De iudiciis: ubi quisque agere vel conveniri debeat
(Von den Gerichten und wo Jeder klagen oder belangt werden soll.)
1Ad Dig. 5,1,1ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 328: Voraussetzung der stillschweigenden Prorogation des Gerichtsstandes.Ulp. lib. II. ad Ed. Wenn sich welche einer Gerichtsbarkeit [freiwillig] unterwerfen, und [darin] übereinstimmen, so ist für die Uebereinstimmenden die Gerichtsbarkeit eines jeden Richters, der einem Gerichtshofe vorsteht, oder sonst eine Gerichtsbarkeit hat, begründet.
2Idem lib. III. ad Ed. Ad Dig. 5,1,2 pr.ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 328: Voraussetzung der stillschweigenden Prorogation des Gerichtsstandes.Uebereinzustimmen scheinen aber diejenigen, welche wissen, dass sie dessen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen seien und auf ihn übereinstimmen. Wenn sie aber [blos] in dem Glauben stehen, dass er die Gerichtsbarkeit habe, so erlangt er sie dadurch nicht, denn ein Irrthum der Streitenden enthält, wie auch Julian im ersten Buche seiner Digesten schreibt, keine Uebereinstimmung; oder wenn sie in dem Glauben standen, dass ein Anderer Prätor sei, als der es ist, so begründet der Irrthum eben so wenig die Gerichtsbarkeit oder wenn einer der Streitenden sich widersetzt und mit Gewalt von der Prätur gezwungen worden ist, [sich zu stellen,] so findet auch keine Gerichtsbarkeit Statt. 1Genügt es aber, wenn welche unter sich übereinkommen, oder ist auch die Einwilligung des Prätors selbst nöthig? — Das Julische Gesetz über die Gerichte sagt: dass zwischen den Parteien keine Uebereinkunft Statt findet; es reicht also die Uebereinstimmung ihrer unter sich hin. Wenn nun welche unter sich übereinstimmen, der Prätor aber von dieser Uebereinkunft nichts weiss und seine Gerichtsbarkeit für begründet hält, so ist die Frage, ob dem Gesetz Genüge geleistet worden sei? Ich glaube, dass es sich vertheidigen lässt, dass die Gerichtsbarkeit ihm zustehe. 2Auch wenn ein Richter auf eine [bestimmte] Zeit bestellt worden ist, kann, wenn alle Streitenden übereinkommen, die Zeit, binnen deren ihm den Streit zu schlichten anbefohlen worden, verlängert werden, dafern nicht die Verlängerung durch einen kaiserlichen Befehl besonders verboten worden ist. 3Den Gesandten wird wegen derjenigen Geschäfte, welche sie vor der Gesandschaft eingegangen, so wie denen, welche ein Zeugniss abzulegen aufberufen, oder, um etwas zu beurtheilen, vorgefordert, oder in eine Provinz bestimmt worden sind, das Recht der Berufung an den heimischen Richter gegeben11Wenn sie zu Rom, wo alle Römischen Bürger aus dem ganzen Staate einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand haben, belangt werden.. Auch dem, der selbst appellirt hat, liegt die Nothwendigkeit nicht ob, während der Zeit der zu betreibenden Appellation zu Rom oder an einem andern Orte, wo dieselbe verhandelt wird, andern klagend gegen ihn Auftretenden zu antworten. Denn Celsus sagt, dass auch ihm die Berufung an den heimischen Richter zu gewähren sei, weil er wegen einer andern Angelegenheit gekommen ist; diese Meinung des Celsus ist wohlbegründet. Denn auch der Kaiser Pius verordnete an den Plotius Celsianus, dass derjenige, welcher, um Vormundschaftsrechnung abzulegen, aus seiner Heimath nach Rom berufen worden ist, einer andern Vormundschaft wegen, derenwegen er nicht berufen worden war, nicht genöthigt werden solle, sich auf einen Process einzulassen. Derselbe rescribirte an den Claudius Flavianus, dass ein Minderjähriger, welcher gegen den Asinianus, der eines andern Geschäfts wegen [nach Rom] gekommen war, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangt hatte, in Rom damit nicht gehört werden solle. 4Alle diese können sich aber an den heimischen Richter berufen, wenn sie das [betreffende] Geschäft nicht da eingegangen sind, wo sie belangt werden. Sind sie es aber daselbst eingegangen, so haben sie das Recht der Berufung nicht, ausgenommen die Gesandten, die, wenn sie auch das Geschäft daselbst, wenn nur vor ihrer Sendung, eingegangen sind, zu Rom sich zu stellen nicht gezwungen werden können, so lange sie sich der Gesandschaft wegen hier aufhalten; was auch Julian schreibt und der Kaiser Pius verordnet hat. Verweilen sie aber noch nach beendeter Gesandschaft, so verordnete der Kaiser Pius, sollen sie belangt werden können. 5Ebenso ist die Frage, ob, wenn sie ausserhalb ihrer Provinz, wiewohl nicht in Italien, ein Geschäft eingegangen sind, sie zu Rom belangt werden können? Marcell [sagt], dass sie sich ihres Vorrechtes, der Berufung an den heimischen Richter, blos in solchen Geschäften bedienen [dürfen], welche sie in ihrer Heimath, oder wenigstens innerhalb ihrer Provinz, eingegangen sind; dies ist richtig. Wenn sie aber selbst klagen, so müssen sie auch Jedem [, der gegen sie Klage erhebt,] Antwort stehen, jedoch nicht, wenn sie wegen Injurien, Diebstahls oder erst jetzt erlittenen Schadens klagen, denn sonst würden sie, wie auch Julian sehr treffend bemerkt, entweder ungestraft beschimpft, oder in Schaden gebracht werden, oder es würde in eines Jeden Gewalt stehen, dieselben, während sie deshalb ihre Ansprüche verfolgen, durch eine Klage wider sie einer [fremden] Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. 6Wenn aber Zweifel entsteht, ob sich Jemand in dem Verhältniss befindet, dass er sich an den heimischen Richter berufen könne oder nicht, so muss dies der Prätor nach Erwägung der Sache entscheiden. Ergibt sich, dass er in einem solchen Verhältniss steht, wo er sich an den heimischen Richter berufen kann, so muss er nach Ermessen des Prätors Sicherheit leisten, sich an dem Tage, wo er es verspricht, [in seine Heimath] vor Gericht stellen zu wollen; ob aber durch ein blosses Versprechen22S. Glück Erl. d. Pandecten III. p. 462. n. 28., oder durch einen Bürgen, darüber ist Marcell ungewiss. Nach meiner Meinung durch ein blosses Versprechen; dies schreibt auch Mela, denn sonst würde er eher genöthigt sein, sich auf die Klage einzulassen, als Jemanden finden, der für ihn bürgte. 7Ueberall aber, wo die Mahnung aufgeschoben33Admonitio — interpellare, s. Hugo Donell. Commentar. L. XVII. C. 13. (T. XI. p. 155 der neuen Nürnberger Ausgabe.) wird, muss dies ohne Schaden durch Zeit[verlust] für die Gläubiger geschehen. 8Denen, welche eine ihnen vom Staat verliehene Gerichtsbarkeit haben, wird das Recht, Geldstrafen zu bestimmen, zugestanden; weiter Niemandem, es wäre ihm denn besonders nachgelassen worden.
4Gaj. lib. I. ad Ed. prov. Mit dem, den wir in unserer Gewalt haben, können wir keinen Process haben, ausser über ein Beutegut.
5Ulp. lib. V. ad Ed. Wenn Jemand aus einer fremden Gerichtsbarkeit zum Prätor berufen wird, so muss er kommen, wie sowohl Pomponius als Vindius geschrieben haben. Denn dem Prätor kommt es zu, zu beurtheilen, ob die Gerichtsbarkeit ihm zustehe, dem Berufenen aber, das Ansehen des Prätors nicht zu verachten; denn auch die Gesandten und alle Andere, welche das Recht der Berufung an den heimischen Richter haben, befinden sich in dem Fall, dass sie, vor Gericht gefordert, kommen müssen, um dort erst sich auf ihr Vorrecht zu berufen.
8Ad Dig. 5,1,8Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 284, Note 8.Gaj. lib. II. ad Ed. prov. Wenn Jemand, während er Gesandter ist, die Zahlung von Etwas verspricht, was er vor der Gesandschaft schon schuldig war, so kann er nicht gezwungen werden, da Recht zu nehmen, wo er Zahlung versprochen hat.
10Idem lib. X. ad Ed. Nicht wer einen Process aufgeschoben, sondern wer ganz und gar darauf verzichtet hat, wird als davon abstehend angesehen; denn [wovon] abstehen, heisst, eine Klage zurücknehmen, welche man in der Absicht, Jemanden fälschlich in einen Process zu verwickeln, angestellt hatte. Hat aber Jemand, nachdem er sich von der Wahrheit einer Sache überzeugt hat, seine Klage aufgegeben, um nicht länger einen ungerechten Streit fortzusetzen, den er nicht in der Absicht, um Jemanden fälschlich in einen Process zu verwickeln, angefangen hatte, so wird nicht angenommen, als stehe er ab.
12Paul. lib. XVII. ad Ed. Wenn der Prätor einem unter mehrern [bestallten Richtern] befiehlt, sich des Urtheils zu enthalten, so wird der den übrigen ertheilte Auftrag als fortbestehend angesehen. 1Einen Richter ernennen kann derjenige, dem dies nach einem Gesetz, einer Constitution oder einem Senatsbeschluss zusteht; nach einem Gesetz z. B. dem Proconsul. Auch derjenige, der mit einer Gerichtsbarkeit beauftragt ist, kann einen Richter ernennen, wie die Legaten der Proconsuln; ebenso diejenigen, denen dies nach dem Herkommen kraft ihrer Amtsgewalt zugestanden ist, wie der Stadtvorsteher und die übrigen Staatsbeamten zu Rom. 2Nicht Jeder kann aber von denen, die das Recht, einen Richter zu ernennen, haben, als Richter bestellt werden, denn Einigen ist es durch Gesetze versagt, Richter zu sein, Andern durch die Natur, Andern durch das Herkommen; durch die Natur z. B. [dem,] wer taub, stumm, immerwährend wahnsinnig oder unmündig ist, weil diese der Urtheilskraft entbehren. Durch ein Gesetz ist es dem versagt, wer aus dem Senat gestossen worden ist; durch das Herkommen Weibern und Sclaven, nicht weil sie keine Urtheilskraft haben, sondern weil man [einmal] angenommen hat, dass sie keine bürgerrechtlichen Aemter bekleiden können. 3In Ansehung dessen, der Richter sein kann, ist es einerlei, ob er in [Jemandes] Gewalt oder eigenen Rechtens ist.
13Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Bei den drei Klagen, wegen Erbtheilung, Theilung etwas Gemeinschaftlichen und der Grenzberichtigung, entsteht die Frage, wer als Kläger anzusehen sei, weil das Interesse Aller als gleich erscheint. Man hat aber den Grundsatz angenommen, dass der als Kläger zu betrachten sei, wer auf Einleitung des Verfahrens angetragen habe;
15Idem lib. XXI. ad Ed. Hat ein Familiensohn als Richter einen Rechtsstreit [durch einen falschen Ausspruch] auf seine Gefahr übernommen, so haftet er soweit, als sein Sondergut zu der Zeit enthält, da er das Urtheil fällte. 1Von einem Richter nimmt man dann an, dass er einen Process auf seine Gefahr übernehme, wenn er aus böser Absicht ein Urtheil mit Umgehung des Gesetzes fällt. Als in böser Absicht handelnd wird er dann angesehen, wenn seine Begünstigung, Feindschaft oder Bestechung klar am Tage liegt, so dass er dann den wahren Werth des Streites erlegen muss.
17Idem lib. XXII. ad Ed. Julian sagt: wenn der eine der Streitenden den Richter zum einzigen oder zum Theilerben macht, so muss nothwendiger Weise ein anderer Richter genommen werden, weil es unbillig ist, dass Jemand Richter in eigener Sache werde.
18Idem lib. XXIII. ad Ed. Wenn eine längere Zeit verstreichen sollte, ohne dass der bestellte Richter zur Sache schreiten kann, so befiehlt der Prätor, einen andern zu nehmen, d. h. wenn irgend eine Beschäftigung dem Richter nicht erlaubt, zur Untersuchung der Sache zu schreiten, [z. B.] bei einer eintretenden Krankheit, oder einer nothwendigen Reise, oder bei einer seinem Vermögen drohenden Gefahr. 1Wenn ein Familiensohn wegen einer Noxa44Ist nicht mit einem Worte zu übersetzen, s. Institut. B. IV. T. 1. VIII., aus der dem Vater eine Klage zusteht, Klage erheben will, so erlauben wir ihm nur dann zu klagen, wenn Niemand im Namen des Vaters Klage erhebt. Denn auch Julian ist der Meinung, dass ein Familiensohn, der einer Gesandschaft oder seiner Studien wegen [vom Hause] abwesend ist, und einen Diebstahl oder widerrechtlichen Schaden erlitten hat, eine analoge Klage erheben könne, damit nicht, während auf den Vater gewartet wird, die Missethaten ungestraft bleiben, weil der Vater [vielleicht] gar nicht kommt, oder bis dahin, wo er kommt, der Schädensstifter sich entfernt. Ich bin daher stets der Meinung gewesen, dass wenn der Gegenstand [auch] nicht aus einer Missethat, sondern aus einem Contract entspringt, der Sohn analog klagen könne, mag er z. B. etwas Niedergelegtes zurückverlangen, oder wegen Auftrags klagen, oder verliehenes Geld wiederfordern, wenn etwa der Vater sich in der Provinz, er selbst aber zu Rom seiner Studien halber, oder aus einem andern rechtlichen Grunde aufhält, damit nicht, wenn wir ihm keine Klage gestatten daraus erfolgen, möge, dass er ungestraft betrogen werde, und zu Rom in Dürftigkeit lebe, wenn er seinen Zehrpfennig nicht wieder erhält, den ihm der Vater zur Bestreitung seiner Ausgaben bestimmt hat. Nimmt man nun den Fall, dass der Familiensohn, dessen Vater in der Provinz lebt, Senator ist, wird da nicht der Nutzen durch die Würde unterstützt?
19Idem lib. LX. ad Ed. Der Erbe muss sich, wenn er auch abwesend ist, da auf Klagen einlassen, wo der Erblasser dazu verpflichtet war, und kann, wenn er gegenwärtig ist, daselbst belangt werden, ohne dass er sich dessen, wegen eines ihm eigenen Vorrechts, entwähren darf. 1Wer eine Vormundschaft, oder Curatel, oder Geschäfte, oder Bank, oder etwas Anderes, woraus eine Verbindlichkeit entsteht, an einem bestimmten Orte verwaltet hat, muss, wenn er auch daselbst seinen Wohnsitz nicht gehabt hat, sich auf [desfallsige] Klagen einlassen, und wenn er es unterlässt, und auch keinen Wohnsitz daselbst hat, so muss er sich gefallen lassen, dass auf sein [dasiges] Vermögen Beschlag gelegt wird. 2Hat er, daher an einem bestimmten Orte Waaren verkauft, oder hin und wieder niedergelegt55Disponere, s. Cujac. Observ. XI. 13., oder gekauft, so muss er sich daselbst belangen lassen, wenn nicht ausgemacht worden ist, dass dies an einem andern Orte geschehen solle. Was sagen wir aber dazu, dass derjenige, welcher von einem reisenden Kaufmann etwas gekauft, oder wer an Jemand verkauft hat, von dem er weiss, dass er alsbald wieder abreisen will, dessen Vermögen hier nicht mit Beschlag belegen darf66Oportet. Diese ganze Stelle hat einige Dunkelheiten, indessen kommt allerdings Licht hinein, sobald man mit Haloander oportere statt oportet liest, und dies halte ich aus mehrern Gründen für nothwendig. Denn für’s erste bildet der Satz: Numquid dicimus etc., als eine Ausnahme einen Gegensatz zu dem vorhergehenden; die Frage aber bezieht sich auf diese Worte, und nicht auf non oportere, welches vielmehr als über die Frage erhaben und als gewiss dasteht, indem die Frage nur sagen will, was meinen wir dazu? wie rechtfertigen wir dies? Dass diese Behauptung richtig sei, ergibt sich aus der Antwort, denn diese rechtfertigt nur den Grund jener Regel (non oportere etc. — nam durissimum est etc.) und gibt keine Entscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten in dem Satze numquid dicimus. Hieraus kann man zugleich rückwärts den Schluss ziehen, dass es non oportere und nicht non oportet heissen müsse, denn dies hängt nun lediglich von dicimus ab, weil es nicht fragweise gestellt ist, in welcher Beziehung sich oportet allein rechtfertigen liesse., sondern dessen Wohnsitz folgen muss? Hat freilich der Fremde einen Laden oder eine Werkstätte an einem bestimmten Orte gemiethet, so steht derselbe in dem Verhältniss, dass er daselbst belangt werden kann77Unser Text hat hier ein Fragezeichen, Russardus auch; ich folge aber der Göttinger C. J.-Ausgabe, welche es herauswirft und nur ein Kolon stellt, ebenso wie Baudoza, Simon v. Leeuwen und Ed. Fradin. von 1527.. Dies hat mehr Grund; wenn aber88Nam steht hier für sed, s. Brisson h. v. auch die Glosse erklärt bereits so. Jemand wo ankommt, um alsbald wieder abzureisen, und man von ihm gleichsam nur als Reisenden einkauft, oder während seines Vorüberfahrens oder Vorübersegelns, so wäre es sehr hart, wenn er sich überall, wo er zu Schiffe oder auf seiner Reise hingekommen ist, belangen lassen müsste. Wenn er aber irgendwo ansässig ist, ich meine nicht mit dem Rechte eines Wohnortes, sondern einen Laden, eine Bude, eine Scheuer, Behältniss oder Werkstätte gemiethet und hier Handel getrieben und Geschäfte gemacht hat99Egit. Man könnte fast veranlasst werden, dieses Wort in anderer Bedeutung zu nehmen (belangt hat), allein die Variante vel hinter egit, die sich hier und da findet (bei Holoander) gibt doch den richtigen Sinn zu erkennen., so muss er sich an diesem Orte belangen lassen. 3Beim Labeo wird die Frage behandelt, dass, wenn Jemand aus der Provinz einen Sclaven als Factor des Verkaufs seiner Waaren zu Rom hat, was mit diesem Sclaven contrahirt worden, so anzusehen sei, als wäre es mit dem Herrn selbst contrahirt; deshalb muss er sich auch daselbst belangen lassen. 4Das ist gewiss, dass wenn derjenige, wer in Italien zur Zahlung verpflichtet ist, in der Provinz seinen Wohnsitz hat, an beiden Orten, sowohl hier, wie dort, belangt werden könne; derselben Ansicht ist Julian und viele Andere.
20Paul. lib. LVIII. ad Ed. Jede Verbindlichkeit ist für einen Contract zu halten, so dass überall, wo Jemand verpflichtet wird, auch ein Contract als eingegangen angenommen wird, wenn die Schuld auch nicht auf dem Grunde eines Darlehns beruht.
21Ulp. lib. LXX. ad Edict. Wenn ich meinem Schuldner die Klage anzeigen will, so wird es billig sein, ihn, wenn er die Schuld bekennt und sich zum Zahlen bereit erklärt, zu hören, und ihm einen Tag mit einer passenden Sicherheitsmaassregel zur Zahlung des Geldes zu bestimmen; denn in dem Verzug eines mässigen Zeitraums liegt kein grosser Schade. Als ein mässiger Zeitraum ist hier der zu verstehen, welcher nach der Verurtheilung den Beklagten nachgelassen wird.
24Idem lib. XVII. ad Plaut. Gegen diejenigen, welche der Kaiser nach Rom berufen hat, findet daselbst nur dann eine Klage Statt, wenn sie während dieser Zeit contrahirt haben. 1Wegen während der Gesandschaft begangener Verbrechen müssen sich die Gesandten zu Rom belangen lassen, mögen sie selbst oder ihre Sclaven dieselben begangen haben. 2Wenn aber eine dingliche Klage gegen einen Gesandten gefordert wird, wird dieselbe, weil sie ein derzeitiger Besitz begründet, ertheilt werden dürfen? Cassius erwiedert hierauf, es müsse hier so gehalten werden, dass wenn demselben dadurch seine Bedienung geschmälert wird, die Klage nicht zu bewilligen, wenn sie aber einen von vielen Sclaven betreffe, dieselbe nicht zu verwehren sei. Julian [sagt aber], die Klage müsse ohne Unterschied abgeschlagen werden, und mit Recht, denn es wird deshalb keine Klage gegeben, damit der [Gesandte] nicht von seiner übernommenen Pflicht der Gesandschaft abgehalten werde.
25Julian. lib. I. Dig. Wenn Jemand während der Zeit seiner Gesandschaft einen Sclaven oder eine andere Sache gekauft, oder aus einem andern Grunde einen Besitz erlangt hat, so wird er nicht unbillig gezwungen, sich aus diesem Grunde verklagen zu lassen; denn sonst würde den Gesandten die Freiheit gegeben, unter diesem Vorwande fremde Sachen mit nach Hause zu nehmen,
26Paul. lib. XVII. ad Plaut. Wider denjenigen [Gesandten] aber, der eine Erbschaft angetreten hat, schreibt Cassius, finde keine Klage [deshalb] Statt, selbst wenn er dieselbe zu Rom angetreten habe, damit nicht seine Sendung darunter leide, und dies ist richtig. Auch den Vermächtnissinhabern wird keine Klage gegeben; wenn [der Erbe] aber keine Bürgschaft stellt, so werden sie in den Besitz der Erbschaftssachen gesetzt; dies gilt auch von den Erbschaftsgläubigern.
28Paul. lib. XVII. ad Plaut. Es wird aber auch, wenn ihm eine Erbschaft nach dem Trebellianischen [Senatsbeschluss] ausgeantwortet wird, keine Klage gegen ihn ertheilt, mag der Erbe sie freiwillig oder gezwungen angetreten haben; denn es ist zwar bequemer, wenn ihm die Erbschaft herausgegeben wird, aber man muss deshalb doch annehmen, als habe er sie selbst angetreten. 1Hat umgekehrt ein Gesandter während der Zeit seiner Gesandschaft [eine Erbschaft] angetreten und ausgeantwortet, so wird die Klage wider den Fideicommissinhaber ertheilt und die Einrede des Trebellianischen [Senatsbeschlusses] steht aus der Person des Gesandten nicht im Wege, weil dies ein persönliches Vorrecht des Gesandten ist. 2Aus denjenigen Gründen, weshalb ein Gesandter nicht gezwungen werden kann, sich auf Klagen einzulassen, kann er auch nicht zum Eide, dass er zu geben nicht schuldig sei, genöthigt werden, weil dieser Eid an die Stelle der Einleitung des Verfahrens tritt. 3Wegen Gebäude muss der Gesandte für drohenden Schaden haften, oder dem Nachbar den Besitz verstatten. 4Aber auch, wenn die Frist zu einer Klage abzulaufen im Begriff ist, muss der Prätor, nach Erwägung der Sache, eine Klage gegen ihn ertheilen, damit das Verfahren eingeleitet und dann in die Provinz abgegeben werde. 5Ad Dig. 5,1,28,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 87, Note 2.Wenn ein Familienhaupt mit Hinterlassung eines Sohnes und einer schwangern Gattin gestorben ist, so kann der Sohn von den Schuldnern [desselben] die Hälfte der schuldigen Summe mit Recht nicht fordern, wenn schon nachher nur ein Sohn geboren worden ist, weil mehrere geboren werden konnten, obgleich es nach der Natur der Dinge gewiss war, dass [wenigstens] einer geboren werde. Sabinus und Cassius [sagen] aber, er hätte müssen das Viertheil verlangen, weil es ungewiss gewesen, ob nicht drei geboren werden würden, und man dürfe hier nicht auf die Natur der Dinge sehen, in der Alles gewiss sei, indem alles Werdende nach einer Nothwendigkeit geschehe1010S. die Note in der Simon v. Leeuwenschen Ausgabe., sondern auf unsere Unwissenheit Rücksicht nehmen.
29Idem lib. VIII. ad Plaut. Wer den ersten Antrag macht, ist Kläger1111Prior appellat: appellat für interpellat. s. Brisson h. v. T. XI. p. 146. §. 10. und versteht hier die judicia duplicia..
31Celsus lib. XXVII. Dig. Wenn der Kläger mehrere Erben hinterlassen und einer von diesen die Klage fortgesetzt hat1212Judicio egerit. Glosse., so ist es nicht wahr, dass der ganze Gegenstand des vorigen Verfahrens in dieses hinübergeführt sei; denn Niemand kann eine fremde Klage wider Willen des Miterben fortführen.
32Ulp. lib. I. de off. Cons. Wenn ein Richter, dem eine bestimmte Zeit vorgeschrieben war, gestorben, und ein anderer an dessen Statt bestellt worden ist, so nehmen wir an, dass auch für dessen Person von neuem eine eben so lange Zeit bestimmt worden sei, wenn auch der [ihn ernennende] Staatsbeamte dies bei der Bestallung des zweiten nicht ausdrücklich gesagt hat, jedoch so, dass sie die gesetzmässige Zeit1313Legitimum tempus, s. B. IX. Tit. II. l. 30. §. 1. in der Note. nicht überschreitet.
34Javolen. lib. XV. ex Cassio. Wenn derjenige, der zu Rom sich auf ein Verfahren eingelassen hat, gestorben ist, so muss sein Erbe, wenn er auch seinen Wohnsitz jenseits des Meeres hat, den Gerichtsstand zu Rom anerkennen, weil er an dessen Stelle tritt, von dem er als Erbe hinterlassen worden ist.
35Ad Dig. 5,1,35ROHGE, Bd. 9 (1873), S. 33: Zulässigkeit der Klagen auf Feststellung eines obligatorischen Verhältnisses.Idem lib. X. Epistol. Ein gerichtliches Verfahren kann nicht, wie die Verbindlichkeit eines Bürgen obschwebend bleiben und etwa für die Zukunft eingegangen werden kann, auch über solche Puncte schwebend bleiben, die erst nachher in das Bereich der Verbindlichkeit treten. Denn ich glaube, dass Niemand zweifeln wird, dass ein Bürge vor der Verbindlichkeit des Hauptschuldners angenommen werden kann; aber auf ein rechtliches Verfahren kann man nicht eher eingehen, als bis man etwas schuldig ist.
36Callistratus lib. I. Cognit. Zuweilen muss die Untersuchung und Entscheidung aus rechtmässigen Gründen und bei gewissen Personen verzogen werden, z. B. wenn Urkunden über den Streit in dem Besitz derer sein sollen, welche Staatswegen abwesend sind; dies haben die kaiserlichen Gebrüder in diesen Worten verordnet: „es ist billig, wegen Zufälligkeiten einen Verzug zu geben, z. B. wenn ein im Process befangener Vater einen Sohn oder eine Tochter, oder eine Gattin den Gatten, oder ein Sohn den Vater verloren hat, und in ähnlichen Fällen die Entscheidung einigermaassen aufzuschieben.“ 1Hat ein Senator in der Provinz sich der Geschäfte eines Andern unterzogen, so kann er sich der Klage wegen Geschäftsführung nicht entziehen, sondern Julian erachtet, dass er sich auf die Klage einlassen müsse, da er sich diese Verbindlichkeit freiwillig zuzog.
38Licin. Rufin. lib. IV. Regul. Wenn ein Vermächtniss mit der persönlichen Klage gefordert wird, so muss es da entrichtet werden, wo sich der Gegenstand befindet, wenn er nicht durch die Arglist des Erben fortgeschafft worden ist; denn dann muss er da gegeben werden, wo er gefordert wird. Was übrigens nach Gewicht, Zahl oder Maass gerechnet wird, muss da gegeben werden, wo es gefordert wird, wenn nicht etwa [vom Testator] hinzugefügt ist: hundert Scheffel aus jener Scheune, oder Krüge Wein aus dem und dem Fasse. Wird aber ein Vermächtniss mit einer dinglichen Klage gefordert, so muss es auch da gefordert werden, wo sich der Gegenstand befindet; ist derselbe beweglich, so kann der Erbe auf Vorzeigung desselben belangt werden; auf diese Weise kann der Vermächtnissinhaber ihn dann verklagen.
39Papinian. lib. III. Quaest. Wenn ein Wahnsinniger als Richter bestellt wird, so findet das Gericht deshalb nicht weniger Statt, dass er für den Augenblick keinen Ausspruch thun kann, weil, wenn er, wieder zu Verstande gekommen, ein Urtheil fällt, dies gültig ist; denn im Augenblick der Bestallung ist weder die Anwesenheit, noch die Wissenschaft des Richters nothwendig. 1Wer einer Gesandschaft wegen nach Rom kommt, kann aus jedem Grunde sich [gültig] verbürgen, indem er sich seines Vorrechts, wenn in Italien contrahirt worden ist, nicht bedienen kann.
41Ad Dig. 5,1,41Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 89, Note 13.Idem lib. XI. Quaest. Bei allen Klagen guten Glaubens kann, wenn Jemand, bevor der Zahlungstag gekommen, auf Bestellung einer Sicherheit anträgt, die Verurtheilung [dazu] aus einem rechtmässigen Grunde erfolgen.
42Idem lib. XXIV. Quaest. Wenn die Gattin eines Gesandten sich von diesem in Rom trennt, so hat man angenommen, dass sich derselbe wegen der Mitgift daselbst belangen lassen müsse.
43Idem lib. XXVII. Quaest. Derjenige, welcher stipulirt hat, ihm binnen einer bestimmten Zeit in Capua ein Haus zu bauen, kann, wie bekannt, nach Ablauf derselben überall auf sein Interesse klagen.
44Idem lib. II. Resp. Das Richteramt erleidet deshalb, dass einige von [mehreren] Vormündern, nachdem gegen alle ein Rechtsstreit begonnen, in Staatsgeschäften verreisen, keinen Aufhalt, indem die Verwaltung der Anwesenden und derjenigen, die sich nicht vertheidigen, geschieden und [besonders] abgeschätzt werden kann. 1Wenn sich nachher ergibt, dass derjenige, in dessen Namen durch einen Geschäftsbesorger verhandelt worden ist, ein Sclav sei, so muss der Schuldner losgesprochen werden. Dieser Umstand steht aber dem Herrn, wenn er dann eine eigene Klage erhebt, nicht entgegen.
45Idem lib. III. Resp. Ein Bankhalter muss da, wo abgeschlossen worden ist, belangt, und in diesem Fall eine Frist nur aus der rechtlichen Ursache, um aus der Provinz die Bücher herbeizuschaffen, ertheilt werden. Dasselbe gilt von der Vormundschaftsklage. 1Sind Vormünder Namens eines Mädchens in der Provinz verurtheilt worden, so müssen dessen Curatoren das Erkannte zu Rom leisten, wenn die Mutter desselben allda das Darlehn empfangen hat, deren Erbin die Tochter geworden ist.
47Callistrat. lib. I. Quaest. Es muss darauf geachtet werden, dass nicht derjenige als Richter bestellt werde, den ein Theil namentlich verlangt; denn dies, rescribirte der Kaiser Hadrian, sei unbillig, es werde denn vom Kaiser, in Betracht der Ehrwürdigkeit des verlangten Richters, dazu eine besondere Erlaubniss ertheilt.
48Paul. lib. II. Resp. Ein Theil eines Briefes des Kaisers Hadrian: Staatsbeamten sollen in dem Jahre, wo sie die Gewalt haben, weder eine eigene, noch die Sache solcher, deren Vormundschaft oder Curatel sie führen, vor Gericht klagend oder vertheidigend vertreten. Sobald aber die Zeit ihres Amtes abgelaufen ist, soll nicht nur ihnen gegen ihre Schuldner, sondern auch Andern gegen sie Klage zu erheben, Fug und Recht zustehen.
49Idem lib. III. Resp. Ein Käufer, dem vom Verkäufer die Anzeige geschehen, ihn in Betreff der Entwährung zu vertreten, beruft sich auf das Vorrecht eines eigenen Richters; hier fragt es sich, ob er den Process von dem Richter, vor welchem derselbe zwischen dem Kläger und dem Käufer schon begonnen, an seinen Richter abberufen könne? Paulus antwortet, dass der Verkäufer des Käufers Richter zu folgen pflege1414Cujac. l. 36. de R. J. erklärt solere für das, was in der Regel zu geschehen pflege. Man kann daher unser pflegen auch in dieser Beziehung beibehalten.. 1Von einem Präsidenten bestellte Richter pflegen ihr Amt auch für die Zeit seiner Nachfolger fortzubehalten, und verpflichtet zu sein, den Ausspruch zu fällen, und ihr Urtheil aufrecht erhalten zu werden. Für dieselbe Meinung erklärte sich Scävola in einem Gutachten.
50Ulp. lib. VI. Fideicommissor. Wenn von Jemandem ein Fideicommiss verlangt wird, und derselbe behauptet, dass der grössere Theil der Erbschaft sich anderwärts befinde, so kann er zur Gewährung nicht genöthigt werden; und so ist auch in vielen Constitutionen vorgeschrieben worden, dass ein Fideicommiss da gefordert werden soll, wo sich der grössere Theil der Erbschaft befindet, wenn nicht bewiesen werden kann, dass der Testator gewollt habe, das Fideicommiss solle da gewährt werden, wo es verlangt wird. 1Hier entstand in Bezug auf [Erbschafts] schulden die Frage, ob, wenn in der Provinz, wo das Fideicommiss verlangt wird, mehr Schulden vorhanden sind, die Einrede, es sei gewissermaassen ein grösserer Theil der Erbschaft anderwärts, Statt habe? Allein auch hier hat man den Grundsatz angenommen, dass der Name der Schulden nichts thue, indem die Schulden sich nicht auf einen bestimmten Ort, sondern auf das ganze Vermögen erstrecken; denn es ist bekannt, dass Schulden den Gesammtbetrag des Vermögens verringern, und nicht dessen Bestand an einem bestimmten Ort. Wie aber, wenn dieser Vermögenstheil etwa zu einer bestimmten Beschwerung angewiesen ist, z. B. zur Verabreichung von Alimenten, welche das Familienhaupt befohlen hatte, zu Rom zu gewähren, oder zu Abgaben oder andern unvermeidlichen Lasten, kann da die Einrede Statt haben? Hier, sollte ich meinen, werde man richtiger sagen, sie finde Statt. 2Es ist aber auch verordnet, dass das Fideicommiss da verlangt werden solle, wo der Erbe seinen Wohnsitz hat. 3Sobald aber Jemand schon angefangen hat, ein Fideicommiss zu zahlen, so kann er sich jener Einrede nicht bedienen,
51Marcian. lib. VIII. Institut. wenn auch die Erbschaft an Jemand gefallen ist, der einen Wohnsitz in der Provinz hat. Die Kaiser Severus und Antonin verordneten aber auch, dass wenn der Erbe1515Fideicommissarius, hier für heres, s. Brisson. h. v. zu dieser Stelle; auch die Glosse erklärt so, und bemerkt auch, dass eine Lesart heres vorhanden sei. eingewilligt habe, an einem andern Orte zahlen zu wollen, derselbe der Einwilligung gemäss da zahlen müsse, wo er eingewilligt habe.
52Ulp. lib. VI. Fideicommiss. Hat sich Jemand auf eine Klage wegen eines Fideicommisses eingelassen, und während er andere Einreden gebraucht hat, diese weggelassen, so kann er nachher, wenn auch noch vor dem Urtheil, zu dieser Einrede nicht mehr greifen. 1Hat Jemand gewollt, dass seinen Freigelassenen Getraideanweisungen gekauft werden sollen, so wird, selbst wenn der grössere Theil der Erbschaft sich in der Provinz befindet, dennoch dieses Fideicommiss zu Rom entrichtet werden müssen, wenn es aus der Art des Ankaufs den Anschein gewinnt, als sei dies des Testators Absicht gewesen. 2Aber auch, wenn man den Fall annimmt, dass einem oder dem andern hochstehenden Mann einige Pfund Gold oder Silber hinterlassen worden, und das zu Rom befindliche Vermögen [des Erblassers] zu Fideicommissen dieser Art ausreichend sei, wenn schon der grössere Theil desselben sich in der Provinz befindet, so muss deren Entrichtung in Rom geschehen; denn es ist unwahrscheinlich, dass der Erblasser, welcher denjenigen, denen er jene hinterliess, damit eine Ehre zu erweisen beabsichtigte, gewollt habe, dass so geringfügige Fideicommisse in der Provinz entrichtet werden sollten. 3Ad Dig. 5,1,52,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 282, Note 7.Wenn die mittelst eines Fideicommisses hinterlassene Sache sich an dem Orte selbst befindet, so darf dem, der sie [hier] fordert, die Einrede, dass der grössere Theil der Erbschaft anderwärts sei, nicht entgegengesetzt werden. 4Wird aber an diesem Orte nicht das Fideicommiss, sondern [blos] Sicherheit für dasselbe verlangt, so fragt es sich, ob jene Einrede Statt finde? Ich glaube nicht. Denn es muss sogar, selbst wenn gar nichts an dem Orte vorhanden ist, dennoch [dem Erben] Sicherheitsbestellung anbefohlen werden; denn warum soll er dies fürchten, da, wenn er keine Sicherheit bestellt, der Gegner, um das Fideicommiss zu erhalten, in den Besitz gesetzt wird?
53Hermogenian. lib. I. Jur. Epit. Nur aus einigen Gründen dürfen Sclaven gegen ihre Herren auftreten, nämlich, wenn sie angeben, dass Testamente untergeschlagen worden seien, worin sie behaupten, dass ihnen die Freiheit hinterlassen sei; ebenso dürfen Sclaven anzeigen, dass ihre Herren sich des Verbrechens des dem Römischen Volke geschmälerten Getraides, des Census und der Münzverfälschung schuldig gemacht haben. Ausserdem dürfen sie von ihnen die [ihnen] mittelst Fideicommisses [hinterlassene] Freiheit fordern; dies auch, wenn sie behaupten, mit ihrem eigenen Gelde gekauft und, der Treue des Uebereinkommens zuwider, freigelassen worden zu sein. Auch derjenige, dessen Freilassung, wenn er Rechnung abgelegt haben würde, anbefohlen worden ist, kann einen Schiedsrichter zur Rechnungsabnahme wider seinen Herrn mit Recht verlangen. Auch steht dem Sclaven, der sich auf die Rechtlichkeit Jemandes verlässt, um mit dessen Gelde losgekauft und nach Rückerstattung desselben freigelassen zu werden, die Erlaubniss zu, diesen Treucontract anzuzeigen, wenn Jener die angebotene Zahlung nicht annehmen will.
55Idem lib. sing. de off. assessor. Das von einem Vorgänger erlassene Edict muss bei der Zahl der drei Edicte1717S. u. §§. 68—70. mitgerechnet werden; ist aber auch die volle Zahl vom Vorgänger schon beendet, so pflegt der Nachfolger [doch noch] ein Edict zu geben.
56Ulp. lib. XXX. ad Sabin. Wenn schon es ausgemacht ist, dass ein wirklicher Geschäftsbesorger eine Sache [gültig] vor Gericht verhandeln könne, so wird doch, wenn sich Jemand, während er nicht Geschäftsbesorger ist, auf ein Verfahren eingelassen, und der Betheiligte es nachher genehmigt hat, die Sache als richtig eingeleitet rückwärts angenommen.
57Idem lib. XLI. ad Sabin. Gegen einen Familiensohn ist sowohl aus Contracten als aus Vergehen eine Klage begründet; stirbt derselbe aber nach Einleitung des Verfahrens, so wird die Klage gegen den Vater nur in soweit übertragen, als sie das Sondergut und das in seinen Nutzen Verwendete betrifft. Wenn aber ein Familiensohn als Geschäftsbesorger Jemandes eine Klage angenommen hat, so findet nach seinem Tode gegen denjenigen, für den er auftrat, eine Uebertragung der Klage Statt1818Transactio vel judicati datur. In dieser verunstalteten Stelle ist gewiss die übereinstimmende Lesart vieler Manuscripte, translatio judicii datur, welche auch Ed. Fradin. Haloander, Duaren. in der Marginalnote bei Russardus und Baudoza haben, anzunehmen..
58Paul. lib. XIII. ad Sabin. Ein Verfahren kann auf Befehl dessen, welcher es angeordnet, oder dessen, der in derselben Gerichtsbarkeit eine grössere Gewalt hat, oder auch wenn der Richter selbst dieselbe Gewalt erhält, wie derjenige, der das Verfahren angeordnet hat, aufgelöst werden.
61Ulp. lib. XXVI. ad Ed. Man pflegt zwar zu sagen, dass dasjenige Gegenstand der Entscheidung sei, worüber zwischen den Parteien verhandelt worden ist; Celsus aber meint, es sei trüglich, dies aus der Person des Beklagten abzunehmen, der stets, um nicht verurtheilt zu werden, behaupten wird, dass [über den Klaggrund] kein Uebereinkommen getroffen worden, sei. Wie nun? Es ist besser, zu sagen, Gegenstand der Entscheidung sei nicht dasjenige, worüber verhandelt worden, dass es Gegenstand derselben sein solle, sondern: dasjenige werde nicht Gegenstand der Entscheidung, worüber namentlich verhandelt worden, dass es ein solcher nicht sein solle. 1Ein Häscher kann über Geldangelegenheiten nicht entscheiden.
62Idem lib. XXXIX. ad Ed. Zwischen [zwei] Streitenden kann der Streit nicht anders geschlichtet werden, als wenn der eine Kläger und der andere Beklagter ist; denn einer muss die Lasten des Klägers tragen, der andere der Vortheile des Beklagten geniessen.
63Idem lib. XLIX. ad Ed. Auf rechtem Wege sich vertheidigen, heisst: sich auf eine Klage entweder in eigner Person oder durch einen Andern, [dann] jedoch mit Bürgschaftsleistung einlassen; wer das, worauf erkannt worden ist, nicht zahlt, wird nicht als sich vertheidigend angesehen.
64Idem lib. I. Disput. Die Schätzung einer [Beeinträchtigung durch] Arglist geschieht vom Richter nicht nach dem wahren Werth des Schadens1919Diese Bedeutung muss quod interest hier haben, denn sonst könnte das in litem jurare nicht entgegengesetzt werden; es steht also, wie Glück IV. 435. sagt, in sensu specialissimo., sondern darnach, wie hoch er eidlich gewürdert wird; übrigens unterliegt es keinem Zweifel, dass auch einem Räuber aus diesem Grunde die Niederlegungs- oder Leihklage zustehe. 1Hat Jemand in der Absicht, eine bestimmte Klage zu erheben, für die Leistung des Erkannten Bürgschaft empfangen, nachher aber eine andere erhoben, so wird die Stipulation für diese nicht [als] eingegangen [erachtet], weil die Bürgschaft als für eine andere Sache bestellt angesehen wird.
65Idem lib. XXXIV. ad Ed. Die Mitgift muss die Ehefrau da fordern, wo der Ehemann seinen Wohnsitz hat, nicht wo die Mitgiftsurkunde aufgenommen worden ist; denn es ist nicht solche Art von Contract vorhanden, dass man auf den Ort achten müsse, wo die Mitgiftsurkunde errichtet worden, sondern auf den Ort, an dem die Frau selbst in Folge der Heirath ihren Wohnsitz nehmen wird.
67Idem lib. VI. Disp. Wer angibt, mit seinem Gelde losgekauft zu sein, wird, wenn er bewiesen hat, von da an frei, wo er losgekauft worden ist, weil eine Constitution gebietet, nicht ihn für frei zu erklären, sondern ihm die Freiheit zu gewähren. Deshalb muss [der Beklagte] angehalten werden, denjenigen freizulassen, der sich mit seinem Gelde losgekauft hat. Wenn derselbe sich aber der Klage durch Abwesenheit entzieht, so müssen die die fideicommissarische Freiheit betreffenden Senatsbeschlüsse analog angewendet werden.
68Idem lib. VIII. Disput. Zu einem peremtorischen Edict gelangt man in der Ordnung, dass man nach der Abwesenheit des Gegners zuerst das erste Edict verlangt, nachher das zweite,
69Idem lib. IV. de omnib. tribunal. in einem Zwischenraum von nicht weniger als zehn Tagen,
70Idem lib. VIII. Disput. und das dritte. Wenn diese vorausgegangen sind, dann erlangt man das peremtorische, welches daher so heisst, weil es den Streit aufhebt (perimit), d. h. weiter nicht zulässt2020Unser Text hat hier einen Druckfehler peteretur statt pateretur., dass der Gegner Ausflüchte suche2121Tergiversari s. Calvin. Med. Lex. Jurid. h. v. in Brisson. fehlt die Bedeutung..
71Idem lib. IV. de omnib. tribunal. In dem peremtorischen drohet aber derjenige, welcher das Edict ertheilt, an, dass er auch in Abwesenheit des andern Theils zur Erörterung und zum Erkenntniss schreiten werde.
72Idem lib. VIII. Disput. Zuweilen wird dieses Edict [erst] nach soviel vorangegangenen Edicten ertheilt; zuweilen nach dem ersten oder dem zweiten, zuweilen gleich, welches dann eins für alle heisst. Dies unterliegt dem Ermessen dessen, der Recht spricht, und er muss dabei nach der Beschaffenheit der Streitsache, der Person, oder der Zeit, die Reihenfolge oder das Zusammenfassen der Edicte anordnen.
73Idem lib. IV. de omn. trib. Nach Erlangung des peremtorischen Edicts muss, sobald dessen Frist abgelaufen, der Abwesende vorgeladen, und, er mag antworten oder nicht, die Sache verhandelt und entschieden werden, und zwar nicht schlechterdings für den Erschienenen, sondern es kann zuweilen auch der Abwesende, wenn er gerechte Sache hat, obsiegen. 1Wenn derjenige, welcher das peremtorische Edict ausgebracht hat, am Tage der Erörterung sich nicht stellt, derjenige aber, gegen den es ausgebracht worden, erscheint, so ist das peremtorische Edict zu circumduciren, und es wird weder die Streitsache erörtert, noch für den Erschienenen erkannt. 2Kann aber, wenn das Edict circumducirt worden, der Beklagte [überhaupt] weiter belangt werden, oder bleibt der Streit unversehrt, so dass nur die Instanz des Edicts verloren geht? Es geht nur die Instanz verloren, und es kann von neuem Klage erhoben werden. 3Es ist aber zu merken, dass, wer nach einem peremtorischen Edict als Abwesender verurtheilt, appellirt, nicht zu hören ist, wenn er aus Ungehorsam fehlte; wo nicht, so wird er gehört.
74Julian. lib. V. Dig. Ueber diejenige Sache, welche ein Richter erörtert hat, muss er auch erkennen. 1Ein Richter, dem bis auf eine bestimmte Summe zu entscheiden anbefohlen worden ist, kann auch über eine grössere entscheiden, wenn die Streitenden dahin übereinkommen. 2Während ich einen Abwesenden vertreten wollte, habe ich [, wie sich nachher ergibt,] schon nach seinem Tode mich auf das Verfahren eingelassen und, dazu verurtheilt, Zahlung geleistet; nun fragt es sich, ob der Erbe befreit sei, und welche Klage mir gegen ihn zustehe? Ich habe mich dahin ausgesprochen: das Verfahren, welches, während der Schuldner schon verstorben ist, durch einen Vertreter desselben eingegangen wird, ist nichtig, und deshalb wird der Erbe nicht befreit; der Vertreter aber kann, wenn er in Folge einer Verurtheilung gezahlt hat, zwar dies nicht wiederfordern, allein es steht ihm die Klage aus der Geschäftsführung gegen den Erben zu, der wieder, wenn er vom Kläger belangt wird, sich mit der Einrede der Arglist schützen kann.
75Idem lib. XXXVI. Dig. Wenn der Prätor denjenigen, von dem eine Schuld gefordert wird, vorgeladen, und nach beendeter Reihenfolge der Edicte ihn abwesend als schuldig verurtheilt hat, so darf der Richter, welcher [nachher] das Erkannte zu erörtern hat, nicht auch den Ausspruch des Prätors erörtern, denn sonst würden die Edicte und Decrete des Prätors lächerlich sein. Marcell bemerkt: wenn Jemand in böser Absicht wissentlich etwas fälschlich vorbringt, und es augenscheinlich dargethan ist, dass er auf diese Weise den Rechtsspruch2222Ich lese hier mit Ed. Fradin. Cujac. Obs. XXV. c. 38. und Baudoza: sententiam. des Prätors erlangt habe, so glaube ich, muss der Richter eine Vorstellung des Beklagten zulassen. Paulus bemerkt: wenn der Beklagte durch Krankheit behindert oder Staatswegen hinweggerufen, sich nicht stellen kann, so glaube ich, dass eine Klage auf das Erkannte wider ihn in diesem Fall entweder abzuschlagen sei, oder der Prätor das auf diese Art Erkannte nicht beitreiben dürfe.
76Alfen. lib. VI. Dig. Es lag der Fall vor, dass von [mehrern] zur [Entscheidung] derselben Sache bestellten Richtern einige nach Anhörung des Rechtsfalles sich entschuldigt hatten, und an deren Statt andere gewählt wurden, und es entstand nun die Frage, ob eine Veränderung einzelner Richter das Verfahren zu einem andern mache, oder die Sache dieselbe bleibe? Ich habe geantwortet: es bleibe nicht nur, wenn einer oder der andere, sondern auch, wenn alle Richter verändert worden seien, dennoch die Sache sowohl, als das Verfahren ganz dasselbe, das es vorher gewesen, und es trete nicht nur hier, sondern auch in vielen andern Sachen der Fall ein, dass bei einer Veränderung der Theile die Sache [fortwährend] doch als dieselbe erachtet werde. Denn so werde auch sowohl die Legion [fortwährend] für dieselbe angesehen, von der Viele mit Tode abgegangen, an deren Statt Andere eingeschoben wären, als es werde auch das Volk gegenwärtig immer noch für dasselbe gehalten, welches es vor hundert Jahren gewesen, wenn schon von jenen keiner mehr am Leben sei. Ebenso werde ein Schiff, wenn es auch so oft ausgebessert worden, dass kein Scheit daran derselbe geblieben, der nicht neu gewesen wäre, nichts desto weniger für dasselbe Schiff erachtet. Denn wenn Jemand glaubte, dass eine Sache durch Veränderung deren Theile zu einer andern werde, so würde daraus folgen, dass wir selbst nach diesem Grundsatz nicht dieselben wären, die wir vor dem Jahre gewesen, weil wir, wie die Philosophen sagen, aus unendlich kleinen Theilchen bestehen, die täglich aus unserm Körper scheiden, während andere von aussenher deren Stelle einnehmen. Wenn daher die Gestalt einer Sache als dieselbe fortbesteht, so muss sie auch selbst für dieselbe gehalten werden.
79Ulp. lib. V. de officio Procons. Wenn sich ergibt, dass Jemand seinen Gegner muthwillig vor Gericht gefordert hat, so muss er demselben die Reise und Processkosten ersetzen. 1Wenn die Richter in rechtlicher Hinsicht in Zweifel sind, so pflegen die Präsidenten Auskunft zu ertheilen; wenn sie aber um eine Thatsache um Rath fragen, so dürfen die Präsidenten keinen Rath ertheilen, sondern müssen sie anweisen, das Erkenntniss nach ihrer Gewissenspflicht abzufassen; denn dieser Umstand ist zuweilen Veranlassung zu Schande oder Begünstigung und Anmaassung.
82Idem lib. I. de off. Cons. Zuweilen pflegen die Staatsbeamten des Römischen Volks einen Gerichtsboten namentlich statt eines Schiedsrichters zu geben; dies darf nur selten und bei dringender Veranlassung geschehen.