestellt werden, als auch ebenso durch [Ablauf der] gesetzmässigen Zeit verloren gehen, und auf dieselbe Weise durch das Falcidische Gesetz verringert werden. Auch wenn ein Theilnehmer an einem Versprechen gestorben ist, wird die Verpflichtung zum Niessbrauch nach Erbschaftsantheilen getheilt, und wenn zu demselben eine Verpflichtung an einem gemeinschaftlichen Grundstück vorhanden ist, so geschieht die Herausgabe, wenn nur ein Mitgenosse verklagt ist, in Bezug auf dessen Theil.
6Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Der Niessbrauch kann auf mehrfache Weise bestellt werden, wie z. B. durch Vermächtniss. Es kann aber auch die Eigenheit mit Entziehung des Niessbrauchs vermacht werden, so dass der letztere dem Erben verbleibt. 1Der Niessbrauch kann ferner sowohl in Folge der Erbtheilungs- als der Gemeingutstheilungsklage bestellt werden, wenn der Richter dem Einen die Eigenheit, dem Andern den Niessbrauch zugesprochen hat. 2Man kann aber denselben nicht blos durch sich selbst erwerben, sondern auch durch diejenigen Personen, welche unserm Rechte unterworfen sind. 3Es verbietet nichts, wenn mein Sclav als Erbe eingesetzt worden, die Eigenheit mit Entziehung des Niessbrauchs zu vermachen.
7Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Wenn der Niessbrauch vermacht worden ist, so gehört alle Nutzung der Sachen dem Niessbraucher. Der Niessbrauch wird entweder von einer unbeweglichen oder beweglichen Sache vermacht. 1Ist der Niessbrauch an einer unbeweglichen Sache, z. B. an Gebäuden, vermacht worden, so gehören alle Einkünfte daraus dem Niessbraucher, [also] alles, was von den Gebäuden, Höfen und sonstigem Zubehör der Gebäude eingeht. Daher hat man auch angenommen, dass derselbe in den Besitz benachbarter Gebäude wegen drohenden Schadens gesetzt werden könne, und er diese Gebäude mit dem Rechte des Eigenthums besitzen solle, wenn fortwährend Sicherheitsbestellung verweigert wird, auch nach beendigtem Niessbrauch nichts davon verliere. Aus dem [obigen] Grunde, schreibt Labeo, darf auch der Eigenthümer ein Gebäude wider deinen Willen nicht höher bauen, so wenig er, wenn der Niessbrauch an einem Hofraum vermacht worden ist, ein Gebäude darauf setzen darf; diese Ansicht halte ich für richtig. 2Weil also alle Nutzungen der Sache dem [Niessbraucher] zukommen, so wird er auch, wie Celsus schreibt, durch einen Schiedsrichter genöthigt, die Gebäude in Stand zu erhalten. Celsus schreibt im achtzehnten Buche der Digesten: jedoch nur insoweit, dass er sie in Dach und Fach erhält; wenn aber etwas durch Alter einstürzt, so ist keiner von beiden zur Wiederherstellung verbunden33D. h. weder der Eigenheitsherr noch der Niessbraucher., hat sich aber der Erbe44Als Eigenheitsherr, wenn der Niessbrauch durch Vermächtniss entstanden ist. derselben unterzogen, so muss der Niessbraucher ihm den Gebrauch verstatten. Celsus spricht sich daher bei der Frage55Quaerit et respondit glossirt Accursius. über die Grenze der Instandhaltung in Dach und Fach dahin aus, dass er zur Wiederherstellung dessen, was aus Alter eingestürzt sei, nicht gezwungen werde, und ihm daher nur mässige Ausbesserungen obliegen66Ed. Fradin. hat für pertineat schon pertinet, was Taurelli in margine hat., weil er bei vermachtem Niessbrauch auch andere Lasten zu übernehmen hat, wie z. B. Abgaben, Steuern, Grundzins77Die Florentinische Lesart solarium statt salar. ist offenbar besser: s. Glück IX. p. 258. n. 34. oder von der [betreffenden] Sache88Das eo (statt ab ea re) der Florentine hat schon Ed. Fradin. und die Glosse sagt: vel dic: ab eo fundo, quodquidem etiam habent in textu. [letztwillig] bestimmte [zu verabreichende] Alimente; dasselbe schreibt auch Marcell im dreizehnten Buche. 3Cassius schreibt auch im achten Buche seines bürgerlichen Rechts, dass der Niessbraucher vermittelst eines Schiedsrichters zur Wiederherstellung [der Gebäude] ebensowohl gezwungen werde, wie zum Nachpflanzen [ausgegangener] Bäume, und Aristo bemerkt, dass diesem so sei. Auch sagt Neratius im neunten Buche seiner Membranen, der Niessbraucher dürfe nicht an der Wiederherstellung behindert werden, weil er auch nicht am Pflügen oder Bestellen gehindert werden kann; und er dürfe nicht allein die nothwendigen Wiederherstellungen machen, sondern auch die sich auf Vergnügung beziehen, wie Wandbekleidungen, Weissung und ähnliche; Erweiterungen vornehmen und etwas Nützliches wegnehmen kann er aber nicht.
9Idem lib. XVII. ad Sabin. Wenn ferner der Niessbrauch an einem Grundstück vermacht worden ist, so gehört alles, was auf demselben wächst und davon gewonnen werden kann, zur Nutzung desselben, jedoch so, dass die Benutzung nach dem Ermessen eines rechtlichen Mannes geschieht. Denn Celsus schreibt auch im achtzehnten Buche seiner Digesten, dass der [Niessbraucher] zur ordnungsmässigen Bestellung [des Grundstücks] angehalten werden könne. 1Sind Bienen auf dem Grundstück, so gehört ihm auch der Niessbrauch an diesen. 2Sind Steinbrüche darauf, und will er Steine brechen, oder Kreide- oder Sandgruben, so kann er dies alles, wie Sabinus sagt, wie ein guter Wirth gebrauchen; diese Meinung halte ich für richtig. 3Auch99Unser Text hat sed si haec, und bemerkt in der Note sed et si met. male Haloand. Vulg. — Haloander hat aber blos sed si, und die Vulgate sed si et, was ich, der Stellung nach, vorziehe. Metalllager, welche nach der Vermachung des Niessbrauchs entdeckt worden sind, sind, wenn der Niessbrauch am ganzen Grundstück, und nicht blos an einem Theile letztwillig bestellt worden, in dem Vermächtniss enthalten. 4Ad Dig. 7,1,9,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 188, Note 2.Diesem zunächst liegt die Frage, die über den Zuwachs erhoben zu werden pflegt. Hier hat man den Grundsatz angenommen, dass der Niessbrauch von Auschwemmungen auch dem Niessbraucher gehöre. Ist aber in der Nähe des Grundstückes in einem Flusse eine Insel entstanden, so, schreibt Pegasus, gehöre der Niessbrauch von dieser dem Niessbraucher nicht, wenn schon er der Eigenheit anwachse; denn dieselbe sei gleichsam ein eigenes Grundstück, dessen Niessbrauch dir nicht zusteht. Diese Meinung ist nicht ohne Grund; denn wo der Zuwachs unvermerkt geschieht, da wird auch der Niessbrauch vermehrt, erscheint ersterer aber abgesondert, so wächst er dem Niessbraucher nicht zu. 5Ad Dig. 7,1,9,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 184, Note 5.Auch das Einkommen von Vogelheerd und Jagd, sagt Cassius im achten Buche des bürgerlichen Rechts, gehört dem Niessbraucher, daher auch vom Fischfang. 6Auch gehören nach meiner Ansicht die Nutzungen einer Baumschule dem Niessbraucher, jedoch in der Art, dass ihm sowohl der Verkauf als das Zuziehen freisteht. Er muss aber die Baumschule, um den Baumgarten zu bepflanzen, immer in junger Nachzucht erhalten, gleichsam als ein Zubehör des Ackers, um sie nach Endigung des Niessbrauchs dem Eigenthümer zu übergeben. 7Die Nutzung vom Ackergeräthe1010Instrumentum = τὸ τοῦ ἄγρου παραχολούθημα, οἶον δίχελλαι δρέπανα χαὶ τὰ ζξῆς vetus Glossarium apud Brisson. h. v. zu dieser Stelle. muss er auch haben; verkaufen darf er es aber nicht. Denn wenn auch der Niessbrauch an einem Grundstück vermacht worden und ein Wald dabei ist, aus dem der [verstorbene] Hausvater Bauholz zu dem Grundstück, an dem der Niessbrauch vermacht worden, zu beziehen pflegte, oder Weiden, oder Rohr, so kann nach meiner Ansicht der Niessbraucher doch nur insoweit Gebrauch davon machen, dass er nichts davon verkauft, es wäre ihm denn der Niessbrauch an einem Weidenplatze, schlagbarem Walde oder Schilfrohrbruche vermacht worden; dann kann er auch verkaufen. Denn auch Trebatius schreibt, dass der Niessbraucher in einem schlagbaren Walde und Schilfrohrbruche schlagen könne, wie der [verstorbene] Hausvater es zu thun pflegte, aber auch verkaufen, wenn gleich der Hausvater nicht zu verkaufen, sondern ihn selbst zu benutzen pflegte; denn die Ausübung seines Rechts ist auf das Maass, nicht auf die Art und Weise des Gebrauchs zu beziehen.
11Paul. lib. II. epitom. Alfeni Dig. Sind aber die Bäume ganz gross, so darf er sie nicht schlagen.
12Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Von entwurzelten und vom Winde umgeworfenen Bäumen, sagt Labeo, könne der Niessbraucher zu seinem und der Gebäude Bedarf nehmen; er dürfe aber kein Bauholz zum Brennholz nehmen, wenn er sonst Brennholz hat. Diese Ansicht halte ich für richtig, denn sonst würde der Niessbraucher, wenn dieser Unfall den ganzen Wald betroffen hätte, alle Bäume wegnehmen können; doch glaubt derselbe, könne er soviel Bauholz schneiden, als zur Ausbesserung des Landhauses gehört, ebenso wie er, sagt derselbe, Kalk löschen, oder Sand graben, und was sonst für das Gebäude nöthig ist, nehmen dürfe. 1Ein Schiff, woran der Niessbrauch vermacht worden, kann, nach meiner Meinung, auf Reisen ausgesendet werden, wenn auch Gefahr des Schiffbruchs drohet; denn ein Schiff ist zum Schiffen da. 2Der Niessbraucher kann die [betreffende] Sache entweder selbst benutzen, oder einem Andern zur Benutzung abtreten, oder vermiethen, oder verkaufen, denn der Vermiether macht, wie der Verkäufer Gebrauch davon. Auch wenn er bittweise einem Andern [den Niessbrauch] abtritt oder schenkt, macht er nach meiner Ansicht [von der Sache] Gebrauch, und daher wird der Niessbrauch aufrecht erhalten. Dahin haben sich Cassius und Pegasus ausgesprochen, und Pomponius im fünften Buche aus dem Sabinius stimmt dem bei. Ich behalte aber nicht nur den Niessbrauch, wenn ich ihn verpachte, sondern auch wenn ein Anderer, der meine Geschäfte führt, denselben verpachtet hat, wie Julian im 35. Buche berichtet. Wie aber, wenn ich nicht verpachtet habe, sondern während meiner Abwesenheit und ohne mein Wissen Jemand, der meine Geschäfte führt, den Niessbrauch ausübt? Ich behalte den Niessbrauch nichts desto weniger. Pomponius tritt diesem im fünften Buche aus dem Grunde bei, weil ich die Geschäftsführungsklage erlangt habe. 3Daran zweifelt aber Pomponius, ob, wenn ein flüchtiger Sclav, an dem mir der Niessbrauch zusteht, etwas von meinem Vermögen stipulirt, oder durch Uebergabe empfängt, ich dadurch selbst, wie wenn ich den Gebrauch hätte, den Niessbrauch behalte? — Er findet aber die Bejahung zulässiger, denn man behält oft, wenn man auch die Sclaven gerade nicht selbst gegenwärtig im Gebrauch hat, den Niessbrauch dennoch, z. B. wenn ein Sclav krank ist, oder noch Kind, das noch keine Dienste verrichten kann, oder durch Alter erschöpft ist, denn man behält ja auch den Niessbrauch, wenn man einen Acker [nur] bepflügt, wenn schon er so unfruchtbar ist, dass gar nichts wächst. Julian schreibt jedoch im 35. Buche seiner Digesten, dass wenn der flüchtige Sclav auch nichts stipulire, man dennoch den Niessbrauch behalte; denn aus demselben Grunde, sagt er, wie der Eigenheitsherr im Besitz bleibt, wenn der Sclav auch auf der Flucht begriffen ist, behält man den Niessbrauch ebenfalls. 4Derselbe behandelt die Frage, ob, wenn Jemand dessen Besitz erlangt hat, der Niessbrauch auf eben diese Weise, wie der Besitz des Eigenheitsherrn erlischt, verloren gehe? Nun sagt er zwar anfänglich, man könne zugeben, dass der Niessbrauch verloren gehe, dennoch aber, wenn er schon verloren gehe behaupten, dass was der Sclav binnen der bestimmten Zeit aus dem Vermögen des Niessbrauchers stipulirt hat, für den letztern erworben werde1111Tamen dicendum — quod — fructuario acquiri potest; ich weiss nicht aus welchem Grunde das schon von Früheren ganz constructionswidrige, verworfen und in [ ] gesetzte: potest der Florentine in unsern Text wieder aufgenommen worden ist.. Hieraus könne man abnehmen, dass der Niessbrauch nicht einmal, wenn der [Sclav] sich im Besitz eines Andern befindet, verloren gehe, sobald er mir etwas stipulirt, und es sei ziemlich gleich, ob er vom Erben besessen werde, oder von einem Andern, dem die Erbschaft verkauft, oder dem die Eigenheit vermacht worden ist, oder vom Räuber, denn es genüge zur Erhaltung des Niessbrauchs, dass man den Willen habe, ihn zu behalten, und dass der Sclav im Namen des Niessbrauchers etwas verrichte, diese Meinung ist gegründet. 5Ad Dig. 7,1,12,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 186, Note 5.Julian behandelt im 35. Buche seiner Digesten die Frage, wem der Dieb, der reife noch hängende Früchte abgebrochen oder abgeschnitten hat, durch die Condiction hafte, ob dem Eigenthümer des Grundstücks oder dem Niessbraucher? Er glaubt, dass, weil die Früchte dem Niessbraucher nur erst dann zugehörig werden, wenn sie von ihm eingesammelt worden sind, selbst wenn sie ein Anderer vom Boden getrennt hat, dem Eigenheitsherrn vielmehr die Condiction zustehe, dem Niessbraucher aber die Diebstahlsklage, weil ihm daran gelegen war, dass die Früchte nicht entwendet würden. Marcell aber wird dadurch [zur entgegengesetzten Meinung] bewogen, dass wenn der Niessbraucher nachher jene Früchte erlangt haben würde, sie vielleicht sein werden; allein wenn sie sein werden, [sagt er] geschieht diess nicht aus dem einzigen Grunde, dass sie bis dahin dem Eigenheitsherrn gehören? Sobald sie eingesammelt worden, werden sie dem Niessbraucher zugehörig, nach Art einer bedingungsweise vermachten Sache, die einstweilen dem Erben gehört, nach Eintritt der Bedingung aber auf den Vermächtnissinhaber übergeht; es kommt [unterdessen] also die Condiction dem Eigenheitsherrn zu. Ist hingegen1212Hier fängt Ulpians eigene Meinung in Bezug auf obige Ausnahme an, welche sowohl von der des Marcell als des Julian abweicht. Ich bemerke dies, weil die Gegensätze nicht recht scharf hervortreten, die Uebersetzung aber wörtlich treu ist. das Eigenthum noch obschwebend, was Julian selbst [beispielsweise] von einem ungebornen [Sclaven], der an die Stelle eines verstorbenen zu stellen ist, und davon sagt, was ein zum Niessbrauch gehöriger Sclav durch Uebergabe empfangen hat, während der Preis von ihm noch nicht bezahlt, jedoch Bürgschaft gestellt worden ist: so muss man [auch] sagen, dass die Condiction obschwebend sei, und umsomehr das Eigenthum selbst1313Schon die vorige Note sollte eine augenblickliche Erläuterung geben. Ueber den ganzen Paragraphen ist noch zu bemerken, dass Julians Meinung von Ulpian bedingt gebilligt werde, welcher zugleich die des Marcell zu widerlegen sucht. — Die Erklärung der Glosse besonders in Bezug auf den letzten Satz, und den ihm von ihr beigelegten Sinn ist ganz verfehlt. Zu bewundern ist übrigens, dass kein einziger Commentator ein Wort über den letzten Satz sagt, selbst nicht Hugo Donell, dem es doch so sehr nahe lag, da er sogar von in pendenti sein spricht..
13Idem XVIII. ad Sabin. Wenn der Niessbrauch an einer Sache vermacht worden ist, so kann der Eigenthümer verlangen, dass ihm vermöge richterlicher Amtspflicht Bürgschaft wegen der Sache bestellt werde; denn ebensowohl als dem Niessbraucher Gebrauch und Genuss freistehen muss, muss auch der Eigenheitsherr wegen der Eigenheit gesichert sein. Dies, sagt Julian im 38. Buche seiner Digesten, bezieht sich auf alle [Arten des] Niessbrauchs. Ist ein Niessbrauch vermacht worden, so darf dem Niessbraucher keine Klage eher gegeben werden, als er Bürgschaft bestellt hat, dass er Gebrauch und Benutzung nach dem Ermessen eines redlichen Mannes ausüben wolle; sind es Mehrere, denen auferlegt worden, einen Niessbrauch zu verstatten, so muss jedem Einzelnen Bürgschaft geleistet werden. 1Wenn also wegen Niessbrauchs Klage erhoben wird, so wird nicht blos darauf Rücksicht genommen, was schon geschehen ist, sondern auch auf die Art und Weise [der Ausübung] des Niessbrauchs für die Zukunft. 2Ad Dig. 7,1,13,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 455, Noten 8, 9.Wegen schon vorher verübten Schadens haftet der Niessbraucher auch durch die Aquilische Klage und das Interdict: Was mit Gewalt oder heimlich, wie Julian sagt; denn es ist ausgemacht, dass auch der Niessbraucher mit diesen Klagen, sowie mit der wegen Diebstahls, gehalten werde, so gut wie jeder Andere, der an einer fremden Sache etwas dergleichen verübt hat. Auf die Frage aber, wozu es nöthig gewesen, dass der Prätor eine Klage versprochen habe, da doch die Aquilische Statt finde, antwortete er: weil es Fälle gibt, in denen jene wegfällt, so wird ein Richter bestellt, dessen Ermessen der Niessbrauch1414Ut ejus arbitratus utatur; Ed. Fradin. setzt hiezu fruatur. Dies halte ich mit Rücksicht auf die vorherigen §§. für richtiger; Russardus und Baudoza haben diese Lesart als Variante. unterliegt; denn wer einen Acker nicht pflügt, Weinstöcke nicht nachpflanzt, und Wasserleitungen verderben lässt, der haftet nicht nach dem Aquilischen Gesetz. Dasselbe gilt vom Gebraucher. 3Entsteht aber zwischen zwei Niessbrauchern Streit, so schreibt Julian im 38. Buche seiner Digesten, sei es am angemessensten, gleichsam eine Gemeingutstheilungsklage zu ertheilen, oder dass sie sich einander durch eine Stipulation über die Art des Niessbrauchs Sicherheit leisten. Denn warum sagt Julian, soll der Prätor es zu Zank und Gewaltthätigkeit zwischen ihnen kommen lassen, wo er mit seiner Gerichtsbarkeit einschreiten kann? Dieser Ansicht tritt auch Celsus im 20. Buche seiner Digesten bei, und ich halte sie für richtig. 4Der Niessbraucher darf die Sache, woran er den Niessbrauch hat, nicht verschlechtern; verbessern aber kann er sie. Der Niessbrauch wird entweder an einem Grundstück, oder an einer andern Sache vermacht1515Et aut fundi usfr. legatus et non debet etc. Es scheint mir hier mit Bestimmtheit behauptet werden zu können, dass eine Lücke in unserm Text, der her ganz der Florentine folge, vorhanden sei; denn wo bleibt der Gegensatz zu aut? — Haloander hat sich damit geholfen, dass er Ita si fundi etc. liest und das folgende et streicht. Ich sehe aber keinen Grund, warum man nicht die Lesart der Vulgate nehmen sollte, die hinter legatus fortfährt: aut alterius rei; etsi quidem fundi usfr. leg. est, non debet etc. Die Glosse des Accursius gibt sogar an, die litera Pisana laute überinstimmend hinter: alterius rei: et si quidem fundi usfr. est legatus, non debet etc. und setzt hinzu: et abundat hic postea ea una negatio. Da nun Accursius offenbar hier die Florentine vor Augen hat (s. Haloander’s Vorrede zu s. Ausgabe und Brencmann, Histor. Pand. p. 197.) Demungeachtet aber zwischen Taurelli, Russardus und Gebauer bollständige Uebereinstimmung herrscht, so ist zwar ein Irrthum des Glossators wahrscheinlich; allein ich bemerke hier noch, wie vielleicht nur eine Nachlässigkeit des Abschreibers des Florentinischen Manuscripts (denique fas est sagt Brencmann l. l. p. 144. in longo opere somnum alicui obrepere) die Auslassung der fehlenden Worte verschuldet, die nach dem Fac simile bei Brencmann ad pag. 155. gerade die Buchstaben zu zwei Zeilen ausmachen. Die Lesart der Vulgate für ein Glossema zu halten, wäre fast undenkbar.. Ist er an einem Grundstück vermacht worden, so darf er weder Fruchtbäume wegschlagen, noch Gebäude einreissen, noch sonst etwas zum Nachtheil der Eigenheit vornehmen. Ist es ein Gut zum Vergnügen1616Ueber die Lesart brauche ich hier blos auf die Göttinger C. J.-Ausgabe zu verweisen; der Sinn ist klar. welches Rasenplätze, Blumenbeete und mit Bäumen, die keine Früchte tragen, dichtbeschattete angeneme Spaziergänge hat, so darf er diese nicht herauswerfen, um Küchengärten daraus zu machen, oder sonst etwas Anderes, was etwas einbringen würde. 5Daher entstand auch die Frage, ob der [Niessbraucher] selbst Stein oder Kalkbrüche, oder Sandgruben anlegen dürfe? Ich glaube, dass er es kann, sobald er nicht zu diesem Behuf einen [für die Früchte] nothwendigen Theil des Ackers einnimmt. Er kann daher auch Lager von Steinen und Metallen aufsuchen, mithin Gold-, Silber-, Schwefel-, Erz-, Eisen- und sonstige [Metall-] Gruben entweder bearbeiten lassen, wenn sie der Familienvater schon angelegt hat, oder selbst anlegen, wenn er dem Ackerbau keinen Schaden thut. Sollte durch diese Anlage ein grösserer Gewinn gezogen werden als [etwa] von Weinbergen, Baum- oder Oelbaumgärten, so kann er auch diese allenfalls ausrotten, wenn ihm nämlich Verbesserung des Grundstücks erlaubt wird. 6Wenn aber die Anlagen des Niessbrauchers entweder den Luftraum des Grundstücks beengen, oder grosse Vorrichtungen erfordern, z. B. von Arbeitsleuten oder Bergleuten1717S. Glück IX. p. 245. n. 90. Die Glosse interpretirt: qui margaritas in arena colligunt. Man vergleiche Sammet opuscula p. 231. und der Eigenheitsherr es nicht erhalten kann, so kann nicht angenommen werden, als betreibe er die Benutzung nach dem Ermessen eines redlichen Mannes; auch darf er kein Gebäude auf dem Grundstück erbauen, wenn es nicht zum Einsammeln der Früchte nothwendig ist. 7Ist aber der Niessbrauch an Gebäuden vermacht worden, so sagt Nerva der Sohn, könne er Fenster einsetzen, auch Farbe, Malerei, Marmor und Bilderwerk anbringen, und was sonst zur Verzierung des Hauses gehört. Aber er darf weder Zimmer umändern, oder in Verbindung setzen oder trennen, noch Thüren am Eingang oder Hinterthüren verändern, noch unterirdische Gänge anlegen, noch den Vorsaal verändern, noch Lustgärten auf andere Weise einrichten; er darf nur das, was er vorfindet, in Stand setzen, ohne die Beschaffenheit der Gebäude zu verändern. Nerva sagt auch, dass derjenige, dem ein Niessbrauch an Gebäuden vermacht worden ist, nicht höher bauen dürfe, wenn gleich die Fenster nicht verdunkelt werden, weil die Veränderung mehr das Dach trifft; dasselbe schreibt Labeo auch vom Eigenheitsherrn. Ebenso wenig, sagt Nerva, dürfe derselbe vorbauen. 8Auch darf der Niessbraucher, wenn der Niessbrauch an einem Hause vermacht worden ist, keine Wirthshäuser anlegen, oder das Haus durch Stockwerke theilen; vermiethen hingegen kann er, allein er muss es dann als Haus vermiethen, und es darf nicht [etwa] ein Bad darin angelegt werden. Wenn er aber sagt, man dürfe keine Wirthshäuser anlegen, so sind darunter sogenannte Herbergen oder Werkstätten zu verstehen. Ich glaube auch, dass, wenn sich in dem innersten Theile des Hauses, oder zwischen schönen Gemächern ein Bad befindet, welches zum Gebrauch des Eigenthümers zu dienen pflegte, [der Niessbraucher] nicht rechtlich und dem Ermessen eines redlichen Mannes zuwider handeln würde, wenn er anfinge, dasselbe zu vermiethen, so dass es zum allgemeinen Gebrauch offen stehen sollte; denn dies wäre ebenso, als wenn er das Haus als Viehstall, oder einen Stall d. h. ein für das Zugvieh und Fuhrwerk bestimmtes Gebäude zu einer Stampfmühle vermiethete,
15Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Hat aber [der Niessbraucher auf dem Grundstück] etwas erbauet, so darf er es nachher weder wieder hinwegnehmen, noch abreissen; was aber [späterhin] wieder losgerissen wird, kann er zurückfordern. 1Auch der an Sclaven vermachte Niessbrauch, darf nicht gemissbraucht, sondern dieselben müssen dazu, wozu sie bestimmt sind, gebraucht werden. Denn wer [z. B.] einen Bücherschreiber über Land schickt, und ihn zwingt, eine Kelterbutte oder Kalk zu tragen, einen Schauspieler zum Bader macht, oder einen Musiker zum Hauswärter, oder einem Fechter die Ausräumung von Mistgruben zu besorgen aufträgt, der wird so angesehen, als missbrauche er die Eigenheit. 2Er muss dieselben auch nach Rang und Würde ernähren und kleiden. 3Im Allgemeinen, sagt Labeo, müsse [der Niessbraucher] bei allen beweglichen Sachen Maass halten, dass er sie nicht durch Hitze oder Jähzorn verderbe; denn sonst könne er auch mit der Aquilischen Klage belangt werden. 4Ad Dig. 7,1,15,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 206, Note 6.Ist der Niessbrauch an Kleidern vermacht worden, aber nicht so, wie derselbe an einer Quantität vermacht wird, so muss der Niessbraucher dieselben dergestalt gebrauchen, dass kein Missbrauch damit getrieben wird; vermiethen darf er sie aber nicht, weil ein guter Wirth einen solchen Gebrauch nicht davon machen würde. 5Ist daher der Niessbrauch an theatralischen Kleidern vermacht worden, oder an Tapeten, oder sonstigem [Theater-] Zubehör, so dürfen diese nirgends anders als auf der Bühne gebraucht werden. Aber ob man sie auch vermiethen dürfe? ist die Frage. Ich glaube wohl, dass der Niessbraucher sowohl Theatergarderobe als Trauerkleider vermiethen dürfe, selbst wenn der Erblasser sie nur zu verborgen und nicht zu vermiethen pflegte. 6Der Eigenheitsherr darf den Niessbraucher am Gebrauch nicht hindern, wenn derselbe so geschieht, dass er die Lage der [Sache] nicht verschlechtert. In einigen Fällen kann allerdings Zweifel darüber entstehen, ob, wenn derselbe den Gebrauch verhindert, er darin rechtlich handele, z. B. an Fässern1818Hier ist nämlich der Gebrauch der Alten zu bemerken, auf ihrem Grundstücke grosse Gefässe einzugraben. Es wird also die Zusammenstellung in der obigen Frage nicht befremden., wenn der Niessbrauch an einem Grundstück vermacht worden ist. Einige glauben, dass wenn sie auch in die Erde eingegraben seien, dennoch ihr Gebrauch untersagt werden könne; derselben Meinung sind sie in Ansehung von Gefässen, Weinzubern, Weinfässern und Krügen, so wie der Fensterscheiben, wenn der Niessbrauch an einem Hause vermacht worden ist. Ich glaube aber, dass, wenn es nicht dem Willen [des Erblassers] zuwider sei, [im Niessbrauch] eines Grundstücks oder Hauses auch aller Zubehör inbegriffen werde. 7Der Eigenheitsherr darf [hingegen] dem Grundstück weder eine Dienstbarkeit auferlegen, noch eine [bestehende] aufhören lassen. Allerdings aber kann er, sagt Julian, eine Dienstbarkeit, auch wider den Willen des Niessbrauchers, erwerben. Diesem gemäss kann der Niessbraucher für das Grundstück zwar keine Dienstbarkeit erwerben, wohl aber erhalten, und wenn solche durch unterlassene Ausübung des Niessbrauchers verloren gegangen sind, so haftet er auch hierfür. Der Eigenheitsherr kann sogar nicht einmal1919Wer lesen will, welche Schwierigkeiten die grössten Civilisten aller Zeiten in diesem Gesetz gefunden haben, sehe Glück IX. p. 42. ssq. mit Einwilligung des Niessbrauchers [dem Grundstück] eine Dienstbarkeit auferlegen,
17Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Einen Ort zum Begräbniss zu machen, steht ihm mit Einwilligung des Niessbrauchers frei; und dies ist, als zu Ehren der Religion, wahr. Zuweilen darf aber auch der Eigenheitsherr allein einen Ort zum Begräbnissplatz machen, z. B. wenn er den Testator [selbst] dahin beisetzen will, dafern sonst kein so gelegener Ort dazu vorhanden ist. 1In Folge des Grundsatzes, dass der Eigenheitsherr dem Niessbraucher keinen Eintrag thun dürfe, wird zuweilen die Frage erhoben, ob der Eigenthümer einen Sclaven [an dem der Niessbrauch bestellt worden] bestrafen könne? Aristo bemerkt bei Cassius, er habe ein vollkommenes Recht dazu, sobald er es ohne böse Absicht thue, wenn schon der Niessbraucher den Sclaven weder durch ungewohnte und verkehrte Arbeit zu seiner [erlernten] Kunst unfähig machen, noch durch Wunden entstellen darf. 2Der Eigenheitsherr kann aber den Sclaven an Schädens Statt ausliefern, sobald er es nicht aus Arglist thut, weil diese Auslieferung [an sich] die Aufhebung des Niessbrauchs so wenig zur rechtlichen Folge hat, als die Ersitzung der Eigenheit, wenn sie nach der Bestellung des Niessbrauchs eintritt. Allerdings aber wird die Verfolgung des Niessbrauchs dem [Niessbraucher] dann versagt, wenn er demjenigen, dem an Schädens Statt ausgeliefert worden, die Schätzung des Streitgegenstandes nicht anbietet. 3Wenn Jemand einen Sclaven getödtet hat, so habe ich nie gezweifelt, dass dem Niessbraucher eine der Aquilischen analoge Klage ertheilt werden müsse.
19Pompon. lib. V. ad Sabin. Proculus sagt, es könne ein Gebäude in der Art, dass ihm eine Dienstbarkeit zu Gunsten eines andern Erbschaftsgebäudes obliegen solle, auf folgende Weise vermacht werden: wenn Jener2020Nämlich der gemeinte Vermächtnisinhaber. meinem Erben verspricht, dass er die Gebäude nicht höher aufführen wolle, so gebe und vermache ich ihm an denselben Gebäuden den Niessbrauch; oder so; ich gebe und vermache ihm den Niessbrauch an den Gebäuden, so lange sie nicht höher als sie jetzt sind, aufgebauet werden. 1Wenn der Eigenthümer Bäume, welche vom Winde umgeworfen worden, nicht wegräumt, und dadurch der Niessbrauch oder der Weg unbequemer wird, so kann der Niessbraucher seine Klagen wider ihn anstellen.
20Ulp. lib. VIII. ad Sabin. Wenn Jemand ein Vermächtniss so gefasst hat, die jährlichen Nutzungen des Cornelianischen Grundstücks gebe und vermache ich dem Cajus Mäyius, so muss dieser Ausdruck so verstanden werden, wie wenn der Niessbrauch am Grundstück bestellt worden wäre.
21Idem lib. XVII. ad Sabin. Wenn der Niessbrauch an einem Sclaven bestellt worden ist, so gehört alles, was er durch seine Arbeit oder von dem Vermögen des Niessbrauchers erwirbt, dem Letzteren, mag er [blos] stipulirt haben, oder ihm [bereits] der Besitz übergeben worden sein. Ist er aber zum Erben eingesetzt worden, oder hat er ein Vermächtniss erhalten, so unterscheidet Labeo, wessen2121Nämlich ob des Niessbrauchers oder des Eigenheitsherrn wegen. wegen er zum Erben eingesetzt worden, oder das Vermächtniss erhalten hat.
22Idem lib. XVIII. ad Sabin. Auch wenn einem Sclaven, an dem einem Andern der Niessbrauch zusteht, etwas geschenkt wird, fragt es sich, was geschehen müsse. In allen den Fällen, wo ihm etwas in Rücksicht des Niessbrauch hinterlassen oder geschenkt worden ist, erwirbt er es für diesen, wenn aber in Rücksicht des Eigenheitsherrn, für den Letzteren; wenn aber des Sclaven selbst wegen, für den Herrn. Auch macht man keinen Unterschied, woher der, welcher geschenkt oder hinterlassen hat, denselben kennt, und aus welchem Grunde er es gethan hat. Auch wenn der Niessbrauchssclav der Erfüllung einer Bedingung wegen etwas erlangt, und es feststeht, dass diese Bedingung in Rücksicht des Niessbrauchers gestellt worden sei, so geschieht die Erwerbung für diesen; dasselbe gilt bei Schenkungen auf den Todesfall.
23Idem lib. XVII. ad Sabin. Ebensowohl er aber für den Niessbraucher durch Stipulation erwirbt, erwirbt er, schreibt Julian im dreissigsten Buche seiner Digesten, aus Verträgen für denselben auch Einreden. Derselbe [sagt], auch wenn er etwas als empfangen anzunehmen gebeten hat, bewirkt er für ihn Befreiung. 1Wenn wir gesagt haben, dass, was durch [des Sclaven] Arbeit gewonnen wird, dem Niessbraucher gehöre, so ist zu wissen, dass derselbe auch zur Arbeit gezwungen werden könne. Auch kommt, sagt Sabinus und Cassius im achten Buche seines bürgerlichen Rechts, dem Niessbraucher [das Recht] eine[r] mässige[n] Züchtigung zu; peinigen und peitschen darf er ihn nicht.
24Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn Jemand in der Absicht, dem Niessbraucher ein Geschenk zu machen, einem Sclaven, an dem derselbe den Niessbrauch hat, auf dessen vorherige Stipulation, etwas versprochen hat, so wird er dem Niessbraucher selbst verbindlich, weil es gebräuchlich ist, dass ihm ein solcher Sclav stipuliren kann.
25Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Es wird aber auch dasjenige, was Jemand für sich oder um es dem Niessbrauchssclaven Stichus zu schenken in der Absicht stipulirt, es dem Niessbraucher zukommen zu lassen, für den Niessbraucher erworben, sobald es an den [Sclaven]2222Glosse. entrichtet wird. 1Zuweilen bleibt es obschwebend, für wen der Niessbrauchssclav erwirbt; denn wenn [z. B.] [der Erblasser] einen Sclaven gekauft hat und ihm derselbe übergeben worden, er aber den Preis noch nicht bezahlt, sondern deshalb blos Bürgschaft bestellt hat, so fragt es sich, wem er unterdessen gehöre? Julian schreibt im 35. Buche seiner Digesten, das Eigenthum an demselben bleibe obschwebend, und die Zahlung des Preises werde ergeben, wem er gehöre; denn geschehe dieselbe aus den Mitteln des Niessbrauchers, so habe er nun auch diesem schon von früher angehört. Derselbe Fall ist dann vorhanden, wenn etwa der Sclav selbst die Zahlung des Geldes stipulirt hat; dann wird die Zahlung ausweisen, für wen die Stipulation eingegangen worden ist. Hieraus erhellt also, dass das Eigenthum so lange obschwebend bleibe, bis der Preis bezahlt wird. Wie aber wenn der Preis erst nach geschehenem Verluste des Niessbrauchs entrichtet wird? Julian schreibt nun zwar im 35. Buche der Digesten, es komme auch hier noch darauf an, von wem der Preis gezahlt worden sei; Marcell und Maurician aber sind der Ansicht, dass nach dem Verlust des Niessbrauchs das Eigenthum sofort dem Eigenheitsherrn erworben werde; Julians Ansicht entspricht aber dem Billigkeitsgefühl mehr. Ist der Preis aus den Mitteln beider bezahlt worden, so schreibt Julian, gehöre auch beiden das Eigenthum, nämlich jedem nach dem Antheil der geleisteten Zahlung. Wie aber, wenn [d]er [Sclav] aus beider Mitteln zugleich Zahlung geleistet, z. B. also 10,000 [Sestertien] als Preis schuldig war, und diese Summe aus dem Vermögen jedes Einzelnen gezahlt hat, wem erwirbt er dann [die gekaufte Sache]? Hat er baare Bezahlung geleistet, so kommt es darauf an, wessen Geldstücke er zuerst gezahlt hat; die nachher gezahlten kann er entweder eigenthümlich zurückfordern, oder wenn die Geldstücke selbst verausgabt worden, so sind sie Gegenstand einer Condiction; hat er aber [beide] Zahlungen zugleich in einem Sacke geleistet, so macht er dadurch nichts dem Empfänger zu eigen, und darum wird auch von keinem angenommen, dass er das Eigenthum erworben habe, weil wenn der Sclav einen grösseren Preis bezahlt hat, er die Geldstücke nicht auf den Empfänger überträgt. 2Wenn sich ein solcher Sclav zu Handarbeiten vermiethet, und dagegen sich eine gewisse Summe alljährlich stipulirt, so wird zwar die Stipulation während der Jahre der Dauer des Niessbrauchs für den Niessbraucher erworben, die der folgenden aber geht, [obschon] bereits für den Niessbraucher erworben, auf den Eigenheitsherrn über, wiewohl eine bereits für Jemanden erworbene Stipulation auf keinen Andern überzugehen pflegt, als auf den Erben oder den Adrogator. Wenn daher der Niessbrauch auf einzelne Jahre vermacht worden ist, und der Sclav sich zu Handarbeiten vermiethet, und so, wie oben gesagt worden, stipulirt hat, und dann der Niessbrauch durch Standesrechtsveränderung verloren gegangen, bald darauf [im folgenden Jahre] aber wieder gewährt worden ist, so wechselt auch die Stipulation hin und her, und kehrt vom Erben, an den sie übergegangen war, zum Niessbraucher zurück2323Zum Verständniss dieser Gesetzstelle muss man die Verordnung in l. 1. §. 3. D. quib. mod. am. usfr. vor Augen haben: dass nämlich d. St. R. Veränderung, wenn der Niessbrauch auf einzelne Jahre, Monate oder Tage bestellt worden ist, nur den für das laufende Jahr, Monat oder Tag bereits begonnenen aufhebt.. 3Es ist die Frage ob dasjenige, was für den Niessbraucher nicht erworben werden kann, für den Eigenheitsherrn erworben werde? Julian schreibt im 35. Buche seiner Digesten, dass, was für den Niessbraucher nicht erworben werden kann, dem Eigenheitsherrn zukomme. Er schreibt auch, dass derjenige [Sclav], welcher namentlich für den letztern oder auf dessen Befehl aus dem Vermögen des erstern etwas stipulirt, es für selbigen erwerbe; wenn er hingegen umgekehrt für den Niessbraucher nicht aus dessen Vermögen, noch durch seine Handarbeit stipulirt, so ist die Handlung ungültig. 4Wenn ein Niessbrauchssclav den an ihm [selbst bestellten] Niessbrauch [vom Niessbraucher] entweder ohne zu sagen für wen, oder namentlich für den Eigenheitsherrn stipulirt, so erwirbt er denselben für diesen, nach Art des gemeinschaftlichen Sclaven, der wenn er dem einen seiner beiden Herrn eine demselben gehörige Sache stipulirt, ungültig handelt, weil die Stipulation einer eigenen Sache ungültig ist, wenn aber für den andern, sie diesem ganz allein erwirbt. 5Derselbe Julian schreibt in demselben Buche: wenn der Niessbraucher dem Sclaven seine eigenen Handarbeiten vermiethet, so ist diess ungültig; denn auch wenn er aus meinem2424Der hier in der ersten Person (mir — meinem —) Redende ist der Eigenheitsherr. Vermögen, fährt er fort, von mir stipulirt hat, so gilt dies so wenig, wie ein fremder Sclav, der mir im guten Glauben dient, wenn er dies thut, für seinen Herrn etwas erwirbt. Auf eben diese Weise, sagt er, verpflichtet mich derselbe auch dann nicht einmal, wenn er meine Sache von mir dem Niessbraucher miethet. Ueberhaupt stellt er die Regel auf: in allen den Fällen, wo Jemand dadurch, dass er von einem Andern stipulirt, es mir erwirbt, handelt er ungültig, sobald er von mir stipulirt, wenn er nicht etwa, setzt er hinzu, namentlich für seinen Herrn von mir stipulirt oder pachtet. 6Nimmt man an, dass zwei Niessbraucher da seien, und der Sclav aus dem Vermögen des einen stipulirt habe, so fragt es sich, ob [dem andern] dies ganz, oder nur zu dem Antheil, wieweit er den Niessbrauch hat, erworben werde; diese Frage findet sich auch in Ansehung zweier Besitzer im guten Glauben beim Scävola im zweiten Buche dessen Quästionen behandelt. Er sagt, man habe allgemein angenommen, wie dies auch die Vernunft erheische, dass, wenn aus dem Vermögen des einen stipulirt worden sei, dem [andern] nur ein Theil erworben werde, der andere für den Eigenthümer; wenn aber mit namentlicher Erwähnung [des andern, für diesen] stipulirt worden sei, so unterliege es keinem Zweifel, dass in diesem Fall die Erwerbung für denselben ganz geschehe; dasselbe sagt er, [finde auch Statt], wenn auf dessen Befehl stipulirt worden ist, weil man dem Befehl dieselbe Wirkung, wie der namentlichen Erwähnung zuschreibt. Dasselbe gilt nun auch von den Niessbrauchern, so dass in dem Fall, wo dem Niessbraucher nicht das Ganze erworben wird, [der übrige Theil] dem Eigenheitsherrn zufällt, indem, wie gezeigt worden, demselben auch aus dem Vermögen des Niessbrauchers etwas erworben werden kann. 7Wenn wir gesagt haben, dass [ein Sclav] aus dem Vermögen des Niessbrauchers oder durch seine Handarbeit etwas erwerben könne, so ist hier noch zu berücksichtigen, ob dies blos dann Statt finde, wenn der Niessbrauch durch ein Vermächtniss bestellt worden, oder auch wenn durch Uebergabe, Stipulation, oder auf irgend eine andere Weise. Hier ist die richtige Meinung die des Pegasus, der sich auch Julian im 16. Buche anschliesst, dass in allen Fällen die Erwerbung für den Niessbraucher geschehe.
26Paul. lib. III. ad Sabin. Wenn ein Niessbrauchssclav sich zu Handarbeiten vermiethet hat, und der Niessbrauch vor Ablauf der Miethzeit zu Ende geht, so gehört der Ueberschuss dem Eigenheitsherrn. Auch wenn er von Anfang an eine bestimmte Summe für bestimmte Handarbeiten stipulirt hat, und der [Niessbraucher] eine Standesrechtsveränderung erlitten hat, findet dasselbe Statt.
27Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Wenn ein Testator bereits reife noch hängende Früchte hinterlassen hat, so wird dieselben der Niessbraucher bekommen, wenn er zu dem Zeitpunct, wo das Vermächtniss in Wirksamkeit tritt, sie noch hängend vorgefunden hat; denn die hängenden2525Stantes; s. Glück IX. p. 198. n. 69. Früchte gehören dem Niessbraucher. 1Wenn der [verstorbene] Eigenthümer Buden zu seinen Waaren oder zum Handel zu gebrauchen pflegte, so darf der Niessbraucher sie auch zu andern Waaren vermiethen, und es ist blos darauf Acht zu haben, dass der Niessbraucher keinen Missbrauch damit treibe, oder einen ehrlosen und schändlichen Gebrauch davon mache. 2Ist der Niessbrauch an einen Sclaven vermacht worden, den der Testator noch zu keinem bestimmten Gebrauch bestimmt hatte, so kann der Niessbraucher, wenn er ihn in Wissenschaften oder in einer Kunst hat unterrichten lassen, von diesen Eigenschaften Gebrauch machen. 3Ist eine Verpflichtung zu einem Beitrag zu den Kosten der Erhaltung und Reinigung einer Cloake vorhanden, oder der einer Wasserleitung, die über das Grundstück geht, so gehört dies zu den Lasten des Niessbrauchers; auch was zur Erhaltung der Wege [vom Grundbesitzer entrichtet werden muss] muss nach meinem Dafürhalten der Niessbraucher übernehmen. Daher fallen Lasten, wie Fouragelieferungen für durchmarschirende Truppen, und was an Municipalgemeinden [zu entrichten ist] — denn zuweilen machen sich [Grund-]Besitzer gegen Municipalgemeinden verbindlich, einen gewissen Theil von Früchten zu einem niedrigen Preise zu liefern, und dem Fiscus Steuern2626S. Glück IX. p. 259. n. 35. zu erlegen — ebenfalls dem Niessbraucher zu. 4Ist dem Grundstück eine Dienstbarkeit auferlegt worden, so muss sie der Niessbraucher sich gefallen lassen; auch glaube ich, dass dasselbe Statt habe, wenn zu einer solchen durch Stipulation eine Verpflichtung vorhanden ist. 5Muss aber der Niessbraucher, wenn ein Sclav [unter der Bedingung] gekauft worden ist, dass er bei Strafe sich nicht an gewissen [Orten] betreten lasse, dies auch beobachten? Ich glaube, ja; denn sonst übt er den Niessbrauch nicht als ein rechtlicher Mann.
29Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Dass der Niessbrauch an einem Nachlass bestellt werden könne, sobald der nicht den Betrag von drei Viertheilen [des Ganzen] übersteigt, schreibt Celsus im 32. Buche seiner Digesten, und Julian im 61., und dies ist richtig.
30Ad Dig. 7,1,30Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 169, Note 6.Paul. lib. III. ad Sabin. Wenn Jemand, der zwei Gebäude hat, an dem einen den Niessbrauch vermacht hat, so kann der Erbe, schreibt Marcell, dadurch, dass er das andere höher bauet, [des ersteren] Fenster verdunkeln, weil man auch in verdunkelten Gebäuden wohnen kann. Dies ist jedoch insoweit zu ermässigen, dass das Gebäude nicht ganz verdunkelt werde, sondern noch ein mässiges Licht, was für die Bewohner hinreicht, behält.
32Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn Jemand sein einziges Gebäude oder ein Grundstück [einem Andern] übergibt, so kann er sich daran persönliche, aber keine dingliche Dienstbarkeiten vorbehalten, wie z. B. Gebrauch and Niessbrauch. Auch gilt der Vorbehalt der Weide und Bewohnung, indem aus vielen Ländereien durch die Weide Nutzung gezogen wird. Durch den Vorbehalt der Bewohnung, mag auf bestimmte Zeit oder bis zum Tode des Vorbehaltenden, wird der Gebrauch als vorbehalten angesehen.
33Papinian. lib. XVII. Quaest. Wenn dem Titius die Nutzung und dem Mävius die Eigenheit vermacht worden ist, und Titius noch bei Lebzeiten des Testators mit Tode abgeht, so verbleibt dem eingesetzten Erben gar nichts; diesem trat auch Neratius bei. 1Der Niessbrauch hat zuweilen nicht die Wirkung, die ein Theil der Eigenheit2828Partis effectum. Haloander hat proprietatis, sowie auch Ed. Fradin. von 1527, Baudoza und ein Codes Erlangensis (Glück IX. p. 286. n. 47.) die Lesart partis bestätigen, hingegen die Basiliken: οὐκ ἔοικεν η χρῆσις μέρει, und setzen nur noch hinzu: τὴς δεσποτείας Nach der Erklärung des Contius, dass unter partis: proprietatis zu verstehen sei, kann man sich über die Lesart füglich beruhigen (s. d. Gött. C. J.-Ausgabe). Es ist also nun zu verstehen, wie wenn geschrieben stände: partis proprietatis. hat; denn wenn auf einen Antheil an einem Grundstück oder der Benutzung Klage erhoben, nachher aber, wenn hier Lossprechung [des Beklagten] erfolgt ist, ein anderer, durch Zuwachs angefallener, Theil in Anspruch genommen wird, so steht zwar, schreibt Julian, die Einrede der entschiedenen Sache, wenn die Eigenheit Gegenstand des Processes ist, [dem Kläger] entgegen, nicht aber, wenn er die Nutzung betrifft, weil der Antheil an einem Grundstück [selbst], wie eine Anschwemmung dem [andern] Antheil, die Nutzung aber der Person durch Zuwachs anfällt.
34Julian. lib. XXXV. Dig. Sobald der Niessbrauch Zweien so vermacht wird, dass sie denselben abwechselnd ein Jahr um das andere haben sollen, so kann man zwar, wenn er mit diesen Worten vermacht worden ist: dem Titius und Mävius, sagen, dass dem titius das Vermächtniss zuerst gegeben worden sei, und nachher dem Mävius; waren aber beide desselben Namens, und [das Vermächtniss] so ausgedrückt: den beiden Titius gebe ich den Niessbrauch ein Jahr um das andere, so werden sich beide im Wege stehen, wenn sie sich nicht einigen, wer von beiden den Anfang machen soll. Hat Titius in dem Jahre, wo die Benutzung an ihm war, die Eigenheit erhalten, so fällt für ihn unterdessen das Vermächtniss weg, aber der Niessbrauch gehört dem Mävius ein Jahr um das andere; veräussert Titius die Eigenheit, so bekommt er den Niessbrauch wieder, weil, auch wenn mir der Niessbrauch unter einer Bedingung vermacht worden ist, und ich unterdessen die Eigenheit vom Erben erhalten, dieselbe aber während die Bedingung noch obschwebte, [wieder] veräussert habe, ich doch zum Vermächtniss gelassen werde. 1Wenn du deinem Pächter den Niessbrauch an dem Grundstück vermacht hast, so kann er den Niessbrauch in Anspruch nehmen, gegen deinen Erben aber die Miethsklage erheben, und [dadurch] erlangen, dass er keinen Miethzins zu bezahlen braucht, und die auf die Cultur verwendeten Kosten ersetzt erhält. 2Ob der Niessbrauch an einem ganzen Nachlass oder an einzelnen Sachen vermacht worden ist, ist, glaube ich, insofern von Interesse, dass [z. B.] auf den an einem Hause insbesondere vermachten Niessbrauch, wenn dasselbe abgebrannt ist, kein Anspruch [weiter] erhoben werden kann; ist hingegen der Niessbrauch an einem ganzen Nachlass bestellt worden, so kann der Niessbrauch [noch] an dem Platze in Anspruch genommen werden, weil derjenige, welcher den Niessbrauch an seinem Nachlass vermacht, denselben nicht blos an bestimmten Gegenständen, sondern an einem ganzen Bestand zu vermachen angenommen wird, zu einem Nachlassbestand aber der Platz mitgehört.
35Idem lib. I. ad Urseium Ferocem. Wenn der Niessbrauch vermacht worden ist, der eingesetzte Erbe aber deswegen die Erbschaft später angetreten hat, um die Empfangnahme des Vermächtnisses zu verzögern, so muss, wie Sabinus sich ausgesprochen hat, auch dieser [Schaden] ersetzt werden. 1Es ist mir der Niessbrauch an einem Sclaven vermacht worden, welcher, wenn ich den Niessbrauch auszuüben aufhörte, frei sein soll, ich habe aber nachher vom Erben die Werthschätzung des Vermächtnisses erhalten; hier, sagt Sabinus, wird jener dennoch frei; denn es wird angenommen, als habe ich den Niessbrauch an dem Sclaven, statt dessen ich eine Sache annahm; die Bedingung wegen dessen Freiheit bleibt aber dieselbe, so dass er durch den Eintritt meines Todes oder einer [mich betreffenden] Standesrechtsveränderung frei sein wird.
36African. lib. V. Quaest. Jemand, der den Niessbrauch an einem Platze vermacht hatte, hat darauf ein Gebäude aufgeführt, was noch bei seinen Lebzeiten [wieder] eingestürzt oder abgebrannt ist; hier hält man den Niessbrauch [dennoch] für begründet. Im umgekehrten Fall aber, wenn der Niessbrauch an einem Gebäude vermacht worden, und dasselbe zum Platz geworden ist, ist nicht dasselbe Rechtens. Derselbe Fall ist vorhanden, wenn der Niessbrauch an Bechern vermacht worden ist, diese zu einer Masse [zusammengeschmolzen] und nachher wieder Becher daraus gemacht worden sind; denn wenn auch die vorige Beschaffenheit der Becher wieder hergestellt ist, so sind es doch nicht dieselben, an denen der Niessbrauch vermacht worden ist. 1Ich habe vom Titius ein Cornelianisches Landgut mit Abzug des Niessbrauchs stipulirt, worauf Titius gestorben ist; hier entsteht die Frage, was mir sein Erbe gewähren müsse? Die Antwort ging dahin, es komme darauf an in welchem Sinn der Niessbrauch genommen sei; habe man beabsichtigt, dass der Niessbrauch, gleichviel in wessen Person, bestellt sein solle, so sei der Erbe nur zur [Herausgabe der] Eigenheit verpflichtet; wenn aber, dass der Niessbrauch nur dem Versprechenden vorbehalten sein solle, so sei sein Erbe zur [Herausgabe des] vollen Eigenthums verpflichtet. Dass sich dies so verhalte, leuchte bei den Vermächtnissen noch mehr ein; denn wenn der Erbe, der, nach der Bestimmung des Testators, das Vermächtniss der Eigenheit mit Abzug des Niessbrauches gewähren soll, vor Erhebung der Klage aus dem Testament [darauf] gestorben ist, so ist noch weniger zu zweifeln, dass sein Erbe zur [Herausgabe des] vollen Eigenthums verpflichtet sei; ebenso, wenn auf ähnliche Weise bedingt vermacht und der Erbe, während die Bedingung noch obschwebte, gestorben ist. 2Dem Titius ist der Niessbrauch an einem Sclaven vermacht worden; da es nun in der Gewalt des Erben stand, den Sclaven zurückzuhalten, so ist dieser [während dessen] gestorben; hier kann man nur sagen, dass der Erbe dem Vermächtnissinhaber dazu verpflichtet sei, insoweit ihm daran gelegen ist, dass der Verzug nicht geschehen wäre, so dass also der Niessbrauch von der Zeit [, wo das Vermächtniss fällig war,] bis zum Todestage des Sclaven veranschlagt wird. Diesem gemäss ist auch der Umstand folgerichtig, dass wenn Titius selbst stirbt, der Schätzungswerth des Niessbrauchs ebenfalls von der Zeit, wo der Verzug anhob, bis zum Todestage desselben seinem Erben gewährt werden muss.
37Idem lib. VII. Quaest. Man hat die Frage aufgeworfen, was Rechtens sei, wenn ich von dir stipulirt hätte, mir den Niessbrauch auf die nächsten zehn Jahre zu überlassen, und fünf Jahre vorüber gegangen sind, während es in deiner Gewalt stand, mir denselben vorzuenthalten? und ebenso, wenn ich von dir stipulirt hätte, die Handarbeit des Stichus mir für die nächsten zehn Jahre zu belassen, und auf ähnliche Weise fünf Jahre verflossen sind? Die Antwort ging dahin: es könne der Niessbrauch und die Handarbeit für diesen Zeitraum mit Recht verlangt werden, weil du die Ursach gewesen bist, dass mir der eine wie der andere nicht zugekommen sind.
38Marcian. lib. III. Inst. Der Niessbraucher übt den Gebrauch dann nicht aus, wenn er es weder selbst, noch in seinem Namen ein Anderer thut, z. B. der Käufer oder Pächter [des Niessbrauchs], oder der, dem er geschenkt worden oder dessen Geschäftsführer. Der Unterschied ist freilich vorhanden, dass, wenn ich den Niessbrauch verkauft haben werde, angenommen wird, dass ich denselben behalte, wenn ihn der Käufer auch nicht zieht,
39Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. weil der, welcher den Preis geniesst, nicht weniger zu haben angesehen werden kann, als wer den Niessbrauch der Hauptsache selbst hat.
41Idem lib. VII. Institut. Auch an Statuen und Bildern kann der Niessbrauch hinterlassen werden, weil sie selbst einigen Nutzen gewähren, wenn sie an einem passenden Orte aufgestellt werden. 1Denn so kann ja auch der Niessbrauch an manchen Grundstücken hinterlassen werden, wiewohl sie von solcher Beschaffenheit sind, dass sie mehr kosten als einbringen.
42Florentin. lib. XI. Institut. Wenn an derselben Sache dem Einen der Gebrauch, und dem Andern die Benutzung vermacht wird, so bekommt der Nutzniesser das, was der Gebraucher übrig lässt, auch hat er nicht minder der Benutzung wegen den Gebrauch. 1Ob der Niessbrauch an einem ganzen Nachlass oder dessen Werthschätzung vermacht wird, ist nicht einerlei. Denn wird er an einem ganzen Nachlass vermacht, so hast du den Niessbrauch nach Abzug dessen, was dir ausserdem vermacht worden ist, an dem Ueberrest; ist er aber an der Werthschätzung vermacht worden, so wird auch das mit in Anschlag gebracht, was dir ausserdem vermacht worden ist; denn oftmals erweitert der Testator, wenn er mehrmals dasselbe vermacht, das Vermächtniss dadurch nicht; wenn aber eine Sache vermacht worden ist, so kann man auch durch das Vermächtniss deren Werthschätzung das Vermächtniss [selbst] noch erweitern2929Dieses etwas unverständliche Gesetz bedarf einiger Erläuterung; es sind darin zwei, als verschiedene, Fälle vorausgesetzt: 1) A. vermacht dem B. ein Landgut als Eigenthum und den Niessbrauch an seinem Nachlass; schätzen wird das Landgut zu 1000 Thlr., und das übrige Vermägen auf 20,000 Thlr. Capital, so wird B. die Zinsen des letzern als Niessbrauch erhalten. 2) A. vermacht dem B. ein Landgut, und den Niessbruach an der Werthschätzung seines Nachlasses; bei gleichem Vermögensverhältnissen, wie wir vorher angenommen haben, wird B. hier nicht nur die Zinsen von dem Capital der 20,000 Thlr. als Niessbruach ziehen, sondern auch noch eine dem jährlichen Ertrag des Landguts gleichkommende Summe aus dem Nachlass erhalten..
44Neratius. lib. III. Membranar. Der Niessbraucher darf die rohen Wände [eines Hauses] nicht mit Marmor oder Gyps3030S. Glück IX. p. 246. n. 91. bekleiden lassen, weil, wenn er auch durch die Auszierung des Gebäudes dem Eigenthümer einen Vortheil bereitet, er es dennoch nicht aus eigenem Rechte thun kann; denn etwas anders ist es, etwas Empfangenes erhalten, und etwas Neues machen.
45Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Sowie die Unterhaltskosten für einen Sclaven, dessen Niessbrauch Jemandem zusteht, treffen denselben ganz natürlich auch die Krankheitskosten.
46Paul. lib. IX. ad Plaut. Wenn während ein fremder Erbe eingesetzt, und ein aus der Gewalt entlassener [Sohn] übergangen worden, der Mutter des Verstorbenen nach Abzug des Niessbrauchs die Eigenheit vermacht worden ist, so muss, wenn [der Sohn] mit dem Nachlassbesitz gegen den Testamentsinhalt durchgedrungen ist, der Mutter aus Ehrfurcht und kindlicher Liebe das volle Eigenthum gewährt werden. 1Wenn der Testator dem Erben die Wiederherstellung eines Gebäudes befohlen hat, woran er den Niessbrauch vermacht hat, so kann der Niessbraucher darauf Klage aus dem Testament erheben, dass der Erbe zur Wiederherstellung schreite.
47Pompon. lib. V. ex Plautio. Hat der Erbe dies dann nicht gethan, und der Niessbraucher deswegen den Niessbrauch nicht ziehen können, so hat auch noch der Erbe des Niessbrauchers deshalb eine Klage, um wieviel dem Niessbraucher daran gelegen war, dass der Erbe nicht gesäumt habe, wenn schon der Niessbrauch durch den Tod jenes erloschen war.
48Paul. lib. IX. ad Plaut. Ad Dig. 7,1,48 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 215, Note 11.Wenn der Erbe in Abwesenheit des Niessbrauchers, gleichsam als sein Geschäftsführer, Wiederherstellungen vornimmt, so hat er gegen denselben die Geschäftsführungsklage, auch wenn der Erbe sich selbst dadurch auf die Zukunft genützt hat. Ist aber der Niessbraucher bereit, den Niessbrauch abzutreten, so kann er zur Wiederherstellung nicht gezwungen werden, sondern er wird von der Geschäftsführungsklage freigesprochen. 1Ein schlagbarer Wald gehört, wenn er auch nicht zur rechten Zeit geschlagen worden ist, ebensowohl zu den Nutzungen, wie abgenommene unreife Oliven und unzeitig gemähetes Gras.
49Pompon. lib. VII. ad Plaut. Wenn dir und mir [die Gewährung des] Niessbrauch[s] von Seiten [zweier] Erben, des Sempronius und Mucius, vermacht worden ist, so habe ich ein Viertheil an dem Antheil des Sempronius und das andere an dem des Mucius, und du ebenfalls [zwei] Viertheile an beider Antheilen.
50Paul. lib. III. ad Vitell. Titius hinterliess dem Mävius ein Tusculanisches Landgut, und überliess es dessen Redlichkeit, der Titia den Niessbrauch an der Hälfte desselben zu gewähren; Mävius bauete ein durch Alter unbrauchbar gewordenes, zur Bereitung und Erhaltung der Früchte nothwendiges Gebäude; hier entstand nun die Frage, ob Titia nach Maassgabe ihres Antheils am Niessbrauch einen Theil der Kosten übernehmen müsse? Scävola antwortete, dass, wenn jener den Bau, bevor der Niessbrauch gewährt worden, nothwendiger Weise unternommen hätte, er nur unter der Bedingung zur Herausgabe [der Hälfte des Niessbrauchs] gezwungen werden könne, dass auf seine Kosten Rücksicht genommen werde.
51Modestin. lib. IX. Differentiar. Dem Titius wird der Niessbrauch [unter der Bedingung,] wenn er sterben wird, als unnütz vermacht angesehen, indem er auf eine Zeit verschoben worden ist, wo er von der Person getrennt wird.
52Idem lib. IX. Regular. Wenn Steuern von derjenigen Sache, wovon der Niessbrauch hinterlassen worden ist, entrichtet werden, so unterliegt es keinem Zweifel, dass sie der Niessbraucher entrichten muss; es müsste denn bewiesen werden können, der Testator habe fideicommissweise gewollt, dass auch sie vom Erben gegeben werden sollten.
53Javolen. lib. II. Epistolar. Wenn Jemandem der Niessbrauch eines Gebäudes vermacht worden ist, so behält er den Niessbrauch, so lange noch irgend ein Theil desselben übrig ist, am ganzen Grund und Boden.
54Idem lib. III. Epistol. Es ist dir, als Erben, vermächtnissweise auferlegt worden, dem Titius unter einer Bedingung den Niessbrauch von einem Landgute [zu gewähren], und du hast mir das Landgut verkauft, und mit Abzug des Niessbrauchs übergeben; es fragt sich, wem gehört der Niessbrauch, wenn die Bedingung nicht eintritt, oder eintritt, und der Niessbrauch erloschen3131Z. B. durch den Tod des Niessbrauchers. ist? Man hat geantwortet: ich nehme an, dass du von dem Niessbrauch sprichst, der vermacht worden ist. Wenn daher die Bedingung des Vermächtnisses eingetreten ist, so ist kein Zweifel, dass dieser Niessbrauch dem Vermächtnissinhaber zukommt, und wenn er durch einen Zufall ihm verloren gegangen ist, zur Eigenheit des Grundstücks zurückkehrt. Tritt die Bedingung nicht ein, so fällt der Niessbrauch an den Erben, so dass in Ansehung seiner Person alles beobachtet wird, was zum Verlust des Niessbrauchs gehört und beobachtet zu werden pflegt. Uebrigens wird bei einem Verkauf dieser Art noch das zu berücksichtigen sein, worüber Käufer und Verkäufer übereingekommen sind, so dass [z. B.], wenn sich ergeben sollte, dass der Niessbrauch des Vermächtnisses wegen ausgenommen worden sei, derselbe dem Käufer vom Verkäufer, wenn die Bedingung nicht eingetreten ist, herausgegeben werden muss.
55Pompon. lib. XXVI. ad Quint. Mucium. Ist blos der Gebrauch eines [Sclaven-] Kindes vermacht worden, so hebt derselbe, wenn auch für den Augenblick kein solcher Statt finden kann, dennoch an, sobald dasselbe aus dem Kindesalter getreten ist.
56Gaj. lib. XVII. ad Ed. prov. Ob Municipalgemeinden eine Klage wegen Niessbrauchs gegeben werden müsse, darüber ist Frage erhoben worden; denn es schien zu befürchten zu sein, dass er von immerwährender Dauer werden würde, weil er weder durch den Tod, noch so leicht durch Standesrechtsveränderung untergehen konnte; weshalb die Eigenheit unnütz sein würde, wenn ihr der Niessbrauch für immer abginge. Dennoch aber hat man sich dahin geneigt, eine Klage zuzugestehen. Hieraus entstand wieder die Streitfrage, wie lange städtische Gemeinden bei dem Niessbrauch zu schützen seien? Und hier hat man nun den Grundsatz angenommen, dass dieselben hundert Jahre lang [dabei] zu schützen seien, weil dies das Lebensziel eines hochbejahrten Mannes ist.
57Papin. lib. VII. Respons. Der Eigenthümer hat dem Niessbraucher ein Grundstück vermacht, woran demselben die Dienstbarkeit des Niessbrauchs zustand, worauf der Vermächtnissinhaber, nachdem er dasselbe eine Zeit lang besessen hatte, es dem Sohne [des Testators] wieder hat herausgeben müssen, weil derselbe mittelst der Klage wegen lieblosen Testaments obgesiegt hatte; hier blieb das Recht der Benutzung durch das, was sich nachher ereignet hatte, unangefochten. 1Wenn die Benutzung von Grundstücken mittelst Fideicommisses zum Unterhalt von Freigelassenen hinterlassen worden ist, so fällt der Ertrag theilweise je nach dem Ableben der Personen an den Eigenheitsherrn zurück.
58Scaevola lib. III. Respons. Als eine Niessbraucherin im Monat December gestorben war, wo der Pächter schon im Monat October die auf den [betreffenden] Aeckern gewachsenen Früchte eingeerntet hatte, so entstand die Frage, ob das Pachtgeld dem Erben der Niessbraucherin gezahlt werden müsse, wenn schon dieselbe vor dem ersten März, an dem die Pächte berichtigt werden müssen, gestorben sei, oder ob sie zwischen dem Erben der Niessbraucherin und dem Staat, dem die Eigenheit vermacht worden war, getheilt werden müssen? Ich habe geantwortet: der Staat habe gegen den Pächter keine Klage, sondern der Erbe der Niessbraucherin werde im vorliegenden Fall das Pachtgeld zu seiner Zeit unverkürzt erhalten. 1Dem Sempronius gebe und vermache ich den sechsten Theil vom Ertrag der Früchte, des Küchengewächses und Porré’s, den ich auf dem Farrarischen Acker habe; es fragt sich, ob mit diesen Worten der Niessbrauch als vermacht anzusehen sei? Ich habe geantwortet: dass nicht der Niessbrauch, sondern ein Theil von dem Ertrag vermacht sei. 2Eben so fragte man, ob, wenn es kein Niessbrauch wäre, er den sechsten Theil des Ertrags jährlich vermacht habe? Hier habe ich geantwortet, dass er als jährlich hinterlassen anzusehen sei; es müsste denn das Gegentheil vom Erben besonders erwiesen werden.
59Paul. lib. III. Sententiar. Bäume, welche durch Ungewitter, und nicht durch die Schuld des Niessbrauchers umgestürzt sind, brauchen von ihm nicht ersetzt zu werden. 1Was auf einem Grundstück wächst oder von demselben gewonnen wird, gehört dem Niessbraucher; auch Pachtgelder von schon vorher verpachteten Aeckern, wenn sie ausdrücklich [im Niessbrauch] begriffen worden sind. Der Niessbraucher kann aber, wenn sie nicht besonders ausgenommen worden sind, den Pächter, wie bei geschehenem Verkauf, vertreiben. 2Auch der Gewinn von abgeschnittenem Rohr und Weinpfählen kommt, wenn daran eine Berechtigung des Grundstücks [in Bezug auf ein anderes] zu bestehen pflegt, dem Niessbraucher zu.
60Idem lib. V. Sententiar. Jeder Niessbraucher irgend eines Grundstücks, der [am Niessbrauch] behindert oder aus demselben vertrieben worden ist, kann auf die Zurückgabe aller zugleich [mit] ergriffenen Sachen klagen; auch kommt ihm, wenn der Niessbrauch während der in der Mitte liegenden Zeit durch einen andern Zufall verloren gegangen ist, eine analoge Klage wegen der vorher gewonnenen Früchte zu. 1Wenn ein Grundstück, dessen Niessbrauch gefordert, wird, von einem Nichteigenthümer besessen wird, so wird [doch] eine Klage ertheilt. Wenn daher über die Eigenheit eines Grundstücks zwischen Zweien Streit ist, so muss der Niessbraucher nichts desto weniger im Besitz bleiben, und es muss ihm vom Besitzer Bürgschaft dafür bestellt werden, dass er ihm, dem der Niessbrauch hinterlassen worden, am Genuss nicht hinderlich sein wolle, so lange er sein Recht erweislich machen kann. Wenn aber dem Niessbraucher selbst ein Zweifel entgegengesetzt wird, so wird ihm [zwar] einstweilen der Niessbrauch entzogen, es muss3232Caveri; Haloand. und schon Ed. Fradin. haben hier noch debet, was aufzunehmen zu sein scheint; s. die Note im Göttinger C. J. aber für die Rückerstattung dessen, was er von den Früchten an Gewinn ziehen würde, Bürgschaft geleistet, oder, wenn dies nicht geschieht, ihm der Genuss selbst verstattet werden.
61Neratius lib. II. Respons. Der Niessbraucher darf keine neuen Wasserrinnen an den Wänden anlegen. Ebensowenig darf derselbe ein angefangenes Gebäude fertig bauen, selbst wenn er den Platz nicht anders gebrauchen kann; er hat auch daran den Niessbrauch nur dann, wenn bei dessen Bestellung oder Vermächtniss dies besonders hinzugefügt worden ist, dass ihm beides freistehen solle.
62Ad Dig. 7,1,62Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 184, Note 5.Tryphonin. lib. VII. Disp. Der Niessbraucher kann in den Bergen und Wäldern der Besitzung mit allem Recht jagen, und Wildschweine und Hirsche, die er erlegt, fängt er nicht als dem Eigenthümer eigen, sondern er erwirbt sie als Nutzungen3333Mir sind die Erklärungen dieses Fragments von Noodt (de Usufr. I. 7, 354 sq. Ed. Col. und Observ. I. 10. p. 268. Tom. 1.) und Glück (Commentar IX. p. 203. n. 84.) gegen die Glossatoren und Alteserra ad hunc locum nicht unbekannt, allein ich halte sie zum Theil für falsch, und bin daher davon abgegangen. Fürs erste will Noodt im principio die fructus als foetus, Jungen des Wildes, verstehen; allein man lese nur den Satz: nec aprum aut cervum, quem ceperit, proprium domini capit, sed fructus aut jure civili aut gentium suos facit, und nun die obige Uebersetzung, und es wird gewiss neben derselben keine andere Erklärung bestehen können; dass fructus zuweilen für foetus und partus stehe, kann dabei recht gut zugegeben werden, allein wenn es hier so heissen sollte, so würde der completeste Unsinn vorhanden sein, denn was sollen denn dann die fructus für einen Gegensatz (sed?) bilden, wenn beides, das alte und das junge Wild, dem Niessbraucher gehören? Ferner erklärt Noodt und Glück: exercere feras (in vivariis inclusas) für benutzen, das soll heissen: ad quaestum et reditum habere, und utilitatem ex iis capere, welcher Nutzen in deren Jungen bestehen soll. Um dem Worte exercere diese Bedeutung zuzueignen, werden eine grosse Menge Stellen von Noodt citirt; allein alle in diesen sowohl enthaltene Beispiele, als der bekannte Sinn des Wortes überhaupt geben deutlich zu verstehen, dass wenn unter exercere das Ziehen eines Vortheils oder einer Benutzung verstanden wird, es stets eine solche ist, die mittelst körperlicher Kräfte sowohl von Seiten des Benutzenden, als in Anwendung auf den den Nutzen ergebenden Gegenstand hervorgebracht wird. Hiervon kann doch nun aber in Beziehung auf Wild und dessen Setzen gar nicht die Rede sein, dahingegen es sich nach den allgemeinen und auch besondern Grundsätzen vom Niessbrauch an Thieren aller Art, wie sie dieser Titel enthält, ganz von selbst versteht, dass die Jungen derselben dem Niessbraucher zufallen, und er nur den Bestand zu erhalten braucht, und in dieser Beziehung steht ein Thiergarten dem Viehstand auf einem Landgute ganz gleich. Es kann daher unter exercere des Wildes im Thiergarten nur etwas dergleichen verstanden werden, was Varro de R. R. Lib. III. cap. 13. erzählt: Nam silva erat, ut dicebat, supra 50 jugerum maceria septa, quod — θηριοτροφεῖον appellabat: ibi erat locus excelsus, ubi triclinio posito coenabamus. Quintus Orphea vocari jussit, qui cum eo venisset cum stola et cithara et canere esset jussus, buccinam inflavit, ubi tanta circumfluxit nos cervorum, aprorum et, ceterarum quadrupedum multitudo, ut non minus formosum mihi visum sit spectaculum, quam in Circo Maximo Aedilium sine Africanis bestiis cum fiunt venationes. So liessen ja auch die Römer die Thiere in den Thiergärten mit einander kämpfen, s. Varro l. l. und praef. ad lib. II. und hatten dazu darin eigene palaestras. Nur hierauf kann exercere in dem obigen Zusammenhang gehen und diesen Gebrauch eines Thiergartens bedeuten. Die Jungen (s. o.) gehören ohnedies dem Niessbraucher, und eine andere Benutzung und Gebrauch von Wild, das man nicht tödten darf, ist völlig undenkbar. Uebrigens ist dies eine von den Stellen, wo die Antwort schon implicite in der Frage liegt. nach dem (bürgerlichen) Rechte oder dem Völkerrechte. 1Wenn Wild in Thiergärten eingeschlossen auf der Besitzung gehalten wurde, als der Niessbrauch anfing, darf es der Niessbraucher dann zu seiner Belustigung benutzen, und darf er es nicht tödten? Und wenn er selbst anderes Wild von Anfang an hineingethan hat, oder nachher solches selbst hineingerathen und gekommen ist, gehört dies dem Niesbraucher? Um hier die Berechtigung des Niessbrauchers durch die schwierige Unterscheidung der einzelnen Thiere nicht in Ungewissheit zu erhalten, so genügt es, dieselbe Anzahl nach den einzelnen Gattungen des Wildes nach Beendigung des Niessbrauchs dem Eigenheitsherrn zu überweisen, welche zur Zeit des Anfangs des Niessbrauchs vorhanden war.
63Paul. lib. sing. de Jure sing. Was [noch] nicht unser ist, können wir auf Andere übertragen; so kann z. B. der, welcher ein Landgut hat, den Niessbrauch davon [einem Andern] abtreten, wenn er ihn auch nicht hat3434Glück IX. p. 194..
64Ad Dig. 7,1,64Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 215, Note 11.Ulp. lib. LI. ad Ed. Wenn ein Niessbraucher bereit ist, dem Niessbrauch zu entsagen, so kann er zur Ausbesserung eines Hauses, in Fällen, wo ihm [sonst] diese Last obliegt, nicht gezwungen werden. Auch muss er, wenn bereits ein Verfahren gegen ihn begonnen, und er bereit ist, auf den Niessbrauch zu verzichten, vom Richter freigesprochen werden.
65Ad Dig. 7,1,65Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 215, Note 11.Pompon. lib. V. ex Plautio. Wenn aber der Niessbraucher etwas, das durch ihn oder die Seinigen verschlechtert worden ist, ausbessern muss, so darf er nicht losgesprochen werden, wenn er auch dem Niessbrauch zu entsagen bereit wäre; denn er muss alles, was ein fleissiger Hauswirth in seinem Hause machen lässt, auch machen lassen. 1Die Verpflichtung des Erben zur Wiederherstellung dessen, was der Testator schon durch Alter verschlechtert hinterlassen hatte, erstreckt sich nicht weiter, als wenn der Testator Jemanden die Eigenheit vermacht hätte.
66Paul. lib. XLVII. ad Ed. Gegen den Niessbraucher kann nicht blos die Klage aus dem Aquilischen Gesetze Statt haben, sondern auch wegen verführten Sclaven und Injurien, wenn er den Sclaven durch Peinigung schlechter gemacht hat.
67Julian. lib. I. ex Minicio. Wem der Niessbrauch vermacht worden ist, der kann ihn auch wider Willen des Erben an einen Dritten verkaufen.
68Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Es war eine alte Streitfrage, ob die Sclavenkinder dem Niessbraucher gehörten; hier behielt aber die Meinung des Brutus die Oberhand, dass der Niessbraucher keinen Antheil daran habe; denn ein Mensch kann nicht als Nutzung eines andern Menschen angesehen werden, und aus diesem Grunde hat auch der Niessbraucher daran den Niessbrauch nicht. Wie aber, wenn der Niessbrauch auch an den Sclavenkindern hinterlassen worden ist, hat er da an denselben den Niessbrauch? Wenn die Sclavenkinder selbst vermacht werden können, so kann es auch deren Niessbrauch. 1Das junge Vieh hielten aber Sabinius und Cassius für dem Niessbraucher zugehörig. 2Ad Dig. 7,1,68,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 137, Note 8.Ist der Niessbrauch an einer Heerde oder an Zugvieh vermacht worden, so muss [der Niessbraucher] natürlich aus den Jungen die Heerde vollständig erhalten, d. h. an die Stelle abgegangener,
69Ad Dig. 7,1,69Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 137, Note 8.Pompon. lib. V. ad Sabin. oder untauglich gewordener Stücke andere setzen, so dass sie nach geschehenem Ersatz dem Niessbraucher eigenthümlich zubehörig werden, damit der Abgang nicht dem Eigenthümer zum Vortheil gereiche; denn sowie die Nachzucht sofort dem Eigenthümer zugehörig wird, so hört, dem Wesen der Frucht zufolge auch der Abgang auf sein zu sein; auch ausserdem gehört ja alles, was wächst, dem Niessbraucher, und wenn er es an die Stelle des abgegangenen Bestandes setzt, hört es auf, ihm zu gehören.
70Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Wie also, wenn er es nicht thut, und sie nicht vollzählig erhält? Dann haftet er dem Eigenheitsherrn, sagt Cajus Cassius im 17. Buche seines bürgerlichen Rechts. 1Es fragt sich aber, wem gehören einstweilen die Jungen, ehe die gestorbenen Stücke ersetzt und wieder vollzählig gemacht werden. Julian schreibt im 35. Buche der Digesten, das Eigenthum derselben bleibe obschwebend, so dass, wenn sie zum Ersatz gebraucht werden, sie dem Eigenheitsherrn, wenn nicht, dem Niessbraucher gehören; diese Meinung ist richtig. 2Diesem zufolge trifft, wenn ein Junges gestorben ist, die Gefahr den Niessbraucher, und nicht den Eigenheitsherrn, und es liegt jenem die Nothwendigkeit ob, andere Junge nachzuziehen. Daher schreibt Cajus Cassius im achten Buche, dass das Fleisch von gestorbenem jungen Vieh dem Niessbraucher gehöre. 3Wenn es aber heisst, der Niessbraucher müsse für Ersatz sorgen, so ist dies allemal nur dann zu verstehen, wenn der Niessbrauch an einer Heerde, an Zugvieh, oder einem Gestüt, d. h. an einer Gesammtheit, vermacht worden ist, wenn an einzelnen Stücken so brauchen sie nicht vollzählig erhalten zu werden. 4Wenn ferner zu der Zeit, wo Junge geboren wurden, kein Ersatz gerade nöthig war, so fragt es sich, ob [wenn] jetzt und nach deren Geburt [Ersatz nöthig wird], derselbe von denen, die [erst nachher] geboren werden, oder den bereits am Leben befindlichen, zu stellen sei. Ich halte es für richtiger, dass die Jungen, welche während die Heerde vollzählig war, geboren wurden, dem Niessbraucher gehören, der später die Heerde betreffende Schade aber auch demselben zum Nachtheil gereiche. 5Ersatz stellen (summittere) ist aber etwas Thatsächliches, und Julian gebraucht eigentlich dispertire (vertheilen) und dividere (eintheilen) und eine Abtheilung treffen, weil das Eigenthum an dem Ersatz dem Eigenheitsherrn zufällt.
71Marcell. lib. XVII. Dig. Wenn Jemand auf einem freien Platze, woran der Niessbrauch einem Andern gehört, gebauet hat, und binnen der Zeit3535Quis aedificasset intra tempus. Unser Text hat hier nicht hinter aedif. das nötige Komma, was hinter sublata stehen muss, s. Glück p. 352. n. 78. Ed. Fradin. hat schon ganz richtig hinter aedif. ein Kolon und hinter sublata ein Komma, obschon Noodt (de Usufr. II. c. 11.) für den ersten gehalten wird, der diese Interpunction vorschlägt., wo der Niessbrauch verloren zu gehen pflegt, das Gebäude wieder weggenommen worden ist, so haben die Alten sich dafür erklärt, dass der Niessbrauch wieder hergestellt werde.
72Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Wenn der Eigenheitsherr den Niessbrauch vermacht hat, so ist es richtig, was Mäcian im dritten Buche seiner Quästionen über die Fideicommisse schreibt, dass das Vermächtniss gültig sei, und wenn derselbe noch bei Lebzeiten des Testators, oder vor dem Erbantritt zur Eigenheit gelange, er dem Vermächtnissinhaber zukomme. Um so mehr findet es Mäcian für zulässig, dass, wenn der Niessbrauch auch erst nach dem Erbantritt dazugekommen wäre, der Zeitpunct nützlicher Weise anhebe, und derselbe dem Vermächtnissinhaber zufalle.
74Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Wenn deinem Sclaven Stichus und dem meinigen, dem Pamphilus, der Niessbrauch vermacht worden ist, so ist ein solches Vermächtniss vorhanden, wie wenn er mir und dir vermacht worden wäre, und deshalb waltet kein Zweifel ob, dass er uns beiden gleichmässig gehöre.