Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 23 übersetzt von Schneider unter Redaction von Otto
Dig. XXIII2,
De ritu nuptiarum
Liber vicesimus tertius
II.

De ritu nuptiarum

(Von der Form der Ehe1.)

1Eigentlich: von der Feierlichkeit der Ehe oder Hochzeit; doch ist von eigentlichen Feierlichkeiten hier nicht die Rede, sondern nur von den Bedingungen zur Eingehung einer Ehe.

1Mo­des­ti­nus li­bro pri­mo re­gu­la­rum. Nup­tiae sunt con­iunc­tio ma­ris et fe­mi­nae et con­sor­tium om­nis vi­tae, di­vi­ni et hu­ma­ni iu­ris com­mu­ni­ca­tio.

1Modestin. lib. I. Regul. Ehe ist die Verbindung eines Mannes und eines Weibes, und eine Vereinigung für das ganze Leben, die Gemeinschaft des göttlichen und menschlichen Rechts.

2Pau­lus li­bro tri­ge­si­mo quin­to ad edic­tum. Nup­tiae con­sis­te­re non pos­sunt ni­si con­sen­tiant om­nes, id est qui co­eunt quo­rum­que in po­tes­ta­te sunt.

2Paul. lib. XXXV. ad Ed. Eine Ehe kann nicht bestehen, wenn nicht Alle einwilligen, das heisst, die, welche sich vereinigen, und die, in deren Gewalt sie sich befinden.

3Idem li­bro pri­mo ad Sa­binum. Si ne­po­tem ex fi­lio et nep­tem ex al­te­ro fi­lio in po­tes­ta­te ha­beam, nup­tias in­ter eos me so­lo auc­to­re con­tra­hi pos­se Pom­po­nius scri­bit et ve­rum est.

3Idem lib. I. ad Sabin. Pomponius schreibt, dass, wenn ich einen Enkel von dem [einen] Sohn, und eine Enkelin von dem andern Sohn in meiner Gewalt habe, die Ehe unter ihnen durch meine alleinige Ermächtigung eingegangen werden könne; und [dies] ist wahr.

4Pom­po­nius li­bro ter­tio ad Sa­binum. Mi­no­rem an­nis duo­de­cim nup­tam tunc le­gi­ti­mam uxo­rem fo­re, cum apud vi­rum ex­ples­set duo­de­cim an­nos.

4Pompon. lib. III. ad Sabin. [Eine Frauensperson,] die jünger als zwölf Jahre und verheirathet ist, wird dann eine gesetzmässige Ehefrau, wenn sie bei dem Manne das zwölfte Jahr erfüllt hat.

5Idem li­bro quar­to ad Sa­binum. Mu­lie­rem ab­sen­ti per lit­te­ras eius vel per nun­tium pos­se nu­be­re pla­cet, si in do­mum eius de­du­ce­re­tur: eam ve­ro quae ab­es­set ex lit­te­ris vel nun­tio suo du­ci a ma­ri­to non pos­se: de­duc­tio­ne enim opus es­se in ma­ri­ti, non in uxo­ris do­mum, qua­si in do­mi­ci­lium ma­tri­mo­nii.

5Idem lib. IV. ad Sabin. Man nimmt an, eine Frauensperson könne einen Abwesenden kraft eines Briefes desselben, oder durch einen Boten22D. h. wenn er durch einen Brief oder Boten seine Einwilligung erklärt hat. heirathen, wenn sie in das Haus desselben geführt würde, aber eine [Frauensperson], welche abwesend wäre, könne in Folge eines Briefes oder durch Dazwischenkunft ihres Boten von ihrem [künftigen] Ehemanne nicht geheirathet werden; denn es sei [bei der Eingehung der Ehe] eine Heimführung in das Haus des Ehemanns — nicht in das Haus der Ehefrau — gleichsam in die Wohnung der Ehe nöthig.

6Ul­pia­nus li­bro tri­ge­si­mo quin­to ad Sa­binum. De­ni­que Cin­na scri­bit: eum, qui ab­sen­tem ac­ce­pit uxo­rem, de­in­de red­iens a ce­na iux­ta Ti­be­rim per­is­set, ab uxo­re lu­gen­dum re­spon­sum est.

6Ulp. lib. XXXV. ad Sabin. Sonach schreibt Cinna: man hat zum Bescheid gegeben, dass der, welcher eine Abwesende33D. h. nicht eine von dem Hause des Mannes, sondern eine von dem Manne, der nicht zu Hause war, Entfernte. zur Ehefrau erhalten hat, und sodann, als er von einer Mahlzeit zurückkehrte, in der Nähe des Tiber umgekommen wäre, von der Ehefrau zu betrauern sei.

7Pau­lus li­bro sin­gu­la­ri ad le­gem Fal­ci­diam. Id­eo­que pot­est fie­ri, ut in hoc ca­su ali­qua vir­go et do­tem et de do­te ha­beat ac­tio­nem.

7Paul. lib. sing. ad leg. Falcid. und darum ist es möglich, dass in einem solchen Falle eine Jungfrau44Für eine solche wird nämlich die Frau hier angesehen, weil wegen Abwesenheit des Mannes die eheliche Beiwohnung noch nicht Statt gefunden hat. sowohl eine Mitgift, als die Klage wegen der Mitgift hat.

8Pom­po­nius li­bro quin­to ad Sa­binum. Li­ber­ti­nus li­ber­ti­nam ma­trem aut so­ro­rem uxo­rem du­ce­re non pot­est, quia hoc ius mo­ri­bus, non le­gi­bus in­tro­duc­tum est.

8Pompon. lib. V. ad Sabin. Ein Freigelassener kann seine freigelassene Mutter oder Schwester nicht als Ehefrau heimführen, weil dies Recht55Die Eheverbote; die Sclavenverwandschaften werden nicht nach dem jus civile, wohl aber nach den mores beurtheilt. durch die Sitten, nicht durch die Gesetze eingeführt worden ist.

9Ul­pia­nus li­bro vi­ce­si­mo sex­to ad Sa­binum. Si ne­pos uxo­rem ve­lit du­ce­re avo fu­ren­te, om­ni­mo­do pa­tris auc­to­ri­tas erit ne­ces­sa­ria: sed si pa­ter fu­rit, avus sa­piat, suf­fi­cit avi vo­lun­tas. 1Is cu­ius pa­ter ab hos­ti­bus cap­tus est, si non in­tra tri­en­nium re­ver­ta­tur, uxo­rem du­ce­re pot­est.

9Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ein Enkel eine Ehefrau nehmen will und sein Grossvater rasend ist, so wird jeden Falls die Ermächtigung seines Vaters nothwendig sein, aber wenn der Vater rasend, der Grossvater bei Verstand sein sollte, so genügt der Wille des Grossvaters. 1Der, dessen Vater von den Feinden gefangen worden ist, kann, wenn [der Vater] nicht innerhalb dreier Jahre zurückkehrt, eine Frau nehmen.

10Pau­lus li­bro tri­ge­si­mo quin­to ad edic­tum. Si ita pa­ter ab­sit, ut igno­re­tur ubi sit et an sit, quid fa­cien­dum est, me­ri­to du­bi­ta­tur. et si tri­en­nium ef­flu­xe­rit, post­quam aper­tis­si­me fue­rit pa­ter igno­tus, ubi de­git et an su­per­stes sit, non pro­hi­ben­tur li­be­ri eius utrius­que se­xus ma­tri­mo­nium vel nup­tias le­gi­ti­mas con­tra­he­re.

10Paul. lib. XXXV. ad Ed. Man zweifelt mit Recht, was dann zu thun ist, wenn ein Vater so abwesend sein sollte, dass man nicht weiss, wo er ist, und ob er noch lebe. Und wenn drei Jahre verflossen sein werden, seitdem es ganz offenbar unbekannt gewesen ist, wo der Vater lebt und ob er noch am Leben sei, so werden seine Kinder beiderlei Geschlechts nicht abgehalten, eine gesetzmässige Ehe einzugehen66Im Text heisst es: matrimonium vel nuptias legitimas contrahere. Zur Zeit der Pandectenjuristen war zwar noch ein Unterschied zwischen matrimonium und nuptiae, indem mit jenem Ausdruck die civilrechtliche, die Römische Ehe, diesem die Ehe nach jus gentium bezeichnet wurde, doch ist dieser Unterschied im justin. Recht weggefallen und es kann die Uebersetzung durch Ehe darum genügen, weil dieser Ausdruck jene beiden Arten der Ehe umfasst. S. v. Glück a. a. O. XXIII. S. 119 ff..

11Iu­lia­nus li­bro se­xa­ge­si­mo se­cun­do di­ges­to­rum. Si fi­lius eius qui apud hos­tes est vel ab­sit an­te tri­en­nium cap­ti­vi­ta­tis vel ab­sen­tiae pa­tris uxo­rem du­xit vel si fi­lia nup­se­rit, pu­to rec­te ma­tri­mo­nium vel nup­tias con­tra­hi, dum­mo­do eam fi­lius du­cat uxo­rem vel fi­lia ta­li nu­bat, cu­ius con­di­cio­nem cer­tum sit pa­trem non re­pu­dia­tu­rum.

11Julian. lib. LXII. Digestor. Ich glaube, dass, wenn ein Sohn desjenigen, welcher bei den Feinden oder abwesend ist, vor dem Ablauf von drei Jahren seit der Gefangenschaft oder der Abwesenheit des Vaters eine Frau genommen hat, oder wenn eine Tochter [eines solchen unter den angegebenen Umständen] geheirathet haben wird, die Ehe wohl eingegangen werde77Matrimonium vel nuptias, s. die vorhergehende Anm., wenn nur der Sohn eine solche Frau nimmt, oder die Tochter einen solchen heirathet, dass der Vater gewiss die Verbindung mit derselben [oder demselben] nicht verworfen haben würde.

12Ul­pia­nus li­bro vi­ce­si­mo sex­to ad Sa­binum. Si qua mi­hi uxor fuit, de­in­de a me re­pu­dia­ta nup­sit Se­io, quem ego post­ea ad­ro­ga­vi, non sunt nup­tiae in­ces­tae. 1In­ter me et spon­sam pa­tris mei nup­tiae con­tra­hi non pos­sunt: quam­quam no­ver­ca mea non pro­prie di­ca­tur. 2Sed et per con­tra­rium spon­sa mea pa­tri meo nu­be­re non pot­erit, quam­vis nu­rus non pro­prie di­ca­tur. 3Si uxor mea post di­vor­tium alii nup­se­rit et fi­liam sus­ce­pe­rit, pu­tat Iu­lia­nus hanc qui­dem pri­vi­gnam non es­se, ve­rum nup­tiis eius abs­ti­nen­dum. 4Ad­op­ti­vae so­ro­ris fi­liam pos­sum uxo­rem du­ce­re: co­gna­ta enim mea non est fi­lia eius, quia avun­cu­lus ne­mo fit per ad­op­tio­nem et eae de­mum co­gna­tio­nes con­tra­hun­tur in ad­op­tio­ni­bus, quae le­gi­ti­mae es­sent, id est quae ad­gna­to­rum ius ha­be­rent. pa­ri ra­tio­ne et so­ro­rem pa­tris mei ad­op­ti­vi pos­sum du­ce­re, si non fuit eo­dem pa­tre na­ta.

12Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ich irgend eine zur Ehefrau gehabt habe, dieselbe sodann, nachdem sie von mir verstossen war, den Sejus geheirathet hat, welchen ich nachher adrogirt habe, so ist die Ehe nicht blutschänderisch. 1Zwischen mir und der Verlobten meines Vaters kann keine Ehe eingegangen werden, obgleich sie nicht eigentlich meine Stiefmutter genannt wird. 2Aber auch umgekehrt wird meine Verlobte meinen Vater nicht heirathen können, obwohl sie nicht eigentlich seine Schwiegertochter genannt wird. 3Julianus glaubt, dass wenn meine Ehefrau nach der Scheidung einen Anderen geheirathet und eine Tochter geboren habe, diese zwar meine Stieftochter nicht sei, ich mich aber doch der Ehe mit derselben zu enthalten habe. 4Die Tochter meiner Adoptivschwester kann ich zur Frau nehmen, denn die Tochter derselben ist nicht meine Verwandte, weil Niemand durch Adoption Oheim von mütterlicher Seite wird und nur solche Verwandschaften durch die Adoptionen begründet werden, welche gesetzlich88D. h. civilrechtlich. Vgl. Gaj. III. 10. Der Sinn dieser Stelle ist der, dass in der Adoptivfamilie nur die agnatio (d. h. die durch Mannspersonen, welche zur Familie gehören, gesetzmässig begründete Verwandschaft), nicht auch die cognatio im engern Sinne ein Ehehinderniss ist, weil letztere stets auf natürlicher Verwandschaft beruht. sind, das heisst, welche das Recht der Agnaten haben; auf gleiche Art kann ich auch die Schwester meines Adoptivvaters heirathen, wenn sie nicht von demselben Vater erzeugt worden ist.

13Idem li­bro tri­ge­si­mo quar­to ad Sa­binum. Si pa­tro­na tam igno­bi­lis sit, ut ei ho­nes­tae sint vel sal­tem li­ber­ti sui nup­tiae, of­fi­cio iu­di­cis su­per hoc co­gnos­cen­tis hae pro­hi­be­ri non de­bent.

13Idem lib. XXXIV. ad Sabin. Wenn eine Patronin so unedel sein sollte, dass für dieselbe sogar die Ehe mit ihrem Freigelassenen anständig ist, so darf diese [Ehe] durch den Richter, welcher hierüber erkennt, kraft seiner Amtspflicht, nicht verhindert werden.

14Pau­lus li­bro tri­ge­si­mo quin­to ad edic­tum. Ad­op­ti­vus fi­lius si em­an­ci­pe­tur, eam quae pa­tris ad­op­ti­vi uxor fuit du­ce­re non pot­est, quia no­ver­cae lo­cum ha­bet. 1Item si quis fi­lium ad­op­ta­ve­rit, uxo­rem eius­dem quae nu­rus lo­co est ne qui­dem post em­an­ci­pa­tio­nem fi­lii du­ce­re pot­erit, quon­iam ali­quan­do nu­rus ei fuit. 2Ser­vi­les quo­que co­gna­tio­nes in hoc iu­re ob­ser­van­dae sunt. igi­tur suam ma­trem ma­nu­mis­sus non du­cet uxo­rem: tan­tun­dem iu­ris est et in so­ro­re et so­ro­ris fi­lia. idem e con­tra­rio di­cen­dum est, ut pa­ter fi­liam non pos­sit du­ce­re, si ex ser­vi­tu­te ma­nu­mis­si sint, et­si du­bi­te­tur pa­trem eum es­se. un­de nec vol­go quae­si­tam fi­liam pa­ter na­tu­ra­lis pot­est uxo­rem du­ce­re, quon­iam in con­tra­hen­dis ma­tri­mo­niis na­tu­ra­le ius et pu­dor in­spi­cien­dus est: con­tra pu­do­rem est au­tem fi­liam uxo­rem suam du­ce­re. 3Idem ta­men, quod in ser­vi­li­bus co­gna­tio­ni­bus con­sti­tu­tum est, et­iam in ser­vi­li­bus ad­fi­ni­ta­ti­bus ser­van­dum est, vel­uti ut eam, quae in con­tu­ber­nio pa­tris fue­rit, qua­si no­ver­cam non pos­sim du­ce­re, et con­tra eam, quae in con­tu­ber­nio fi­lii fue­rit, pa­trem qua­si nu­rum non du­ce­re: ae­que nec ma­trem eius, quam quis in ser­vi­tu­te uxo­rem ha­buit, qua­si so­crum. cum enim co­gna­tio ser­vi­lis in­tel­le­gi­tur, qua­re non et ad­fi­ni­tas in­tel­le­ga­tur? sed in re du­bia cer­tius et mo­des­tius est hu­ius­mo­di nup­tiis abs­ti­ne­re. 4Nunc vi­dea­mus, quo­mo­do no­ver­ca et pri­vi­gna et so­crus et nu­rus in­tel­le­gan­tur, ut scia­mus, quas non li­ceat du­ce­re. qui­dam no­ver­cam per se pa­tris uxo­rem et nu­rum fi­lii uxo­rem et pri­vi­gnam uxo­ris ex alio ma­ri­to fi­liam in­tel­le­gunt: sed quod ad hanc cau­sam ve­rius est nec avi uxo­rem nec proavi du­ci pos­se. duas er­go vel plu­res no­ver­cas du­ce­re non pot­erit: non mi­rum, nam et is qui ad­op­ti­vus est nec na­tu­ra­lis pa­tris nec ad­op­ti­vi uxo­rem du­ce­re pot­est: sed et si plu­res uxo­res pa­ter ha­bue­rit, nul­lam ea­rum du­ce­re pos­sum. ita­que so­crus ap­pel­la­tio­ne non tan­tum uxo­ris meae ma­ter, sed et avia et proavia in­tel­le­gi­tur, ut nul­lam ea­rum du­ce­re pos­sim. nu­rus quo­que ap­pel­la­tio­ne non tan­tum fi­lii uxor, sed et ne­po­tis et pro­ne­po­tis con­ti­ne­tur, li­cet qui­dam has pron­u­rus ap­pel­lant. pri­vi­gna quo­que non so­lum ea mi­hi in­tel­le­gi­tur quae uxo­ris meae fi­lia est, sed et nep­tis et pro­nep­tis, ut nul­lam ea­rum du­ce­re pos­sim. item eius ma­trem, quam spon­sam ha­bui, non pos­se me uxo­rem du­ce­re Au­gus­tus in­ter­pre­ta­tus est: fuis­se enim eam so­crum.

14Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wenn ein Adoptivsohn aus der Gewalt [des Adoptivvaters] entlassen wird, so kann er die, welche die Ehefrau seines Adoptivvaters gewesen ist, nicht heirathen, weil sie als seine Stiefmutter gilt. 1Ingleichen wenn Jemand einen Sohn adoptirt haben wird, so wird er die Ehefrau desselben, welche als seine Schwiegertochter gilt, nicht einmal nach der Entlassung des Sohnes aus der Gewalt heirathen können, weil sie ehemals seine Schwiegertochter gewesen ist. 2Auch die Sclavenverwandschaften sind bei diesem Recht zu beachten; daher wird ein Sclav, wenn er freigelassen worden ist, seine Mutter nicht zur Frau nehmen können, dasselbe ist auch in Betreff der Schwester und der Schwestertochter Rechtens. Dasselbe ist im umgekehrten Falle zu sagen, so dass ein Vater seine Tochter nicht heirathen kann, wenn [Beide] aus der Sclaverei freigelassen worden sind, wenngleich man zweifelt, ob er ihr Vater sei. Deshalb kann ein natürlicher Vater auch nicht seine uneheliche Tochter zur Frau nehmen, weil bei der Eingehung einer Ehe auf das natürliche Recht und das Schamgefühl zu sehen ist, es aber gegen das Schamgefühl sein würde, wenn man seine Tochter zur Frau nehmen wollte. 3Dasselbe aber, was in Betreff der Sclavenverwandschaften festgesetzt worden ist, muss auch in Betreff der Sclavenschwägerschaften beobachtet werden, z. B. dass ich die, welche mit meinem Vater in einer Sclavenehe sich befunden haben wird, gleich als ob sie meine Stiefmutter wäre, nicht heirathen kann, und dass umgekehrt der Vater die, welche mit seinem Sohn in einer Sclavenehe sich befunden haben wird, gleich als ob sie seine Schwiegertochter wäre, nicht heirathen kann, ebenso wie auch Niemand die Mutter derjenigen, welche er in der Sclaverei zur Frau gehabt hat, gleich als ob sie seine Schwiegermutter wäre, [nicht heirathen kann;] denn wenn man eine Sclavenverwandschaft annimmt, warum soll man nicht auch eine Sclavenschwägerschaft annehmen? Aber in einem zweifelhaften Falle ist es sicherer und der Sittsamkeit gemässer, sich einer Ehe der Art zu enthalten. 4Nun wollen wir sehen, wie man [die Ausdrücke]: Stiefmutter, Stieftochter, Schwiegermutter und Schwiegertochter versteht, damit wir wissen, welche [Personen] man nicht heirathen dürfe. Einige verstehen unter Stiefmutter an und für sich die Ehefrau des Vaters, und unter Schwiegertochter die Ehefrau des Sohnes, und unter Stieftochter die von einem anderen Ehemann [gezeugte] Tochter der Ehefrau. Aber was dieses Verhältniss99Von welchem wir hier sprechen, nämlich die Eheverbote. betrifft, so ist es wahrer, dass man weder die Ehefrau des Grossvaters, noch die des Urgrossvaters heirathen kann. Also zwei oder mehrere Stiefmütter1010D. h. wenn Jemand zwei oder mehrere Stiefmütter in der angegebenen weiteren Bedeutung hat, so darf er keine von allen heirathen. wird man nicht heirathen können; [und das ist] nicht wunderbar, denn auch der, welcher ein Adoptivsohn ist, kann weder des natürlichen, noch des Adoptivvaters Ehefrau heirathen; aber auch wenn mein Vater mehrere Ehefrauen gehabt haben wird, so kann ich keine von ihnen heirathen. Daher versteht man unter der Benennung Schwiegermutter nicht nur die Mutter, sondern auch die Grossmutter und die Urgrossmutter meiner Ehefrau, so dass ich keine von ihnen heirathen kann. Auch in der Benennung Schwiegertochter ist nicht nur des Sohns, sondern auch des Enkels und des Urenkels Ehefrau begriffen, wenngleich Einige diese Grossschwiegertöchter nennen. Auch für meine Stieftochter hält man nicht blos die, welche die Tochter, sondern auch [die, welche] die Enkelin oder die Urenkelin meiner Ehefrau ist, so dass ich keine von ihnen heirathen kann. Desgleichen hat Augustus erklärt, dass ich die Mutter derjenigen, welche ich zur Verlobten gehabt habe, nicht heirathen könne, sie sei nämlich meine Schwiegermutter gewesen.

15Pa­pi­nia­nus li­bro quar­to re­spon­so­rum. Uxo­rem quon­dam pri­vi­gni con­iun­gi ma­tri­mo­nio vi­tri­ci non opor­tet nec in ma­tri­mo­nium con­ve­ni­re no­ver­cam eius qui pri­vi­gnae ma­ri­tus fuit.

15Papinian. lib. IV. Resp. Die, welche einst die Ehefrau des Stiefsohns gewesen ist, darf nicht durch die Ehe mit dem Stiefvater verbunden werden, auch die Stiefmutter darf nicht in die Ehe mit dem kommen, welcher der Ehemann der Stieftochter gewesen ist.

16Pau­lus li­bro tri­ge­si­mo quin­to ad edic­tum. Ora­tio­ne di­vi Mar­ci ca­ve­tur, ut, si se­na­to­ris fi­lia li­ber­ti­no nup­sis­set, nec nup­tiae es­sent: quam et se­na­tus con­sul­tum se­cu­tum est. 1Ne­po­te uxo­rem du­cen­te et fi­lius con­sen­ti­re de­bet: nep­tis ve­ro si nu­bat, vo­lun­tas et auc­to­ri­tas avi suf­fi­ciet. 2Fu­ror con­tra­hi ma­tri­mo­nium non si­nit, quia con­sen­su opus est, sed rec­te con­trac­tum non im­pe­dit.

16Paul. lib. XXXV. ad Ed. Durch eine Rede1111S. die Bem. zu L. 16. D. de sponsalib. des höchstseligen Marcus wird bestimmt, dass, wenn die Tochter eines Senators einen Freigelassenen geheirathet hätte, keine [wahre] Ehe vorhanden wäre, und auf diese [Rede] ist auch ein Senatsschluss erfolgt. 1Wenn der Enkel eine Frau nimmt, so muss auch der Sohn einwilligen, wenn aber eine Enkelin heirathen sollte, so wird der Wille und die Ermächtigung des Grossvaters genügen. 2Raserei lässt die Eingehung einer Ehe nicht zu, weil die Einwilligung nöthig ist; aber [das Fortbestehen] einer gehörig eingegangenen [Ehe] verhindert sie nicht.

17Gaius li­bro un­de­ci­mo ad edic­tum pro­vin­cia­le. Per ad­op­tio­nem quae­si­ta fra­ter­ni­tas eous­que im­pe­dit nup­tias, do­nec ma­net ad­op­tio: id­eo­que eam, quam pa­ter meus ad­op­ta­vit et em­an­ci­pa­vit, pot­ero uxo­rem du­ce­re. ae­que et si me em­an­ci­pa­to il­lam in po­tes­ta­te re­ti­nue­rit, pot­eri­mus iun­gi ma­tri­mo­nio. 1Ita­que vo­len­ti ge­ne­rum ad­op­ta­re sua­de­tur, ut fi­liam em­an­ci­pet11Die Großausgabe liest em­an­ci­pa­ret statt em­an­ci­pet.: si­mi­li­ter sua­de­tur ei, qui nu­rum ve­lit ad­op­ta­re, ut em­an­ci­pet fi­lium. 2Ami­tam quo­que et ma­ter­te­ram, item mag­nam quo­que ami­tam et ma­ter­te­ram mag­nam pro­hi­be­mur uxo­rem du­ce­re, quam­vis mag­na ami­ta et ma­ter­te­ra quar­to gra­du sint. uti­que au­tem ami­tam et ami­tam mag­nam pro­hi­be­mur uxo­rem du­ce­re, et­si per ad­op­tio­nem no­bis con­iunc­tae sint.

17Gaj. lib. XI. ad Ed. provinc. Ein durch Adoption entstandenes geschwisterliches Verhältniss (fraternitas) verhindert die Ehe so lange, als die Adoption dauert; und darum werde ich diejenige, welche mein Vater adoptirt und aus der väterlichen Gewalt entlassen hat, zur Frau nehmen können; auf gleiche Weise werden wir auch, wenn er mich aus der Gewalt entlassen, und jene in der Gewalt behalten haben wird, durch die Ehe verbunden werden können. 1Daher wird dem, welcher seinen Schwiegersohn adoptiren will, gerathen, dass er seine Tochter aus der Gewalt entlasse, auf gleiche Weise wird dem, welcher seine Schwiegertochter adoptiren will, gerathen, dass er seinen Sohn aus der Gewalt entlasse. 2Auch werden wir abgehalten, die Vatersschwester und die Mutterschwester, desgleichen die Grossvatersschwester und die Grossmutterschwester zur Frau zu nehmen, obwohl die Grossvatersschwester und Grossmutterschwester auf dem vierten Grade stehen. Schlechterdings aber werden wir abgehalten, die Vatersschwester und Grossvatersschwester zur Frau zu nehmen, auch wenn sie durch Adoption mit uns verbunden sind.

18Iu­lia­nus li­bro sex­to de­ci­mo di­ges­to­rum. Nup­tiae in­ter eas­dem per­so­nas ni­si vo­len­ti­bus pa­ren­ti­bus re­no­va­tae ius­tae non ha­ben­tur.

18Julian. lib. XVI. Digest. Eine [getrennte und] zwischen denselben Personen wieder erneuerte Ehe wird nur dann für rechtmässig gehalten, wenn [sie] mit dem Willen der Eltern [erneuert ist].

19Mar­cia­nus li­bro sex­to de­ci­mo in­sti­tu­tio­num. Ca­pi­te tri­ge­si­mo quin­to le­gis Iu­liae qui li­be­ros quos ha­bent in po­tes­ta­te in­iu­ria pro­hi­bue­rint du­ce­re uxo­res vel nu­be­re, vel qui do­tem da­re non vo­lunt ex con­sti­tu­tio­ne di­vo­rum Se­ve­ri et An­to­ni­ni, per pro­con­su­les prae­si­des­que pro­vin­cia­rum co­gun­tur in ma­tri­mo­nium col­lo­ca­re et do­ta­re. pro­hi­be­re au­tem vi­de­tur et qui con­di­cio­nem non quae­rit.

19Marcian. lib. XVI. Institut. In Folge des fünfunddreissigsten Capitels des Julischen Gesetzes werden diejenigen, welche die Kinder, die sie in der Gewalt haben, ohne rechtmässige Ursache abgehalten haben, eine Frau zu nehmen oder zu heirathen, oder diejenigen, welche kein Heirathsgut geben wollen, der Constitution der höchstseligen Severus und Antoninus1212Nach v. Glück a. a. O. XXV. S. 55 ff. hatte die Lex Julia de maritandis ordinibus den Zwang zur Einwilligung in die Ehe und zur Ausstattung eingeführt und als Behörde dafür den praetor urbanus festgesetzt. Durch eine Constit. von Severus und Antoninus wurde jenes Gesetz auch auf die Provinzen ausgedehnt und dergleichen Sachen den Vorstehern der Provinzen zugewiesen. Vgl. auch Zimmern a. a. O. Bd. 1. §. 147. u. 159. gemäss durch die Proconsuln und Präsides der Provinzen gezwungen, [jene Kinder] zu verheirathen und auszustatten; abzuhalten scheint aber auch der, welcher keine Heirathsgelegenheit [für seine Kinder] sucht.

20Pau­lus li­bro sin­gu­la­ri ad ora­tio­nem di­vi Se­ve­ri et Com­mo­di. Scien­dum est ad of­fi­cium cu­ra­to­ris non per­ti­ne­re, nu­bat pu­pil­la an non, quia of­fi­cium eius in ad­mi­nis­tra­tio­ne neg­otio­rum con­stat: et ita Se­ve­rus et An­to­ni­nus re­scrip­se­runt in haec ver­ba: ‘Ad of­fi­cium cu­ra­to­ris ad­mi­nis­tra­tio pu­pil­lae per­ti­net: nu­be­re au­tem pu­pil­la suo ar­bi­trio pot­est’.

20Paul. lib. sing. ad Orat. D. Severi et Comm. Man muss wissen, dass es zur Pflicht eines Curators nicht gehöre, [darauf zu sehen,] ob die Pflegbefohlene1313Pupilla heisst hier soviel als eine minderjährige mündige Frauensperson (femina adulta minor s. pubes). Vgl. Brisson. s. h. v. heirathe, oder nicht, weil die Pflicht desselben in der Verwaltung der Geschäfte besteht; und so haben Severus und Antoninus mit folgenden Worten rescribirt: Zur Pflicht eines Curators gehört die Verwaltung [des Vermögens] der Pflegbefohlenen13, heirathen aber kann die Pflegbefohlene13 nach eigener Willkür.

21Te­ren­tius Cle­mens li­bro ter­tio ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Non co­gi­tur fi­lius fa­mi­lias uxo­rem du­ce­re.

21Terent. Clem. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Ein Haussohn kann [von seinem Vater] nicht gezwungen werden, eine Frau zu nehmen.

22Cel­sus li­bro quin­to de­ci­mo di­ges­to­rum. Si pa­tre co­gen­te du­cit uxo­rem, quam non du­ce­ret, si sui ar­bi­trii es­set, con­tra­xit ta­men ma­tri­mo­nium, quod in­ter in­vi­tos non con­tra­hi­tur: ma­luis­se hoc vi­de­tur.

22Cels. lib. XV. Digest. Wenn [ein Haussohn], indem ihn sein Vater zwingt, eine Frau nimmt, welche er nicht genommen haben würde, wenn er nach eigener Willkür gehandelt hätte, die Ehe jedoch eingegangen ist, welche zwischen solchen, die nicht wollen, nicht eingegangen werden kann, so scheint er dies lieber gewollt zu haben.

23Idem li­bro tri­gen­si­mo di­ges­to­rum. Le­ge Pa­pia ca­ve­tur om­ni­bus in­ge­nuis prae­ter se­na­to­res eo­rum­que li­be­ros li­ber­ti­nam uxo­rem ha­be­re li­ce­re.

23Idem lib. XXX. Digest. Durch das Papische Gesetz wird bestimmt, dass alle Freigeborenen ausser den Senatoren und deren Kindern eine Freigelassene zur Gattin haben dürfen.

24Mo­des­ti­nus li­bro pri­mo re­gu­la­rum. In li­be­rae mu­lie­ris con­sue­tu­di­ne non con­cu­bi­na­tus, sed nup­tiae in­tel­le­gen­dae sunt, si non cor­po­re quaes­tum fe­ce­rit.

24Modestin. lib. I. Regul. Bei dem Zusammenleben einer freien Frau [mit einem Manne] ist kein Concubinat, sondern eine Ehe anzunehmen, wenn sie nicht mit ihrem Körper Gewinn getrieben haben sollte.

25Idem li­bro se­cun­do re­gu­la­rum. Fi­lius em­an­ci­pa­tus et­iam si­ne con­sen­su pa­tris uxo­rem du­ce­re pot­est et sus­cep­tus fi­lius ei he­res erit.

25Idem lib. II. Regul. Ein aus der Gewalt des Vaters entlassener Sohn kann auch ohne Einwilligung des Vaters eine Frau nehmen, und ein [aus dieser Ehe] geborener Sohn wird sein Erbe sein.

26Idem li­bro quin­to re­spon­so­rum. Re­spon­dit reas ad­ul­te­rii fac­tas nec an­te dam­na­tio­nem vi­den­te ma­ri­to uxo­res du­ci pos­se.

26Idem lib. V. Resp. [Modestinus] hat zum Bescheid gegeben, dass die des Ehebruchs angeklagten [Frauen] auch vor der Verurtheilung, wenn ihr Ehemann lebt, [von Anderen] nicht geheirathet werden dürfen.

27Ul­pia­nus li­bro ter­tio ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Si quis in se­na­to­rio or­di­ne agens li­ber­ti­nam ha­bue­rit uxo­rem, quam­vis in­ter­im uxor non sit, at­ta­men in ea con­di­cio­ne est, ut, si amis­e­rit dig­ni­ta­tem, uxor es­se in­ci­piat.

27Ulp. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Wenn Jemand, der sich im Senatorenstand befindet, eine Freigelassene zur Ehefrau gehabt haben wird, so befindet sich dieselbe, obwohl sie vor der Hand seine Ehefrau nicht ist, doch in der Lage, dass sie, wenn er seine Würde verloren haben wird, anfängt, seine Ehefrau zu sein.

28Mar­cia­nus li­bro de­ci­mo in­sti­tu­tio­num. In­vi­tam li­ber­tam uxo­rem du­ce­re pa­tro­nus non pot­est:

28Marcian. lib. X. Institut. Ein Patron kann seine Freigelassene, wenn sie nicht will, nicht zur Frau nehmen,

29Ul­pia­nus li­bro ter­tio ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. quod et Ateius Ca­pi­to con­su­la­tu suo fer­tur de­cre­vis­se. hoc ta­men ita ob­ser­van­dum est, ni­si pa­tro­nus id­eo eam ma­nu­mi­sit, ut uxo­rem eam du­cat.

29Ulp. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. was auch Atejus Capito während seines Consulats entschieden haben soll; dies ist jedoch [nur] dann zu beobachten, wenn der Patron sie nicht darum freigelassen hat, damit er sie zur Frau nehmen könne.

30Gaius li­bro se­cun­do ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Si­mu­la­tae nup­tiae nul­lius mo­men­ti sunt.

30Gaj. lib. II. ad leg. Jul. et Pap. Eine nur zum Schein eingegangene Ehe ist nichtig.

31Ul­pia­nus li­bro sex­to ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Si se­na­to­ri in­dul­gen­tia prin­ci­pis fue­rit per­mis­sum li­ber­ti­nam ius­tam uxo­rem ha­be­re, pot­est ius­ta uxor es­se.

31Ulp. lib. VI. ad leg. Jul. et Pap. Wenn es einem Senator durch die Gnade des Kaisers erlaubt sein wird, eine Freigelassene zur rechtmässigen Ehefrau zu haben, so kann sie seine rechtmässige Ehefrau sein.

32Mar­cel­lus li­bro pri­mo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Scien­dum est li­ber­ti­num, qui se in­ge­nuo de­dit ad­ro­gan­dum, quam­vis in eius fa­mi­lia in­ge­nui iu­ra sit con­se­cu­tus, ut li­ber­ti­num ta­men a se­na­to­riis nup­tiis re­pel­len­dum es­se.

32Marcell. lib. I. ad leg. Jul. et Pap. Man muss wissen, dass ein Freigelassener, welcher sich einem Freigeborenen in Adrogation gegeben hat, obwohl er in der Familie desselben die Rechte eines Freigeborenen erlangt hat, doch als Freigelassener von Ehen mit Frauenspersonen aus dem Senatorenstand (a Senatoriis nuptiis) zurückzuweisen sei.

33Idem li­bro ter­tio ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Ple­ri­que opi­nan­tur, cum ea­dem mu­lier ad eun­dem vi­rum re­ver­ta­tur, id ma­tri­mo­nium idem es­se: qui­bus ad­sen­tior, si non mul­to tem­po­re in­ter­po­si­to rec­on­ci­lia­ti fue­rint nec in­ter mo­ras aut il­la alii nup­se­rit aut hic aliam du­xe­rit, ma­xi­me si nec do­tem vir red­di­de­rit.

33Idem lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Sehr Viele glauben, dass, wenn dieselbe Frau zu demselben Manne zurückkehre, dies dieselbe Ehe sei; und diesen stimme ich bei, wenn sie, ohne dass viel Zeit dazwischen gelegen hat, wieder vereinigt sein werden, auch in der Zwischenzeit weder sie einen Andern geheirathet, noch er eine Andere [zur Frau] genommen haben wird, vorzüglich wenn der Mann auch das Heirathsgut nicht zurückgegeben haben wird.

34Pa­pi­nia­nus li­bro quar­to re­spon­so­rum. Ge­ne­ra­li man­da­to quae­ren­di ma­ri­ti fi­liae fa­mi­lias non fie­ri nup­tias ra­tio­nis est: ita­que per­so­nam eius pa­tri de­mons­tra­ri, qui ma­tri­mo­nio con­sen­se­rit, ut nup­tiae con­tra­han­tur, ne­ces­se est. 1Ream ad­ul­te­rii, quam vir iu­re ma­ri­ti pos­tu­la­vit, non pro­hi­be­tur post ab­oli­tio­nem uxo­rem de­nuo du­ce­re: sed et si non iu­re ma­ri­ti ream pos­tu­la­vit, iu­re con­trac­tum ma­tri­mo­nium vi­de­bi­tur. 2In­ter pri­vi­gnos con­tra­hi nup­tiae pos­sunt, et­si fra­trem com­mu­nem ex no­vo pa­ren­tium ma­tri­mo­nio sus­cep­tum ha­beant. 3Fi­liam se­na­to­ris nup­tias li­ber­ti­ni se­cu­tam pa­tris ca­sus non fa­ciat uxo­rem: nam quae­si­ta dig­ni­tas li­be­ris prop­ter cri­men pa­tris au­fe­ren­da non est.

34Papinian. lib. IV. Resp. Dass auf eine allgemeine der Haustochter [gegebene] Vollmacht, sich einen Ehemann zu suchen, keine Ehe geschlossen werden könne, ist der Vernunft gemäss; daher ist es nöthig, dass die Person desselben dem Vater gezeigt werde, damit, wenn er in die Ehe eingewilligt haben wird, die Ehe eingegangen werden könne. 1Ein Mann wird nicht abgehalten, seine des Ehebruchs angeklagte [Frau], welche er kraft seines Rechts als Ehemann angeklagt hat, nach der Niederschlagung der Untersuchung von Neuem zur Frau zu nehmen, aber auch, wenn er sie nicht kraft seines Rechts als Ehemann angeklagt hat, so wird die [neue] Ehe mit Recht eingegangen zu sein scheinen. 2Zwischen zusammengebrachten Kindern kann eine Ehe eingegangen werden, wenn sie auch einen gemeinschaftlichen aus der neuen Ehe der Eltern geborenen Bruder haben sollten. 3Die Tochter eines Senators, welche sich mit einem Freigelassenen verheirathet hat, wird durch einen Unglücksfall ihres Vaters nicht zur [rechtmässigen] Ehefrau [des Freigelassenen]; denn die [einmal] erworbene Würde ist den Kindern wegen eines Verbrechens ihres Vaters nicht zu nehmen1414S. L. 9. D. de senator. 1. 9. und die Bem. dazu..

35Idem li­bro sex­to re­spon­so­rum. Fi­lius fa­mi­lias mi­les ma­tri­mo­nium si­ne pa­tris vo­lun­ta­te non con­tra­hit.

35Idem lib. VI. Resp. Ein Haussohn, der Soldat ist, kann ohne den Willen seines Vaters keine Ehe eingehen.

36Pau­lus li­bro quin­to quaes­tio­num. Tu­tor vel cu­ra­tor ad­ul­tam uxo­rem du­ce­re non pot­est, ni­si a pa­tre de­spon­sa de­sti­na­ta­ve tes­ta­men­to­ve no­mi­na­ta con­di­cio­ne nup­tiis se­cu­ta fue­rit.

36Paul. lib. V. Quaest. Ein Vormund oder Curator kann seine Pflegbefohlene nicht zur Frau nehmen, ausser wenn sie von dem Vater [mit ihm] verlobt, oder [ihm] bestimmt, oder er ihr im Testament zum Manne ernannt sein und sie in diese Ehe gewilligt haben wird1515Dies ist eine freie Uebersetzung der Worte: testamentove nominata conditione nuptiis secuta fuerit. S. v. Glück a. a. O. XXIV. S. 65 ff. Anm. 26..

37Idem li­bro sep­ti­mo re­spon­so­rum. Li­ber­tum cu­ra­to­ris puel­lae pro­hi­be­ri opor­tet uxo­rem ean­dem du­ce­re.

37Idem lib. VII. Resp. Der Freigelassene des Curators eines Mädchens darf dieselbe nicht zur Frau nehmen.

38Idem li­bro se­cun­do sen­ten­tia­rum. Si quis of­fi­cium in ali­qua pro­vin­cia ad­mi­nis­trat, in­de ori­un­dam vel ibi do­mi­ci­lium ha­ben­tem uxo­rem du­ce­re non pot­est, quam­vis spon­sa­re non pro­hi­bea­tur, ita sci­li­cet, ut, si post of­fi­cium de­po­si­tum no­lue­rit mu­lier nup­tias con­tra­he­re, li­beat11Die Großausgabe liest li­ceat statt li­beat. ei hoc fa­ce­re ar­ris tan­tum­mo­do red­di­tis quas ac­ce­pe­rat. 1Ve­te­rem spon­sam in pro­vin­cia, qua quis ad­mi­nis­trat, uxo­rem du­ce­re pot­est et dos da­ta non fit ca­du­ca. 2Qui in pro­vin­cia ali­quid ad­mi­nis­trat, in ea pro­vin­cia fi­lias suas in ma­tri­mo­nium col­lo­ca­re et do­tem con­sti­tue­re non pro­hi­be­tur.

38Idem lib. II. Sentent. Wenn Jemand ein Amt in irgend einer Provinz verwaltet, so kann er eine von dort geborene, oder dort ihre Wohnung habende [Frauensperson] nicht zur Ehefrau nehmen, obwohl er nicht abgehalten wird, sich mit derselben zu verloben; so nämlich, dass, wenn die Frau, nachdem das Amt von ihm niedergelegt worden ist, die Ehe nicht eingehen will, sie dies thun darf, wenn sie nur die Mahlschätze, welche sie empfangen hatte, zurückgegeben haben wird. 1Eine frühere1616Veterem, schon vor Antretung des Amtes. Verlobte in der Provinz, welche Jemand verwaltet, kann er zur Frau nehmen, und das gegebene Heirathsgut verfällt nicht an den öffentlichen Schatz. 2Wer in einer Provinz irgend [ein Amt] verwaltet, wird nicht abgehalten, in dieser Provinz seine Töchter zu verheirathen und [für sie] ein Heirathsgut zu bestellen.

39Pau­lus li­bro sex­to ad Plau­tium. So­ro­ris pro­nep­tem non pos­sum du­ce­re uxo­rem, quon­iam pa­ren­tis lo­co ei sum. 1Si quis ex his, quas mo­ri­bus pro­hi­be­mur uxo­res du­ce­re, du­xe­rit, in­ces­tum di­ci­tur com­mit­te­re.

39Idem lib. VI. ad Plaut. Die Urenkelin meiner Schwester kann ich nicht zur Frau nehmen, weil ich in dem Verhältniss als Vater zu ihr stehe. 1Wenn Jemand eine von den [Frauenspersonen], die wir, zu Ehefrauen zu nehmen, durch die Sitten1717D. h. nach dem auf Religion und Sittlichkeit gegründeten Recht. S. v. Glück a. a. O. XXIII. S. 289 ff. abgehalten werden, geheirathet haben wird, so sagt man, dass er eine Blutschande begehe.

40Pom­po­nius li­bro quar­to ex Plau­tio. Aris­to re­spon­dit pri­vi­gnae fi­liam non ma­gis uxo­rem du­ci pos­se quam ip­sam pri­vi­gnam.

40Pompon. lib. IV. ex Plaut. Aristo hat zum Bescheid gegeben, dass man die Tochter der Stieftochter ebensowenig zur Frau nehmen könne, als die Stieftochter selbst.

41Mar­cel­lus li­bro vi­ce­si­mo sex­to di­ges­to­rum. Prob­rum in­tel­le­gi­tur et­iam in his mu­lie­ri­bus es­se, quae tur­pi­ter vi­ve­rent vol­go­que quaes­tum fa­ce­rent, et­iam­si non pa­lam. 1Et si qua se in con­cu­bi­na­tu al­te­rius quam pa­tro­ni tra­di­dis­set, ma­tris fa­mi­lias ho­nes­ta­tem non ha­buis­se di­co.

41Marcell. lib. XXVI. Digest. Man nimmt an, dass auch auf solchen Weibern ein Schimpf haftet, welche schändlich leben, und mit Jedermann, wenn auch nicht öffentlich, Gewinn [mit ihrem Körper] treiben. 1Und wenn sich eine in das Concubinat mit einem Andern, als mit ihrem Patron begeben haben sollte, so behaupte ich, dass sie die Ehrbarkeit einer Hausfrau nicht habe.

42Mo­des­ti­nus li­bro sin­gu­la­ri de ri­tu nup­tia­rum. Sem­per in con­iunc­tio­ni­bus non so­lum quid li­ceat con­si­de­ran­dum est, sed et quid ho­nes­tum sit. 1Si se­na­to­ris fi­lia nep­tis pro­nep­tis li­ber­ti­no vel qui ar­tem lu­di­cram ex­er­cuit cu­ius­ve pa­ter ma­ter­ve id fe­ce­rit, nup­se­rit, nup­tiae non erunt.

42Modestin. lib. sing. de Ritu nupt. Bei Verbindungen muss man stets nicht blos darauf sehen, was man dürfe, sondern auch, was ehrbar sei. 1Wenn die Tochter, Enkelin, [oder] Urenkelin eines Senators einen Freigelassenen oder einen solchen, der die Schauspielerkunst getrieben hat, oder dessen Vater oder Mutter dies gethan haben wird, geheirathet haben wird, so wird keine [rechtmässige] Ehe Statt finden.

43Ul­pia­nus li­bro pri­mo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Pa­lam quaes­tum fa­ce­re di­ce­mus non tan­tum eam, quae in lu­pa­na­rio se pro­sti­tuit, ve­rum et­iam si qua (ut ad­so­let) in ta­ber­na cau­po­nia vel qua alia pu­do­ri suo non par­cit. 1Pa­lam au­tem sic ac­ci­pi­mus pas­sim, hoc est si­ne di­lec­tu: non si qua ad­ul­te­ris vel stu­pra­to­ri­bus se com­mit­tit, sed quae vi­cem pro­sti­tu­tae sus­ti­net. 2Item quod cum uno et al­te­ro pe­cu­nia ac­cep­ta com­mis­cuit, non vi­de­tur pa­lam cor­po­re quaes­tum fa­ce­re. 3Oc­ta­ve­nus ta­men rec­tis­si­me ait et­iam eam, quae si­ne quaes­tu pa­lam se pro­sti­tue­rit, de­buis­se his con­nu­me­ra­ri. 4Non so­lum au­tem ea quae fa­cit, ve­rum ea quo­que quae fe­cit, et­si fa­ce­re de­siit, le­ge no­ta­tur: ne­que enim ab­ole­tur tur­pi­tu­do, quae post­ea in­ter­mis­sa est. 5Non est ignos­cen­dum ei, quae ob­ten­tu pau­per­ta­tis tur­pis­si­mam vi­tam egit. 6Le­no­ci­nium fa­ce­re non mi­nus est quam cor­po­re quaes­tum ex­er­ce­re. 7Le­nas au­tem eas di­ci­mus, quae mu­lie­res quaes­tua­rias pro­sti­tuunt. 8Le­nam ac­ci­pie­mus et eam, quae al­te­rius no­mi­ne hoc vi­tae ge­nus ex­er­cet. 9Si qua cau­po­nam ex­er­cens in ea cor­po­ra quaes­tua­ria ha­beat (ut mul­tae ad­so­lent sub prae­tex­tu in­stru­men­ti cau­po­nii pro­sti­tu­tas mu­lie­res ha­be­re), di­cen­dum hanc quo­que le­nae ap­pel­la­tio­ne con­ti­ne­ri. 10Se­na­tus cen­suit non con­ve­niens es­se ul­li se­na­to­ri uxo­rem du­ce­re aut re­ti­ne­re dam­na­tam pu­bli­co iu­di­cio, quo iu­di­cio cui­li­bet ex po­pu­lo ex­per­i­ri li­cet, ni­si si cui le­ge ali­qua ac­cu­san­di pu­bli­co iu­di­cio non est po­tes­tas. 11Si qua ca­lum­niae iu­di­cio dam­na­ta sit ex cau­sa pu­bli­ci iu­di­cii et quae prae­va­ri­ca­tio­nis dam­na­ta est, pu­bli­co iu­di­cio dam­na­ta es­se non vi­de­tur. 12Quae in ad­ul­te­rio de­pre­hen­sa est, qua­si pu­bli­co iu­di­cio dam­na­ta est. pro­in­de si ad­ul­te­rii con­dem­na­ta es­se pro­po­na­tur, non tan­tum quia de­pre­hen­sa est erit no­ta­ta, sed quia et pu­bli­co iu­di­cio dam­na­ta est. quod si non sit de­pre­hen­sa, dam­na­ta au­tem, id­cir­co no­te­tur, quia pu­bli­co iu­di­cio dam­na­ta est, at si de­pre­hen­sa qui­dem sit, dam­na­ta au­tem non sit, no­ta­ta erit? ego pu­to, et­si ab­so­lu­ta sit post de­pre­hen­sio­nem, ad­huc ta­men no­tam il­li ob­es­se de­be­re, quia ve­rum est eam in ad­ul­te­rio de­pre­hen­sam, quia fac­tum lex, non sen­ten­tiam no­ta­ve­rit. 13Non ad­ici­tur hic ut in le­ge Iu­lia de ad­ul­te­riis a quo vel ubi de­pre­hen­sam: pro­in­de si­ve ma­ri­tus si­ve quis alius de­pre­hen­dis­se pro­po­na­tur, vi­de­tur no­ta­ta: sed et si non in do­mo ma­ri­ti vel pa­tris sui de­pre­hen­sa sit, erit no­ta­ta se­cun­dum ver­ba le­gis.

43Ulp. lib. I. ad leg. Jul. et Pap. Nicht nur von einer solchen, welche in einem Hurenhause sich Preis gibt, sondern auch, wenn Eine, wie es zu geschehen pflegt, in einem Wirthshause, oder sonst wo ihre Schamhaftigkeit nicht bewahrt, werden wir sagen, dass sie öffentlich mit ihrem Körper Gewinn treibe. 1Oeffentlich verstehen wir aber so: gemeinhin, das heisst, ohne Auswahl; nicht wenn Eine sich Ehebrechern oder Hurern hingibt, sondern wenn sie sich in dem Zustand einer Preisgegebenen befindet. 2Desgleichen scheint [eine Frauensperson], wenn sie sich mit dem Einen und dem Andern, nachdem sie dafür Geld erhalten hat, vermischt hat, nicht öffentlich mit ihrem Körper Gewinn zu treiben. 3Octavenus sagt jedoch ganz richtig, dass auch eine solche, welche sich ohne Gewinn öffentlich Preis gegeben habe, hierher hätte gerechnet werden müssen. 4Nicht blos die aber, welche [mit ihrem Körper Gewinn] treibt, sondern auch die, welche [mit demselben Gewinn] getrieben hat, und die, welche aufgehört hat, [solchen Gewinn] zu treiben, wird durch das Gesetz mit einem Schandfleck bezeichnet; denn es wird ja eine schimpfliche Handlung dadurch, dass sie nachher unterlassen worden ist, nicht vertilgt. 5Einer [Frauensperson], welche unter dem Vorwand der Armuth ein ganz schändliches Leben geführt hat, ist [dies] nicht zu verzeihen. 6Hurenwirthschaft treiben ist nicht weniger, als mit dem Körper Gewinn treiben. 7Hurenwirthinnen nennen wir aber die, welche Weibspersonen um des Gewinns willen Preis geben. 8Als eine Hurenwirthin werden wir auch die ansehen, welche im Namen eines Andern diese Lebensart treibt. 9Wenn Eine Gastwirthschaft treibt und in derselben Weibspersonen (corpora) hält, wie viele [Gastwirthinnen] Preis gegebene Weibspersonen unter dem Vorwand, als gehörten sie zur Betreibung der Gastwirthschaft, zu halten pflegen, so muss man sagen, dass auch eine solche unter der Benennung einer Hurenwirthin begriffen sei. 10Der Senat hat verordnet, dass es sich für keinen Senator schicke, eine zur Ehefrau zu nehmen, oder als solche zu behalten, welche in einem öffentlichen (peinlichen) Process verurtheilt sei; und in einem solchen Process darf jeder aus dem Volke auftreten, ausser wenn Einer in Folge eines Gesetzes die Erlaubniss, in einem öffentlichen Process anzuklagen, nicht hat. 11[Eine Frauensperson,] welche in einem Process, welcher wegen einer bei einem öffentlichen Process Statt gehabten Chicane angestellt ist, verurtheilt worden ist, und eine solche, welche wegen Prävarication1818S. die Bem. zu L. 1. D. de his, q. not. inf. 3. 2. verurtheilt worden ist, scheint nicht in einem öffentlichen Process verurtheilt worden zu sein. 12Eine [Frau], welche beim Ehebruch ertappt worden ist, ist gleichsam in einem öffentlichen Process verurtheilt; deshalb wird, wenn der Fall vorgelegt werden sollte, dass [eine Frau] im Ehebruchsprocess verurtheilt sei, sie nicht blos, weil sie [beim Ehebruch] ertappt worden ist, mit einem Schandfleck bezeichnet, sondern auch, weil sie auch in einem öffentlichen Process verurtheilt worden ist. Wenn sie aber nicht ertappt, aber verurtheilt worden sein sollte, so soll sie deshalb mit einem Schandfleck bezeichnet werden, weil sie in einem öffentlichen Process verurtheilt worden ist; aber wenn sie zwar ertappt, aber nicht verurtheilt sein sollte, so wird sie [doch] mit einem Schandfleck bezeichnet sein. Ich glaube, auch wenn sie nach der Ertappung freigesprochen sein sollte, so musse ihr doch noch der Schandfleck1919Wenn sie einen Freigeborenen heirathen will. entgegenstehen, weil es wahr ist, dass sie beim Ehebruch ertappt worden ist, [und] weil das Gesetz der That, nicht dem Urtheil einen Schandfleck beigelegt hat. 13Hier2020In der Lex Julia et Papia Poppaea, welche hier von Ulpianus erläutert wird. Uebrigens beziehen sich die in dieser ganzen Stelle vorkommenden Bestimmungen auf alle Freigebornen, die folgende Stelle aber auf die Senatoren. wird nicht, wie in dem Julischen Gesetz, über den Ehebruch beigefügt, von wem und wo sie ertappt sei; deshalb mag der Fall vorgelegt werden, dass der Ehemann, oder der, dass sonst Jemand sie ertappt habe, so scheint sie mit einem Schandfleck bezeichnet zu sein, aber auch wenn sie nicht im Hause ihres Ehemanns oder Vaters ertappt sein sollte, so wird sie [dennoch] den Worten des Gesetzes gemäss mit einem Schandfleck bezeichnet sein.

44Pau­lus li­bro pri­mo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Le­ge Iu­lia ita ca­ve­tur: ‘Qui se­na­tor est qui­ve fi­lius ne­pos­ve ex fi­lio pro­ne­pos­ve ex fi­lio na­to cu­ius eo­rum est erit, ne quis eo­rum spon­sam uxo­rem­ve sciens do­lo ma­lo ha­be­to li­ber­ti­nam aut eam, quae ip­sa cu­ius­ve pa­ter ma­ter­ve ar­tem lu­di­cram fa­cit fe­ce­rit. ne­ve se­na­to­ris fi­lia nep­tis­ve ex fi­lio pro­nep­tis­ve ex ne­po­te fi­lio na­to na­ta li­ber­ti­no ei­ve qui ip­se cu­ius­ve pa­ter ma­ter­ve ar­tem lu­di­cram fa­cit fe­ce­rit, spon­sa nup­ta­ve sciens do­lo ma­lo es­to ne­ve quis eo­rum do­lo ma­lo sciens spon­sam uxo­rem­ve eam ha­be­to’. 1Hoc ca­pi­te pro­hi­be­tur se­na­tor li­ber­ti­nam du­ce­re eam­ve, cu­ius pa­ter ma­ter­ve ar­tem lu­di­cram fe­ce­rit: item li­ber­ti­nus se­na­to­ris fi­liam du­ce­re. 2Non ob­est avum et aviam ar­tem lu­di­cram fe­cis­se. 3Nec di­stin­gui­tur, pa­ter in po­tes­ta­te ha­beat fi­liam nec ne: ta­men ius­tam pa­trem in­tel­le­gen­dum Oc­ta­ve­nus ait, ma­trem et­iam si vol­go con­ce­pe­rit. 4Item ni­hil re­fert, na­tu­ra­lis sit pa­ter an ad­op­ti­vus. 5An et is no­ceat, qui an­te­quam ad­op­ta­ret ar­tem lu­di­cram fe­ce­rit? at­que si na­tu­ra­lis pa­ter an­te­quam fi­lia nas­ce­re­tur fe­ce­rit? et si hu­ius no­tae ho­mo ad­op­ta­ve­rit, de­in­de em­an­ci­pa­ve­rit, an non pos­sit du­ci? ac si ta­lis pa­ter na­tu­ra­lis de­ces­sis­set? sed de hoc ca­su con­tra­riam le­gis sen­ten­tiam es­se Pom­po­nius rec­te pu­tat, ut eis non con­nu­me­ren­tur. 6Si post­ea in­ge­nuae uxo­ris pa­ter ma­ter­ve ar­tem lu­di­cram fa­ce­re coe­pe­rit, in­iquis­si­mum est di­mit­te­re eam de­be­re, cum nup­tiae ho­nes­te con­trac­tae sint et for­tas­se iam li­be­ri pro­crea­ti sint. 7Pla­ne si ip­sa ar­tem lu­di­cram fa­ce­re coe­pe­rit, uti­que di­mit­ten­da erit. 8Eas, quas in­ge­nui ce­te­ri pro­hi­ben­tur du­ce­re uxo­res, se­na­to­res non du­cent.

44Paul. lib. I. ad leg. Jul. et Pap. In dem Julischen Gesetz wird folgendes bestimmt: Wer Senator ist, oder wer der Sohn, oder der vom Sohn erzeugte Enkel, oder der vom Sohn des Sohnes erzeugte Urenkel irgend einer von den genannten [Personen] ist, [oder] sein wird, soll wissentlich und mit böser Absicht keine Freigelassene, oder keine solche, welche selbst, oder deren Vater oder Mutter die Schauspielerkunst treibt, oder getrieben haben wird, zur Verlobten oder Ehefrau haben; auch soll die Tochter eines Senators, oder die vom Sohn [desselben] erzeugte Enkelin, oder die Urenkelin, welche von einem vom Sohn [desselben] erzeugten Enkel erzeugt worden ist, an einen Freigelassenen oder an einen solchen, der selbst oder dessen Vater oder Mutter die Schauspielerkunst treibt oder getrieben haben wird, wissentlich und mit böser Absicht nicht verlobt oder verheirathet sein; auch soll keiner von diesen wissentlich und mit böser Absicht eine solche zur Verlobten oder Ehefrau haben. 1Durch dieses Capitel wird ein Senator abgehalten, eine Freigelassene oder eine solche, deren Vater oder Mutter die Schauspielerkunst getrieben haben wird, zu heirathen, desgleichen ein Freigelassener, die Tochter eines Senators zu heirathen. 2Das schadet nicht, wenn der Grossvater und die Grossmutter die Schauspielerkunst getrieben haben. 3Auch wird nicht unterschieden, ob der Vater die Tochter in der Gewalt habe, oder nicht; jedoch, sagt Octavenus, sei unter dem Vater ein rechtmässiger zu verstehen, unter der Mutter auch eine solche, welche unehelich empfangen habe. 4Desgleichen macht es nichts aus, ob es der natürliche, oder Adoptivvater sei. 5Obwohl auch das schadet, wenn [der Adoptivvater], ehe er adoptirte, die Schauspielerkunst getrieben haben sollte, und wenn der natürliche Vater, ehe die Tochter geboren wurde, [diese Kunst] getrieben haben sollte? Und ob man wohl [eine Frauensperson] nicht heirathen kann, wenn sie ein mit diesem Schandfleck behafteter Mensch adoptirt, sodann aus der väterlichen Gewalt entlassen haben sollte, und wenn ihr natürlicher Vater, auf welchem ein solcher Schandfleck haftete (talis), gestorben sein sollte? Aber in Bezug auf diesen Fall glaubt Pomponius richtig, finde nach dem Geist des Gesetzes das Gegentheil Statt, so dass er nicht hierher gerechnet werde. 6Wenn der Vater oder die Mutter einer freigeborenen Ehefrau nachher die Schauspielerkunst zu treiben angefangen haben sollte, so würde es höchst unbillig sein, wenn man sich von ihr trennen müsste, wenn eine ehrbare Ehe geschlossen worden ist und vielleicht schon Kinder erzeugt sind. 7Freilich, wenn sie selbst die Schauspielerkunst zu treiben angefangen haben sollte, so wird man sich schlechterdings von ihr trennen müssen. 8Solche, welche die übrigen Freigeborenen zu Frauen zu nehmen abgehalten werden, können Senatoren nicht heirathen.

45Ul­pia­nus li­bro ter­tio ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. In eo iu­re, quod di­cit in­vi­to pa­tro­no li­ber­tam, quae ei nup­ta est, alii nu­be­re non pos­se, pa­tro­num ac­ci­pi­mus (ut re­scrip­to im­pe­ra­to­ris nos­tri et di­vi pa­tris eius con­ti­ne­tur) et eum qui hac le­ge emit, ut ma­nu­mit­tat, quia ma­nu­mis­sa li­ber­ta emp­to­ris ha­be­tur. 1Qui au­tem iu­ra­vit se pa­tro­num, hoc idem non ha­be­bit. 2Ne is qui­dem de­bet ha­be­re, qui non suis num­mis com­pa­ra­vit. 3Pla­ne si fi­lius fa­mi­lias mi­les es­se pro­po­na­tur, non du­bi­ta­mus, si cas­tren­sis pe­cu­lii an­cil­lam ma­nu­mi­se­rit, com­pe­te­re ei hoc ius: est enim pa­tro­nus se­cun­dum con­sti­tu­tio­nes nec pa­tri eius hoc ius com­pe­tit. 4Hoc ca­put ad nup­tam tan­tum li­ber­tam per­ti­net, ad spon­sam non per­ti­net: et id­eo in­vi­to pa­tro­no nun­tium spon­sa li­ber­ta si mi­se­rit, cum alio co­nu­bium ha­bet. 5De­in­de ait lex ‘in­vi­to pa­tro­no’: in­vi­tum ac­ci­pe­re de­be­mus eum, qui non con­sen­tit ad di­vor­tium: id­cir­co nec a fu­rio­so di­ver­ten­do sol­vit se hu­ius le­gis ne­ces­si­ta­te nec si ab igno­ran­te di­vor­te­rit: rec­tius enim hic in­vi­tus di­ci­tur quam qui dis­sen­sit. 6Si ab hos­ti­bus pa­tro­nus cap­tus es­se pro­po­na­tur, ve­reor ne pos­sit is­ta co­nu­bium ha­be­re nu­ben­do, quem­ad­mo­dum ha­be­ret, si mor­tuus es­set. et qui Iu­lia­ni sen­ten­tiam pro­bant, di­ce­rent non ha­bi­tu­ram co­nu­bium: pu­tat enim Iu­lia­nus du­ra­re eius li­ber­tae ma­tri­mo­nium et­iam in cap­ti­vi­ta­te prop­ter pa­tro­ni re­ve­ren­tiam. cer­te si in aliam ser­vi­tu­tem pa­tro­nus sit de­duc­tus, pro­cul du­bio dis­so­lu­tum es­set ma­tri­mo­nium.

45Ulp. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. In der Stelle des Gesetzes2121In eo jure, quod dicit. Die hier angenommene Bedeutung von jus rechtfertigt auch das Schol. Basilicor. T. IV. p. 269. not k. wo der Anfang unserer Stelle so wiedergegeben wird: Ἐν τῷ νόμω τῷ λέγοντι κ. τ. λ., welche bestimmt: dass wider Willen des Patrons eine Freigelassene, welche an denselben verheirathet ist, einen Andern nicht heirathen könne, verstehen wir unter Patron, — wie in einem Rescript unsers Kaisers und seines höchstseligen Vaters2222Des Antoninus Caracalla und seines Vaters Septimius Severus; denn unter jenem schrieb Ulpianus seine Bücher zu dem Julischen und Papischen Gesetz. S. Zimmern a. a. O. §. 100, a. u. §. 154. enthalten ist, — auch den, welcher [eine Sclavin] unter der Bedingung gekauft hat, dass er sie freilassen solle, weil sie, wenn sie freigelassen worden ist, für die Freigelassene des Käufers gehalten wird. 1Wer aber geschworen hat, er sei Patron, wird eben dieses [Recht] nicht haben. 2Nicht einmal der darf [dies Recht] haben, welcher [die freigelassene Sclavin] nicht für sein Geld erworben hat. 3Freilich wenn man den Fall vorlegen sollte, dass ein Haussohn Soldat sei, so zweifeln wir nicht, dass ihm dies Recht zustehe, wenn er eine zu dem bei Gelegenheit des Kriegsdienstes erworbenen Sondergut gehörige Sclavin freigelassen haben wird; denn er ist ihr Patron, den Constitutionen gemäss; auch steht [in diesem Falle] seinem Vater dies Recht nicht zu. 4Dieses Capitel bezieht sich nur auf eine verheirathete Freigelassene, auf eine Verlobte bezieht es sich nicht; und darun hat eine Freigelassene, wenn sie als Verlobte an ihren Patron wider dessen Willen eine Kündigung [des Verlöbnisses] wird haben ergehen lassen, das Recht zur Ehe mit einem Anderen. 5Sodann sagt das Gesetz: wider Willen des Patrons, unter einem, der nicht will, müssen wir einen solchen verstehen, welcher in die Scheidung nicht einwilligt; deshalb macht sie sich von der Verbindlichkeit dieses Gesetzes weder dadurch frei, wenn sie sich von einem Rasenden scheidet, noch wenn sie sich von einem solchen geschieden haben wird, der [von dieser Scheidung] gar nichts weiss; denn richtiger werden wir von einem solchen sagen, dass er nicht will, als von dem, welcher nicht einwilligt. 6Wenn man den Fall vorlegen sollte, dass ein Patron von den Feinden gefangen sei, so fürchte ich, die [mit ihm verheirathete Freigelassene] möchte, wenn sie [einen Anderen] heirathet, das Recht zur Ehe haben2323So wird der Sinn dieser vielbestrittenen Stelle (s. v. Glück a. a, O. XXIV. S. 77. Anm. 45.) von Wächter über Ehescheidungen bei den Römern S. 145. der lateinischen Redeweise gemäss ganz richtig erklärt., wie sie es haben würde, wenn er gestorben wäre; und die, welche die Meinung des Julianus billigen, werden sagen, dass sie das Recht zur Ehe nicht haben werde; es glaubt nämlich Julianus, dass die Ehe einer solchen Freigelassenen auch während der Gefangenschaft wegen der Ehrfurcht gegen den Patron fortdauere. Freilich, wenn der Patron in eine andere Art der Sclaverei verfallen sein sollte, so würde die Ehe ohne Zweifel aufgelöst sein.

46Gaius li­bro oc­ta­vo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Il­lud du­bi­ta­tio­nis est, an et qui com­mu­nem li­ber­tam uxo­rem du­xe­rit ad hoc ius ad­mit­ta­tur. Ia­vo­le­nus ne­ga­vit, quia non pro­prie vi­de­tur eius li­ber­ta, quae et­iam al­te­rius sit: aliis con­tra vi­sum est, quia li­ber­tam eius es­se ne­ga­ri non pot­est, li­cet al­te­rius quo­que sit li­ber­ta: quam sen­ten­tiam ple­ri­que rec­te pro­ba­ve­runt.

46Gaj. lib. VIII. ad leg. Jul. et Pap. Darüber herrscht Zweifel, ob auch der, welcher eine gemeinschaftliche Freigelassene zur Frau genommen haben wird, zu diesem Rechte zugelassen werde? Javolenus hat es verneint, weil die, welche auch [die Freigelassene] eines Anderen ist, nicht eigentlich seine Freigelassene zu sein scheint. Andere haben das Gegentheil angenommen, weil man nicht leugnen kann, dass sie seine Freigelassene sei, wenn sie gleich auch die Freigelassene eines Anderen ist; und diese Meinung haben die Meisten mit Recht gebilligt.

47Pau­lus li­bro se­cun­do ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Se­na­to­ris fi­lia, quae cor­po­re quaes­tum vel ar­tem lu­di­cram fe­ce­rit aut iu­di­cio pu­bli­co dam­na­ta fue­rit, im­pu­ne li­ber­ti­no nu­bit: nec enim ho­nos ei ser­va­tur, quae se in tan­tum foe­dus de­du­xit.

47Paul. lib. II. ad leg. Jul. et Pap. Die Tochter eines Senators, welche mit ihrem Körper Gewinn oder die Schauspielerkunst getrieben haben, oder in einem öffentlichen Process verurtheilt sein wird, heirathet ungestraft einen Freigelassenen; denn es wird ja die Ehre einer solchen nicht erhalten, welche sich in so grosse Schande gebracht hat.

48Te­ren­tius Cle­mens li­bro oc­ta­vo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Fi­lio pa­tro­ni in li­ber­tam pa­ter­nam ean­dem­que uxo­rem idem iu­ris, quod ip­si pa­tro­no da­re­tur, ex sen­ten­tia le­gis ac­com­mo­da­tur. idem­que di­cen­dum erit et si al­te­rius pa­tro­ni fi­lius vi­vo al­te­ro li­ber­tam eo­rum uxo­rem du­xe­rit. 1Si igno­mi­nio­sam li­ber­tam suam pa­tro­nus uxo­rem du­xe­rit, pla­cet, quia con­tra le­gem ma­ri­tus sit, non ha­be­re eum hoc le­gis be­ne­fi­cium. 2Si uni ex fi­liis ad­sig­na­tam al­ter uxo­rem du­xe­rit, non idem ius quod in pa­tro­no tri­buen­dum: ni­hil enim iu­ris ha­be­bit, quia se­na­tus om­ne ius li­ber­to­rum ad­sig­na­to­rum ad eum trans­tu­lit, cui id pa­ter tri­buit.

48Terent. Clem. lib. VIII. ad leg. Jul. et Pap. Dem Sohn eines Patrons wird gegen die väterliche Freigelassene, die zugleich seine Ehefrau ist, dasselbe Recht, welches dem Patron selbst gegeben wurde, dem Geiste des Gesetzes gemäss gegeben. Und dasselbe wird auch zu sagen sein, wenn der Sohn des einen Patrons bei Lebzeiten des anderen die Freigelassene derselben zur Frau genommen haben wird. 1Wenn ein Patron seine Freigelassene, die [durch ihren Lebenswandel] beschimpft ist, zur Frau genommen haben sollte, so nimmt man an, dass er, weil er gegen das Gesetz ihr Ehemann ist, diese Wohlthat des Gesetzes nicht habe. 2Wenn der eine von zwei Söhnen die dem anderen angewiesene [Freigelassene] zur Frau genommen haben sollte, so ist ihm nicht dasselbe Recht, wie dem Patron, zu ertheilen; er wird nämlich kein Recht haben, weil der Senat das ganze Recht an angewiesenen Freigelassenen auf den übertragen hat, dem der Vater dies ertheilt hat.

49Mar­cel­lus li­bro pri­mo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Ob­ser­van­dum est, ut in­fe­rio­ris gra­dus ho­mi­nes du­cant uxo­res eas, quas hi qui al­tio­ris dig­ni­ta­tis sunt du­ce­re le­gi­bus prop­ter dig­ni­ta­tem pro­hi­ben­tur: at con­tra an­te­ce­den­tis gra­dus ho­mi­nes non pos­sunt eas du­ce­re, quas his qui in­fe­rio­ris dig­ni­ta­tis sunt du­ce­re non li­cet.

49Marcell. lib. I. ad leg. Jul. et Pap. Es ist zu bemerken, dass Menschen von geringerem Rang solche zu Frauen nehmen können, welche die, die von höherer Würde sind, wegen ihrer Würde in Folge der Gesetze nicht heirathen dürfen; aber umgekehrt können Menschen von vorzüglicherem Rang die nicht heirathen, welche die, die von niedrigerer Würde sind, nicht heirathen dürfen.

50Idem li­bro ter­tio ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Pro­xi­me con­sti­tu­tum di­ci­tur, ut, cum quis li­ber­tam suam du­xe­rit uxo­rem, quam ex fi­dei­com­mis­si cau­sa ma­nu­mi­se­rit, li­ceat li­ber­tae in­vi­to eo nup­tias con­tra­he­re: pu­to, quia non erat fe­ren­dus is qui ex ne­ces­si­ta­te ma­nu­mi­sit, non suo ar­bi­trio: ma­gis enim de­bi­tam li­ber­ta­tem prae­sti­tit quam ul­lum be­ne­fi­cium in mu­lie­rem con­tu­lit.

50Idem lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Kürzlich soll constituirt worden sein, dass wenn Jemand seine Freigelassene, welche er in Folge eines Fideicommisses freigelassen habe, zur Frau genommen habe, die Freigelassene wider seinen Willen eine Ehe schliessen dürfe; ich glaube, weil man dem nicht [jenes Recht] zugestehen konnte, welcher aus Nothwendigkeit, nicht nach seinem Gefallen freigelassen hat; denn er hat mehr die Freiheit, die er zu geben schuldig war, gegeben, als der Frauensperson irgend eine Wohlthat erzeigt.

51Li­cin­nius Ru­fi­nus li­bro pri­mo re­gu­la­rum. Ma­tri­mo­nii cau­sa an­cil­la ma­nu­mis­sa a nul­lo alio uxor du­ci pot­est quam a quo ma­nu­mis­sa est, ni­si pa­tro­nus ma­tri­mo­nio eius re­nun­tia­ve­rit. 1Si au­tem fi­lius fa­mi­lias ma­tri­mo­nii cau­sa ius­su pa­tris an­cil­lam ma­nu­mi­se­rit, Iu­lia­nus pu­tat per­in­de eam ha­be­ri at­que si a pa­tre eius ma­nu­mis­sa es­set: et id­eo pot­est eam uxo­rem du­ce­re.

51Licin. Ruf. lib. I. Regul. Eine um der Ehe willen freigelassene Sclavin kann von keinem Anderen zur Frau genommen werden, als von dem, von welchem sie freigelassen worden ist, wenn nicht der Patron der Ehe mit ihr entsagt haben sollte. 1Wenn aber ein Haussohn um der Ehe willen auf Befehl seines Vaters eine Sclavin freigelassen haben wird, so glaubt Julianus, das sie ebenso angesehen werde, als ob sie von dem Vater desselben freigelassen worden wäre; und darum kann er sie zur Frau nehmen.

52Pau­lus li­bro sex­to ad Sa­binum. In­ces­tae nup­tiae ne­que do­tem ha­bent et id­eo om­ne quod per­cep­tum est li­cet fruc­tuum no­mi­ne au­fe­re­tur.

52Paul. lib. VI. ad Sabin. Bei einer blutschänderischen Ehe findet auch kein Heirathsgut Statt, und darum wird [dem Ehemann] Alles, was aus dem Heirathsgut gezogen worden ist, wenn [er es] gleich als Frucht [gezogen hat], genommen werden.

53Gaius li­bro un­de­ci­mo ad edic­tum pro­vin­cia­le. Nup­tiae con­sis­te­re non pos­sunt in­ter eas per­so­nas quae in nu­me­ro pa­ren­tium li­be­ro­rum­ve sunt, si­ve pro­xi­mi si­ve ul­te­rio­ris gra­dus sint us­que ad in­fi­ni­tum.

53Gaj. lib. XI. ad Ed prov. Es kann keine Ehe zwischen solchen Personen bestehen, welche in dem Verhältniss von Eltern und Kindern stehn, mögen sie auf dem nächsten Grade [der Verwandschaft] stehen, oder auf einem entfernteren bis ins Unendliche.

54Scae­vo­la li­bro pri­mo re­gu­la­rum. Et ni­hil in­ter­est, ex ius­tis nup­tiis co­gna­tio de­scen­dat an ve­ro non: nam et vol­go quae­si­tam so­ro­rem quis ve­ta­tur uxo­rem du­ce­re.

54Scaevola lib. I. Regul. Und es macht keinen Unterschied, ob die Verwandtschaft aus einer rechtmässigen Ehe herrühre, oder nicht; denn es darf auch Niemand seine uneheliche Schwester zur Frau nehmen.

55Gaius li­bro un­de­ci­mo ad edic­tum pro­vin­cia­le. Quin et­iam ne­fas ex­is­ti­ma­tur eam quo­que uxo­rem du­ce­re, quae per ad­op­tio­nem fi­lia nep­tis­ve es­se coe­pe­rit, in tan­tum, ut et, si per em­an­ci­pa­tio­nem ad­op­tio dis­so­lu­ta sit, idem iu­ris ma­neat. 1Pa­tris ad­op­ti­vi mei ma­trem aut ma­ter­te­ram aut nep­tem ex fi­lio uxo­rem du­ce­re non pos­sum, sci­li­cet si in fa­mi­lia eius sim: alio­quin si em­an­ci­pa­tus fue­ro ab eo, si­ne du­bio ni­hil im­pe­dit nup­tias, sci­li­cet quia post em­an­ci­pa­tio­nem ex­tra­neus in­tel­le­gor.

55Gaj. lib. XI. ad Ed. prov. Ja es wird sogar auch für unrecht gehalten, wenn [Jemand] die zur Frau nimmt, welche durch Adoption [seine] Tochter oder Enkelin zu sein angefangen hat, so sehr, dass eben dasselbe Rechtens bleibt, wenn auch durch Entlassung aus der väterlichen Gewalt das Adoptionsverhältniss aufgelöst worden ist. 1Die Mutter, oder Mutterschwester, oder die vom Sohn erzeugte Enkelin meines Adoptivvaters kann ich nicht zur Frau nehmen, nämlich so lange ich mich in der Familie desselben befinde; sonst, wenn ich von ihm aus der väterlichen Gewalt entlassen sein werde, so verhindert ohne Zweifel nichts die Ehe, weil ich nämlich nach der Entlassung aus der väterlichen Gewalt als Fremder angesehen werde.

56Ul­pia­nus li­bro ter­tio dis­pu­ta­tio­num. Et­iam si con­cu­bi­nam quis ha­bue­rit so­ro­ris fi­liam, li­cet li­ber­ti­nam, in­ces­tum com­mit­ti­tur.

56Ulp. lib. III. Disp. Auch wenn Jemand seiner Schwester Tochter, wenn gleich sie eine Freigelassene ist, zur Concubine gehabt haben wird, so wird eine Blutschande begangen.

57Mar­cia­nus li­bro se­cun­do in­sti­tu­tio­num. Qui in pro­vin­cia of­fi­cium ali­quid ge­rit, pro­hi­be­tur et­iam con­sen­ti­re fi­lio suo uxo­rem du­cen­ti.

57Marcian. lib. II. Institut. Wer in einer Provinz irgend ein Amt führt, darf auch nicht einwilligen, wenn sein Sohn [eine Provinzialin]2424S. L. 38. pr. h. t. zur Frau nehmen will.

57aIn li­bro se­cun­do de ad­ul­te­riis Pa­pi­nia­ni Mar­cia­nus no­tat: Di­vus Mar­cus et Lu­cius im­pe­ra­to­res Fla­viae Ter­tul­lae per men­so­rem li­ber­tum ita re­scrip­se­runt: ‘Mo­ve­mur et tem­po­ris diu­tur­ni­ta­te, quo igna­ra iu­ris in ma­tri­mo­nio avun­cu­li tui fuis­ti, et quod ab avia tua col­lo­ca­ta es, et nu­me­ro li­be­ro­rum ves­tro­rum: id­cir­co­que cum haec om­nia in unum con­cur­runt, con­fir­ma­mus sta­tum li­be­ro­rum ves­tro­rum in eo ma­tri­mo­nio quae­si­to­rum, quod an­te an­nos qua­dra­gin­ta con­trac­tum est, per­in­de at­que si le­gi­ti­me con­cep­ti fuis­sent’.

57aIm zweiten Buch des Papinianus von dem Ehebruch bemerkt Marcianus2525Welcher zu des Papinianus Schriften tadelnde Bemerkungen geschrieben hatte. S. Zimmern a. a. O. §. 58. und 98. Anm. 22.: Der höchstselige Marcus und Lucius, die Kaiser, haben an die Flavia Tertulla durch den Freigelassenen Mensor so rescribirt: Wir werden theils durch die Länge der Zeit, während welcher du, des Rechts unkundig, dich in der Ehe mit deiner Mutter Bruder befunden hast, theils dadurch, dass du von deiner Grossmutter [an denselben] verheirathet worden bist, theils durch die Zahl eurer Kinder bewogen und bestätigen deshalb, weil alles dies zusammentrifft, den Rechtszustand eurer Kinder, welche in der Ehe, die [von euch] vor vierzig Jahren eingegangen worden ist, erzeugt worden sind, ebenso als ob sie in gesetzmässiger Ehe empfangen gewesen wären.

58Mar­cia­nus li­bro quar­to re­gu­la­rum. A di­vo Pio re­scrip­tum est, si li­ber­ti­na se­na­to­rem de­ce­pe­rit qua­si in­ge­nua et ei nup­ta est, ad ex­em­plum prae­to­ris edic­ti dan­dam in eam ac­tio­nem, quia ex do­te nul­lum lu­crum ha­bet quae nul­la est.

58Idem lib. IV. Regul. Vom höchstseligen Pius ist rescribirt worden, dass, wenn eine Freigelassene einen Senator getäuscht habe, gleich als wäre sie eine Freigeborene, und ihn geheirathet hat, gegen sie eine Klage nach dem Muster des Edicts des Prätors zu geben sei, weil sie aus einem Heirathsgut, welches nichtig ist, keinen Gewinn haben darf.

59Pau­lus li­bro sin­gu­la­ri de ad­sig­na­tio­ne li­ber­to­rum. Se­na­tus con­sul­to, quo cau­tum est, ne tu­tor pu­pil­lam vel fi­lio suo vel si­bi nup­tum col­lo­cet, et­iam ne­pos sig­ni­fi­ca­tur.

59Paul. lib. sing. de Assignat. libert. In dem Senatschluss, durch welchen verordnet worden ist, dass ein Vormund seine Mündel weder an seinen Sohn noch an sich selbst verheirathen solle, wird auch der Enkel [des Vormundes] gemeint.

60Idem li­bro sin­gu­la­ri ad ora­tio­nem di­vi An­to­ni­ni et Com­mo­di. Si quis tu­tor qui­dem non sit, pe­ri­cu­lum ta­men tu­te­lae ad eum per­ti­neat, an sen­ten­tia ora­tio­nis con­ti­nea­tur? vel­uti si pu­pil­la ab hos­ti­bus cap­ta fue­rit aut fal­sis al­le­ga­tio­ni­bus a tu­te­la se ex­cu­sa­ve­rit, ut ex sa­cris con­sti­tu­tio­ni­bus pe­ri­cu­lum ad eum per­ti­neat? et di­cen­dum est hos quo­que ad se­na­tus con­sul­tum per­ti­ne­re: nam et hu­ius­mo­di pe­ri­cu­lum in nu­me­rum trium tu­te­la­rum com­pu­ta­ri com­pro­ba­tum est. 1Sed si prop­ter al­te­rius per­so­nam pe­ri­cu­lum ad eum per­ve­nit, vi­dea­mus ne ex­tra sen­ten­tiam se­na­tus con­sul­ti sit: vel­uti si ma­gis­tra­tus in tu­te­lae pe­ri­cu­lum in­ci­dit vel fi­de­ius­se­rit quis pro tu­to­re vel cu­ra­to­re, quia nec in nu­me­rum trium tu­te­la­rum haec im­pu­tan­tur: et con­se­quens est hoc pro­ba­re. 2Quid er­go si ho­no­ris cau­sa tu­tor da­tus sit? qua­te­nus nec hu­ius­mo­di tu­te­la in nu­me­rum com­pu­ta­tur, num­quid idem sit? sed ra­tio in con­tra­rium du­cit, quod dic­tum est et ho­no­ra­rium tu­to­rem pe­ri­cu­lum so­le­re pa­ti, si ma­le pas­sus sit ad­mi­nis­tra­ri tu­te­lam. 3Quin au­tem il­le, qui, cum da­tus est tu­tor, ces­sat in ad­mi­nis­tra­tio­ne, per­ti­neat ad ora­tio­nem, non est du­bi­tan­dum, quia per­in­de te­ne­tur ex sa­cris con­sti­tu­tio­ni­bus at­que si ges­sis­set. 4Quid er­go si, cum se vel­let ex­cu­sa­re ali­quo ti­tu­lo nec in promp­tu pro­ba­tio­nes ha­be­ret, ex­cu­sa­tio­nis neg­otium fue­rit di­la­tum et in­ter mo­ras pu­pil­la ad­ole­ve­rit, an ad se­na­tus con­sul­tum per­ti­neat? quaes­tio in eo est, an et post pu­ber­ta­tem of­fi­cio fi­ni­to ex­cu­sa­tio­nem eius re­ci­pi opor­teat: nam si re­ci­pi­tur et ex­cu­sa­ve­rit, im­pu­ne pot­est du­ce­re: si ve­ro non de­beat re­ci­pi post of­fi­cium fi­ni­tum, non rec­te du­cit. et ait Pa­pi­nia­nus li­bro quin­to re­spon­so­rum of­fi­cio fi­ni­to ex­cu­sa­tio­nem re­ci­pi non opor­te­re et id­eo ex­ac­ti tem­po­ris pe­ri­cu­lum ad eum per­ti­ne­re. sed mi­hi hoc ne­qua­quam pla­cet: in­iquum enim est prop­ter di­la­tio­nem, quae for­te non do­lo, sed quae ex ne­ces­si­ta­te con­tin­git, non ex­cu­sa­ri vel nup­tias im­pe­di­ri ex­cu­sa­tio­ne re­cep­ta. 5Quam­vis ver­bis ora­tio­nis cau­tum sit, ne uxo­rem tu­tor pu­pil­lam suam du­cat, ta­men in­tel­le­gen­dum est ne de­spon­de­ri qui­dem pos­se: nam cum qua nup­tiae con­tra­hi non pos­sunt, haec ple­rum­que ne qui­dem de­spon­de­ri pot­est: nam quae du­ci pot­est, iu­re de­spon­de­tur. 6Quid er­go si ad­op­ti­vus fi­lius tu­to­ris du­xe­rit pu­pil­lam il­li­ci­te post­ea­que em­an­ci­pa­tus fue­rit? cre­den­dum est de ad­op­ti­vis em­an­ci­pa­tis se­na­tum non sen­sis­se, quia post em­an­ci­pa­tio­nem in to­tum ad­op­ti­vae fa­mi­liae ob­li­vis­cun­tur. 7Na­tu­ra­les li­be­ri li­cet in ad­op­tio­nem da­ti fue­rint, se­na­tus con­sul­to con­ti­nen­tur. 8Quid er­go si tu­tor da­tus pro­vo­ca­vit et post­ea he­res eius vic­tus est? prae­ter­iti tem­po­ris pe­ri­cu­lum prae­sta­re de­bet. an ve­ro si fi­lius he­res fue­rit et vic­tus est, ad ora­tio­nem per­ti­neat? et con­se­quens est hoc pro­ba­re, quon­iam ra­tio­nem de­bet red­de­re.

60Idem lib. sing. ad Orat. D. Ant. et Comm. Wenn Jemand zwar nicht Vormund sein, ihn jedoch die Gefahr der Vormundschaft treffen sollte, [so fragt es sich,] ob er in der Rede2626S. oben Anm. 5. ihrem Geiste nach begriffen sei; z. B. wenn die Mündel von den Feinden gefangen sein, oder er sich durch falsche Anführungen von der Vormundschaft entschuldigt haben wird, so dass ihn den kaiserlichen (sacris) Constitutionen gemäss die Gefahr der Vormundschaft trifft? Und man muss sagen, dass auch solche [Vormünder] dem Senatsschluss unterworfen sind; denn man hat angenommen, dass auch eine Gefahr der Art zur Zahl der drei Vormundschaften gerechnet werde2727D. h. dass auch, wenn der Vormund zwar nicht mehr Vormund ist, jedoch die Gefahr der Vormundschaft trägt, diese Vormundschaft mitgezählt werden darf, wenn der Vormund den Entschuldigungsgrund, dass schon drei Vormundschaften in seiner Familie befindlich seien, zur Ablehnung einer neuen Vormundschaft geltend machen will. S. §. 5. I. de excusat. 1. 25.. 1Aber wenn wegen der Person eines Anderen die Gefahr [der Vormundschaft] auf ihn gekommen ist, so möchte er wohl nicht in dem Senatsschluss, dem Geiste desselben gemäss, begriffen sein, z. B. wenn eine Magistratsperson in die Gefahr der Vormundschaft verwickelt ist, oder Jemand für den Vormund oder Curator sich verbürgt haben wird, weil diese Verhältnisse auch nicht in die Zahl der drei Vormundschaften eingerechnet werden, und es ist folgerichtig, dass man dies billigt. 2Wie also, wenn ein Vormund Ehren halber bestellt sein sollte, findet wohl dasselbe Statt, weil nämlich auch eine Vormundschaft dieser Art nicht in die Zahl eingerechnet wird? Aber ein vernünftiger Grund führt uns auf das Gegentheil, weil man behauptet hat, dass auch ein Ehrenvormund die Gefahr zu tragen pflege, wenn er geduldet habe, dass die Vormundschaft schlecht verwaltet werde. 3Dass aber auch der, welcher zum Vormund bestellt worden ist und die Verwaltung liegen lässt, [dem Inhalt] der Rede unterworfen sei, ist nicht zu bezweifeln, weil er, den kaiserlichen Constitutionen gemäss, ebenso gehalten ist, als wenn er [die Vormundschaft] geführt hätte. 4Wie also, wenn, als er sich aus irgend einem Grunde entschuldigen wollte und die Beweise nicht bei der Hand hatte, die Verhandlung über die Entschuldigung verschoben und in der Zwischenzeit die Mündel mündig geworden sein wird, ist er dann wohl dem Senatsschluss unterworfen? Die Frage beruht darauf, ob auch nach der Mündigkeit und nach niedergelegtem Amt die Entschuldigung desselben angenommen werden dürfe; denn wenn sie angenommen wird und er sich entschuldigt haben wird, so kann [der Vormund die Mündel] ungestraft heirathen, wenn aber [die Entschuldigung] nach beendigtem Amt nicht angenommen werden darf, so heirathet er sie nicht mit Recht. Und Pomponius sagt im fünften Buch der Responsa (Bescheide), dass nach beendigtem Amt die Entschuldigung nicht angenommen werden dürfe, und darum den [Vormund] die Gefahr der vergangenen Zeit treffe; aber ich halte dies keineswegs für richtig, denn es würde unbillig sein, wenn [der Vormund] wegen einer Verzögerung, welche vielleicht nicht durch böse Absicht, sondern aus Nothwendigkeit eintritt, nicht entschuldigt oder die Ehe, nachdem die Entschuldigung angenommen worden ist, behindert wurde. 5Obwohl den Worten der Rede nach [nur] verordnet worden ist, das ein Vormund seine Mündel nicht zur Frau nehmen solle, so ist doch anzunehmen, dass er sich nicht einmal mit ihr verloben dürfe, denn mit einer solchen, mit welcher man keine Ehe eingehen kann, kann man sich gewöhnlich nicht einmal verloben, denn [nur] mit einer solchen, welche man heirathen kann, verlobt man sich mit Recht. 6Wie also, wenn ein Adoptivsohn des Vormundes die Mündel unerlaubter Weise geheirathet haben und nachher aus der väterlichen Gewalt entlassen sein wird? Man muss glauben, dass der Senat an Adoptivsöhne, welche aus der väterlichen Gewalt entlassen sind, nicht gedacht habe, weil sie nach der Entlassung aus der väterlichen Gewalt die Adoptivfamilie ganz und gar vergessen. 7Natürliche Kinder sind, wenn sie gleich in Adoption gegeben sein sollten, in dem Senatsschluss mit begriffen. 8Wie also, wenn Jemand, der zum Vormund bestellt ist, [gegen die Bestellung] appellirt hat, und nachher sein Erbe besiegt worden ist, so muss [dieser] für die Gefahr der vergangenen Zeit stehen, ob aber wohl, wenn sein Sohn Erbe gewesen sein wird und besiegt worden ist, [derselbe dem Inhalt] der Rede unterworfen ist? Und es ist folgerichtig, dass man dies annimmt, weil er Rechnung ablegen muss.

61Pa­pi­nia­nus li­bro tri­gen­si­mo se­cun­do quaes­tio­num. Do­te prop­ter il­li­ci­tum ma­tri­mo­nium ca­du­ca fac­ta ex­cep­tis im­pen­sis ne­ces­sa­riis, quae do­tem ip­so iu­re mi­nue­re so­lent, quod iu­di­cio de do­te red­di­tu­rus es­set ma­ri­tus sol­ve­re de­bet.

61Papinian. lib. XXXII. Quaest. Wenn ein Heirathsgut, weil die Ehe unerlaubt war, dem öffentlichen Schatz verfallen ist, so muss der Ehemann das leisten, was er auf die Klage wegen des Heirathsguts zurückgeben würde, mit Ausnahme der nothwendigen Kosten, welche das Heirathsgut von Rechts wegen zu vermindern pflegen.

62Idem li­bro quar­to re­spon­so­rum. Quam­quam in ar­bi­trio ma­tris pa­ter es­se vo­lue­rit, cui nup­tum fi­lia com­mu­nis col­lo­ca­re­tur, frus­tra ta­men ab ea tu­tor da­tus eli­ge­tur: ne­que enim in­tel­le­gi­tur pa­ter de per­so­na tu­to­ris co­gi­tas­se, cum id­eo ma­xi­me ma­trem prae­tu­lit, ne fi­liae nup­tias tu­to­ri com­mit­te­ret. 1Mu­lier li­ber­to vi­ri ac pa­tro­ni sui ma­la ra­tio­ne con­iun­gi­tur. 2Tu­tor, qui ra­tio­nes cu­ra­to­ri red­di­dit, puel­lam suam an­te con­sti­tu­tum tem­pus ae­ta­tis eius uxo­rem du­ce­re nec ma­trem ex alio ma­tri­mo­nio fac­tam pot­est.

62Idem lib. IV. Regul. Wenn gleich der Vater gewollt hat, dass es in dem Ermessen der Mutter stehen sollte, wem ihre gemeinschaftliche Tochter zur Ehe gegeben würde, so wird von ihr doch vergeblich der zum Vormund bestellte gewählt werden; denn man kann ja nicht annehmen, dass der Vater an die Person des Vormundes gedacht habe, da er darum vorzüglich die Mutter gewählt hat, um die Ehe der Tochter nicht dem Vormund anzuvertrauen. 1Eine Frauensperson verheirathet sich unrechtmässiger Weise mit dem Freigelassenen ihres Mannes, der auch ihr Patron ist. 2Ein Vormund, welcher dem Curator Rechnung abgelegt hat, kann seine Mündel vor der gesetzmässigen Zeit ihres Alters2828Pupillam (s. v. Glück a. a. O. XXIV. S. 58. Anm. 12.) suam ante constitutum tempus aetatis ejus, d. h. nach dem Pandectenrechte nicht vor dem 26. Jahre (nämlich dem Jahre der Grossjährigkeit und noch einem annus utilis dazu), nach dem justinianischen Rechte nicht vor dem 29. Jahre (indem statt des annus utilis ein quadriennium continuum zu den Jahren der Grossjährigkeit hinzukommt.) nicht zur Frau nehmen, auch nicht, wenn sie Mutter in Folge einer andern Ehe geworden ist.

63Idem li­bro pri­mo de­fi­ni­tio­num. Prae­fec­tus co­hor­tis vel equi­tum aut tri­bu­nus con­tra in­ter­dic­tum eius pro­vin­ciae du­xit uxo­rem, in qua of­fi­cium ge­re­bat: ma­tri­mo­nium non erit: quae spe­cies pu­pil­lae com­pa­ran­da est, cum ra­tio po­ten­ta­tus nup­tias pro­hi­bue­rit. sed an huic quo­que si vir­go nup­sit, non sit au­fe­ren­dum quod tes­ta­men­to re­lic­tum est, de­li­be­ra­ri pot­est: ex­em­plo ta­men pu­pil­lae nup­tae tu­to­ri, quod re­lic­tum est pot­est mu­lier con­se­qui. pe­cu­niam ta­men in do­tem da­tam mu­lie­ris he­redi re­sti­tui ne­ces­se est.

63Idem lib. I. Definit. Ein Präfectus einer Cohorte oder der Reiterei, oder ein Tribunus hat gegen das Verbot eine Ehefrau aus der Provinz genommen, in welcher er sein Amt führte; es wird keine [rechtmässige] Ehe Statt finden; und dieser Fall ist mit [dem, was wir von] der Mündel [gesagt haben,] zu vergleichen, indem das Verhältniss der Gewalt die Ehe verhindert. Aber ob auch, wenn eine Jungfrau einen solchen geheirathet hat, [ihr] das nicht zu nehmen sei, was ihr [von ihrem Ehemanne] im Testament hinterlassen worden ist, darüber kann man Bedenken tragen. Es kann jedoch die Frau das, was ihr [von ihrem Ehemanne] hinterlassen worden ist, nach dem Muster der an ihren Vormund verheiratheten Mündel erlangen, das zum Heirathsgut gegebene Geld jedoch muss [von dem Manne] dem Erben der Frau nothwendig zurückerstattet werden.

64Cal­lis­tra­tus li­bro se­cun­do quaes­tio­num. Li­ber­tum eun­dem­que tu­to­rem pu­pil­lae eo, quod in ma­tri­mo­nium col­lo­ca­ta ip­si tu­to­ri suo vel fi­lio eius est, se­na­tus rele­gan­dum cen­suit. 1Se­na­tus con­sul­ti, quo pro­hi­ben­tur tu­to­res et fi­lii eo­rum pu­pil­las suas du­ce­re, pu­to he­redem quo­que tu­to­ris ex­tra­neum sen­ten­tia ad­pre­hen­di, cum id­eo pro­hi­bue­rit hu­ius­mo­di nup­tias, ne pu­pil­lae in re fa­mi­lia­ri cir­cum­scri­ban­tur ab his, qui ra­tio­nes eis ges­tae tu­te­lae red­de­re com­pel­lun­tur. 2Tu­tor au­tem pu­pil­li non pro­hi­be­tur fi­liam suam col­lo­ca­re pu­pil­lo suo in ma­tri­mo­nium.

64Callistr. lib. II. Quaest. Der Senat hat verordnet, dass ein Freigelassener, der zugleich Vormund einer Mündel ist, deshalb, weil sie an ihn, der ihr Vormund ist, oder an den Sohn desselben verheirathet worden ist, zu relegiren sei. 1Ich glaube, dass in dem Sinn des Senatsschlusses, durch welchen die Vormünder und die Söhne derselben abgehalten werden, ihre Mündel zu heirathen, auch der nicht zur Familie des Vormunds gehörige Erbe desselben begriffen sei; weil [der Senat] darum dergleichen Ehen verboten hat, damit die Mündel nicht in Betreff ihres Vermögens von denen verkürzt werden sollen, welche ihnen Rechnung über die geführte Vormundschaft abzulegen angehalten werden. 2Der Vormund eines Mündels wird aber nicht abgehalten, seine Tochter seinem Mündel zur Ehe zu geben.

65Pau­lus li­bro sep­ti­mo re­spon­so­rum. Eos, qui in pa­tria sua mi­li­tant, non vi­de­ri con­tra man­da­ta ex ea­dem pro­vin­cia uxo­rem du­ce­re id­que et­iam qui­bus­dam man­da­tis con­ti­ne­ri. 1Idem eo­dem. re­spon­dit mi­hi pla­ce­re, et­si con­tra man­da­ta con­trac­tum sit ma­tri­mo­nium in pro­vin­cia, ta­men post de­po­si­tum of­fi­cium, si in ea­dem vo­lun­ta­te per­se­ve­rat, ius­tas nup­tias ef­fi­ci: et id­eo post­ea li­be­ros na­tos ex ius­to ma­tri­mo­nio le­gi­ti­mos es­se

65Paul. lib. VII. Resp. Die, welche in ihrem Vaterland Kriegsdienste thun, scheinen nicht gegen die [kaiserlichen] Mandate [zu handeln], wenn sie aus derselben Provinz eine Frau nehmen, und dies ist auch in einigen Mandaten enthalten. 1Derselbe hat ebendaselbst zum Bescheid gegeben, dass ich annehme, dass, wenn auch gegen die Mandate in der Provinz eine Ehe eingegangen worden sei, gleichwohl nach niedergelegtem Amt, wenn [die Ehegatten] bei derselben Willensmeinung beharren, eine rechtmässige Ehe entstehe und dass darum die aus der rechtmässigen Ehe geborenen Kinder eheliche seien.

66Idem li­bro se­cun­do sen­ten­tia­rum. Non est ma­tri­mo­nium, si tu­tor vel cu­ra­tor pu­pil­lam suam in­tra vi­ce­si­mum et sex­tum an­num non de­spon­sam a pa­tre nec tes­ta­men­to de­sti­na­tam du­cat uxo­rem vel eam fi­lio suo iun­gat: quo fac­to uter­que in­fa­ma­tur et pro dig­ni­ta­te pu­pil­lae ex­tra or­di­nem co­er­ce­tur. nec in­ter­est, fi­lius sui iu­ris an in pa­tris po­tes­ta­te sit. 1Cu­ra­to­ris li­ber­tum eam pu­pil­lam, cu­ius pa­tro­nus res ad­mi­nis­trat, uxo­rem du­ce­re sa­tis in­ci­vi­le est.

66Idem lib. II. Sentent. Es findet keine [rechtmässige] Ehe Statt, wenn ein Vormund oder Curator seine Mündel, die ihm nicht von ihrem Vater verlobt, auch nicht im Testament bestimmt worden ist, innerhalb des sechsundzwanzigsten2929S. die vorherg. Anm. Jahres zur Frau nehmen, oder sie mit seinem Sohne verbinden sollte; und wenn dies geschehen ist, so werden Beide3030Nämlich der Vormund oder Curator, nicht der erstere und sein Sohn. S. L. 11. §. 4. D. de his, qui not. inf. 3. 2. infam und nach Verhältniss der Würde der Mündel ausserordentlich bestraft; auch macht es keinen Unterschied, ob der Sohn eigenen Rechtens oder in der Gewalt des Vaters ist. 1Es ist ganz unrecht, wenn der Freigelassene eines Curators die Mündel, deren Vermögen sein Patron verwaltet, zur Frau nimmt.

67Try­pho­ni­nus li­bro no­no dis­pu­ta­tio­num. Non so­lum vi­vo tu­to­re, sed et post mor­tem eius fi­lius tu­to­ris du­ce­re uxo­rem pro­hi­be­tur eam, cu­ius tu­te­lae ra­tio­ni ob­stric­tus pa­ter fuit: nec pu­to in­ter­es­se, ex­sti­te­rit ei he­res fi­lius an abs­ti­nue­rit pa­ter­na he­redi­ta­te an nec he­res fuit (for­te ex­he­redatus aut prae­ter­itus em­an­ci­pa­tus): nam et fie­ri pot­est, ut per frau­dem in eum col­lo­ca­ta bo­na pa­tris prop­ter tu­te­lam re­vo­ca­ri opor­teat. 1De uno du­bi­ta­ri pot­est, si avus tu­te­lam ges­sit nep­tis ex fi­lio em­an­ci­pa­to na­tae, an ne­po­ti ex al­te­ro fi­lio eam col­lo­ca­re pos­sit si­ve em­an­ci­pa­to si­ve ma­nen­ti in po­tes­ta­te, quia par af­fec­tio­nis cau­sa su­spi­cio­nem frau­dis amo­vet. sed et­si se­na­tus con­sul­tum stric­to iu­re con­tra om­nes tu­to­res ni­ti­tur, at­ta­men sum­mae af­fec­tio­nis avi­tae in­tui­tu hu­ius­mo­di nup­tiae con­ce­den­dae sunt. 2Sed et si fi­lius fa­mi­lias tu­tor puel­lae vel cu­ra­tor fuit, pu­to vel ma­gis pa­tri eius non opor­te­re eam nu­be­re: num­quid nec fra­tri, qui est in eius­dem po­tes­ta­te? 3Sed vi­dea­mus, si Ti­tii fi­lius du­xe­rit uxo­rem eam, quae tua pu­pil­la fuit, de­in­de Ti­tium vel fi­lium eius ad­op­ta­ve­ris, an per­emun­tur nup­tiae (ut in ge­ne­ro ad­op­ta­to dic­tum est) an ad­op­tio im­pe­di­tur? quod ma­gis di­cen­dum est et si cu­ra­tor, dum ge­rit cu­ram, ad­op­ta­ve­rit ma­ri­tum eius puel­lae, cu­ius cu­ra­tor est. nam fi­ni­ta iam tu­te­la et nup­ta puel­la alii ve­reor, ne lon­gum sit ad­op­tio­nem ma­ri­ti eius im­pe­di­re, qua­si prop­ter hoc in­ter­po­na­tur, ut ra­tio tu­te­lae red­den­dae co­hi­bea­tur, quam cau­sam pro­hi­bitio­nis nup­tia­rum con­tra­hen­da­rum ora­tio di­vi Mar­ci con­ti­net. 4Et si quis cu­ra­tor ven­tri bo­nis­que da­tus sit, pro­hi­bitio­nem eius­dem se­na­tus con­sul­ti in­du­cit: nam et hic de­bet ra­tio­nem red­de­re. nec spa­tium ad­mi­nis­tra­tio­nis mo­ve­re nos de­bet, quia nec in tu­to­re nec cu­ra­to­re dis­cri­men ma­io­ris aut mi­no­ris tem­po­ris, quo in hu­ius­mo­di mu­ne­re quis fue­rit, ha­bi­tum es­se. 5Si puel­lae tu­te­lam Ti­tius ad­mi­nis­tra­vit vel cu­ra­tor neg­otia ges­sit ea­que non­dum re­cep­ta ra­tio­ne de­ces­sit fi­lia he­rede re­lic­ta, quae­ren­ti, an eam fi­lio suo pos­set Ti­tius col­lo­ca­re in ma­tri­mo­nium, di­xi pos­se, quia ra­tio he­redi­ta­ria es­set et sit sim­plex de­bi­tum: alio­quin om­nis de­bi­tor eam, cui ob­li­ga­tus es­set ex ali­qua ra­tio­ne, pro­hi­be­tur si­bi fi­lio­que suo con­iun­ge­re. 6Sed et is, qui pu­pil­lam abs­ti­net bo­nis pa­tris sui, ra­tio­nem eius rei prae­sta­re de­bet et fie­ri pot­est, ut et­si in­con­sul­tius hoc fe­ce­rit, et hoc no­mi­ne con­dem­na­ri de­beat. sed et si op­ti­mo con­si­lio usus sit au­xi­lio prae­to­riae iu­ris­dic­tio­nis, quia non sol­ven­do pa­ter eius de­ces­se­rat, ni­hi­lo mi­nus ta­men, quia iu­di­cio hoc pro­ba­ri opor­tet, im­pe­diun­tur nup­tiae: nam qui be­ne tu­te­lam et ex fi­de ad­mi­nis­tra­vit, ni­hi­lo mi­nus pro­hi­be­tur.

67Tryphonin. lib. IX. Disp. Nicht blos bei Lebzeiten des Vormundes, sondern auch nach dem Tode desselben wird der Sohn des Vormundes abgehalten, die zur Frau zu nehmen, über deren Vormundschaft sein Vater Rechnung abzulegen verpflichtet ist. Auch glaube ich, dass es keinen Unterschied mache, ob der Sohn Erbe desselben geworden sei, oder sich von der väterlichen Erbschaft losgesagt habe, oder ob er nicht einmal Erbe gewesen ist, [sondern] etwa enterbt, oder, da er aus der väterlichen Gewalt entlassen worden war, übergangen worden ist; denn es ist auch möglich, dass das Vermögen des Vaters ihm betrügerischer Weise zugewendet worden ist, und wegen der Vormundschaft ihm abgefordert werden muss. 1Ueber einen Fall kann man zweifeln, ob nämlich ein Grossvater, wenn er die Vormundschaft über eine von seinem aus der väterlichen Gewalt entlassenen Sohn erzeugte Enkelin geführt hat, sie an einen Enkel von einem anderen Sohn, möge [der Enkel] aus der väterlichen Gewalt entlassen sein, oder in der Gewalt bleiben, verheirathen könne, weil [in diesem Fall] der gleiche Grund zur Zuneigung den Verdacht eines Betrugs entfernt. Aber wenn auch der Senatsschluss nach dem strengen Recht gegen alle Vormünder gerichtet ist, so ist doch eine Ehe der Art aus Rücksicht auf die höchste grossväterliche Zuneigung zu gestatten. 2Aber auch wenn ein Haussohn Vormund oder Curator eines Mädchens gewesen ist, so glaube ich, dass sie ebenso wenig den Vater desselben heirathen dürfe; etwa auch den Bruder des Vormundes nicht, welcher sich [mit diesem] in der Gewalt desselben [Vaters] befindet? 3Aber wir wollen sehen, ob, wenn der Sohn des Titius die zur Frau genommen haben wird, welche deine Mündel gewesen ist, sodann du den Titius oder den Sohn desselben adoptirt haben wirst, die Ehe aufgehoben wird, wie bei dem adoptirten Schwiegersohn gesagt worden ist, oder ob die Adoption verhindert wird? Und das letztere ist mehr zu sagen, wenn3131Im Text steht et si, doch scheint das et, welches in mehreren älteren Ausgaben fehlt, zu streichen zu sein, indem der ganzen Fassung der Stelle gemäss der folgende Satz von nam an, nicht einen gleichen Fall, sondern einen Gegensatz enthält, so dass während der Vormundschaft oder Curatel der Ehemann der Mündel vom Vormund nicht adoptirt werden kann, wohl aber nach beendigter Vormundschaft und nach Ablegung der Rechnung. Anderer Meinung ist v. Glück a. a. O. S. 74. ff., dessen Ideengang S. 80. etwas dunkel ist. Er stützt sich auf das Schol. Basil. T. IV. p. 273. sq., welches auch in dem letzteren Fall die Adoption für unzulässig erklärt. ein Curator, während er die Curatel führt, den Ehemann des Mädchens, deren Curator er ist, adoptirt haben wird; denn wenn die Vormundschaft schon beendigt und das Mädchen an einen Anderen verheirathet ist, so fürchte ich, dass es unnütz sein möchte, die Adoption des Ehemannes des [Mädchens] zu verhindern, gleich als ob sie darum geschehe, um die Ablegung der Vormundschaftsrechnung zu hintertreiben, welchen Grund zum Verbot der Eingehung der Ehe die Rede des höchstseligen Marcus enthält. 4Und wenn Jemand zum Curator für eine Leibesfrucht und das Vermögen [des Verstorbenen] bestellt worden sein sollte, so ist er dem Verbot desselben Senatsschlusses unterworfen, denn auch ein solcher muss Rechnung ablegen; auch darf uns die Dauer der Verwaltung nicht auf andere Meinung bringen, weil weder bei dem Vormund, noch bei dem Curator ein Unterschied zwischen einer längeren oder kürzeren Zeit, während welcher Jemand in einem Amt der Art gewesen sein wird, gemacht worden ist. 5Als man fragte, ob, wenn Titius die Vormundschaft einer Frauensperson verwaltet, oder als Curator die Geschäfte [derselben] geführt hat, und sie, nachdem sie die Rechnung noch nicht angenommen hatte, gestorben ist und eine Tochter zur Erbin hinterlassen hat, Titius dieselbe seinem Sohne zur Ehe geben könnte, so habe ich gesagt, dass er es könnte, weil eine Erbschaftsrechnung und also eine einfache Schuld Statt fände3232D. h. weil die Tochter der Verstorbenen die Ablegung der Rechnung über die geführte Vormundschaft oder Curatel nicht als Pflegebefohlene, sondern als Erbin fordert.; sonst müsste jeder Schuldner abgehalten werden, die, welcher er aus irgend einer Ursache verbindlich wäre, mit sich oder seinem Sohn zu verbinden. 6Aber auch der, welcher eine Mündel von dem [hinterlassenen] Vermögen ihres Vaters lossagt, muss Rechnung über diese Angelegenheit ablegen und es ist möglich, dass er3333Im Text heisst es: ut etsi inconsultis hoc fecerit; doch verdirbt das etsi den Sinn der Stelle und ist wohl entweder ganz zu streichen oder in si zu verwandeln. dies unüberlegt gethan hat und deswegen verurtheilt werden muss; aber auch wenn er in der besten Absicht sich der Hülfe der prätorischen Gerichtsbarkeit bedient hat, weil der Vater der [Mündel] zahlungsunfähig gestorben war, so wird doch nichts desto weniger die Ehe verhindert, weil er dies im Gericht beweisen muss; denn auch wer gut und treu die Vormundschaft verwaltet hat, wird nichts desto weniger [von der Ehe mit der Mündel] abgehalten.

68Pau­lus li­bro sin­gu­la­ri ad se­na­tus con­sul­tum Tur­pil­lia­num. Iu­re gen­tium in­ces­tum com­mit­tit, qui ex gra­du ascen­den­tium vel de­scen­den­tium uxo­rem du­xe­rit. qui ve­ro ex la­te­re eam du­xe­rit quam ve­ta­tur, vel ad­fi­nem quam im­pe­di­tur, si qui­dem pa­lam fe­ce­rit, le­vius, si ve­ro clam hoc com­mi­se­rit, gra­vius pu­ni­tur. cu­ius di­ver­si­ta­tis il­la ra­tio est: cir­ca ma­tri­mo­nium quod ex la­te­re non be­ne con­tra­hi­tur pa­lam de­lin­quen­tes ut er­ran­tes ma­io­re poe­na ex­cu­san­tur, clam com­mit­ten­tes ut con­tu­ma­ces plec­tun­tur.

68Paul. lib. sing. ad SC. Turpill. Nach dem Völkerrecht begeht der eine Blutschande, wer aus der Zahl (ex gradu) seiner Vorfahren oder Nachkommen eine Frau genommen haben wird, wer aber aus der Seitenverwandschaft eine solche geheirathet haben wird, mit welcher [die Ehe] verboten ist, oder eine verschwägerte, welch er nicht [heirathen] darf, wird, wenn er dies öffentlich gethan haben wird, leichter, wenn er es aber heimlich begangen haben wird, härter bestraft. Und der Grund dieser Verschiedenheit in Betreff einer Ehe, welche man mit Seitenverwandten unrechtmässiger Weise eingeht, ist der, weil die, welche sich öffentlich vergehen, als Irrende mit der härteren Strafe verschont, die, welche heimlich so Etwas begehen, als Ungehorsame bestraft werden.