De rebus auctoritate iudicis possidendis seu vendundis
(Von der Besitznahme (Beschlagnahme) [oder Vergantung] des Vermögens auf richterliche Anordnung1.)
1S. u. Note 198.
1Gaj. lib. XXIII. ad Ed. prov. Die Gant muss da eröffnet werden, wo Derjenige [den sie trifft], zu Recht stehen muss;
3Gaj. lib. XXIII. ad Ed. prov. oder wo er contrahirt hat. Als Contractsort wird aber nicht sowohl der Ort angesehen, wo das Geschäft verhandelt, als der, wo das Geld zahlbar ist.
4Paul. lib. LVII. ad Ed. Wenn ein Sclave unter einer Bedingung zum Erben eingesetzt, oder es zweifelhaft ist, ob er Erbe und frei sein werde, so ist es nicht unbillig, dass auf Antrag der Gläubiger angeordnet werde, falls er bis zu einer gewissen Zeit nicht Erbe geworden sein würde, in Allem so zu verfahren22Mit Beschlagnahme des insolventen Nachlasses., als ob er nicht zum Erben eingesetzt wäre. Dies kann zumal sich ereignen, wenn er unter der Bedingung, Jemandem Geld zu zahlen, zum Erben ernannt und ihm dazu keine Frist gesetzt ist. So ist es jedoch nur mit dem Nachlasse zu halten; hingegen die Freiheit kommt ihm jederzeit zu, und er muss dabei vom Prätor geschützt werden, wenn es gleich gewiss ist, dass er weder Erbe, noch Nachlassbesitzer sein wird. Wenn aber Jemand33Auf die interrogatio in jure facta. antwortet, er sei Erbe, oder durch Einlassung auf erhobene Klagen den Verstorbenen vertritt, so kann zu dem Nachlasse die Gant nicht eröffnet werden.
5Ulp. lib. LX. ad Ed. Wenn ein noch nicht Fünfundzwanzigjähriger, der Curatoren hat, von seinen Curatoren nicht vertreten wird und keinen andern Vertreter findet, so trifft ihn die Gant, wenn er auch nicht versteckt ist; obschon Derjenige, der sich selbst zu vertreten unfähig ist, nicht als betrüglicherweise versteckt angesehen werden kann.
6Paul. lib. LVIII. ad Ed. Wenn es einem Unmündigen nicht vortheilhaft ist, die Erbschaft seines Vaters zu behalten, so gestattet der Prätor die Ganteröffnung zu dem Vermögen des Verstorbenen, so dass der etwanige Ueberschuss dem Unmündigen herausgegeben werde. 1Ad Dig. 42,5,6,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 463, Note 31.Was ein Unmündiger gethan, ehe er sich [von der väterlichen Erbschaft] losgesagt hat, muss aufrechterhalten werden, wenn er es nur in gutem Glauben gethan hat. 2Ad Dig. 42,5,6,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 463, Note 31.Wie also, wenn er einigen Gläubigern ausgezahlt hat, und nachher die Gant eröffnet wird? Fragt man hier, ob Zurückforderung stattfinde, so sagt Julianus, dies sei nach den Umständen zu beurtheilen; damit nicht die Nachlässigkeit oder die Habsucht44Welche den Nachlässigen antreibt, sich nachmals dem Wachsamen gleichsetzen zu wollen. des Einen dem Andern schade, der wachsam gewesen ist. Hat aber der Vormund, von dir und mir zugleich gedrängt, dir aus Begünstigung gezahlt, so ist billig, dass ich entweder einen gleichen Antheil vorauserhalte, oder Das, was du empfangen hast, unter uns getheilt werde; und dies sagt Julianus. Offenbar spricht er aber von dem Falle, wenn aus dem väterlichen Nachlasse gezahlt worden ist. Wie nun, wenn der Unmündige anderswoher gezahlt hat? muss ihm dieses wiedererstattet werden, oder nicht? und muss dies von dem Gläubiger55Den er bezahlt hat. oder aus dem Nachlasse geschehen? Unser Scaevola sagt, wenn der Nachlass es hergeben könne, so sei das Ganze von demselben abzuziehen, wie bei Einem, der [dessen] Geschäfte besorgt hat. Sei aber der Nachlass unvermögend, so sei nicht unbillig, wider den Gläubiger die Zurückforderung, als einer Nichtschuld, zu gestatten.
7Gaj. lib. XXIII. ad Ed. prov. Unter Nachlassschulden werden auch solche mitverstanden, wegen derer gegen den Verstorbenen nicht geklagt werden konnte; z. B. was er etwa angelobt hat, bei seinem Tode zu geben; so auch was Einer, der für den Verstorbenen gebürgt hatte, nach dessen Tode bezahlt hat.
8Ulp. lib. LXI. ad Ed. Zur Gantmasse wird auch der Niessbrauch gezogen, da unter der Benennung Eigenthümer auch der Niessbraucher66Er ist Eigenthümer des Niessbrauchrechts. begriffen ist. 1Wenn aus dem Grundstücke des Schuldners einiger Ertrag gezogen werden kann, so muss der Gläubiger, der in dessen Besitz gesetzt worden ist, denselben verkaufen oder verpachten. Doch nur dann, wenn er nicht schon vorher verkauft oder verpachtet ist; denn wenn er schon vom Schuldner verpachtet oder verkauft worden ist, so muss der Prätor diesen vom Schuldner geschlossenen Verkauf oder Pacht aufrechterhalten, wenn auch [der Ertrag] um einen zu geringen Preis veräussert oder verpachtet worden ist; es müsste denn dies zu Hintergehung der Gläubiger geschehen sein; denn alsdann stellt der Prätor den Gläubigern frei, einen neuen Verkauf oder Verpacht vorzunehmen. 2Auch von dem Ertrage anderer Dinge gilt dasselbe; so dass er, wenn es thunlich ist, verpachtet werden muss; z. B. der Lohn für Sclavenarbeit, oder für Zugvieh und andere Dinge, die vermiethet werden können. 3Von der Zeit der Verpachtung hat der Prätor nichts gesagt; daher dürfte es den Gläubigern ganz freigestellt sein, auf wie lange Zeit sie verpachten wollen; sowie es auch bei ihnen steht, ob sie [selbst] verkaufen77Nach dem Vorstehenden ist hier nicht die nutzbare Sache selbst, sondern der Ertrag davon gemeint. Der Verkauf der Sache erforderte ein zweites Decret. oder verpachten wollen, versteht sich sonder Gefährde; für Versehen sind sie nicht verantwortlich. 4Wenn ein Einziger in den Besitz des Vermögens gesetzt ist, so wird die Verpachtung keinen Anstoss verursachen. Ist es aber nicht in dem Besitz eines Einzigen, sondern Mehrer, so fragt sichs, wem von ihnen die Verpachtung oder der Verkauf zukomme? Wenn sie sich nun darüber vereinigt haben, so ist die Sache sehr leicht entschieden; denn sie können Alle zusammen verpachten, oder auch Einem dieses Geschäft auftragen. Haben sie sich aber nicht vereinigt, so ist es dem Prätor zu überlassen, nach Erörterung der Sache einen, der verpachten oder verkaufen möge, auszuwählen.
9Idem lib. LXII. ad Ed. Der Prätor sagt: Wenn Jemand, während er sich in dem Besitze des Vermögens [eines Andern] befand, deshalb Nutzungen gezogen hat und Demjenigen, dem es gebührt, nicht erstattet88Wenn sich ein Ueberschuss ergiebt, oder der Besitz nicht einer Schuld, sondern nur der Sicherheit wegen eingeräumt war, diesfalls aber die Gefahr aufgehört hat, oder Caution geleistet ist.; oder wenn ihm nicht vergütet wird, was er sonder Gefährde auf die Sache gewendet hat; oder wenn durch Gefährde seinerseits die Besitznahme zum Nachtheil ausgeschlagen sein soll: so werde ich deshalb eine Klage aus der Thathandlung (judicium in factum) gestatten. 1Was er von Nutzungen sagt, ist auch von allem Andern, was der Gläubiger mittels der Sache des Schuldners erworben hat, zu verstehen; und dies konnte gar nicht anders sein. Denn wie, wenn er nach einem Compromiss oder zufolge einer andern Veranlassung eine Geldstrafe eingezogen hat? Jede Strafe, die er eingezogen hat, muss er gewähren. 2Diese Worte des Prätors: oder wenn ihm nicht vergütet wird, was er sonder Gefährde auf die Sache gewendet, gehen darauf, dass der Aufwand, den der Gläubiger etwa selbst, [der Sache wegen] gemacht hat, sobald es nur ohne Gefährde geschehen ist, ihm erstattet werden muss: es ist also genug, wenn er den Aufwand ohne Gefährde gemacht hat; sollte auch solcher dem Schuldner nichts genutzt haben. 3Unter diesen Worten: dem es gebührt, ist auch der zum Verkauf (distrahendis) des Vermögens bestellte Curator99S. u. Note 202. oder der Schuldner selbst, wenn es zum Gantverfahren nicht kommt, zu verstehen. Und dem Gläubiger selbst wird also wider Die, welche ich angegeben habe, eine Klage gestattet, wenn er Etwas zu Einerntung der Früchte aufgewendet hat, oder zur Ernährung und Verpflegung des Gesindes, oder zu Befestigung oder Ausbesserung der Gebäude, oder durch Angelöbniss wegen drohenden Schadens, oder durch Antwort auf eine Klage wegen eines durch einen Sclaven gestifteten Schadens, zu Erhaltung des Sclaven; dafern es nur nicht vortheilhafter gewesen wäre, ihn auszuliefern, als zu behalten. Wäre dies vortheilhafter gewesen, so ist folgerecht, dass er nichts zurückfordern könne. 4Im Allgemeinen ist denn auch zu sagen: Alles, was er auf die Sache gewendet hat, wenn es nur ohne Gefährde geschehen ist, kann er zurückfordern. Denn die Geschäftsbesorgungsklage1010Bei dieser müsste die Nützlichkeit der Verwendung nachgewiesen werden, auch müsste der negotiorum gestor für jede culpa einstehen. steht ihm ebensowenig zu, als einem Genossen, der ein gemeinschaftliches Haus unterbaut hat; auch dieser Gläubiger erscheint nemlich als Besorger eines gemeinschaftlichen, nicht eines fremden Geschäfts. 5Ferner hat man die Frage aufgeworfen: Wenn die Grundstücke ohne böse Absicht des Gläubigers verschlimmert oder deren Rechte verloren gegangen, oder Gebäude eingestürzt oder niedergebrannt sind, so auch wenn das Gesinde oder das Vieh nicht verpflegt worden, oder der Besitz einem Andern übergeben worden ist, aber ohne böse Absicht des Gläubigers, ob derselbe verantwortlich sei? Und es ist klar, dass er nicht verantwortlich ist, weil er von Gefährde frei ist, und seine Lage ist vortheilhafter als bei dem [übergebenen] Pfande eines Gläubigers, welcher nicht blos für Gefährde, sondern auch für Versehen zu stehen hat. In demselben Verhältnisse ist der Gütervertreter, denn auch dieser ist [nur] so weit verantwortlich, als die Gläubiger. 6Auch wider Denjenigen, der den Ertrag des Grundstücks weder verpachtet noch verkauft hat, giebt der Prätor eine Klage aus seiner Handlung (in factum) und er wird in soviel verurtheilt, als deshalb, weil er weder verkauft noch verpachtet hat, weniger Nutzen gezogen worden ist1111Nemlich — wie das Vorstehende lehrt — wenn er es in der Absicht zu schaden, oder vermöge der allergröbsten Nachlässigkeit, die dem dolus gleichgeachtet wird, verabsäumt hat.. Wenn indess eben soviel gezogen worden ist, als gezogen worden wäre, wenn der Ertrag verpachtet oder verkauft worden, so kann ihm kein Vorwurf gemacht werden. Er leistet aber jenes auf so lange Zeit, als entweder er selbst oder auf sein Geheiss1212Jussu; also sein Sohn oder Sclave. ein Anderer im Besitz gewesen, bis dahin, wo dieser wiederaufgegeben worden ist; denn auch deshalb kann dem Gläubiger kein Vorwurf gemacht werden, weil er den Besitz nicht [früher] ergriffen habe, da er willkürlich und vielmehr in eigner Sache handelt. In Anschlag gebracht wird [bei einem solchen Anspruch] aller Schaden, den der Kläger davon hat. 7Diese Klagen sind nicht verjährbar und werden sowohl den Erben als gegen die Erben und andere Nachfolger gestattet. 8Wenn das Besitzrecht (possessionis causa) beeinträchtigt worden ist durch Unredlichkeit Dessen, welcher sich in Besitz gesetzt befindet, so wird gegen ihn [auch] die Gefährdeklage gestattet, welche aber nicht mehr nach Verlauf eines Jahres, und eben so wenig wider Erben und andere Nachfolger stattfindet, da sie in einem Vergehen ihren Grund hat und auf Strafe gerichtet wird;
11Ulp. lib. LXII. ad Ed. Dem Erben aber wird sie nicht gestattet, weil sie auch auf Verfolgung der Sache geht.
12Paul. lib. LIX. ad Ed. Wenn Einer der Gläubiger die Besitzeinsetzung in das Vermögen des Schuldners verlangt, so fragt sichs, ob blos dieser darauf Antragende zum Besitz kommen könne, oder ob, wenn einer darauf angetragen und der Prätor bewilligt hat, allen Gläubigern die Theilnahme freisteht? Und passender ist es, zu sagen, dass die vom Prätor ertheilte Bewilligung nicht sowohl auf die Person des Einen Ansuchenden, als auf die Gläubiger [überhaupt] und die Sache selbst zu beziehen sei; wofür auch Labeo ist. Deshalb kann es auch nicht scheinen, als ob ein freier Mensch hier einem andern etwas erwürbe1414Was juristisch nicht denkbar war. Gajus II, 95., weil Der, dem der Prätor dies bewilligt, für sich selbst nichts erwirbt1515Nicht einmal wahren Besitz. S. o. fr. 12. quib. ex caus. in poss., sondern nach dem Rechtsgang (ex ordine) etwas thut, und daher auch den Andern nützlich wird1616Als defensor der übrigen Gläubiger.. Freilich, wenn Jemand, der nicht Gläubiger ist, den Antrag gemacht hat, so kann man nicht sagen, dass auch ein Anderer, der Gläubiger ist, [mit] besitzen könne; da ein solcher Antrag nichtig ist. Ein Anderes ist es, wenn der Gläubiger, dem die Besitznahme gestattet ward, nachher seine Schulden bezahlt erhalten hat1717Mithin ebenfalls nicht mehr Gläubiger ist.; denn dann können die Andern zur Vergantung des Vermögens schreiten. 1Wer eine Verordnung zur Besitznahme1818Ohne Bestimmung des Grundstücks, worauf sie sich bezieht. ausgewirkt hat, der ist an demjenigen Orte als eingewiesen anzusehen, worüber die Aufsicht (cura) dem Verordnenden zusteht. 2Wenn die Besitznahme wegen Beschaffenheit der Sache, z. B. weil ein Grundstück überschwemmt ist, oder wegen der Uebermacht von Räubern, nicht stattfinden kann, so sagt man richtig, dass ein Gegenstand der Besitznahme nicht vorhanden ist.
13Gaj. lib. XXIII. ad Ed. prov. Wenn gleich eine Besitznahme des Vermögens nicht stattgefunden hat, etwa weil nichts dagewesen, was in Besitz hätte genommen werden können, oder wenn der Besitz nicht unstreitig ist, so wird doch der zum Besitz gelassene Gläubiger eben so angesehen, als ob er im Besitz gewesen wäre1919Er kann also, wenn sich noch ein Eigenthum des Schuldners findet, oder der Streit über die Sache zu dessen Gunsten entschieden wird, sofort zur Vergantung schreiten..
14Paul. lib. LIX. ad Ed. Nachdem ein Gläubiger in den Besitz des Vermögens des Schuldners eingewiesen ist, so muss, falls Klagrechte vorhanden sind2020Zum Vermögen des Schuldners gehören., welche verloren gehen würden2121Wenn nicht in Zeiten geklagt würde., ein Gütervertreter bestellt werden. 1Gegen den in Besitz gesetzten Gläubiger wird eine Klage auf Das, was aus dem Vermögen des Schuldners an ihn gekommen ist, gestattet2222Damit er es zu gemeinsamer Theilung bringe.. Hat er noch nichts erlangt, so muss er seine Klagen abtreten. Es wird aber2323Den übrigen Gläubigern, oder dem wieder solvent wordenen und seiner Verbindlichkeiten entledigten Schuldner. eine Klage aus seiner Handlung (in factum) wider ihn gestattet, und Alles, was Gegenstand der Geschäftsführungsklage sein würde, wenn [mit dieser] geklagt werden könnte2424S. o. fr. 9. §. 5. h. t., muss der Gläubiger erstatten2525Nemlich so weit aliquid ad eum pervenit; denn davon ist hier blos die Rede; nicht aber, was er bei grösserem Fleiss hätte aus der Sache nehmen können. S. o. Note. 132..
15Ulp. lib. LXII. ad Ed. Sind mehrere Gläubiger in den Besitz des Vermögens ihres Schuldners gesetzt, so ist Einem, welchen der grössere Theil der Gläubiger erwählt, die Sorge aufzutragen, dass die Rechnungen nicht verfälscht werden. Ich halte dafür, dass die Gläubiger auch eine Aufzeichnung (ἀναγραφή) der Urkunden vornehmen [dürfen]2626Es ist hier offenbar ein Wort ausgefallen, licere oder permitti; überhaupt die ganze Stelle verdorben. nicht so, dass sie den Inhalt der Urkunden selbst abschreiben, sondern dass sie sich anmerken, wie viel deren sind und was sie betreffen; dass sie eine Art von Inventarium darüber aufnehmen; was auch über das ganze Vermögen zu thun ihnen erlaubt werden muss. Ausserdem wird der Prätor auch bisweilen, nach Erörterung der Umstände, den Gläubigern erlauben müssen, etwas aus den Urkunden abzuschreiben, wenn ein triftiger Grund dazu vorliegt. 1Ob die Durchgehung und Aufzeichnung den Gläubigern [nur] einmal oder auch öfter zu gestatten sei? dieses fragt sich. Und Labeo sagt: mehr als einmal sei solche nicht zu gestatten; wenn jedoch, Einer schwöre, dass er solches nicht aus Gefährde verlange und, was er aufgezeichnet, nicht [mehr] habe, so sei er nochmals dazu zu lassen, aber nicht mehr als zweimal.
16Gaj. lib. XXIV. ad Ed. prov. Wenn die Besitzthümer des Schuldners versteigert werden, so hat, beim Zusammentreffen2727Mit gleich hohem Gebot. eines Fremden mit einem Gläubiger oder einem Verwandten2828Des Schuldners., der Gläubiger oder Verwandte den Vorzug, doch der Gläubiger noch vor dem Verwandten, und unter den Gläubigern gebührt demjenigen der Vorzug, der die grössere Summe zu fordern hat.
17Ulp. lib. LXIII. ad Ed. Es ist die Frage aufgeworfen worden: ob der Anspruch wegen besorgten Begräbnisses nur dann bevorzugt sei, wenn der Gantmann selbst begraben worden ist, oder auch wenn angeführt wird, dass ein Anderer begraben worden sei? Und es ist bestehenden Rechtens, dass, wer auch immer begraben worden sei, das heisst, es mag nun Der, über dessen Vermögen verhandelt wird, selbst begraben worden, oder er mag etwas schuldig gewesen sein, zu dessen Erstattung er, wenn er lebte, mit der Begräbnissklage anzuhalten wäre, das Vorzugsrecht statthabe. Wenig kommt dabei darauf an, mit welcher Klage solcher Aufwand zurückgefordert werde, ob mit der Begräbniss- oder Erbtheilungsklage, oder was sonst für einer, wenn nur der Aufwand eines Begräbnisses wegen gemacht worden ist. Welch einer Klage also Jemand wegen Begräbnissaufwandes sich bedienen mag, so steht ihm doch auch die Begräbnissklage zu, Daher, wenn über die Begräbnisskosten ein Angelöbniss [Stipulation] geschehen ist, muss man sagen, dass das Vorzugsrecht eintrete, er müsste denn Jemand deshalb stipulirt haben, um das Vorzugsrecht aufzugeben. 1Wenn eine Braut ihre Aussteuer [schon] gegeben hat, und nun die Heirath rückgängig geworden ist, so ist es, wenn gleich sie die Condiction2929Sine causa, nicht die rei uxoriae actio. [persönliche Klage] wegen der Aussteuer anstellt, doch billig, ihr das Vorzugsrecht einzuräumen, ungeachtet keine Ehe geschlossen worden ist. Dasselbe halte ich für richtig, wenn ein Mädchen unter zwölf Jahren als Ehefrau heimgeführt3030Deductio in domum war zwar nicht das Wesen, aber doch das sichere Zeichen der geschlossenen Ehe, insofern eine solche zwischen dem heimführenden und der heimgeführten überhaupt stattfinden konnte. fr. 15. de cond. et demonstrat. 35. 1. worden ist, wenngleich sie noch nicht Ehefrau ist;
19Ulp. lib. LXIII. ad Ed. und aus diesen Gründen geben wir dem Weibe das Vorzugsrecht3131Fr. de j. d. 23. 3.. 1Wenn Jemand, ohne Vormund zu sein, als Vormund Geschäfte besorgt hat, so ist klar, dass das Vorzugsrecht3232Des Pupillen an seinem Vermögen. Zimmern G. d. R. R. Th. II. S. 263. statthabe; es kommt auch nichts darauf an, ob Der, welcher die Besorgung geführt hat, selbst schuldet, oder sein Erbe oder andere Nachfolger desselben. Dagegen steht nur dem Mündel selbst, nicht seinen Nachfolgern das Vorzugsrecht zu. Sehr billig ist es aber, dass auch den Uebrigen, welchen als Untüchtigen oder Verschwendern Pfleger gesetzt werden,
21Gaj. lib. XXIV. ad Ed. prov. oder Blödsinnigen,
22Ulp. lib. LXIII. ad Ed. dasselbe Vorzugsrecht zu statten komme. 1Wenn aber ein Gütervertreter zu dem Vermögen eines Abwesenden, oder von den Feinden Gefangenen, oder während die eingesetzten Erben wegen des Erbschaftsantritts überlegen3333Vergl. fr. 8. quib. ex caus. in poss. 42. 4., gesetzt ist, so gebührt sichs nicht, den Vorzug zu bewilligen; denn ein solcher steht nicht in den nemlichen Verhältnissen.
24Ulp. lib. LXIII. ad Ed. Wenn der Leibesfrucht ein Pfleger bestellt ist, aber kein Kind zur Welt kommt, so fällt das Vorzugsrecht weg. 1Kaiser Marcus hat folgendes Edict erlassen: Ein Gläubiger, der zu Herstellung von Gebäuden vorgeschossen hat, soll wegen des vorgeschossenen Geldes ein Vorzugsrecht beim Zurückfordern haben. Dies geht auch Denjenigen an, der in Auftrag des Bauherrn den Bauunternehmer mit Geld unterstützt hat. 2Ad Dig. 42,5,24,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 271, Note 22; Bd. II, § 379, Note 6.Wenn zu dem Vermögen eines öffentlichen Wechslers3434Mensularius, ein vom Staate anerkannter Inhaber einer Wechselbank. Sigonius de ant. jure civium Rom. II., 11. p. 323 sq. die Gant eröffnet wird, so sind, nach den [gesetzlichen] Vorzugsrechten, die Ansprüche Derer für bevorzugt angenommen, die bei der Wechselbank, im Vertrauen auf den öffentlichen Credit, Geld niedergelegt haben. Wer aber nach Niederlegung solchen Geldes von den Wechslern Zinsen genommen hat, geniesst vor den andern Gläubigern kein Vorrecht, und dies billig; denn etwas anderes ist Leihen, etwas anderes Niederlegen3535Vergl. fr. 7. §. 2. 3. fr. 8. depositi. 16. 3.. Ist jedoch das Geld vorhanden, so kann es meiner Meinung nach gegen die Depositare vindicirt werden, und der Vindicirende geht den [gesetzlichen] Bevorzugten vor. 3Diejenigen Gläubiger haben ein Vorrecht, deren Geld an bevorzugte Gläubiger gekommen ist. Wann aber nehmen wir Letzteres an? etwa [nur] wenn es von den Nachstehenden unmittelbar den Bevorzugten übergeben worden, oder auch, wenn dies vermittels des Schuldners geschehen ist, nemlich wenn es erst dem Schuldner gezahlt und sein Eigenthum geworden, dann aber einem bevorzugten Gläubiger bezahlt ist? Man kann, nach milderer Ansicht, dieses annehmen, wenn solches nur nicht erst nach Verfluss eines Zeitraums geschehen ist.
25Idem lib. LXIV. ad Ed. Der Prätor sagt: Aus einem Contracte, der erst, nachdem der Gantmann, mit Wissen des Mitcontrahenten, die Absicht zu betrügen gefasst hatte, eingegangen ist, soll keine Klage gestattet werden.
27Ulp. lib. I. de officio Cons. Wenn obrigkeitliche Personen zu Erhaltung eines Fideicommisses in den Besitz einweisen, so können sie einen Schiedsrichter zum Verkauf derjenigen Dinge bestellen, die durch den Aufschub verschlechtert werden würden, so dass der daraus gelöste Kaufschilling als hinterlegt beim Fideicommissar bleibe, bis über das ihm gebührende Fideicommiss entschieden ist.
28Ad Dig. 42,5,28Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 559, Note 11; Bd. III, § 559, Note 25.Javol. lib. I. Epist. Ein Hausvater ernannte seinem unmündigen Sohn auf den Fall, wenn er vor erlangter Mündigkeit stürbe, einen Nacherben; dieser Sohn masste sich der väterlichen Erbschaft nicht an, und es kam zur Vergantung des Nachlasses; nachher fiel dem Sohne eine Erbschaft zu, nach deren Antritt er starb. Ich frage nun: da der Prätor wider den Unmündigen selbst, obgleich ihm später eine Erbschaft zugefallen, doch den Gläubigern des Vaters keine Klage gestattet, ob diesen Gläubigern des Vaters eine Klage wider den Nacherben zuzugestehen sei? da er doch aus dem väterlichen Vermögen, als welches den in Besitz gesetzten Gläubigern gehört, nichts erwirbt, und da die Gläubiger [des Vaters] kein Recht auf das Vermögen des Unmündigen hatten, es auch für sie gleichgültig war, ob die Erbschaft des Unmündigen angetreten würde oder nicht, indem solches Vermögen im Falle der Ausschlagung der Erbschaft von Seiten des Nacherben ihnen nicht gehörte; mich beunruhigt vorzüglich der von den Lehrern deiner Schule3636Tuis praeceptoribus. Priscus Javolenus gehörte zur Sabinianischen Schule. angenommene Satz, dass nur Ein Testament vorhanden sei3737Nicht, wie wohl die Proculianer lehrten, zwei Testamente, das des Vaters und das im Namen des Sohnes errichtete (die Pupillarsubstitution) in einem. Vergl. Zimmern Gesch. d. R. Pr. R. Thl. I. 243. 244. Gajus, auch ein Sabinianer, drückt sich hierüber schwankend aus: quodammodo duo sunt testamenta, — aut certe unum est testamentum duarum hereditatum. (II, 180.). — Hierauf habe ich geantwortet: was der Prätor dem Sohne gewährt, welcher der väterlichen Erbschaft sich nicht anmasst, dass nemlich nach Vergantung des väterlichen Nachlasses wider ihn keine Klage zugelassen wird, und er, wenn auch nachher eine Erbschaft ihm zufällt, den Gläubigern diese nicht herzugeben braucht, das kann bei dem Nacherben des Sohnes nicht so gehalten werden, weil damit nur das Ehrgefühl des Sohnes geschont werden soll, dass vielmehr des Vaters Vermögen, als das seinige in Gant geräth. Deshalb wird wegen dessen, was ihm in der Folge zufällt, den Gläubigern keine Klage gestattet, weil das, was er von aussen her erwirbt, nicht durch den Vater auf ihn kommt. Wenn hingegen der Nacherbe des Sohnes die Erbschaft angetreten hat, nachdem der Sohn sich des väterlichen Nachlasses angemasst hatte3838Dies ist ja aber gegen die Angabe im Vortrag. S. Ant. Faber Conj. II, 2., dann ist die Erbschaft des Sohnes und des Vaters nur eine; wegen jeder Schuld, die dem Vater oder dem Sohne obgelegen hat, ist der Erbe auch wider Willen gehalten, und so wie ihm nach der Verpflichtung3939Durch den Erbschaftsantritt. nicht möglich ist, die Vergantung seines Vermögens zu vermeiden, falls er nicht dagegen vertheidigt wird4040Durch Ablehnung des Verdachts der Insolvenz. S. fr. 3. 7. de cess. bon. 42. 3., so kann er auch die Schulden des Vaters und des Sohnes nicht einmal von einander sondern; woraus denn folgt, dass den Gläubigern die Klage gegen ihn zu gestatten ist. Hat der Nacherbe die Erbschaft nicht angetreten, so darf den Gläubigern des Vaters wegen Dessen, was der Unmündige hinterlassen hat, keine Klage bewilligt werden, weil weder das Vermögen des Unmündigen wegen der Schulden des Vaters vergantet werden soll, noch das, was der Unmündige erworben hat, zum Nachlass des Vaters gehört.
29Paul. lib. V. ad legem Jul. et Pap. Fufidius sagt: öffentlich aufgestellte Bildsäulen gehören, wenn zu dem Vermögen Dessen, dem zu Ehren sie gesetzt sind, die Gant eröffnet wird, nicht dem Käufer seiner Masse, sondern sind entweder öffentliches Eigenthum, wenn sie zur Zierde der Stadt aufgestellt sind4141Vgl. fr. 15. de v. s. 50. 17., oder Dem zugehörig, welchem zu Ehren sie gesetzt sind, und können in keinem Fall weggenommen werden.
30Papir. Just. lib. I. de Constitut. Die Kaiser Antoninus und Verus haben rescribirt, wer die Rechtmässigkeit der zu seinem Vermögen eröffneten Gant anfechte, der müsse eine Präjudicialklage4242Wodurch vor allen Dingen seine Solvenz oder Insolvenz ermittelt werde. S. Zimmern Gesch. d. R. Pr. R. Thl. II. S. 151 u. 214. anstellen und suche vergeblich beim Fürsten die Rescission des Verkaufs.
31Ulp. lib. II. de omnib. Tribunal. Wenn die Gläubiger den Erben für unsicher (suspectus) halten, so können sie wegen Bezahlung ihrer Forderungen bürgschaftliche Sicherstellung fordern. Dieserhalb muss der Prätor die Erörterung anstellen, und ihn nicht sofort zur Sicherstellung anhalten, dafern nicht die Erörterung ergiebt, dass für Diejenigen, welche ihn als unsicher (verdächtig) ansprechen, gesorgt werden müsse. 1Aber die Verdächtigkeit (Unsicherheit) eines Erben wird nicht nach denselben Umständen ermessen, als die Verdächtigkeit eines Vormundes; denn den Vormund machen nicht seine Vermögensumstände, sondern betrügerisches oder hinterlistiges Gebahren in den Angelegenheiten des Mündels, verdächtig, den Erben aber schon die Vermögensumstände. 2Bei eben erst erfolgtem Erbschaftsantritt werden [Gläubiger], die [den Erben] als verdächtig ansprechen, allemal gehört werden müssen. Ergiebt sich aber, dass sie ihm gestattet haben, die Erbschaft an sich zu behalten (in hereditate morari) und ihm nichts vorwerfen können, worin er etwa betrüglich gehandelt habe, so kann er nach Verlauf längerer Zeit zu dieser Pflicht4343Der Sicherheitsbestellung. nicht mehr angehalten werden. 3Wenn er der empfangenen Verordnung des Prätors, wegen Verdächtigkeit Sicherheit zu bestellen, keine Folge leistet, so muss er [der Prätor] die Besitznahme und den Verkauf des Nachlasses nach seinem Edict gestatten. 4Wird aber bewiesen, dass er nichts vom Nachlasse veräussert hat, und kann ihm, ausser der Armuth, kein gerechter Vorwurf gemacht werden, so muss sich der Prätor freilich darauf beschränken, ihm die Verringerung [des Nachlasses] zu verbieten. 5Dafern nun aber die Gläubiger auch nicht einmal darthun können, dass er sich in Dürftigkeit befinde, so kann er sie wegen Injurie belangen.
32Paul. lib. sing. Regular. Vorzugsrechte4444Persönliche nemlich. Vergl. fr. 11. §. 1. qui pot in pign. 20. 4. werden nicht nach der Zeit beurtheilt, sondern nach der Sache, und haben sie den nemlichen Rechtsgrund, so geniessen sie gleiche Ansprüche, wenn gleich Verschiedenheit der Zeit unter ihnen obwaltet.
33Ulp. lib. III. Regular. Wenn ein Unmündiger in Betreff eines von ihm eingegangenen Vertrags [belangt und] nicht vertreten, darauf deshalb sein Vermögen seinen Gläubigern in Besitz gegeben wird, so muss von solchem Vermögen ein Abzug zum Unterhalt des Unmündigen gemacht werden4545Bei dem Pupillen wird nicht zum Verkauf geschritten, sondern nur der Besitz und die Verwaltung seines Vermögens den Gläubigern eingeräumt. Fr. 6. §. 1. quib. ex caus. in poss. 42. 4. fr. 1. §. 1. de cur. bon. dando. 42. 7.. 1Sowie ein Schuldner, ehe die Besitznahme seines Vermögens verfügt wird, [dagegen] vertheidigt werden darf, so muss er, wenn nach verfügter Besitznahme entweder er selbst oder ein Anderer seine Vertheidigung übernimmt, bürgschaftliche Sicherheit leisten, damit gegen solche Sicherheitsbestellung die Einlassung auf seine Klage erfolgen (judicium accipiatur) und der Besitz wieder aufgegeben werden müsse4646Vgl. Cic. pro Quinctio c. 8. 26..
34Marcian. lib. V. Regular. Was Jemand zu Erbauung, Ankauf, Bewaffnung oder Ausrüstung eines Schiffes, oder sonst in irgend einer Beziehung auf ein Schiff, vorschiesst, oder wegen Verkaufs eines Schiffes fordert, hat ein Vorzugsrecht4747Vgl. fr. 26. h. t. [gleich] nach dem Fiscus4848Paul. Rec. sent. V, 12. 10. und unten fr. 38. §. 1. h. t..
35Idem lib. sing. ad formul. hypothec. Wenn Jemand in dem Besitz [des Vermögens] eines in Staatsgeschäften Abwesenden gesetzt ist und sich ergiebt, dass er arglistigerweise in Staatsgeschäften abwesend sei4949Z. B. wenn er sie ohne Noth verlängert oder böslicherweise Hindernisse seiner Rückkehr herbeiführte. Vergl. fr. 6. §. 1. quib. ex caus. in poss. 42. 4. so wird die Besitzeinsetzung für rechtsbeständig geachtet, bis das Ganze bezahlt ist; wer aber in den Besitz des Vermögens eines Mannes, der sich ohne böse Absicht in Staatsgeschäften abwesend befindet, gesetzt ist, erwirbt kein Pfandrecht und muss daher den Besitz räumen.
36Ulp. lib. XLV. ad Sabin. Wer zwischen den Säulen5050Auf dem Forum. S. fr. 7. §. 13. quib. ex caus. in possess. 42. 4. sich versteckt, um seinen Gläubiger zu vermeiden, wird als sich verbergend (latitirend) angesehen. Auch wer sich zurückzieht, das heisst, wer ausweicht, damit gegen ihn keine Klage anhängig gemacht werden könne, gilt als sich verbergend; eben so wer aus der Stadt entweicht, nemlich in betrügerischer Absicht; es kommt beim Sichverbergen nichts darauf an, ob Jemand entwichen ist oder, zu Rom bleibend, sich nicht finden lässt5151S. ebendaselbst..
37Papin. lib. X. Respons. Da die Stadtgemeinde von Antiochia in Cölesyrien5252Eigentlich Hauptstadt von Syrien. Cölesyrien, im weitesten Sinne genommen, fängt aber an der Südseite der Stadt an. nach ihrem Gesetz ein Vorzugsrecht an dem Vermögen ihres verstorbenen Schuldners hatte, so wurde ihr Befugniss zu Verfolgung des Pfandes für fortdauernd5353Wahrscheinlich: ungeachtet des von Septimius Severus gegen sie ausgesprochenen Verlustes ihrer Privilegien. Cujac. Obs. l. X. obs. 35. geachtet.