De servitutibus
(Von den Dienstbarkeiten.)
2Ulp. lib. XVII. ad Ed. Einer von mehreren Eigenthümern eines gemeinschaftlichen Gebäudes kann [demselben] keine Dienstbarkeit auferlegen.
4Papin. lib. VII. Quaest. Dienstbarkeiten können dem Rechte selbst zu Folge zwar weder von einem bestimmten Zeitpunct an, noch bis zu einem solchen, weder unter einer Bedingung, noch bis zu einer bestimmten Bedingung, z. B. so lange als ich will, bestellt werden; wenn jedoch etwas dergleichen [ausdrücklich] hinzugefügt worden ist, so kann demjenigen, welcher die Dienstbarkeit gegen das Uebereinkommen in Anspruch nimmt, mit der Einrede des Vertrags oder der Arglist begegnet werden. Dahin, berichtet Cassius, habe sich sowohl Sabinus gutachtlich ausgesprochen, als sei er auch selbst dieser Meinung. 1Dass den Dienstbarkeiten eine bestimmte Art der Ausübung hinzugefügt werden könne, ist bekannt, z. B. mit welcher Art von Fuhrwerk gefahren, oder nicht gefahren werden soll, etwa nur mit Pferden, oder bis auf ein bestimmtes Gewicht beladen, oder dass nur eine bestimmte Heerde übergeführt, oder Kohlen getragen werden dürfen. 2[Bestimmte] Zwischenräume von Tagen und Stunden enthalten keine Bestimmung der Zeit, sondern der Art der Ausübung einer rechtlich bestellten Dienstbarkeit.
5Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. [Die Dienstbarkeiten des] Fahrwegs, des Fusssteigs und der Trift, sowie der Wasserleitung werden fast auf dieselbe Weise bestellt, wie wir es vom Niessbrauch gesagt haben. 1Die Ausübung der Dienstbarkeiten kann durch bestimmte Zeiträume getrennt werden, z. B. so dass Jemand von nach drei Uhr bis um zehn Uhr sich eines gewissen Rechts bedienen solle, oder einen Tag um den andern.
6Paul. lib. XXI. ad Ed. prov. An einem bestimmten Theil eines Grundstücks kann eine Dienstbarkeit sowohl erlassen, als bestellt werden.
7Ulp. lib. XIII. ad Leg. Jul. et Pap. Das Recht, einen Cloak anzulegen, ist auch eine Dienstbarkeit.
8Paul. lib. XV. ad Plaut. Ad Dig. 8,1,8 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 209, Note 5.Das man [hin und wider] einen Apfel abbrechen, spatzierengehen, und auf fremden Boden zu Abend essen könne, deshalb kann keine Dienstbarkeit bestellt werden. 1Wenn mir dein Landgut dienstbar ist, und ich entweder Eigenthümer eines Theiles des deinigen werde, oder du von einem des meinigen, so besteht die Dienstbarkeit theilweise fort, wenn sie gleich ursprünglich theilweise nicht erworben werden kann.
9Celsus lib. V. Dig. Wenn Jemandem die Dienstbarkeit des Fahrweges über Jemandes Landgut ohne genaue Bestimmung zugestanden oder letztwillig hinterlassen worden ist, so kann er ohne Einschränkung, d. h. über jeden Theil desselben gehen und fahren, aber auf schonende Weise. Denn manches wird bei Verträgen stillschweigend ausgenommen; so darf [z. B. der Berechtigte] weder durch das Landhaus noch mitten durch die Weinberge gehen oder fahren, da er dies ebenso bequem über einen andern Theil und zu geringerem Schaden des dienenden Grundstücks thun kann. Es ist aber ausgemacht, dass wo er zuerst seinen Weg genommen, er fortwährend gehen und fahren müsse, und ferner damit keine Veränderung vornehmen dürfe; so schien es auch dem Sabinus, der sich hierbei des Beispiels von einem Bach bediente, den man zwar zu Anfang leiten kann, wohin man will, nachher aber, wenn er seinen Lauf genommen, nicht verlegen darf; dies muss auch in Ansehung des Weges befolgt werden.
10Idem lib. XVIII. Dig. Wenn [die Dienstbarkeit] eines Fusssteiges vermacht worden ist, wo man, ohne einen Bau nicht gehen kann, so ist es erlaubt, durch Ausgraben oder Unterbauen einen Weg anzulegen, wie Proculus sagt.
11Modestin. lib. VI. Differentiar. Dass eine Dienstbarkeit nicht je nach dem Antheil am Eigenthum erworben werden könne, ist eine allgemein bekannte Sache. Wenn daher Jemand, der ein Landgut hat, sich einen Fahrweg stipulirt, und einen Theil seines Landguts nachher veräussert, so macht er die Stipulation unwirksam, indem er sie in einen Fall versetzt, wo dieselbe ursprünglich nicht entstehen konnte. Die Wege[gerechtigkeit] kann auch weder theilweise vermacht, noch genommen werden, und wenn es geschehen ist, so gilt weder das Vermächtniss, noch die Wegnahme.
13Pompon. lib. XIV. ad Quint. Mucium. Wenn ein Fahrweg mit der Bezeichnung eines so schmalen Raumes bewilligt worden ist, dass weder ein Wagen noch ein Gespann darauf fortkommen kann, so ist anzunehmen, dass hier mehr ein Fusssteig als ein Fahrweg oder Uebertrift erworben worden sei; kann aber zwar Vieh, jedoch kein Wagen darauf fortkommen, so wird eine Uebertrift als erworben angenommen.
14Paul. lib. XV. ad Sabin. Ad Dig. 8,1,14 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 163, Note 11.Die Dienstbarkeiten an ländlichen Grundstücken sind, wenn sie auch Körpern anhängen, doch unkörperlich, und können deshalb nicht ersessen werden, oder auch darum, weil sie Dienstbarkeiten von der Art sind, dass sie keinen bestimmten ununterbrochenen Besitz möglich machen; denn Niemand kann [z. B.] so ununterbrochen und fortwährend gehen, dass sein Besitz auch nicht in einem Augenblick als unterbrochen angesehen werden kann. Dasselbe gilt von den Dienstbarkeiten an städtischen Grundstücken11Es ist unverkennbar, dass in diesem Gesetz, das auf die vielbesprochene Lex Scribonia (s. Glück IX. p. 112.) Bezug nimmt, Unsinn enthalten sei. Man wirft daher dem Paulus vor, er habe das letztere nicht verstanden.. 1Die Dienstbarkeit des Fusssteiges zu einem Begräbniss bleibt privatrechtlich, und kann daher dem Eigenthümer des dienenden Grundstücks erlassen werden; dieselbe kann auch erst nach Errichtung des Begräbnisses erworben werden. 2Wenn ein öffentlicher Platz, oder ein öffentlicher Weg dazwischen kommt, so kann einem Grundstück zwar die Dienstbarkeit des Wasserschöpfens auferlegt werden, nicht aber die einer Wasserleitung; man pflegt sich jedoch an den Kaiser zu wenden, um eine Wasserleitung ohne allgemeinen Nachtheil über eine öffentliche Strasse zu führen. Liegt ein heiliger oder religiöser Ort dazwischen, so hindert dies sogar die Dienstbarkeit des Fusssteiges, indem über einen Platz der Art Niemand ein Recht auf eine Dienstbarkeit haben kann.
15Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Sobald eine Dienstbarkeit weder [zum Vortheil] eines Menschen noch eines Grundstückes bestellt worden ist, so gilt sie nicht, weil dann dem Nachbar nichts daran gelegen sein kann; z. B. dass du nicht über dein eigenes Landgut gehen oder darauf verweilen wollest; wenn du mir daher zugestehen wolltest, dass du kein Recht mehr haben wollest, dein eigenes Grundstück zu brauchen und zu benutzen, so ist dies ungültig; etwas Anderes ist es aber, wenn du mir zugestehen wolltest, dass du, um mein Wasser nicht zu vermindern, kein Recht habest, auf deinem Grundstück Wasser zu schöpfen. 1Das Wesen der Dienstbarkeiten besteht nicht darin, dass Jemand etwas thue, z. B. Grasgärten abschaffe, oder für eine angenehmere Aussicht sorge, oder dass er auf seinem eigenen Boden Gemälde ausstelle22Pingat, s. Brisson. h. v., sondern darin, dass Jemand etwas leide, oder nicht thue.
16Jul. lib. XLIX. Dig. Demjenigen, den mein Grundstück als Pfand eingeräumt worden ist, wird billiger Weise eine analoge Klage wegen der Dienstbarkeit ebenso verstattet, wie wegen des Grundstückes selbst. Dasselbe gilt nun auch in Ansehung dessen, dem ein Zinsgut gehört.
17Pompon. lib. singul. Regul. Ein Theil eines Fahrweges, Fusssteiges, einer Uebertrift und Wasserleitung kann nicht Gegenstand einer Verbindlichkeit werden, weil deren Gebrauch nicht getheilt Statt finden kann; wenn daher derjenige, welcher sich [eines dieser Rechte] stipulirt hat, mit Hinterlassung mehrerer Erben gestorben ist, so kann jeder einzelne Klage auf den ganzen Weg erheben, und wenn der Versprechende mit Hinterlassung mehrerer Erben gestorben, so findet die Klage auf das Ganze gegen jeden einzelnen Statt.
18Paul. lib. XXXI. Quaest. Papin. notat. Bei allen Dienstbarkeiten, in Ansehung deren durch einen Erbantritt Vereinigung [des dienenden Grundstücks mit dem berechtigten] erfolgt ist, hat man den Grundsatz angenommen, dass dem Vermächtnissinhaber die Einrede der Arglist entgegenstehe, wenn er deren fernern Fortbestand nicht dulden will33Diese Gesetzstelle ist auch mit den Ergänzungen zur Erläuterung schwer zu verstehen. Man denke sich den Fall: A. hat ein Grundstück, an welchem dem B. eine Dienstbarkeit zusteht; er stirbt und setzt den B. zum Universalerben ein, vermacht aber sein dienendes Grundstück dem C. unter einer Bedingung. Bis diese eintritt, gehört nun dem B. das Grundstück des A., mithin wird die Dienstbarkeit durch die Vereinigung des dienstbaren und des berechtigten Grundstücks aufgehoben. Wenn nun aber die Bedingung für C. eintritt, und B. das Grundstück herausgeben muss, so lebt die Dienstbarkeit seines Grundstückes daran wieder auf, und wenn dann C. ex testamento klagt, ohne die Dienstbarkeit anerkennen zu wollen, so steht ihm die Einrede der Arglist entgegen. — Dieses Gesetz hat den sehr natürlichen Grund, weil ohne dies jedem Besitzer eines dienstbaren Grundstücks dasselbe von der Dienstbarkeit befreien könnte..
19Labeo lib. IV. Posterior. a Javoleno epitom. Dass dem Landgute, welches Jemand verkauft, eine Dienstbarkeit auferlegt werden könne, selbst wenn sie von keinem Nutzen, ist, glaube ich wohl; so z. B. kann, wenn Jemandem eine Wasserleitung gar nichts helfen würde, dennoch diese Dienstbarkeit nichts desto weniger bestellt werden; denn wir können, ein Recht auf Etwas haben, ohne dass es uns von Nutzen ist.
20Javolen. lib. V. ex Posteriorib. Labeon. Sobald ein Fahrweg, oder irgend ein Recht eines Landguts erkauft worden ist, so glaubt Labeo, müsse Sicherheit bestellt werden, dass von deiner Seite der Ausübung des Rechtes kein Hinderniss in den Weg gelegt werden werde, weil keine ausschliessliche Uebergabe eines Rechts dieser Art geschehen könne. Ich aber glaube, dass die Ausübung desselben als Besitzübergabe des Rechts anzunehmen sei, weshalb auch eine Art von Besitz-Interdicten dafür begründet sind.