De adoptionibus et emancipationibus et aliis modis quibus potestas solvitur
(Von der Annahme an Kindes Statt, der Entlassung aus der [väterlichen] Gewalt, und andern Arten deren Aufhebung.)
1Modestin. lib. II. Regular. Nicht blos die Natur schafft Familiensöhne, sondern auch die Annahme an Kindes Statt. 1Der Ausdruck: Annahme an Kindes Statt (Adoptio) ist zwar ein allgemeiner, sei zerfällt aber in zwei Arten, von denen die eine ebenfalls Annahme an Kindes Statt (Adoptio) heisst, und die andere Adrogation. An Kindes Statt angenommen werden Familiensöhne, adrogirt werden solche, die eigenen Rechtens sind.
2Gaj. lib. I. Institut. Die Annahme an Kindes Statt im allgemeinen Begriff geschieht auf zweifache Weise, entweder durch die Auctorität des Kaisers, oder vermöge der Gewalt eines Staatsbeamten. Durch die Auctorität des Kaisers nehmen wir diejenigen an Kindes Statt an, welche eigenen Rechtens sind; diese Art der Annahme an Kindes Statt heisst Adrogation, weil sowohl derjenige, welcher an Kindes Statt annimmt, gefragt wird (rogatur i. e. interrogatur), ob er wolle, dass derjenige, den er an Kindes Statt anzunehmen in Begriff steht, sein rechtmässiger Sohn sein solle, als auch derjenige, welcher an Kindes Statt angenommen wird, ob er zugebe, dass dies geschehe. Vermöge der Gewalt der Staatsbeamten nehmen wir diejenigen an Kindes Statt an, welche sich in Gewalt ihrer Väter befinden, mögen sie den ersten Grad von Kindern einnehmen, wie Sohn und Tochter, oder einen fernern, wie Enkel und Enkelin, Grossenkel und Grossenkelin. 1Das ist aber beiden Arten von Anname an Kindes Statt gemeinschaftlich, dass auch Zeugungsunfähige, wie Spadonen, an Kindes Statt annehmen können. 2Das hingegen ist der Annahme an Kindes Statt, welche durch den Kaiser geschieht, allein eigenthümlich, dass wenn sich Jemand, der Kinder in seiner Gewalt hat, adrogiren lässt, er nicht nur selbst der Gewalt des Adrogirenden unterworfen wird, sondern auch seine Kinder als Enkel in dessen Gewalt treten.
5Ceslus lib. XXVIII. Dig. Bei der Annahme an Kindes Statt werden blos diejenigen, welche eigenen Rechtens sind, um ihren Willen befragt; wenn aber Jemand von seinem Vater in Annahme an Kindes Statt gegeben wird, so erhellt der Wille beider [schon] aus der Einwilligung oder aus nicht geschehenem Widerspruch.
6Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wenn Jemand als Enkel, wie wenn er vom Sohne erzeugt worden wäre, an Kindes Statt angenommen wird, so wird die Einwilligung des Sohnes erfordert. Dies schreibt aus Julian.
7Celsus lib. XXXIX. Dig. Wenn eine Annahme an Kindes Statt geschieht, so ist dazu die ermächtigende Einwilligung derer, zwischen welchen nun das Rechtsverhältniss der Seitenverwandtschaft eintritt, nicht erforderlich.
13Papin. lib. XXXVI. Quaest. Nach dem Erlöschen der Gewalt des Adoptivvaters bleibt beinahe in keiner rechtlichen Beziehung eine Spur des frühern Verhältnisses; auch die durch die Annahme an Kindes Statt erworbene väterliche Würde erlischt mit deren Endigung.
15Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ein Familienvater an Kindes Statt angenommen worden ist, so geht alles, was sein war und erworben werden kann, stillschweigend auf den über, welcher ihn an Kindes Statt angenommen hat; ja, es folgen ihm selbst die Kinder, welche er in seiner Gewalt hat; auch diejenigen, welche vermöge des Heimkerrechts zurückkehren, oder die noch ungeborenen kommen, wenn er adrogirt worden worden, auf ähnliche Weise in die Gewalt des Adrogirenden. 1Wer zwei Söhne, und von dem einen derselben einen Enkel hat, der kann, wenn er den Enkel als gleichsam vom andern erzeugt an Kindes Statt22Das hier eingeschobene sic dürfte wohl herauszuwerfen sein; s. die Note in der Götting. Corp. Jur.-Ausgabe. annehmen will, dies auf die Weise bewirken, dass er ihn [erst] aus der Gewalt etnlässt und [dann] als vom andern erzeugt an Kindes Statt annimmt; denn er thut dies dann ganz wie jeder Andere, und nicht als Grossvater, und aus dem Grunde, wie er Jemanden als den Sohn eines Andern an Kindes Statt annehmen kann, kann er es auch, als [wäre jener] vom andern Sohne [erzeugt]. 2Bei Adrogationen erstreckt sich die Untersuchung darauf, ob der, welcher adrogiren will, nicht unter sechzig Jahre alt sei, weil er sich dann vielmerh der Erzeugung [eigener] Kinder befleissigen muss, es wäre denn Krankheit oder Ungesundheit als Ursache, oder ein anderer rechtmässiger Grund des Adrogirens vorhanden, z. B. wenn er eine ihm nahestehende Person an Kindes Statt annehmen will. 3Ebensowenig darf Jemand Mehrere [auf einmal] adrogiren, wenn kein rechtmässiger Grund vorhanden ist, jedoch weder einen fremden Freigelassenen, noch ein Jüngerer einen Aeltern.
16Javolen. lib. VI. ex Cassio. Denn Annahme an Kindes Satt findet [nur] zwischen solchen Personen Statt, in Ansehung deren [ein solches Verhältniss] der Natur gemäss obwalten kann.
17Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wer Jemands Vormundschaft oder Curatel verwaltet hat, der darf [diesen] nicht adrogiren, wenn er unter fünfundzwanzig Jahre als ist, damit er ihn nicht deswegen adrogire, um keine Rechtnung abzulegen zu brauchen. Ebenso ist darauf zu achten, dass nicht etwa eine schlechte Ursache der Adrogation zum Grunde liege. 1Die Adrogation solcher Unmündigen ist nur denjenigen zu gestatten, die entweder durch natürliche Verwandschaft oder durch die reinste Zuneigung bewogen dazu schreiten, übrigens aber zu verbieten, damit es nicht in der Gewalt der Vormünder stehe, sowohl die Vormundschaft zu endigen, als auch die vom Vater [des Unmündigen] getroffene Substitution zu vereiteln. 2Zuerst ist aber zu ermitteln, welches das Vermögen des Unmündigen und welches dessen sei, der ihn an Kindes Statt annehmen will, damit aus der Vergleichung beider abgenommen werden kann, ob die Annahme an Kindes Statt dem Unmündigen als vortheilhaft betrachtet werden könne; nachher, wie der Lebenswandel dessen sei, der einen Unmündigen in seine Familie aufnehmen will; drittens, welchen Alters derselbe sei, um zu ermitteln, obe er nicht vielmehr selbst noch auf Erzeugung von Kinder zu denken habe, als aus einer fremden Familie Jemanden in seine Gewalt bringen zu wollen. 3Ueberdies ist auch darauf zu achten, ob demjenigen, der ein oder mehrere Kinder hat, gestattet werden dürfe, noch ein anderes anzunehmen, damit nicht entweder die Hoffnung derjenigen, welche er in rechtmässiger Ehe erzeugt hat, vermindert werde, welche sich jedes derselben durch Gehorsam bereitet, oder der an Kindes Statt Angenommene werniger erhalte, als er hätte bekommen müssen. 4Zuweilen wird auch einem Aermern gestattet, einen Reichern an Kindes Statt anzunehmen, wenn sein Lebenswandel unbescholten ist, oder [er zu demselben] eine ehrbare und nicht unbekannte Zuneigung [hegt]. 5Es pflegt aber in diesen Fällen eine Bürgschaft bestellt zu werden.
18Marcell. lib. XXVI. Dig. Denn dem Willen desjenigen, der einen Unmündigen adrogiren will, darf, wenn er den Grund dazu sonst gerechtfertigt hat, nicht eher Statt gegeben werden, als bis er Bürgschaft bei einem Notar bestellt hat, dass er dasjenige, was er aus dessen Vermögen erworben haben werde, denjenigen wieder herausgeben wolle, an welche das Vermögen gefallen sein würde, wenn der Adrogirte in seinem Stande geblieben wäre.
19Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Dass mit den Worten der Bürgschaft, welche vom Adrogirenden geleister werden muss: wem das Vermögen zukommt, auch die [vom Vater des Adrogirten] im zweiten [Theil des] Testament[s] verfügten Freiheitsertheilungen, und um so mehr der substituirte Sclav und die Vermächtnissinhaber gesichert werden, wird Niemand bezweifeln. 1Wenn diese Bürgschaftsstellung unterlassen worden ist, so wird eine analoge Klage wider den Adrogirenden ertheilt.
20Marcell. lib. XXVI. Dig. Diese Bürgschaft findet aber nur auf den Fall Anwendung, wenn der Unmündige gestorben ist; wenn übrigens auch nur von einem Unmündigen gesprochen wird, so ist doch ganz dasselbe bei einer Unmündigen zu beobachten.
22Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn der Adrogirende mit Hinterlassung eines unmündigen angenommenen Sohne gestorben ist, und bald darauf auch der Unmündige stirbt, haften da die Erben des erstern? — Es müssen dieselben allerdings sowohl das Vermögen des Adrogirten, als ausserdem den vierten Theil [vin Vermögen des verstorbenen Erblassers] herausgeben. 1Es fragt sich aber, ob der Adrogirende dem Unmündigen substituiren dürfe? — Ich halte die Substitution für unzulässig, ausser auf den Viertheil allein, den [der Unmündige] von seinem Vermögen erhält, und insofern sich dieselbe nur bis zu seiner Mündigkeit seiner Treue überlässt, so ist das Fideicommiss unzulässig, weil dasselbe nicht zufolge seines freien Willens an den [Unmündigen] gelangt, sondern durch die Vorschrift des Kaisers. 2Dieses alles kommt zur Anwendung, es mag Jemand einen Unmündigen an Sohnes, oder an Enkels Statt adrogirt haben.
23Paul. lib. XXXV. ad Ed. Wer an Kindes Statt angenommen wird, wird mit denen, welchen er angeboren wird, verwandt; wem er aber nicht angeboren wird, dessen Verwandter wird er auch nicht; denn die Annahme an Kindes Statt überträgt kein Recht des Blutes, sondern blos ein Recht der Angeburt. Wenn ich daher einen Sohn an Kindes Statt annehme, so vertritt meine Gattin demselben nicht Mutter Stelle, denn er wird ihr nicht angeboren, und darum wird, sie auch nicht seine Verwandte. Daher ist auch meine Mutter ihm nicht an Stelle der Grossmutter, weil er denjenigen, welche nicht zu meiner Familie gehören, nicht angeboren wird; allein meiner Tocher wird der, welchen ich an Kindes Statt angenommen habe, Bruder, weil meine Tochter zu meiner Familie gehört, und darum ist auch die Ehe zwischen ihnen verboten.
25Id. lib. V. Opinion. Nach dem Tode seiner Tochter, welche als Familienmutter, gleichsam den Rechtsvorschriften gemäss aus der Gewalt entlassen, gelebt hatte und mit Hinterlassung von, in einem Testament eingesetzten, Erben gestorben war, darf der Vater gegen seine eigene Handlung, als habe er sie nicht den Rechtsvorschriften gemäss, noch in Gegenwart von Zeugen, aus der Gewalt entlassen, keinen Streit erheben. 1Ein Abwesender kann weder eine Person fremden, noch eigenen Rechtens an Kindes Statt annehmen, noch durch einen Andern eine solche feierliche Handlung verrichten lassen.
27Id. lib. LXXXV. Dig. Der Sohn eines an Kindes Statt angenommenen Sohnes vertritt im bürgerlichen Recht dieselbe Stelle.
28Gaj. lib. I. Inst. Wer einen Sohn und einen Enkel von demselben in seiner Gewalt hat, der hat die freie Wahl, den Sohn aus der Gewalt zu entlassen, und den Enkel darin zu behalten, oder umgekehrt, den Sohn in der Gewalt zu behalten, und den Enkel daraus zu entlassen, oder sie beide eigenen Rechtens zu machen. Dasselbe verstehen wir auch vom Grossenkel geltend.
29Callistrat. lib. II. Institut. Wenn der natürliche Vater nicht sprechen, sich aber auf andere Weise, als durch die Sprache, deutlich machen kann, dass er seinen Sohn in Annahme an Kindes Statt geben wolle, so wird die Annahme an Kindes Statt bestätigt, wie wenn sie zu Recht beständig geschehen wäre.
32Papin. lib. XXXI. Quaest. Zuweilen ist einem Unmündigen, der an Kindes Statt angenommen worden, Gehör zu ertheilen, wenn er nach erlangter Mündigkeit aus der Gewalt entlassen zu werden verlangt, und dies ist nach vorheriger Untersuchung der Sache durch den Richter zu bestimmen. 1Der Kaiser Titus Antoninus hat mittelst Rescripts dem Vormund gestattet, seinen Stiefsohn an Kindes Statt anzunehmen.
34Paul. lib. XI. Quaest. Es ist darüber Frage entstanden, ob, wenn dir ein Sohn unter der Bedingung in Annahme an Kindes Statt gegeben worden ist, dass du ihn nach drei Jahren mir in Annahme an Kindes Statt geben solles, deshalb eine Klage Statt finde? — Labeo glaubt, es finde keine Klage Statt, denn es kommt mit unsern Sitten nicht überin, Jemanden nur eine Zeitlang zum Sohne zu haben.
35Id. lib. XVIII. Respons. Durch die Annahme an Kindes Statt wird der Rang nicht verringert, wohl aber [unter Umständen] vermehrt; daher bleibt ein Senator was er ist, wenn er auch von Jemand aus der untern Volksklasse an Kindes Statt angenommen worden ist; ebenso bleibt es der Sohn des Senators.
36Id. lib. XVIII. Respons. Aus der Gewalt entlassen werden kann ein Sohn von seinem Vater an jedem Orte, so dass er aus der väterllichen Gewalt heraustritt. 1Vor einem Proconsul kann auch in einer Provinz, die ihm nicht zugetheilt worden ist, Entlassung aus der Gewalt und Annahme an Kindes Statt geschehen.
37Id. lib. II. Sententiar. Man kann an Enkels Statt annehmen, selbst wenn man keinen Sohn hat. 1Wen man an Kindes Statt angenommen hat, den kann man, wenn man ihn aus der Gewalt entlassen, oder in Annahme an Kindes Statt gegeben hat, nicht wiederum an Kindes Statt annehmen.
38Marcell. lib. XXVI. Dig. Eine nicht nach den Rechtsvorschriften geschehene Annahme an Kindes Statt kann vom Kaiser bestätigt werden;
39Ulp. lib. III. de off. Consul. denn der Kaiser Marcus rescribirte an den Eutychianus: [anlangend deine Frage,] ob dir darin, was du verlangst, zu willfahren sei, so werden die Richter darüber mit Zuziehung derer, welche widersprechen, d. h. derjenigen, welche durch die Bestätigung der Annahme an Kindes Statt beeinträchtigt werden würden, erkennen.
40Modestin. lib. I. Different. Wenn ein Familienvater adrogirt worden ist, so werden die sich in seiner Gewalt befindenden Kinder, in Ansehung des Adrogirenden Enkel; dies geschieht bei der Annahme. an Kindes Statt nicht so, hier bleiben die Enkel vom Angenommenen in der Gewalt des natürlichen Grossvaters. 1Nicht blos derjenige, wer an Kindes Statt annimmt, sondern auch wer adrogirt, muss älter als der sein, welchen er durch Annahme an Kindes Statt oder Adrogation zu seinem Sohn machen will, und zwar muss er wenigstens um die volle Mündigkeit, d. h. um achtzehn Jahr älter sein. 2Ein Spadon kann durch Adrogation sich ebenfalls einen Notherben verschaffen, und sein körperlicher Fehler hindert ihn nicht daran.
41Id. lib. II. Regul. Wenn ein Vater seinen Sohn, von dem er einen Enkel in der Gewalt hat, aus derselben entlässt, und ihn nachher wieder an Kindes Statt annimmt, so kehrt nach seinem Tode der Enkel nicht in seines Vaters Gewalt zurück. Auch derjenige Enkel kehrt nicht in seines Vaters Gewalt zurück, den der Grossvater darin behalten hat, während er den Sohn in Annahme an Kindes Statt gegeben, welchen er nachher selbst wieder an Kindes Statt angenommen hat.
43Pompon. lib. XX. ad Quint. Mucium. Annahmen an Kindes Statt geschehen nicht nur an Sohnes Stelle, sondern auch an Enkels Stelle, so dass Jemand als unser Enkel erscheint, wie wenn er von unserm Sohn, oder von einem Unbestimmten erzeugt wäre.
44Procul. lib. VIII. Epistol. Wenn Jemand, der einen Enkel vom Sohn hat, einen andern an Enkels Statt angenommen hat, so glaube ich nicht, dass nach des Grossvaters Tode zwischen den Enkeln Blutsverwandschafts-Recht eintreten; wenn er ihn aber auf die Art angenommen hat, dass er auch Kraft des Gesetzes Enkel sein soll, [also] wie wenn er gleichsam von seinem Sohn Lucius und dessen Familienmutter erzeugt worden wäre, so findet, meiner Ansicht nach, das Gegenteil Statt.
45Paul. lib. III. ad Leg. Jul. et Pap. Die durch den an Kindes Statt angenommenen entstehenden Lasten werden auf den Adoptivvater übertragen.
46Ulp. lib. IV. ad Leg. Jul. et Pap. Ein, während dass ich in Sclaverei war, mir geborener Sohn kann durch die Gnade des Kaisers meiner Gewalt unterworfen werden, doch findet kein Zweifel Statt, dass er Freigelassener bleibt.