Ex quibus causis maiores viginti quinque annis in integrum restituuntur
(Aus welchen Ursachen solche, die älter sind als fünfundzwanzig Jahre, in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden.)
1Ulp. lib. XII. ad Ed. Die Veranlassung zu diesem Edicte wird Jedermann als eine sehr gerechte anerkennen; denn es wird [in dessen Folge] das während der Zeit, wo Jemand dem Staate Dienste leistete oder an einem Unglücksfalle litt, verletzte Recht [desselben] wieder hergestellt; aber auch gegen sie [die eine solche Abhaltung haben] Beistand gewährt, damit dasjenige, was [unterdessen] geschah, ihnen weder schade noch nütze. 1Die Worte aber des Edicts sind folgende: Wenn Etwas von Jemandes Gütern [verloren gegangen sein sollte11In manchen Ausgaben nämlich findet man den dem Sinne nach erforderlichen Zusatz: erit deminutum dem Texte begefügt.], als er aus Furcht oder ohne böse Absicht des Staates wegen abwesend war, oder in Fesseln, Sclaverei oder Gewalt der Feinde sich befand, oder hernach22Die Lesart posteave für sive ist unstreitig vorzuziehen, da ja in einer der folgenden Stellen dieses Titels, wo die Worte des Prätors einzeln wiederholt werden, der Ausdruck posteave sich findet, nämlich im Fr. 15. §. 3., dass der Termin [für den Gebrauch] seiner Klage abgelaufen sei, behauptet werden wird; desgleichen, wenn Jemand Etwas durch [fortgesetzten] Gebrauch zu dem Seinigen gemacht, oder, was durch Nichtgebrauch verloren worden ist, an sich gebracht haben sollte, oder durch eine Klage33[Vortheil erlangt haben sollte]., von welcher er deshalb freigesprochen worden ist, weil der Termin [für ihren Gebrauch] abgelaufen ist, indem [der Beklagte] als abwesend nicht vertheidigt wurde, oder in Fesseln sich befand, oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte, oder indem er nicht wider Willen vor Gericht geladen werden durfte, und auch nicht vertheidigt wurde, oder an den Magistratus deshalb eine Appellation gerichtet worden ist; oder wenn, dass Jemandem durch eine Handlung des Magistratus ohne seine böse Absicht die Klage entzogen worden sei, behauptet werden sollte: so werde ich rücksichtlich aller dieser Gegenstände innerhalb einer Jahresfrist von da an, wo mir zuerst die Macht (Möglichkeit), darüber Untersuchung anzustellen, sich darbieten wird, Klage gestatten; desgleichen wenn irgend eine andere Ursache mir als rechtmässig erscheinen wird, so werde ich [ebenfalls] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, in soweit es nach den Gesetzen, Volksbeschlüssen, Senatsbeschlüssen, Edicten, Verordnungen der Kaiser erlaubt sein wird.
2Callistrat. lib. II. ed. monitor. Dieses Edict, welches auf diejenigen sich bezieht, welche darin [namentlich] erwähnt sind, kommt weniger in Gebrauch; denn solchen Personen wird [insgemein] auf ausserordentliche Weise nach Senatsbeschlüssen und kaiserlichen Verordnungen Recht gesprochen. 1Durch diesen Abschnitt [des Edicts] aber werden insbesondere diejenigen unterstützt, die etwa aus Furcht entfernt gewesen sind, vorausgesetzt, dass sie nicht, durch unnöthige Furcht in Angst gesetzt, abwesend waren.
3Ulp. lib. XII. ad Ed. Als aus Furcht abwesend aber ist derjenige anzusehen, welcher, durch gegründete Furcht des Todes oder eine Qual des Körpers beängstigt, sich entfernt hat; und dies ist nach seiner Gemüthsbewegung zu beurtheilen. Aber es genügt nicht, dass er, durch irgend einen Schrecken erfasst, sich gefürchtet habe, sondern die Untersuchung dieses Umstandes liegt dem Richter ob.
4Callistrat. lib. II. edicti monitor. Desgleichen44[Sollen diejenigen durch den Prätor ein Klagrecht erhalten oder in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden] diejenigen, welche zum Besten des Staats ohne bösen Vorsatz auswärts gewesen sind. Ich folge der Ansicht, die Erwähnung des bösen Vorsatzes sei hier so zu nehmen, dass demjenigen, der zurückkehren kann, und nicht zurückgekehrt ist, rücksichtlich dessen, was während der Zeit [seiner längeren Abwesenheit] gegen ihn geschehen ist, kein Beistand geleistet werde; z. B. wenn er, um irgend einen andern grossen Vortheil zu erlangen, es dahin gebracht hat, dass er des Staats wegen abwesend sein konnte, und nun [von dem Genusse] dieser Begünstigung zurückberufen wird;
5Ulp. lib. XII. ad Ed. ferner wenn er mit vieler Mühe, obwohl ohne die Absicht eines Vortheils, den Vorsatz der Abwesenheit zu erreichen gestrebt hat, oder wenn er zeitiger abgereist ist, oder eines eignen Rechtsstreites wegen angefangen hat, [angeblich] für den Staat abwesend zu sein. Aber diese Erwähnung des bösen Vorsatzes bezieht sich blos auf des Staats wegen Abwesende, nicht auch auf den, welcher aus Furcht [abwesend ist], weil keine Furcht anzunehmen ist, wenn böser Vorsatz obwaltet. 1Aber diejenigen, welche in Rom dem Staate Dienste leisten, sind nicht des Staats wegen abwesend;
9Callistrat. lib. II. edicti monitor. Es wird auch demjenigen [durch das Edict] beigestanden, welcher etwa in Fesseln sich befunden hat. Was sich nicht blos auf den bezieht, welcher im öffentlichen Gefängnisse eingeschlossen ist, sondern auch auf denjenigen, der von Räubern oder Banditen, oder von irgend einem Mächtigeren gewaltsam unterdrückt, in Fesseln gelegt worden ist. Der Ausdruck Fesseln aber wird in einem weitern Sinne genommen; denn man nimmt an, dass auch die Eingeschlossenen, z. B. in Steinbrüchen55Lautumiae sind Steinbrüche, in welche Sclaven zur Strafe geschickt wurden, aber auch steinerne Gefängnisse in Rom. Cf. Liv. XXVI. 27. XXXII. 26. XXXVII. 3., unter die Zahl der Gefesselten gehören, weil es doch keinen Unterschied mache, ob man durch Wände oder Fesseln festgehalten werde. Das Gefängniss aber, meint Labeo, sei blos von einem öffentlichen zu verstehen.
10Ulp. lib. XII. ad Ed. In derselben Lage befinden sich auch diejenigen, welche von Soldaten und obrigkeitlichen Aufwärtern66Statores sind hier wohl Bediente obrigkeitlicher Personen in den Provinzen. oder von der Dienerschaft der Municipien (municipalibus ministeriis) bewacht werden, wenn dargethan ist, dass sie ihr Vermögen nicht selbst verwalten konnten. Als gefesselt sehen wir aber auch diejenigen an, welche so gebunden (alligati) sind, dass sie ohne Schande nicht öffentlich sich zeigen können.
11Callistrat. lib. II. edicti monitor. Auch dem wird Hülfe geleistet, welcher in Sclaverei gerathen sein sollte, er mag nun in der Meinung, ein Sclave zu sein, dienen, obwohl er ein freier Mensch ist, oder [widerrechtlich] festgehalten werden.
12Ulp. lib. XII. ad Ed. Derjenige aber, welcher über seinen bürgerlichen Zustand einen Rechtsstreit führt, ist von da an, wo der Rechtsstreit begonnen hat, in diesem Edicte nicht mit begriffen; er ist daher auf so lange wie ein in der Sclaverei befindlicher Mensch anzusehen, als wie lange ein solcher Rechtsstreit noch nicht angefangen hat.
13Paul. lib. XII. ad Edict. Mit Recht sagt Labeo, dass derjenige [Sclav], welcher für frei erklärt und als Erbe eingesetzt worden ist, bevor er die Erbschaft angetreten hat, nicht [im Edict] begriffen sei, weil er weder die [Erb-] Güter besitze, noch auch der Prätor von Anderen, als von freien Menschen spreche. 1Ich glaube jedoch, dass der Haussohn rücksichtlich seines durch Kriegsdienste erworbenen Sondergutes in dieses Edict gehöre.
14Callistrat. lib. II. edicti monitor. Desgleichen wird demjenigen geholfen, welcher in die Gewalt der Feinde gerathen, d. h. von den Feinden gefangen worden ist; denn von Ueberläufern darf man nicht annehmen, dass ihnen eine Rechtswohlthat zu Theil werde, da ihnen ja die Rückkehr in ihr früheres Verhältniss (postliminium) versagt ist. Es hätten jedoch77Dies ist, wie leicht zu ersehen, ein Tadel, welchen Callistratus gegen diesen Theil des prätorischen Edicts ausspricht. diejenigen, welche in feindliche Gewalt gerathen sind, in jenem Theile des Edicts, welcher von denen spricht, die in Sclaverei verfallen sind, auch mit begriffen werden können.
15Ulp. lib. II. ad Ed. Denjenigen aber, die von den Feinden gefangen worden und vermöge des Rückkehrrechts (postliminio) wiedergekommen sind, wird rechtlicher Beistand geleistet, oder auch denen, welche [in der Gefangenschaft] gestorben sind, weil sie nicht einmal einen Stellvertreter haben können, da doch den andern oben erwähnten [Personen], ausser denjenigen, welche in der Sclaverei festgehalten werden, auch durch einen Stellvertreter zu Hülfe gekommen werden kann. Ich aber bin der Meinung, dass auch im Namen desjenigen, der in feindliche Gewalt gefallen ist, wenn, wie es meistens geschieht, ein Curator für sein Vermögen bestellt worden ist, Hülfe [aus dem Edicte] Statt finde. 1Nicht weniger aber dem, welcher von den Feinden gefangen, als dem, welcher unter ihnen geboren worden ist und das Rückkehrrecht hat, scheint Beistand [im Edicte] zugesagt zu sein. 2Wenn in das Wohngebäude eines Soldaten wegen drohenden Einsturzes desselben [der bedrohete Nachbar] eingewiesen worden ist und nun in Gegenwart des Soldaten der Prätor den Befehl gegeben hat, dass [der Nachbar das Gebäude] in Besitz nehmen solle, so wird [der Soldat] in den vorigen Stand nicht wieder eingesetzt; wenn aber in der Abwesenheit [des Soldaten dies geschehen ist], so ist zu behaupten, dass demselben zu Hülfe gekommen werden müsse. 3Aber was der Prätor einfach durch die Worte oder hernach ausgesprochen hat, ist so zu verstehen, dass, wenn das Innehaben der Sache (detentatio s. detentio) durch den in gutem Glauben befindlichen Besitzer vor seiner Entfernung begonnen, aber erst nach seiner Rückkehr aufgehört hat, das Hülfsmittel der Wiedereinsetzung nicht zu jeder Zeit Platz ergreife, sondern nur dann, wenn dieses [Aufhören des Besitzes] innerhalb einer mässigen Frist, nachdem er zurückkehrte, sich ereignet hat, d. h. während er eine Wohnung miethet, seine Habseligkeiten ordnet, einen Sachwalter sucht. Denn Neratius schreibt, dass derjenige, welcher die Wiedereinsetzung verzögert, nicht gehört werden dürfe;
16Paul. lib. XII. ad Ed. denn es wird nicht Nachlässigen Hülfe gewährt, sondern blos durch die Nothwendigkeit der Dinge Abgehaltenen. Und alles Jenes aber wird nach der Ansicht des Prätors ermässigt werden, das heisst so, dass er blos dann [den des Staates wegen Abwesenden] Wiedereinsetzung bewillige, wenn sie keineswegs wegen Nachlässigkeit, sondern wegen Kürze der Zeit, den Rechtsstreit nicht förmlich eröffnen (litem contestari) konnten.
17Ulp. lib. XII. ad Ed. Ad Dig. 4,6,17 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 120, Note 3.Julianus schreibt im vierten Buche, dass nicht allein gegen den Besitzer der Erbschaft dem Soldaten Beistand zu leisten sei, sondern auch gegen diejenigen, welche vom Besitzer [zur Erbmasse gehörige Sachen] gekauft haben, so dass diese Sachen vindicirt werden können, wenn der Soldat die Erbschaft angenommen haben sollte; wenn er sie aber nicht angenommen haben sollte, so zeigt sich, dass später die Verjährung ihren Fortgang genommen habe88Anton Faber (l. l. p. 690.) meint, dass die Stelle von quodsi non agnoverit an wohl von einem späteren Ausleger ihre Entstehung ableite.. 1Dass auch derjenige, welchem etwas mit folgenden Worten vermacht worden ist: oder auf die einzelnen Jahre, welche er in Italien zubringen würde, so in den vorigen Stand einzusetzen sei, dass er [das Vermächtniss] bekomme, als ob er in Italien gewesen wäre, schreibt sowohl Labeo, als billigen es Julianus im vierten Buche und Pomponius im 31. Buche; es ist aber [in diesem Falle] nicht die Frist [für die Anstellung] der Klage abgelaufen, wobei die Hülfe des Prätors nöthig gewesen wäre, sondern hier gibt die Bedingung [des Erblassers] die Veranlassung [zur Wiedereinsetzung].
18Paul. lib. XII. ad Ed. Man muss wissen, dass wir die Hülfe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Volljährigen in solchen Fällen zukommen lassen, in welchen sie lediglich, um ihr Eigenthum wieder zu erlangen, Beschwerde erheben, nicht auch dann, wenn sie, um aus des Andern Strafe oder Schaden Gewinnst zu ziehen, bitten, dass ihnen Beistand ertheilt werden möge.
19Papinian. lib. II. Quaest. Ferner, wenn der Käufer, bevor er durch fortgesetzten Besitz99Oder Verjährung. Wahrscheinlich hat hier, wie auch Anton Faber (l. l. p. 691.) ammimmt, Papinianus selbst geschrieben: priusquam usucaperet, und erst Tribonianus dies in priusquam per usum sibi adquireret verändert. [das Eigenthumsrecht der gekauften Sache] erwarb, von den Feinden gefangen worden sein sollte, so gilt die Ansicht, dass der unterbrochene Besitz vermöge des Rückkehrrechts (postliminio) nicht wieder hergestellt werde, weil [die Verjährung] ohne Besitz nicht besteht, der Besitz aber sehr viel von einer Thatsache (plurimum facti) an sich hat, nun aber das Erforderniss einer Thatsache mit dem Rückkehrrechte nicht verbunden ist;
20Idem lib. XIII. Quaest. auch darf dem [Käufer] nicht eine analoge Klage1010Nämlich utilis in rem actio s. rei vindicatio utilis. ertheilt werden, da es höchst unbillig ist, dem Eigenthümer das [durch eine Klage] zu entziehen, was ihm die Verjährung nicht weggenommen hat; denn es wird das nicht als verloren angesehen, was dem Anderen nicht weggenommen worden ist.
21Ulp. lib. XII. ad Ed. Desgleichen sagt der Prätor: Wenn Jemand Etwas durch [fortgesetzten] Gebrauch zu dem Seinigen gemacht, oder, was durch Nichtgebrauch verloren worden ist, an sich gebracht haben sollte oder durch eine Klage [Vortheil erlangt haben sollte], von welcher er deshalb freigesprochen worden ist, weil der Termin [für ihren Gebrauch] abgelaufen ist, indem der Beklagte als abwesend nicht vertheidigt wurde. Welche Stelle der Prätor deshalb eingeschoben hat, damit er, wie er den oben genannten Personen zu Hülfe kommt, dass sie nicht hintergangen werden, so auch gegen sie Beistand leiste, auf dass sie nicht Andere hintergehen mögen. 1Auch wird zu beachten sein, dass der Prätor mehr [in seinen Worten] umfasst hat, indem er gegen sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, als indem er ihnen zu Hülfe kommt; denn hier hat er nicht bestimmte Personen aufgezählt, gegen welche er Beistand leistet, wie oben, sondern eine Clausel beigefügt, in welcher er alle, die als Abwesende nicht vertheidigt werden, umfasst hat. 2Diese Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber tritt ein, es mögen diejenigen, welche als Abwesende nicht vertheidigt wurden, entweder selbst oder durch ihnen unterworfene Personen etwas auf dem Wege der Verjährung erworben haben; und so verhält es sich, wenn Niemand als ihr Vertheidiger auftrat. Denn wenn ein Stellvertreter vorhanden war, so darf, da man nun Jemanden hat, den man belangen kann, [der Abwesende] nicht beunruhigt werden. Uebrigens, wenn kein Vertheidiger auftrat, so war es höchst billig, dass [dem Abwesenden] Hülfe verschafft wurde; dies um so mehr, weil, wenn etwa welche von denjenigen, die nicht vertheidigt werden, sich versteckt halten, der Prätor verspricht seinem Edicte gemäss Einweisung in ihre Güter zu ertheilen (in bona eorum mittere), so dass dieselben, wenn es die Umstände erfordern sollten, auch veräussert werden können; wenn sie aber sich nicht versteckt halten, wenn sie auch nicht vertheidigt würden, blos Einweisung in ihre Güter zu ertheilen [ohne Veräusserungsrecht]. 3Es scheint aber eine Vertheidigung nicht blos dann1111Nach der Lesart bei Beck: non is tantum. Statt zu finden, wenn Jemand sich für einen Anderen als Vertheidiger von selbst stellt, sondern auch dann, wenn der [zur Uebernahme der Vertheidigung] vom Kläger Aufgeforderte, [der Uebernahme] der Vertheidigung sich nicht entziehen zu wollen erklärt; und eine volle Vertheidigung wird anzunehmen sein, wenn [vom Vertheidiger] sowohl die Einlassung auf die Klage nicht verweigert, als auch das Versprechen der Leistung desjenigen, worein etwa der Beklagte verurtheilt werden möchte, geleistet wird.
22Paul. lib. XII. ad Ed. Man muss demnach wissen, dass dieses Edict nicht anders zur Anwendung kommt, als wenn die Freunde [des Abwesenden] gefragt worden sind, ob sie ihn vertheidigen wollen; oder wenn gar Niemand vorhanden ist, der gefragt werden kann. Auf die Weise dagegen scheint der Abwesende nicht vertheidigt zu werden, wenn etwa der Kläger von selbst zur Vertheidigung [des Beklagten] ihn auffordert und Niemand sich zur Vertheidigung erbietet; über alles dies aber muss ein schriftliches Zeugniss aufgenommen werden1212Testatio erklärt hier Anton Faber durch scriptum in ejus rei testationem factum [gallice: par acte].. 1Sowie demnach [der Prätor] nicht will, dass [die Abwesenden] einen Nachtheil erleiden, eben so lässt er nicht zu, dass sie Gewinnst ziehen. 2Welches Edict, wie Labeo sagt, sich auch auf Wahnsinnige und Kinder und Städte bezieht.
23Ulp. lib. XII. ad Ed. Es sagt der Prätor: oder in Fesseln sich befand, oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte; eine solche Person ist mit Recht [im Edicte] erwähnt worden; denn es konnte ja geschehen, dass Jemand sich gegenwärtig befand, aber in Fesseln, und zwar abgeführt entweder in ein öffentliches oder in ein Privat-Gefängniss; dass aber auch derjenige, welcher in Fesseln liegt, wenn er nur nicht in Sclaverei sich befindet, durch Verjährung erwerben könne, ist bekannt. Wenn aber etwa derjenige, welcher in Fesseln ist, vertheidigt wird, so fällt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weg. 1Derjenige ferner, welcher bei den Feinden ist, kann sich durch Verjährung nichts erwerben, wird auch nicht, während er bei den Feinden ist, den angefangenen Besitz [zum Behufe der Verjährung] vollenden können; ja er wird nicht einmal, wenn er vermöge des Rückkehrrechts zurückgekommen ist, durch Verjährung die Erwerbung des Eigenthumsrechts wieder erlangen1313D. h. er wird nicht einmal vermöge der Fiction des postliminium dasjenige Eigenthumsrecht erlangen können, welches er, wäre er nicht gefangen worden, durch Verjährung erworben haben würde.. 2Desgleichen, sagt Papinian, müsse demjenigen, welcher durch Gefangenschaft den Besitz eines Grundstücks oder den Quasibesitz des Niessbrauchsrechts verloren hat, geholfen werden; und er hält für billig, dass auch die in der Zwischenzeit von einem Anderen vermöge des Niessbrauchsrechts bezogenen Früchte dem Kriegsgefangenen zurückgegeben werden. 3Diejenigen aber, welche bisher unter der Gewalt des Kriegsgefangenen gestanden haben, können durch Verjährung in Beziehung auf ihr Sondergut1414Anton Faber hält die Worte ex re peculiari für unächt. eine [fremde] Sache erwerben, und es wird der Billigkeit gemäss sein, dass in Folge dieser Stelle [des Edicts] den Anwesenden, das heisst, den nicht in Kriegsgefangenschaft befindlichen, Beistand geleistet werde, wenn, indem sie nicht vertheidigt wurden, etwas [gegen sie] verjährt worden wäre. Aber auch, wenn der Termin [für den Gebrauch] derjenigen Klage, welche gegen den Kriegsgefangenen zustand, abgelaufen sein sollte, wird gegen ihn Beistand geleistet werden. 4Hiernächst fügt der Prätor bei: oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte; so dass [diesen Worten zu Folge], wenn, indem er dies thut, durch Verjährung die Erwerbung [des Eigenthums] vollendet worden ist, oder etwas von dem oben Erwähnten sich ereignet hat, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird; und dies mit Recht. Denn es genügt ja nicht immer, in den Besitz der Güter [des Abwesenden] eingewiesen zu werden, weil die Lage der Sache bisweilen von der Art sein kann, dass eine Einweisung in die Güter des sich versteckt haltenden [Abwesenden] nicht Statt finden kann, oder dass er sich nicht versteckt hält; denn man nehme an, dass, indem er den Beistand von Sachwaltern sucht, der Termin verstrichen sei, oder indem eine andere Verzögerung der richterlichen Untersuchung vorfällt.
25Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. Was auf ähnliche Weise auch auf den nach unserer Behauptung anzuwenden sein wird, der dies nicht um hinzuhalten, sondern weil er durch eine Menge von Geschäften zerstreut wurde, gethan haben sollte.
26Ulp. lib. XII. ad Ed. Aber auch wenn es am Prätor gelegen hat, [dass nicht zu rechter Zeit geklagt werden konnte,] wird Wiedereinsetzung bewilligt werden. 1Pomponius sagt, dass gegen einen Verwiesenen (relegatum) die Wiedereinsetzung aus der allgemeinen Clausel [des Edicts] zuzulassen, nicht aber auch ihm selbst zu gestatten sei, weil er einen Stellvertreter zurücklassen konnte; nach Maassgabe der Umstände jedoch glaube ich, dass auch ihm beizustehen sei. 2Es sagt der Prätor: oder indem er nicht wider Willen vor Gericht geladen, werden durfte und auch nicht vertheidigt wurde; diese Stelle bezieht sich auf diejenigen, welche man nach der Sitte der Vorfahren nicht ohne Strafe (sine fraude) vor Gericht rufen durfte, wie einen Consul, Prätor und Andere, welche ein Imperium oder eine obrigkeitliche Würde haben. Aber auch auf die geht dieses Edict nicht, welche der Prätor ohne seine besondere Erlaubniss vorzuladen verbietet, weil er, darum gebeten, es erlauben konnte; nämlich auf Freilasser und Eltern. 3Dann setzt er hinzu: und auch nicht vertheidigt wurde; was sich auf alle, die vorher genannt wurden, bezieht, den ausgenommen, welcher abwesend etwas verjährt hat, indem rücksichtlich eines solchen schon oben eine genügende Verordnung aufgestellt worden ist. 4Es sagt der Prätor; oder wenn, dass Jemandem durch eine Handlung des Magistratus ohne seine böse Absicht die Klage entzogen worden sei, behauptet werden sollte. [Hiermit nun deutet er an], dass, wenn es etwa durch Aufschubsgestattungen des Richters dahin gebracht worden sei, dass die Klage entzogen wurde, Wiedereinsetzung Statt finde. Aber auch wenn es keine Gelegenheit gab, sich an den Magistratus zu wenden, sagt Labeo, müsse Wiedereinsetzung zugelassen werden. [Die Worte] aber: durch eine Handlung [die Schuld] des Magistratus, sind davon zu verstehen, wenn er gar nicht Recht gesprochen hat, widrigenfalls nämlich, wenn er nach untersuchter Sachlage die Klage verweigert hat, fällt die Wiedereinsetzung weg, und dies ist auch die Ansicht des Servius. Desgleichen scheint auch dann durch eine Handlung des Magistratus [die Klage entzogen zu sein], wenn der Magistratus aus Gunst oder schändlichem Eigennutze (sordes) kein Recht gesprochen haben sollte; und dieser Theil [des Edicts], wird [hier] Anwendung finden, wie auch der vorhergehende [des Inhalts]: oder die Möglichkeit, gegen ihn zu klagen, nicht gewährte; denn darauf ist der Streiter, indem er den Richter besticht, ausgegangen, dass nicht gegen ihn geklagt werde. 5Das Entziehen der Klage (actio exemta) wird davon zu verstehen sein, dass er aufgehört hat, klagen zu können. 6Noch wird beigefügt: ohne seine böse Absicht, nämlich deshalb, damit, wenn eine böse Absicht desselben dabei eingetreten ist, ihm kein Beistand geleistet werde; denn denen, welche selbst gefehlt haben, steht der Prätor nicht bei. Demnach wird ihm, wenn er, indem er [angeblich] bei dem Nachfolger des [jetzigen Prätors] Klage erheben will, die Zeit hingezogen hat, nicht geholfen werden. Aber auch wenn ihm, weil er der Verordnung des Prätors nicht Folge leistet, dieser die Handhabung des Rechts verweigert haben sollte, sei er nicht in den vorigen Stand wieder einzusetzen, schreibt Labeo, desgleichen auch, wenn er aus einer andern rechtmässigen Ursache von ihm nicht angehört worden wäre. 7Für den Fall, wenn etwa Feiertage ausser der Ordnung angesagt worden sind, z. B. wegen glücklicher Ereignisse, oder zu Ehren des Kaisers, und der Magistratus aus diesem Grunde nicht Recht gesprochen haben sollte, machte Cajus Cassius namentlich bekannt, dass er Wiedereinsetzung gewähren wolle, weil man annehmen könnte, dass hierbei eine Schuld des Prätors Statt finde; denn auf feierliche Ruhetage dürfe keine Rücksicht genommen werden, weil sie der Kläger hätte voraussehen können und müssen, um nicht [mit seiner Klage] in sie zu fallen; was die richtigere Ansicht ist, und so schreibt auch Celsus im zweiten Buche der Digesten. Aber wenn die Ruhetage Zeit [für die Klage] entziehen, so ist die Wiedereinsetzung nur auf die einzelnen Tage zu richten, nicht auf die ganze Zeit. Und so schreibt auch Julianus im vierten Buche der Digesten, denn er sagt, die Aufhebung der Verjährung sei dergestalt vorzunehmen, dass diejenigen Tage hergestellt werden, an welchen der Kläger Klage erheben wollte, durch die Dazwischenkunft der Ruhetage aber gehindert wurde. 8So oft als Jemand durch Abwesenheit einen Anderen nicht auf die volle Zeit ausgeschlossen hat, [so ist die Wiedereinsetzung auf die noch rückständige Zeit zu richten]; z. B. ich habe deine Sache so lange besessen, dass an dem Ablaufe der für die Verjährung festgesetzten Zeit nur ein Tag fehlt, und dann angefangen, des Staates wegen abwesend zu sein, so ist gegen mich Wiedereinsetzung rücksichtlich dieses einen Tages zuzulassen. 9Desgleichen, sagt der Prätor, wenn irgend eine andere Ursache mir als rechtmässig erscheinen wird, so werde ich [ebenfalls] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren. Diese Stelle ist dem Edicte nothwendiger Weise beigefügt worden, denn es konnten viele Fälle sich ereignen, welche das Hülfsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit sich führten und nicht einzeln aufgezählt werden konnten, wie denn, so oft als die Billigkeit eine Wiedereinsetzung rathsam macht, man zu dieser Stelle [des Edicts] sich wird wenden müssen; so z. B. ist es, wenn Jemand eine Gesandtschaft für eine Stadt übernommen hat, höchst billig, dass er in den vorigen Stand wieder eingesetzt werde, obwohl er nicht des Staates wegen abwesend ist, auch ist sehr oft verordnet worden, dass ihm Beistand geleistet werden müsse, er möge einen Stellvertreter gehabt haben oder nicht. Dasselbe glaube ich [ist auch anzunehmen], wenn Jemand zur Ablegung eines Zeugnisses aus irgend einer Provinz entweder in die Hauptstadt oder zum Kaiser gefordert worden ist, denn auch für diesen Fall ist sehr oft rescribirt worden, dass Hilfe zu gewähren sei. Aber auch denen, welche einer richterlichen Untersuchung oder Appellation halber eine Reise unternommen haben, ist auf gleiche Weise Beistand gewährt worden. Und überhaupt muss behauptet werden, dass so oft nur Jemand aus Nothwendigkeit, nicht aus freiem Willen, abwesend war, ihm Hülfe zu gewähren sei.
28Ulp. lib. XII. ad Ed. Auch dann, wenn Jemand aus einem [andern] löblichen Grunde abwesend sich befunden haben sollte, hat der Prätor in Erwägung zu ziehen, ob ihm Hülfe geleistet werden müsse; z. B. der wissenschaftlichen Ausbildung wegen, [und] vielleicht sein Stellvertreter gestorben ist, damit er nicht bei einer so ganz rechtmässigen Ursache seiner Abwesenheit doch Nachtheil erleide. 1Desgleichen wird auch, wenn Jemand weder durch Gefängniss, noch Fesseln, sondern durch das Gutsagen der Bürgen gehalten und, indem er deshalb nicht zurücktreten kann, in Nachtheil versetzt worden ist, derselbe in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden; auch wird gegen ihn Wiedereinsetzung bewilligt werden. 2In soweit es, sagt der Prätor, nach den Gesetzen, Volksbeschlüssen, Senatsbeschlüssen, Edicten, Verordnungen der Kaiser erlaubt sein wird; welche Stelle nicht das Versprechen in sich enthält, er werde wieder einsetzen, falls es die Gesetze gestatten, sondern, falls es die Gesetze nicht verbieten sollten. 3Wenn Jemand öfters des Staats wegen abwesend sich befunden hat, so sei, glaubt Labeo, die Zeit der Wiedereinsetzung nach seiner letzten Rückkehr zu berechnen. Wenn nun aber alle seine Abwesenheiten ein [ganzes] Jahr betragen, die einzelnen [aber] weniger als ein Jahr, so ist zu beachten, ob wir ein [volles] Jahr zur Wiedereinsetzung geben sollen, oder nur so viel Zeit, als seine letzte Abwesenheit erfordert hat; und ich meine, es sei ihm ein Jahr zu geben. 4Soll mir, wenn du, obwohl du deinen Wohnsitz in einer Provinz hast, doch in der Hauptstadt dich aufhieltest, ein Jahr angerechnet werden, als ob mir die Macht, mein Recht zu verfolgen, zustehe? Labeo nun sagt, das Jahr sei nicht anzurechnen. Ich aber halte dies nur dann für wahr, wenn der Gegner die Befugniss hatte, den Rechtsstreit vor das Forum seines Wohnsitzes zu ziehen (jus revocandi domum); wenn aber nicht, so kommt es mir vor, als ob die Macht, mein Recht zu verfolgen, vorhanden sei, weil ja in Rom selbst die förmliche Eröffnung des Rechtsstreites Statt finden konnte. 5Nach dem Beispiele der rescissorischen Klage steht auch demjenigen, welcher des Staats wegen abwesend war, eine Einrede zu, wie etwa dann, wenn ihm Sachen, zu deren Besitze er gelangt ist, abgefordert werden. 6Bei derjenigen rescissorischen Klage, welche gegen einen Soldaten zusteht, sei es, sagt Pomponius, der Billigkeit höchst angemessen, dass er auch die in jene Zeit, wo er als Abwesender nicht vertheidigt worden ist, fallenden Früchte ausliefere. Demnach werden auch [im umgekehrten Falle] dem Soldaten solche Früchte zurückgegeben werden müssen; in beiden Fällen wird eine Klage [aus dem Edicte] Statt finden;
30Paul. lib. XII. ad Ed. Wenn ein Soldat, welcher Verjährung ausübte, gestorben und sein Erbe die Verjährung vollendet haben sollte, so ist es billig, dass dasjenige, was nachher durch die vollendete Verjährung erworben worden ist, rescindirt, und demnach bei den Erben, welche in die Fortsetzung der Verjährung eintreten, dasselbe beobachtet werde [was rücksichtlich des Verstorbenen geltend ist]; weil [nämlich] die vom Verstorbenen angefangene Verjährung (possessio) gleichsam als [mit dem Nachlasse] in Verbindung stehend, auf den Erben übergeht, und meistens noch vor dem Erbschaftsantritte vollendet wird. 1Ad Dig. 4,6,30,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 120, Note 3.Wenn derjenige, welcher des Staats wegen abwesend war, eine Sache durch Verjährung erworben und nach [vollendeter] Verjährung verkauft hat, so wird [gegen ihn] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuzulassen sein; und es muss, wenn er gleich ohne bösen Vorsatz sich abwesend befunden und verjährt haben sollte, seinem Gewinnste vorgebeugt werden. Desgleichen wird aus allen übrigen Ursachen Wiedereinsetzung zu gestatten sein, z. B. wenn gegen ihn ein richterliches Erkenntniss gefällt worden ist.
31Idem lib. LIII. ad Ed. Wenn derjenige, dessen Sache ein des Staats wegen Abwesender durch Verjährung an sich brachte, den Besitz seiner durch Jenen verjährten Sache wieder erlangt hat, so steht ihm, wenn er auch nachher ihrer nochmals verlustig geworden wäre, keine erlöschbare, sondern eine unverjährbare Klage zu.
32Modestin. lib. IX. Regular. Als des Staats wegen abwesend wird auch derjenige angesehen, welcher aus der Hauptstadt abgereist ist, wenn er auch noch nicht bis in eine Provinz gekommen sein sollte1515Es ist nämlich hier wohl für excesserit, des richtigeren Sinnes wegen, die Lesart accesserit, welche Gothofredus in seinen Noten empfiehlt, zu substitutiren.; aber auch derjenige, welcher dahin gelangt ist, bis [zur Zeit], wo er nach der Hauptstadt zurückkehrt; und dies bezieht sich auf die Proconsuln und ihre Legaten, ferner auf diejenigen, welche den Provinzen vorstehen, oder solche Procuratoren der Kaiser, welche in den Provinzen gehalten werden, ferner auf Tribuni militum und Praefecti und Begleiter der Legaten, welche [rücksichtlich ihrer Besoldung] an die Staatscasse gewiesen, oder in das Verzeichniss (Journal) des Kaisers eingetragen worden sind.
33Idem lib. sing. de Enucleatis casibus. Unter denjenigen, welche in Folge der allgemeinen Clausel [des Edicts] Beistand erlangen, wird auch der Sachwalter des Fiscus mit aufgezählt. 1Dass diejenigen, welche mit Abkürzungen die Verhandlungen der [Provinz-] Vorsteher niederschreiben, nicht des Staates wegen abwesend sind, ist gewiss. 2Aerzte der Soldaten können, weil der Dienst, den sie leisten, nicht nur dem Staate Vortheil gewährt, sondern auch ihnen keinen Nachtheil verursachen darf, die Hülfe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Anspruch nehmen.
34Javolen. lib. XV. ex Cassio. Wenn ein Soldat nach empfangenem Urlaube sich zu Hause aufhält, so scheint er nicht des Staates wegen abwesend zu sein. 1Derjenige, welcher auf einem Zollamte (publico), welches [zur Erhebung] der Staatseinkünfte verpachtet worden ist, Dienste leistet, ist nicht des Staats wegen abwesend.
35Paul. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Die, welche abgesendet werden, um Soldaten [irgend wohin] zu führen, oder zurückzuführen, oder für Anwerbung derselben zu sorgen, sind des Staats wegen abwesend. 1Diejenigen auch, welche zur Beglückwünschung des Kaisers abgeschickt worden sind. 2Desgleichen ein Geschäftsbesorger (Procurator) des Kaisers, nicht blos ein solcher, dem die Besorgung aller Angelegenheiten in irgend einer Provinz übertragen worden sein wird, sondern auch derjenige, dem [die Besorgung] nur einiger Angelegenheiten [daselbst übertragen worden ist]. Es werden mithin mehrere daselbst [befindliche] Besorger verschiedener Angelegenheiten als des Staates wegen abwesend angesehen. 3Auch der Vorgesetzte Aegyptens (Praefectus Aegypti) ist des Staats wegen abwesend, wie auch jeder, welcher aus einem andern Grunde des Staats wegen sich aus der Hauptstadt entfernt haben sollte. 4Aber auch in Beziehung auf die in der Hauptstadt garnisonirenden Soldaten hat der höchstselige Pius dasselbe verordnet. 5Es ist rücksichtlich desjenigen, welcher zur Zügelung schlechter Menschen abgeschickt ist, die Frage erhoben worden, ob er des Staats wegen abwesend sei? und die Meinung angenommen worden, dass er des Staats wegen abwesend sei. 6Desgleichen ein solcher, der kein Soldat (paganus) ist, wenn er sich in den Feldzug auf Befehl des gewesenen Consuls begeben hat und daselbst in der Schlacht umgekommen ist; denn es muss seinem Erben Hülfe geleistet werden. 7Wer in Angelegenheiten des Staats nach Rom gereist, ist als des Staats wegen abwesend anzusehen. Aber auch wenn Jemand ausserhalb seines Vaterlandes in Angelegenheiten des Staats eine Reise unternommen hat, ist er, sollte ihn auch sein Weg durch die Hauptstadt führen, doch des Staats wegen abwesend. 8Desgleichen wird derjenige, welcher in einer Provinz ist, sobald als er nur aus seiner Behausung abgereist ist, oder, wenn er etwa in jener Provinz lebt, um an der öffentlichen Verwaltung Theil zu nehmen, und die Verwaltung begonnen hat, einem Abwesenden ähnlich gehalten. 9Auch wenn Jemand sich in das Lager begibt und [von da] zurückkehrt, ist er des Staats wegen abwesend, da ja auch derjenige, welcher wirkliche Kriegsdienste leisten will, in das Lager gehen und von da zurückkehren muss. Vivianus schreibt, Proculus habe den Bescheid gegeben, dass ein Soldat, welcher mit Urlaub abwesend ist, während er nach Hause geht oder zurückgeht, des Staats wegen abwesend, während er sich aber zu Hause aufhält, nicht des Staats wegen abwesend sei.
36Ulp. lib. VI. ad leg. Ju. et Pap. Als des Staats wegen Abwesende sehen wir einzig und allein diejenigen an, welche nicht ihres Vortheils halber, sondern durch Nothwendigkeit bewogen, abwesend sind.
37Paul. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Diejenigen, welche in ihrer Provinz über die durch kaiserliche Verordnungen bestimmte Zeit hinaus als Gerichtsbeisitzer verweilen, werden nicht als in öffentlichen Angelegenheiten Abwesende angesehen.
38Ulp. lib. VI. ad leg. Jul. et Pap. Wenn Jemandem der Kaiser durch eine besondere Vergünstigung gestattet haben sollte, in seiner Provinz Gerichtsbeisitzer zu sein, halte ich dafür, dass er des Staats wegen abwesend sei; wenn er nun aber dies ohne solche Erlaubniss gethan haben sollte, so werden wir folgerecht behaupten, dass er, da er sich eines Vergehens hierdurch schuldig gemacht hat, die Vorrechte derjenigen nicht habe, welche des Staats wegen abwesend sind. 1Es wird Jemand so lange als ein des Staats wegen Abwesender anzusehen sein, als er irgend einem Amte vorsteht; wenn nun das Amt zu Ende gegangen sein sollte, so hört er auf, des Staats wegen abwesend zu sein. Aber für seine Rückkehr werden wir ihm gleich von da an, wo er aufhörte, des Staats wegen abwesend zu sein, so viel an Zeit berechnen, als er wirklich brauchte, um in die Hauptstadt zurückzukehren; und es wird der Billigkeit angemessen sein, ihm diejenigen Zeitfristen zu gestatten, welche das Gesetz den Rückkehrenden bewilligt hat. Dennoch bezweifeln wir nicht, dass, wenn er irgend wohin seiner Angelegenheiten halber sich vom geraden Wege entfernt haben sollte, die [darauf verwendete] Zeit ihm nicht zu gute komme, und wir werden, nach angestellter Ausrechnung derjenigen Zeit, binnen welcher er hätte zurückkehren können, behaupten, dass er gleich [vom Ablaufe dieser Zeit an] aufgehört habe, des Staats wegen abwesend zu sein. Dagegen aber wird, wenn er etwa durch körperliches Unwohlsein gehindert, seine Reise nicht fortsetzen konnte, das menschliche Gefühl nicht unbeachtet gelassen werden, wie ja auch auf Winter, Schifffahrt und alles Uebrige, was sich durch reinen Zufall ereignet, Rücksicht genommen zu werden pflegt.
39Ad Dig. 4,6,39Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 119, Note 8.Paul. lib. I. Sentent. Derjenige, welcher, da er des Staats wegen sich zu entfernen im Begriffe stand, einen Geschäftsbesorger, durch den er vertheidigt werden konnte, zurückgelassen haben sollte, wird, wenn er in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden will, nicht gehört.
40Ulp. lib. V. Opinion. Wenn einem Soldaten irgend eine öffentliche Anklage zustehen sollte, so wird dieselbe während der Zeit, wo er dem Staate Dienste leistete, nicht [durch Verjährung] aufgehoben. 1Alles, was während der Zeit, wo Jemand in Folge einer ihm zuerkannten Strafe, gegen welche er nachher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangte, auf einer Insel1616Dies ist nach Anton Faber sowohl vom deportatus als vom relegatus zu verstehen. sich aufgehalten hat; als ihm von seinen Gütern, die ihm nicht [zur Strafe] entzogen worden waren, durch einen Andern auf dem Wege der Verjährung abgenommen dargethan worden sein sollte, muss wieder in die vorige Lage zurückgebracht werden.
41Idem lib. XXXV. Digest. Wenn Jemand dem Titius etwas [unter der Bedingung], wenn er zur Zeit seines Todes in Italien sich befände, oder auf so viele einzelne Jahre, als welche er in Italien verbringen würde, vermacht haben und diesem [Titius] Beistand geleistet worden sein sollte, und zwar aus dem Grunde, weil er, während er des Staats wegen abwesend war, vom Vermächtnisse ausgeschlossen worden ist; so wird derselbe genöthigt, das ihm [vom Erblasser] aufgegebene Fideicommiss auszuzahlen. Marcellus bemerkt dabei: denn wer hat es je in Zweifel gezogen, dass dem Soldaten, unbeschadet der Gültigkeit der Vermächtnisse und Fideicomisse, eine Erbschaft wieder zugesprochen werde, welcher er deshalb verlustig geworden ist, weil er des Staats wegen sich abwesend befunden hat?
43African. lib. VII. Quaest. Wenn Jemand sich auf so viele einzelne Jahre, als entweder er selbst oder der Versprechende sich in Italien aufhalten werde, etwas feierlich hat versprechen lassen (stipulatus sit) und einer von beiden des Staats wegen abwesend zu sein angefangen haben sollte, so hat der Prätor die Verpflichtung, eine [nach Analogie der rescissorischen Klage] gebildete Klage1717Utilis actio ist [im Gegensatze der actio directa, d. i. einer durch die Worte der Gesetze ausdrücklich eingeführten Klage] die durch eine auf den Grund des Gesetzes gebauete extensive Interpretation eingeführte Klage (s. v. Glück Erl. der Pand. 3. Th. 2. Abth. p. 615), oder eine solche Klage, die durch eine billige Auslegung aus dem Grunde eines Civilgesetzes abgeleitet worden ist. einzuführen. Dasselbe werden wir auch dann behaupten, wenn etwa die Stipulation so abgefasst worden ist: wenn er sich innerhalb der nächsten fünf Jahre in Rom aufgehalten haben wird; oder so: wenn er sich in Rom nicht aufgehalten haben wird, sagst du mir, hundert zu geben, feierlich zu?