De adquirenda vel amittenda possessione
(Von der Erwerbung und dem Verlust des Besitzes.)
1Paul. lib. LIV. ad Ed. Der Ausdruck possessio (Besitz) kommt, wie auch Labeo sagt, von sedibus (Sitzen)11Ueber den Streit seit der Glosse, ob sedibus oder pedibus zu lesen sei, s. Savigny Recht des Besitzes. S. 67. Anm. 12. her, also gleichsam positio (Stellung), weil Derjenige einen Gegenstand natürlich inne hat, der darauf steht, was die Griechen κατοχήν (Innehabung) nennen. 1Nerva der Sohn sagt, alles Eigenthum an Sachen habe mit dem natürlichen Besitz angefangen; eine Spur hiervon sei noch in Ansehung Dessen vorhanden, was auf Erden, im Meere und in der Luft gefangen wird; denn dies wird sofort Dem gehörig, der zuerst deren Besitz ergreift. Ingleichen wird alles im Kriege Gefangene, im Meere entstandene Inseln, und Juwelen, Edelsteine und Perlen, die an der Küste gefunden worden sind, Dem gehörig, der ihren Besitz zuerst erlangt. 2Den Besitz erlangen wir durch uns selbst. 3Ad Dig. 41,2,1,3ROHGE, Bd. 14 (1875), Nr. 40, S. 105: Erwerb des Pfandrechts durch Unterbringung der Objecte in dem vom Gläubiger gemietheten Lokale.Ein Wahnsinniger und ein Unmündiger können ohne ihres Vormundes Ermächtigung nicht zu besitzen anfangen, weil sie nicht den Willen haben, Etwas zu behalten, wenn sie den Gegenstand auch körperlich berühren; gerade wie wenn Jemand einem Schlafenden Etwas in die Hand legt. Aber unter Ermächtigung seines Vormundes wird der Unmündige zu besitzen anfangen. Ofilius hingegen und Nerva der Sohn sagen, es könne ein Unmündiger auch ohne seines Vormundes Ermächtigung anfangen zu besitzen, denn der Besitz sei [ursprünglich]22Savigny S. 22. etwas Thatsächliches und kein Rechtsbegriff; diese Meinung ist dann annehmlich, wenn er von dem Alter ist, dass er Begriffe fassen kann. 4Ad Dig. 41,2,1,4ROHGE, Bd. 14 (1875), Nr. 40, S. 105: Erwerb des Pfandrechts durch Unterbringung der Objecte in dem vom Gläubiger gemietheten Lokale.Wenn der Mann der Frau Schenkungshalber den Besitz abtritt, so glauben die Meisten, dass sie besitze, weil eine Thatsache durch das bürgerliche Recht nicht aufgehoben werden kann, und was käme auch darauf an, behaupten zu wollen, die Frau besitze33Savigny S. 46. 70. nicht, da der Mann, wenn er ihn nicht haben will, den Besitz sofort verliert? — 5Wir erwerben ferner den Besitz durch einen Sclaven oder Sohn, der sich in unserer Gewalt befindet, und zwar an den Gegenständen, die zu ihrem Sondergute gehören, auch ohne darum zu wissen, wie Sabinus, Cassius und Julianus sagen, weil angenommen wird, dass sie mit unserm Willen besitzen, da wir ihnen gestattet haben, ein Sondergut zu haben. In Betreff seines Sondergutes erwerben daher den Besitz und ersitzen auch Kinder und Wahnsinnige, und der Erbe, wenn ein Erbschaftssclave kauft. 6Auch durch Den erwirbt man den Besitz, den man im guten Glauben besitzt, wenn er auch ein fremder Sclave oder ein Freier ist. Besitzt man ihn aber im schlechten Glauben, so glaube ich nicht, dass man den Besitz durch ihn erlangt. Wer aber von einem Andern besessen wird, erwirbt [ihn]44Nemlich den Besitz, Savigny 268. weder für sich, noch für seinen wahren Herrn. 7Durch einen uns mit Andern gemeinschaftlichen Sclaven erwerben wir, wie durch einen uns allein gehörigen, auch Jeder einzeln [den Besitz] auf das Ganze, wenn es nemlich des Sclaven Absicht ist, für Einen zu erwerben, gerade wie bei der Erwerbung des Eigenthums. 8Durch einen Sclaven, an dem man den Niessbrauch hat, kann man besitzen, sowie man durch seine Dienste zu erwerben pflegt, und es thut nichts zur Sache, dass wir ihn nicht selbst besitzen; denn letzteres findet ja auch in Ansehung des Sohnes nicht Statt. 9Uebrigens muss Derjenige, durch den wir besitzen wollen, von der Art sein, dass er einen Begriff vom Besitz hat. 10Wenn du daher einen wahnsinnigen Sclaven geschickt hast, um Besitz zu ergreifen, so wird auf keinen Fall angenommen, dass du den Besitz ergriffen habest. 11Hast du einen Unmündigen geschickt, um Besitz zu ergreifen, so wirst du zu besitzen anfangen, sowie der Unmündige, zumal unter des Vormundes Ermächtigung, den Besitz [für sich] ergreifen kann. 12Dass man durch eine Sclavin den Besitz ergreifen könne, ist keinem Zweifel unterworfen. 13Ad Dig. 41,2,1,13ROHGE, Bd. 14 (1875), Nr. 40, S. 105: Erwerb des Pfandrechts durch Unterbringung der Objecte in dem vom Gläubiger gemietheten Lokale.Durch einen Sclaven, er sei mündig oder unmündig, erwirbt der Unmündige den Besitz, wenn er ihm unter Ermächtigung eines Vormundes geheissen hat, den Besitz zu ergreifen. 14Dass man durch einen auf der Flucht begriffenen Sclaven nichts erwerben könne, sagt Nerva der Sohn, obwohl gesagt wird, dass, solange er von keinem Andern besessen wird, er von uns besessen, und mithin inzwischen auch ersessen werde. Des Nutzens wegen ist es auch angenommen worden, dass die Ersitzung, solange noch Keiner seinen Besitz erlangt hat, erfüllt werde. Erworben wird der Besitz durch ihn, nach des Cassius und Julianus Ansicht, ebensogut wie durch Diejenigen, die wir in der Provinz gelassen haben. 15Durch einen zum Faustpfande übergebenen Sclaven, sagt Julianus, erwerben wir den Besitz nicht; denn der Besitz des Schuldners wird hier nur als in einer Beziehung auch ferner wirksam betrachtet, nemlich Behufs der Ersitzung; jedoch auch ebensowenig für den Gläubiger, weil er ebensowenig durch Stipulation noch auf irgend eine andere Weise durch ihn erwirbt, obwohl er ihn besitzt. 16Die Alten waren der Ansicht, man könne durch einen Erbschaftssclaven Nichts erwerben, was zur Erbschaft selbst gehöre. Es kommt daher darauf an, ob diese Regel weiter auszudehnen sei, nemlich, ob, wenn mehrere Sclaven vermacht worden sind, die übrigen durch einen besessen werden können? Derselbe Fall würde dann vorhanden sein, wenn welche zugleich gekauft oder geschenkt worden sind. — Allein es ist richtiger, für diese Fälle anzunehmen, dass man durch einen den Besitz der übrigen erlangen könne. 17Wenn einem zur Hälfte eingesetzten Erben ein Sclave vermacht worden ist, so wird er wegen der ihm auf den Grund des Vermächtnisses zustehenden Hälfte den Besitz eines erbschaftlichen Landgutes erwerben. 18Dies gilt ebenfalls, wenn ich einem mir mit einem Andern gemeinschaftlich gehörigen Sclaven den Erbschaftsantritt geheissen habe, weil ich wegen meines Antheils erwerbe. 19Was wir von den Sclaven gesagt haben, verhält sich dann so, wenn sie selbst den Willen haben, den Besitz für uns zu erwerben. Denn wenn du deinem Sclaven die Besitzergreifung befiehlst, und dieser in der Absicht in den Besitz eintritt, dass er denselben nicht für dich, sondern vielmehr für den Titius erwerben will, so ist der Besitz nicht für dich erworben. 20Durch einen Geschäftsbesorger, Vormund und Curator wird uns der Besitz erworben. Wenn sie aber den Besitz im eigenen Namen erworben haben, und nicht in der Absicht, blos ihren Dienst uns herzuleihen, so können wir nicht erwerben55Mit von Savigny, non pssumus acquirere, a. a. O. S. 265. (3).. Denn wollen wir nicht als Regel annehmen, dass durch Diejenigen der Besitz für uns erworben werde, die ihn in unserm Namen erhalten, so würde daraus erfolgen, dass weder Der besitzt, dem der Gegenstand übergeben worden ist, weil er nicht den Willen hat, zu besitzen, noch Der, welcher ihn übergeben, weil er den Besitz abgetreten hat. 21Ad Dig. 41,2,1,21Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 153, Note 7.Wenn ich dem Verkäufer geheissen habe, die Sache an einen Geschäftsbesorger zu übergeben, während dieselbe gegenwärtig ist, so, sagt Priscus, erscheine dieselbe als mir übergeben; derselbe Fall sei dann vorhanden, wenn ich dem Schuldner geheissen habe, die Geldstücke einem Andern zu übergeben; denn es ist nicht nothwendig, den Besitz körperlich und durch eine Berührung66Savigny a. a. O. S. 165. (1). zu ergreifen, sondern [es kann] auch durch die Augen und den Willen geschehen; als Beleg hierzu dienen diejenigen Sachen, welche wegen der Grösse ihres Gewichts nicht bewegt werden können, wie Säulen, denn diese werden für übergeben erachtet, wenn [die Interessenten] in ihrer Gegenwart einstimmig geworden sind, und es wird der Wein als übergeben betrachtet, wenn dem Käufer die Schlüssel zum Weinkeller übergeben worden sind. 22Municipalbürger können für sich nicht erwerben, weil sie nicht übereinstimmen können. Den Marktplatz, die öffentlichen Säulenhallen und dem Aehnliches besitzen sie nicht, sondern sie bedienen sich deren abwechselnd. Allein Nerva der Sohn sagt, dass sie durch einen Sclaven Dasjenige, was sie als zu seinem Sondergute gehörig erworben haben, besitzen und ersitzen können; Andere sind entgegengesetzter Ansicht, weil sie die Sclaven selbst nicht besitzen.
3Paul. lib. LIV. ad Ed. Besessen werden kann Alles, was körperlich ist. 1Den Besitz erlangt man durch körperliche Einwirkung und die Absicht, und nicht durch die erstere allein, oder durch die letztere allein. Wenn wir aber gesagt haben, wir müssen den Besitz durch körperliche Einwirkung und die Absicht dazu erwerben, so ist dies nicht so zu verstehen, dass, wer ein Landgut besitzen will, jeden Erdklos betreten müsse, sondern es genügt, irgend einen Theil dieses Landgutes zu betreten, wenn es nur in der Absicht und Voraussetzung geschieht, er wolle das ganze Landgut bis an seine Grenze besitzen. 2Einen unbestimmten Theil einer Sache kann Niemand besitzen, z. B. wenn du die Absicht hast, Das auch besitzen zu wollen, was Titius besitzt. 3Neratius und Proculus77Ueber diese berühmte Stelle s. Savigny a. a. O. S. 187—91. u. die Anm. der sie auch übersetzt. [sagen], durch den blossen Willen könne man den Besitz nicht erwerben, wenn nicht die natürliche Besitzergreifung vorausgehe. Wenn ich daher wisse, dass auf meinem Landgute ein Schatz stehe, so besitze ich ihn sofort, sobald ich den Willen habe, ihn zu besitzen, weil Das, was dem natürlichen Besitze noch fehlt, [um ihn zum wirklichen Besitz zu machen], eben durch den Willen hinzugethan wird. Die Ausicht des Brutus und Manilius, dass, wer das Landgut durch langen Besitz ersessen habe, auch den Schatz ersessen habe, wenn er auch gar nichts davon wisse, dass er auf dem Landgute stehe, ist übrigens nicht wahr; denn wer nichts davon weiss, der besitzt auch den Schatz nicht, wenn er auch das Landgut besitzt; ja, wenn er auch darum wüsste, er würde ihn durch langen Besitz doch nicht erwerben, weil er dann [zugleich] weiss, dass er einem Andern gehörig sei. Andere [endlich] halten des Sabinus Meinung für die richtige, dass, wer darum weiss, nur dann denselben erwerbe, wenn er ihn ausgegraben habe, weil er [bis dahin] nicht unter unserer Verwahrung sei, und diesen stimme ich bei88Nach Savigny a. a. O. ist der Zusammenhang der Stelle folgender: zuerst wird aus den Schriften jener beiden Juristen eine allgemeine Regel angeführt, worüber kein Streit war, dann daraus eine Anwendung auf den Schatz gemacht, dann hierüber eine andere Ansicht verworfen, endlich über denselben Fall eine dritte Meinung angenommen.. 4Man kann dieselbe Sache aus vielen Gründen besitzen, wie Einige glauben, also, wer sie ersessen hat, sowohl als Käufer wie als Eigenthum besitzen; denn so besitze ich, wenn ich Erbe Dessen geworden bin, der als Käufer besass, dieselbe Sache als Käufer und als Erbe; denn mit dem Besitz ist es anders, als mit dem Eigenthum, ersterer kann nicht blos, wie das letztere, aus einem einzigen Grunde zuständig sein. 5Ad Dig. 41,2,3,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 154, Note 5.Umgekehrt können aber Mehrere dieselbe Sache nicht auf das Ganze besitzen, weil es der Natur der Sache zuwider ist, dass, wenn ich Etwas besitze, auch du als Besitzer angesehen werden könnest. Doch schreibt Sabinus, dass, wer Etwas bittweise übergeben habe, sowohl selbst besitze, als Derjenige, welcher bittweise empfangen habe. Derselben Meinung ist Trebatius, indem er glaubt, es könne der Eine rechtmässig, und der Andere unrechtmässig besitzen; Zwei hingegen können ebensowenig unrechtmässig besitzen, als Zwei rechtmässig besitzen können; Labeo tadelt ihn deshalb, weil es, wo der Besitz überhaupt in Betracht kommt, gleichgültig ist, ob man rechtmässig oder unrechtmässig besitzt99Savigny a. a. O. S. 72. (1).; und das ist richtiger; denn derselbe Besitz kann ebensowenig in Zweier Händen sein, als du auf demselben Orte stehen kannst, wo ich stehe, oder angenommen werden kann, dass du da sitzest, wo ich sitze. 6Ebenso kommt ferner der Wille des Besitzers beim Verlust des Besitzes in Betracht. Wenn du dich daher auf einem Landgute befindest, und dennoch dasselbe nicht besitzen willst, so wirst du den Besitz sofort verlieren. Es kann also derselbe durch den Willen allein verloren gehen, obschon er nicht erworben werden kann. 7Auch wenn du aber nur durch den Willen besitzest, besizzest du auch dann noch, wenn sich auch ein Anderer auf dem Landgute befindet. 8Wenn Jemand die Anzeige macht, es sei ein Haus von Strassenräubern in Besitz genommen worden, und der Eigenthümer aus Furcht bewogen nicht zu nahen gewagt hat, wird der Besitz als verloren betrachtet. Wenn aber ein Sclave oder ein Pächter, durch welche ich körperlich besass, gestorben oder fortgegangen sind, werde ich den Besitz durch den Willen behalten. 9Wenn sie aber denselben einem Andern übergeben haben, verliere ich ihn auch. Denn bekanntermaassen besitzt man so lange, bis man entweder mit seinem Willen aus dem Besitze weicht, oder mit Gewalt daraus gesetzt worden ist. 10Wenn ein Sclave, den ich besass, sich als Freier benimmt, wie es Spartacus that, und bereit ist, ein Verfahren über die Freiheit zu bestehen, so wird nicht angenommen, dass ihn sein Herr besitze, dem er sich als Gegner entgegenstellt; dies ist aber hier hinzuzudenken, wenn er schon lange im Genuss der Freiheit gewesen ist; denn wenn er aus dem Besitzverhältniss des Sclavenzustandes auf die Freiheit Anspruch erhoben, und um ein Verfahren über die Freiheit nachgesucht hat, so verbleibt er nichtsdestoweniger in meinem Besitz, und ich besitze ihn durch den Willen, bis er für frei erklärt worden ist. 11Die Winter- und Sommertriften besitzen wir durch den Willen, wenn wir sie auch zu bestimmten Zeiten verlassen. 12Uebrigens besitzt man auch, wenn man den eigenen Willen dazu hat, durch die körperliche Einwirkung eines Andern, wie wir vom Pächter und Sclaven gesagt haben. Es darf hier nicht etwa als Zweifelsgrund angeführt werden, dass man Manches auch ohne davon zu wissen besitzt, nemlich was die Sclaven an Sondergut gewonnen haben; denn es wird angenommen, dass man deren Sachen sowohl durch den Willen als die körperliche Einwirkung besitze. 13Nerva der Sohn [sagt]: bewegliche Sachen würden, mit Ausnahme der Sclaven, insofern besessen, als sie sich in unserer Verwahrung befinden, d. h.1010Savigny a. a. O. S. 304. zieht hier Idem statt Id est vor. insofern wir, wenn wir wollen, den natürlichen Besitz [auf der Stelle] erlangen können. Denn sobald sich Vieh verlaufen hat, oder ein Gefäss so abhanden gekommen ist, dass es nicht aufgefunden werden kann, so hört man sofort auf, dasselbe zu besitzen, wenn es gleich von keinem Andern besessen wird; etwas ganz Anderes ist es, wenn ich es in meiner Verwahrung habe und nur nicht finden kann, weil es wirklich vorhanden ist, und inzwischen es nur an einem recht aufmerksamen Nachsuchen fehlt. 14Es werden ferner die wilden Thiere, die wir in Zwingern1111Savigny a. a. O. S. 307. 8. eingesperrt, sowie die Fische, die wir in Fischbehälter gesetzt haben, von uns besessen. Die in Teichen befindlichen Fische, oder das Wild, welches in vergatterten Wäldern umherstreift, werden nicht von uns besessen, weil sie in der natürlichen Freiheit gelassen worden sind; denn sonst würde ja angenommen werden müssen, dass, wenn Jemand einen Wald gekauft habe, er alles Wild darin besitze; und das ist ganz falsch. 15Von den Vögeln besitzen wir diejenigen, welche man eingeschlossen hält, oder, wenn es gezähmte sind, dafern sie sich in unserer Verwahrung befinden. 16Einige glauben mit Recht, dass auch die Tauben, welche von unsern Gebäuden fliegen, sowie die Bienen, die aus unsern Körben ausfliegen, und ihrer Gewohnheit nach zurückkehren, von uns besessen werden. 17Labeo und Nerva der Sohn haben gelehrt, man höre auf den Ort zu besitzen, welchen ein Fluss oder das Meer eingenommen hat. 18Ad Dig. 41,2,3,18Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 157, Note 6.Wenn du eine bei dir niedergelegte Sache, um einen Diebstahl zu begehen, entfremdet hast, so höre ich auf, zu besitzen; hast du sie aber nicht von der Stelle weggebracht, und nur die Absicht, [ihren Empfang] zu leugnen, so haben die Meisten der Alten und Sabinus und Cassius richtig geantwortet, bleibe ich Besitzer, weil ein Diebstahl ohne Entfremdung1212Contrectatio, Savigny a. a. O. S. 332. „körperliche Berührung der Sache zu dem Zwecke des Diebstahls selbst.“ nicht geschehen kann, ein Diebstahl aber nicht durch den blossen Willen begangen wird. 19Auch Das ist von den Alten als Regel aufgestellt worden, dass sich Niemand selbst den Grund seines Besitzes verändern könne. 20Wenn aber Derjenige, wer bei mir Etwas niedergelegt, oder mir geliehen hat, dieselbe Sache mir verkauft oder geschenkt hat, so wird nicht angenommen, dass ich den Grund meines Besitzes verändere, da ich ja eigentlich noch nicht besass. 21Es giebt ebensoviel Arten des Besitzes, als Gründe dazu, Etwas zu erlangen, was nicht unser ist, als da sind, als Käufer, als geschenkt, als vermacht, als Mitgift, als Erbe, als ausgeliefert an Schadensstatt, als sein, sowie bei Dem, was man zu Lande, zur See, in der Luft, oder vom Feinde fängt, oder dem wir durch Verfertigung seine Existenz gegeben haben. Ueberhaupt kann man annehmen, giebt es nur eine einzige Art des Besitzes, der einzelnen Unterabtheilungen aber unendliche. 22Oder man könnte die Art des Besitzes auch in zwei Unterabtheilungen bringen, nemlich, dass entweder im guten oder nicht im guten Glauben besessen werde. 23Was aber Quintus Mucius unter die verschiedenen Arten des Besitzes gestellt hat, wenn man nemlich auf Befehl eines Staatsbeamten zur Erhaltung einer Sache besitzt, oder weil wegen drohenden Schadens keine Sicherheit bestellt worden, ist ganz verwerflich; denn wer einen Gläubiger zur Erhaltung einer Sache, oder weil wegen drohenden Schadens keine Sicherheit bestellt wird, in den Besitz setzt, oder im Namen der Leibesfrucht, der gesteht ja dadurch keinen [wirklichen] Besitz, sondern blos die Verwahrung und die Obhut von Gegenständen zu; und wenn wir daher darum in den Besitz gesetzt worden sind, weil unser Nachbar wegen drohenden Schadens keine Sicherheit bestellt, und dies lange Zeit hindurch geschieht, so erlaubt uns der Prätor auch nach Erörterung der Sache [erst] den Besitz und die Ersitzung durch lange Zeit.
4Ulp. lib. LXVII. ad Ed. Was ein Sohn Namens seines Sondergutes ergriffen hat, besitzt sein Vater sogleich, wenn er auch gar nicht weiss, dass sich der Sohn in seiner Gewalt befindet. Es wird dasselbe auch dann gelten müssen, wenn der Sohn von einem Andern als Sclave besessen wird.
5Paul. lib. LXIII. ad Ed. Wenn ich dir in Folge einer Stipulation den Stichus zu entrichten habe, und nicht übergebe, du aber den Besitz erlangt hast, so bist du ein Räuber. Ingleichen besitzest du, wenn ich einen Gegenstand verkauft und nicht übergeben habe, und du den Besitz ohne meinen Willen erlangt hast, nicht als Käufer, sondern bist ein Räuber.
6Ulp. lib. LXX. ad Ed. Heimlich, sagen wir, besitze Der, wer verstohlen sich in den Besitz gesetzt hat, ohne Wissen Dessen, von dem er besorgte, dass er ihm Streit erheben würde, und fürchtete, dass es geschehen möchte. Wer aber, obwohl er nicht heimlich besass, es verheimlicht hat, von dem wird nicht angenommen, er besitze heimlich, denn es kommt nicht auf den Grund der Erhaltung des Besitzes, sondern auf den Ursprung seiner Erlangung an, auch fängt Niemand an, heimlich zu besitzen, der mit Wissen oder Willen Dessen, dem die Sache gehört, oder aus irgend einem Grunde den Besitz im guten Glauben erlangt hat. Daher, sagt Pomponius, erlangt Derjenige den Besitz heimlich, der künftigen Streit fürchtend, ohne Wissen Dessen, den er fürchtet, verstohlen sich in Besitz setzt. 1Wenn Jemand zu Markte gereist ist, ohne Einen zurückzulassen, und während seiner Rückkehr ein Anderer sich des Besitzes bemächtigt hat, so scheint Letzterer, sagt Labeo, heimlich zu besitzen. Es behält also nun1313Hiermit fängt Ulpian’s Berichtigung an: ergo steht dem nicht entgegen, weil Labeo’s Meinung nicht verworfen, sondern nur durch eine spätere Regel modificirt wird. Savigny S. 317. (3). Derjenige den Besitz, welcher zum Markte verreist ist. Hat jener mithin1414Unde ist zu lesen, s. Sav. a. a. O. (4). den rückkehrenden Eigenthümer nicht hereinlassen wollen, so wird1515Intellegitur, Sav. a. a. O. (5). vielmehr angenommen, er besitze gewaltsam, als heimlich.
9Gaj. lib. XXV. ad Ed. prov. Es ist eine allgemeine Regel, dass, es möge in unserm Namen sich im Besitz befinden, wer da wolle, z. B. ein Geschäftsbesorger, ein Gast, ein Freund, wir selbst besitzen,
10Ulp. lib. LXIX. ad Ed. Wenn Jemand vorher Etwas erpachtet und nachher bittweise darum nachgesucht hat, so wird Rücktritt vom Pacht angenommen; hat er aber erst bittweise darum nachgesucht, und nachher gepachtet, so wird angenommen, er habe gepachtet, denn es scheint vielmehr Dasjenige stattzuhaben, was zuletzt geschehen ist, und das sagt Pomponius. 1Derselbe Pomponius handelt davon geistreich: wenn Jemand, der ein Grundstück erpachtet, bittweise nicht um den Besitz nachgesucht habe, sondern darum, im Besitz bleiben zu dürfen. Dies ist aber ein grosser Unterschied; denn es ist etwas ganz Anderes, besitzen, und im Besitze sein; auch zur Erhaltung einer Sache, von Vermächtnissen, wegen drohenden Schadens, besitzt man nicht, sondern man ist im Besitz der Obhut wegen; ist dies geschehen, so hat beides statt1616S. Savigny a. a. O. S. 261. f.. 2Wenn Jemand sowohl gepachtet, als auch bittweise um den Besitz nachgesucht hat, so ist, wenn er um ein einziges Geldstück gepachtet, kein Zweifel, dass für ihn das bittweise Verhältniss allein von Verbindlichheit ist, weil ein Pacht um ein Geldstück nichtig ist; wenn aber um einen wirklichen Preis, dann ist zu unterscheiden, was zuerst geschehen ist.
12Ulp. lib. LXX. ad Ed. Als natürlicher Besitzer wird Derjenige betrachtet, wer den Niessbrauch hat. 1Das Eigenthum hat mit dem Besitz nichts gemein, und darum wird Dem das Interdict Wie ihr besitzet, nicht verweigert, der bereits eine Sache mit der Eigenthumsklage in Anspruch genommen hat, denn wer eine Sache mit der Eigenthumsklage in Anspruch genommen hat, scheint nicht auf den Besitz verzichtet zu haben.
13Idem lib. LXXII. ad Ed. Pomponius behandelt die Frage, ob, wenn bei einem Schiffbruch Steine in die Tiber versenkt, und nach Verlauf einiger Zeit wieder herausgeholt worden wären, das Eigenthum während der Zeit, wo sie versenkt gewesen, in seinem vorigen Zustande geblieben sei? — Meiner Ansicht nach behält man das Eigenthum, den Besitz aber nicht. Mit einem flüchtigen Sclaven lässt sich dies nicht vergleichen, denn von diesem nimmt man darum an, er werde von uns besessen, damit er uns des Besitzes nicht selbst beraube; mit den Steinen ist dies verschieden. 1Wer aus der Person seines Rechtsvorgängers eine Unterstützung1717Adminiculo, es ist eine Zusammenrechnung der Zeit zu verstehen; die Basil. sagen deshalb direct: τῷ χρόνῳ τοῦ πωλήσαντός μοίτι μετὰ ἰδίας αἰτίας καὶ ψόγου κέγρημαι. erhält, der kann davon nur in Verbindung mit den darüber vorwaltenden Umständen und dessen [Besitz]mängeln Gebrauch machen; auch bei der Anknüpfung des Besitzes des Verkäufers wird das Verhältniss einer heimlichen, gewaltsamen oder bittweisen Besitzergreifung übertragen. 2Ausserdem wird die Frage erhoben, ob, wenn Jemand den Verkäufer genöthigt hat, einen Sclaven zurückzunehmen, derselbe sich der Anknüpfung des Besitzes aus dessen Person bedienen könne? — Einige sind der verneinenden Ansicht, weil die Wandelung eine Wiederaufhebung des Kaufes ist: Andere aber, der Käufer könne von des Verkäufers Besitzzeit Gebrauch machen, und der Verkäufer von der des Käufers, und dies halte ich für mehr zu billigen. 3Ad Dig. 41,2,13,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 9.Wenn ein freier Mensch, oder ein fremder Sclave, während sie [einem Andern] im guten Glauben dienten, den Besitz erhalten und für ihn erworben haben, so darf weder der Freie selbst, noch der Herr des Sclaven von der Anknüpfung des Besitzes Gebrauch machen. 4Es ist die Frage erhoben worden, ob, wenn der Erbe vorher nicht besessen habe, ihm Anknüpfung an den Besitz des Testators zu Theil werde? — In Bezug auf Käufer wird der Besitz nun zwar unterbrochen, allein in Ansehung der Erben sind die Meisten entgegengesetzter Ansicht, weil das Recht der Rechtsnachfolge ein vollständigeres ist, als des Kaufes. Allein richtiger gedacht ist es doch, dass, was gegen den Käufer gelte, auch gegen den Erben anzunehmen sei1818Es ist nemlich von dem Zwischenbesitz eines Dritten die Rede, s. Unterholzner Verjährungslehre Th. I. S. 473. Anm. 40.. 5Ad Dig. 41,2,13,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 9.Nicht blos derjenige Besitz des Testators aber läuft dem Erben fort, der bis zur Zeit dessen Ablebens fortdauerte, sondern auch der, welcher jemals demselben zugestanden hat1919Pothier Pand. Just. XLI. 3. no. 38. sagt: sensus est, possess. testat. interdum prodesse heredi, quae aliquando testat. fuit, quamvis possidere ante mortem desierit, modo nullus medius possess. fuit. Donell Comm. jur. civ. V. 20. §. 24. belegt damit den Satz, es nütze dem heres ulterior der Besitz des ersten Erblassers. Unterholzner a. a. O. nimmt Verdrängung des Erblassers durch seinen Erben bei seinen Lebzeiten an.. 6Ad Dig. 41,2,13,6Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Auch in Betreff der Mitgift findet, wenn eine Sache dazu gegeben, oder von der Mitgift zurückgenommen worden ist, Anknüpfung des Besitzes, sowohl für den Ehemann als die Ehefrau statt. 7Ad Dig. 41,2,13,7Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 9.Wenn Derjenige, der bittweise zugestanden hat, von der Anknüpfung des Besitzes an die Person Dessen Gebrauch machen will, dem er bittweise zugestanden hat, so frägt es sich, ob er kann? — Meiner Meinung kann Derjenige, welcher bittweise zugestanden hat, so lange dieses Verhältniss dauert, von der Anknüpfung des Besitzes keinen Gebrauch machen; empfängt er aber, nach Aufhebung des bittweisen Gestattens den Besitz zurück, so wird der Besitz die Zeit hindurch angeknüpft, wo derselbe bittweise daran stattfand. 8Es ist in Folge eines vorgekommenen Falls die Frage erhoben worden, ob, wenn ein Freigelassener eine Sache aus einem solchen Grunde hat, der den Besitz eines Sonderguts voraussetzt, ohne dass ihm ein solches zugestanden war, und nachher der Herr, nachdem er den Besitz zurückerhalten, von der Anknüpfung Gebrauch machen will, er dies könne, und man hat sich dahin entschieden, es dürfe diese Anknüpfung nicht ertheilt werden, indem der Besitz heimlich stattfand, und jener ihn als Räuber inne hatte. 9Wenn mir auf Befehl des Richters eine Sache herausgegeben worden ist, so hat man angenommen, finde für mich Anknüpfung des Besitzes statt. 10Ad Dig. 41,2,13,10Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Es ist ferner zu wissen, dass auch dem Vermächtnissinhaber Anknüpfung des Besitzes aus der Zeit zu Theil werde, wo sich [der Gegenstand] bei dem Testator befand. Ob ihm der Besitz des Erben angeknüpft werde, ist die Frage? Meiner Ansicht zufolge, ist dem Vermächtnissinhaber, es mag ihm unbedingt oder bedingt hinterlassen worden sein, diejenige Zeit, welche hindurch der Erbe vor Eintritt der Bedingung oder der Herausgabe der Sache besass, von Nutzen. [Der Besitz] des Testators wird aber dem Vermächtnissinhaber stets von Nutzen sein, wenn ein wirkliches Vermächtniss oder Fideicommiss vorhanden gewesen ist. 11Ad Dig. 41,2,13,11Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Auch Derjenige, dem eine Sache geschenkt worden ist, wird von der Anknüpfung des Besitzes aus der Person des Schenkers Gebrauch machen. 12Ad Dig. 41,2,13,12Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Anknüpfungen des Besitzes finden in der Person Derer statt, die eigenen Besitz haben; denn es kommt die Anknüpfung des Besitzes nur Demjenigen zu statten, der selbst besitzt. 13Ausserdem kann aber noch an einen fehlerhaften Besitz kein anderer angeknüpft werden, so wenig wie ein fehlerhafter an einen nichtfehlerhaften.
14Paul. lib. LXVIII. ad Ed. Wenn ein Sclave oder ein Haussohn Etwas verkauft haben, so wird Anknüpfung des Besitzes rücksichtlich Dessen ertheilt, was ich besass, wenn sie nemlich mit meinem Willen, oder von ihrem Sondergute, vorausgesetzt, dass sie dessen freie Verwaltung hatten, verkauft haben. 1Auch wenn der Vormund oder Curator verkauft, wird Anknüpfung des Besitzes aus der Zeit her ertheilt, wo der Unmündige oder Wahnsinnige besass.
15Gaj. lib. XXVI. ad Ed. prov. Von einer Sache, die uns entwendet worden, wird ebensowohl angenommen, dass wir sie zu besitzen aufhören, als wenn sie uns mit Gewalt entrissen worden ist. Wenn sie aber ein in unsrer Gewalt Stehender entfremdet hat, so verlieren wir den Besitz nicht, so lange sich die Sache bei ihm befindet, weil uns durch Personen dieser Art der Besitz erworben wird, und dies ist derselbe Grund, weshalb man annimmt, wir besitzen einen flüchtigen Sclaven, weil derselbe, so wenig er uns um den Besitz anderer Sachen bringen kann, es auch nicht um den seiner selbst kann.
16Ulp. lib. LXIII. ad Ed. Was die Frau dem Manne, oder der Mann der Frau geschenkt hat, besitzt jeder als Besitzer.
17Idem lib. LXXVI. ad Ed. Wer mit Gewalt aus dem Besitz vertrieben worden ist, wird fortwährend als Besitzer angesehen, da er die Fähigkeit hat, mittels des Interdicts wegen Gewaltthätigkeit den Besitz wiederzuerlangen2020Savigny a. a. O. S. 129. (2) versteht dieses Gesetz entweder von der hered. pet., die gegen den possessor dejectus geht, oder von den Cautionen.. 1Der Unterschied zwischen Eigenthum und Besitz beruht darin, dass das Eigenthum nichtsdestoweniger Dem verbleibt, der nicht Eigenthümer bleiben will, der Besitz geht aber sogleich verloren, wie man sich dahin bestimmt, nicht besitzen zu wollen. Wenn also Jemand den Besitz in der Absicht übergeben hat, damit er ihn nachher zurückgegeben werde, so hört er auf zu besitzen.
18Cels. lib. XXIII. Dig. Was ich in meinem Namen besitze, kann ich auch in fremdem Namen besitzen, denn hier verändere ich nicht den Grund meines Besitzes, sondern ich höre auf zu besitzen, und mache, vermöge meiner Dienstleistung, einen Andern zum Besitzer; denn es ist nicht einerlei, [selbst] besitzen, und in fremdem Namen besitzen. Denn dann besitzt Der, in dessen Namen besessen wird. Ein Geschäftsbesorger leihet seinen Dienst für fremden Besitz her. 1Wenn du einen Wahnsinnigen, den du für verstandesmächtig hältst, etwa in Folge dessen, dass er das äussere Bild einer ungetrübten Seelenruhe darbot, eine Sache übergeben hast, so hörst du auf zu besitzen, wenngleich jener den Besitz nicht erlangt hat, denn es genügt, den Besitz aufzulassen, wenn du ihn auch nicht überträgst. Denn das wäre lächerlich, zu sagen, dass man den Besitz nur dann auflassen wolle, wenn man ihn überträgt; im Gegentheil, er will ihn auflassen, weil er ihn zu übertragen glaubt. 2Ad Dig. 41,2,18,2ROHGE, Bd. 14 (1875), Nr. 40, S. 105: Erwerb des Pfandrechts durch Unterbringung der Objecte in dem vom Gläubiger gemietheten Lokale.Wenn ich dem Verkäufer geheissen habe, Das, was ich gekauft habe, in meinem Hause abzusetzen, so besitze ich es ohne allen Zweifel, wenn es auch noch Niemand berührt hat; oder wenn mir der Verkäufer ein benachbartes Landgut, um es mir zu verkaufen, von meinem Thurme zeigt, und sagt, dass er mir den ausschliesslichen Besitz übergebe, so hebt mein Besitz nicht weniger an, als wenn ich den Fuss über die Grenze gesetzt habe. 3Wenn, während ich mich auf dem einen Theile eines Landgutes befinde, ein Anderer heimlich in der Absicht, den Besitz zu ergreifen, dasselbe beschritten hat, so kann nicht angenommen werden, dass ich den Besitz dadurch verloren habe, indem ich ihn leicht wieder über die Grenze treiben kann, sobald ich es erfahren habe. 4Wenn auch eine Armee mit grosser Gewalt eingedrungen ist, so nimmt sie nur denjenigen Theil ein, den sie betreten hat.
19Marcell. lib. XVII. Dig. Es hatte Jemand im guten Glauben ein fremdes Landgut gekauft, und dasselbe vom Eigenthümer erpachtet; ich frage, ob er aufhöre zu besitzen, oder nicht? — Die Antwort liegt sehr nahe, dass er nemlich aufhöre zu besitzen. 1Die von den Alten aufgestellte Regel, es könne sich Niemand den Grund seines Besitzes verändern, ist wahrscheinlich von Dem gedacht, der durch körperliche Einwirkung und den Willen sich im Besitz befindend, den Plan fasst, dasselbe aus einem andern Grunde zu besitzen, nicht aber davon, wenn Jemand den ersten Besitz aufgegeben hat, und auf andere Weise den Besitz an derselben Sache noch einmal erwerben will.
20Idem lib. XIX. Dig. Wenn Jemand eine Sache, die er [einem Andern] zum Gebrauch gegeben hatte, verkauft, und dem Käufer zu übergeben befohlen, jener sie aber nicht übergeben hat, so wird bald angenommen, er habe den Eigenthümer um den Besitz gebracht, bald nicht. Denn der Eigenthümer verliert nicht einmal immer dann den Besitz, wenn er Etwas verliehen hat, und ihm dies seiner Aufforderung gemäss nicht zurückgegeben wird; denn wenn nun eine andere rechtmässige und wohlbegründete Ursache vorhanden war, es nicht zurückzugeben, ohne gerade die Ansicht zu haben, ihn um den Besitz zu bringen2121S. Savigny a. a. O. S. 330.?
21Javolen. lib. VII. ex Cassio. Zuweilen kann man den Besitz davon, was man selbst nicht hat, einem Andern übergeben, z. B. wenn Derjenige, der eine Sache als Erbe besass, bevor er Eigenthümer geworden, sie vom Erben auf bittweises Ersuchen erhalten hat. 1Was nach einem Schiffbruch an die Küsten getrieben worden ist, kann nicht ersessen werden, weil es nicht aufgegeben, sondern verloren worden ist. 2Dasselbe erachte ich für Rechtens in Ansehung der über Bord geworfenen Sachen, weil Dasjenige nicht als aufgegeben angesehen werden kann, was zur Rettung einstweilen ausgesetzt worden ist. 3Wenn Jemand eine fremde Sache ihm zu überlassen, bittweise nachgesucht, während er sie vom Eigenthümer erpachtet hat, so kehrt der Besitz an den Eigenthümer zurück.
22Idem lib. XIII. ex Cassio. Wer den Besitz dergestalt erhalten hat, dass er ihn nicht behalten kann, von dem wird gar nicht angenommen, dass er ihn erhalten habe.
23Idem lib. I. Epist. Wenn wir zu Erben eingesetzt worden sind, so gehen zwar durch den Erbschaftsantritt alle Rechte auf uns über, allein der Besitz steht uns nur dann zu, wenn er natürlich ergriffen worden ist. 1In Betreff Derer, die in die Gewalt der Feinde gefallen sind, besteht rücksichtlich der Erhaltung der Rechte an ihren Sachen ein besonderes Rechtsverhältniss; körperlich verlieren sie jedoch den Besitz, denn es kann von ihnen nicht angenommen werden, dass sie Etwas besitzen, da sie selbst von einem Andern besessen werden; es erfolgt also hieraus, dass, wenn sie zurückgekehrt sind, dieselben einer neuen Besitzergreifung von Nöthen haben, wenn auch in der Zwischenzeit Niemand ihre Sachen besessen hat. 2Ich frage ferner, ob, wenn ich einen freien Menschen gefesselt habe, sodass ich ihn wirklich besitze, ich durch ihn auch alles Dasjenige besitze, was er besass? Antwort: wenn du einen freien Menschen gefesselt hast, so besitzest du ihn meiner Meinung nach gar nicht; also besitzest du auch noch bei weitem weniger seine Sachen durch ihn; denn die Vernunft macht es unzulässig, dass man durch Den Etwas besitzen kann, den man bürgerlichrechtlich nicht in seiner Gewalt hat.
24Javolen. lib. XIV. Epist. Was dein Sclave, ohne dein Wissen, gewaltsamerweise besitzt, das besitzest du nicht, weil Derjenige, welcher sich in deiner Gewalt befindet, dir ohne dein Wissen keinen körperlichen, sondern blos einen rechtmässigen Besitz erwerben kann, sowie er Dasjenige besitzt, was von dem Sondergute2222Dies zeigt die justa causa an. an ihn gelangt ist; denn dann heisst es auch, der Herr besitze durch den Sclaven, und zwar nach ganz vernünftiger Annahme, weil Dasjenige, was ein Sclave aus einem rechtmässigen Grunde besitzt, zu seinem Sondergute gehört, und das Sondergut, was der Sclave bürgerlichrechtlich zwar nicht besitzen kann, sondern er blos natürlich innehat, als von seinem Herrn besessen werdend betrachtet wird. Was aber in Folge von Missethaten ergriffen wird, gehört darum nicht zu des Herrn Besitz, weil es gar nicht in das Verhältniss des Sonderguts tritt.
25Pompon. lib. XXIII. ad Quint. Muc. Wenn man Dasjenige, was man besitzt, dergestalt verliert, dass man nicht weiss, wo es ist, so hört man auf zu besitzen. 1Man besitzt durch Pächter, Miethsleute, oder durch seine Sclaven. Wenn sie auch sterben, oder wahnsinnig werden, oder an einen Andern verpachten, so nimmt man doch an, dass wir den Besitz behalten. Zwischen einem Pächter und unserm Sclaven, durch den wir den Besitz erhalten, ist in dieser Hinsicht kein Unterschied. 2Ad Dig. 41,2,25,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 160, Note 6.Es ist die Frage, ob wir Das, was wir allein durch den Willen besitzen, so lange besitzen, bis sich ein Anderer körperlich in den Besitz gesetzt hat, sodass also des Letztern körperlicher Besitz überwiegend ist? — oder aber, was annehmlicher erscheint, dass wir so lange besitzen, bis uns bei unserer Rückkehr ein Anderer zurücktreibt, oder wir so durch unsern Willen zu besitzen auf hören, weil wir besorgen, von Dem zurückgetrieben zu werden, der sich des Besitzes bemächtigt hat? — Und dies scheint nützlicher zu sein.
26Idem lib. XXVI. ad Quint. Muc. Ein bestimmter Ort von einem Landgute kann sowohl besessen, als durch langen Besitz ersessen werden, auch ein bestimmter Theil als ungetheilt, wenn er durch Kauf, Schenkung, oder aus irgend einem andern Grunde, abgesondert worden. Ein unbestimmter Theil kann aber weder übergeben, noch ersessen werden, z. B. wenn ich dir so übergebe, was mir an dem Landgute dem Rechte nach gebührt; denn wer Etwas nicht kennt, der kann weder übergeben, noch das Ungewisse in Empfang nehmen.
28Tertullian. lib. I. Quaest. Wenn ich eine Sache besitze, und2323Das ut (statt et) unseres Textes ist wohl ein Druckfehler. sie nachher erpachte, verliere ich da den Besitz? Es kommt hier Alles auf die Absicht des Handelnden an; zuerst ist nemlich zu berücksichtigen, ob ich weiss, dass ich besitze, oder nicht, und ob ich die Sache als gleichsam nicht die meine erpachte, oder als gleichsam meine, und ob, wenn ich weiss, dass sie mein sei, gleichsam in Betracht der Eigenheit, oder blos des Besitzes. Denn auch, wenn du meine Sache besitzest, und ich von dir den Besitz dieser Sache kaufe, oder stipulire, wird der Kauf wie die Stipulation gültig sein, und es folgt daraus, dass sowohl ein bittweises Verhältniss, als ein Pacht, dies auch sein müsse, wenn die Absicht, den Besitz allein zu erpachten, oder bittweise um ihn nachzusuchen, besonders vorhanden ist.
29Ulp. lib. XXX. ad Sabin. Dass der Mündel den Besitz ohne seines Vormundes Ermächtigung verlieren könne, ist bekannt, und zwar dergestalt, dass er nicht dem Willen, sondern der körperlichen Einwirkung nach den Besitz verliert; denn was thatsächlich ist, kann er verlieren. Etwas Anderes wäre es, wenn er den Besitz durch seinen Willen verlieren wollte; dies kann er nicht.
30Paul. lib. XV. ad Sabin. Wer ein ganzes Gebäude besitzt, von dem wird [in Folge dessen] nicht angenommen, dass er die einzelnen Sachen, welche darin sind, [nun auch]2424S. Savigny a. a. O. S. 183. besitze; dasselbe gilt von einem Schiffe und einem Schranke. 1Verloren geht der Besitz auf vielfache Art, z. B. wenn man an einem Orte, den man besass, einen Todten beigesetzt hat, denn einen religiösen oder heiligen Ort kann man nicht besitzen, wenn man auch die Religion verachten, und ihn wie einen Privatort innehaben sollte, so wenig wie einen freien Menschen. 2Ingleichen wenn der Prätor aus dem Grunde die Besitzergreifung einer Sache befiehlt, weil wegen drohenden Schadens keine Sicherheit bestellt ward, verliert, sagt Labeo, der Eigenthümer wider seinen Willen den Besitz. 3Man verliert ferner den Besitz an Dem, was vom Meere oder einem Flusse eingenommen worden ist, oder wenn der Besitzer in eines Andern Gewalt getreten ist. 4Nicht minder giebt es viele Arten des Verlustes für den Besitz an beweglichen Sachen; z. B. wenn man [ihn] nicht [mehr haben] will, oder wenn man einen Sclaven freilässt, ferner wenn Das, was ich besass, in eine andere äussere Form gebracht worden ist, z. B. ein aus Wolle gefertigtes Kleidungsstück. 5Was ich durch meinen Pächter besitze, wird mein Erbe, wenn er den Besitz nicht selbst erlangt hat, nicht besitzen können; denn behalten kann man zwar wohl durch den Willen, nicht aber erlangen. Was ich aber als Käufer besitze, das wird mein Erbe auch durch den Pächter ersitzen. 6Wenn ich dir Etwas geliehen habe, und du an Titius, welcher es für dir gehörig hält, so besitze ich es nichtsdestoweniger. Derselbe Fall wird dann vorhanden sein, wenn mein Pächter ein Landgut verafterpachtet, oder Derjenige, bei dem ich Etwas niedergelegt habe, es wiederum bei einem Andern niedergelegt hat. Und dies gilt so, wenn es auch durch noch mehrere Personen so gegangen ist.
31Pompon. lib. XXXII. ad Sabin. Wenn der Pächter von einem Landgute gegangen, ohne den Besitz verlassen zu wollen, und dahin zurückgekehrt ist, so nimmt man an, dass es der Verpächter [fort]besitze.
32Paul. lib. XV. ad Sabin. Obwohl ein Unmündiger ohne seines Vormundes Ermächtigung nicht verpflichtet wird, so behält man durch denselben dennoch den Besitz. 1Wenn der Pächter die Sache verkauft und vom Verkäufer wieder in Pacht genommen, und Beiden den Pachtzins gezahlt hat, so behält der erste Verpächter den Besitz rechtlichermassen durch den Pächter. 2Ad Dig. 41,2,32,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 155, Note 13.Ein Kind kann rechtlichermassen besitzen, wenn der Besitz unter Ermächtigung des Vormundes angehoben hat; denn der Wille des Kindes wird durch die Ermächtigung des Vormundes ersetzt; dies ist des Nutzens wegen2525D. h. gegen die allgemeine Regel. Savigny a. a. O. S. 210. angenommen worden, denn auch in einem andern Fall findet ja die Einwilligung des Kindes zu dem Empfang des Besitzes [von Seiten des Vormundes] nicht statt2626Nach der Lesart: — infantis est accipienti possessionem, bei Savigny a. a. O. Er findet nöthig diese Stelle so zu erläutern: Die Gültigkeit der auctoritas ist abweichend von der allgemeinen Regel angenommen worden, denn wenn man sie verwerfen wollte, so würde dies aus dem Grunde geschehen müssen, weil es nicht der Besitzer selbst ist, der den animus possidendi hat; das ist aber auch der Fall, wenn nicht das Kind, auctore tutore, sondern der Vormund selbst im Namen des Kindes den Besitz erwirbt, da auch hier das Kind nicht den animus possidendi hat. Was in einem Fall für die Erwerbung des Besitzes gilt, muss es der Consequenz wegen auch im andern.. Der Unmündige kann jedoch den Besitz auch ohne des Vormundes Ermächtigung erlangen; es kann endlich das Kind, soweit es einen Gegenstand des Sonderguts betrifft, auch durch einen Sclaven besitzen.
33Pompon. lib. XXXII. ad Sabin. Wenn auch der Verkäufer eines Landgutes Jemandem aufgetragen, den Käufer in den ausschliesslichen Besitz einzuführen, so kann der Käufer dennoch, bevor dies geschehen, rechtlichermaassen nicht in den Besitz kommen. Ingleichen wird, wenn dies ein Freund des Verkäufers nach seinem Ableben, bevor er dies wusste, oder ohne dass seine Erben sich widersetzt hätten, gethan hat, der Besitz richtig übergeben sein. Hat er es aber gethan, als er schon wusste, dass er todt sei, oder dass die Erben dies nicht thun wollten, so wird das Gegentheil statthaben.
34Ulp. lib. VII. Disput. Ad Dig. 41,2,34 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 76a, Noten 4, 5.Wenn du mich in den ausschliesslichen Besitz des Cornelianischen Landgutes eingewiesen hast, ich aber in der Meinung stehe, in das Sempronianische eingewiesen zu sein, allein in das Cornelianische gegangen bin, so erlange ich den Besitz nur dann, wenn wir blos über den Namen geirrt haben, rücksichtlich des Gegenstandes aber einig gewesen sind. Ob aber, sobald wir über den Gegenstand nicht einig gewesen sind, der Besitz dir darum abgehen wird, weil Celsus und Marcellus sagen, wir können den Besitz durch den Willen aufgeben und verändern, daran kann gezweifelt werden; und wenn der Besitz durch den Willen erworben werden kann, ist er hier auch erworben? Meiner Ansicht zufolge erwirbt der Irrende nicht; mithin wird auch Der den Besitz nicht verlieren, der gewissermaassen unter einer Bedingung daraus gewichen ist. 1Ad Dig. 41,2,34,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 73, Note 21; Bd. I, § 155, Note 10.Wenn du aber nicht mir, sondern meinem Geschäftsbesorger den Besitz übergiebst, so ist es die Frage, ob, wenn ich irre, mein Geschäftsbesorger aber nicht irrt, der Besitz für mich erworben werde? — Da man aber angenommen, dass für Den erworben werden könne, der nichts davon wisse, so kann dies auch für den Irrenden statthaben. Wenn aber mein Geschäftsbesorger irrt, und nicht ich, so spricht mehr dafür, dass ich den Besitz erwerbe. 2Auch mein Sclave wird für mich, ohne dass ich darum weiss, den Besitz erwerben. Denn auch ein fremder Sclave, schreibt Celsus, kann mir den Besitz erwerben, er mag von mir, oder von Niemandem besessen werden, wenn er denselben in meinem Namen erlangt; und das ist völlig zulässig.
35Ulp. lib. V. de omn. tirbun. Der Ausgang einer Besitzstreitigkeit ist blos der, dass der Richter vorläufig ausspricht, wer von Beiden besitzen solle; hieraus wird erfolgen, dass, wer in Ansehung des Besitzes unterlegen, nun die Stelle des Klägers übernehmen muss, und dann [die Hauptfrage über] das Eigenthum zur Erörterung gezogen werden kann.
36Julian. lib. XIII. Dig. Wer seinem Gläubiger ein Landgut zum Pfande übergiebt, wird [fortwährend] als Besitzer betrachtet. Auch wenn er aber bittweise darum wieder nachgesucht hat, wird er durch langen Besitz ebenfalls ersitzen, denn wenn der Besitz des Gläubigers die Ersitzung nicht verhindert, so darf um so weniger das bittweise Ersuchen ein Hinderniss sein, indem Derjenige mehr Recht auf den Besitz hat, wer bittweise darum nachgesucht hat, als wer gar nicht besitzt.
37Marcian. lib. sing. ad form. hypoth. Ein zum Unterpfand bestelltes und durch den Besitz übergebenes Landgut ward vom Gläubiger nachher erpachtet; hier nahm man an, dass der die Hypothek bestellende [Schuldner] auf den Aeckern als Pächter, und in den Gebäuden als Miethsmann sitze, und durch beide der Gläubiger zu besitzen scheine.
38Julian. lib. XLIV. Dig. Wer einem abwesenden Sclaven schreibt, er solle frei sein, der hat dabei nicht die Absicht, den Besitz seines Sclaven sofort aufzugeben, sondern vielmehr seine Bestimmung auf die Zeit zu verschieben, wo sein Sclave Nachricht erhält. 1Wenn Jemand den Besitz eines Landgutes dergestalt übergeben hat, dass er sagt, er wolle nur dann daraus weichen, wenn ihm das Landgut gehöre, so scheint der Besitz nicht übergeben zu sein, wenn das Landgut einem Andern gehört. Hiernach ist um so mehr anzunehmen, dass der Besitz bedingt übergeben werden könne, gleichwie Sachen unter einer Bedingung übergehen, und nicht anders dem Empfänger zu eigen werden, als wenn die Bedingung eingetreten ist. 2Wenn Derjenige, der an Titius einen Sclaven verkauft hatte, denselben dessen Erben übergeben hat, so wird der Erbe durch denselben den Besitz der Erbschaftssachen ergreifen, weil der Sclave nicht nach Erbrecht an ihn gelangt, sondern durch die Klage aus dem Kauf; denn auch wenn der Sclave aus einer Stipulation oder einem Testamente dem Testator gebührt, und der Erbe ihn empfangen hätte, würde ihm nichts im Wege sein, durch denselben den Besitz der Erbschaftssachen zu erwerben.
39Ad Dig. 41,2,39Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 154, Note 6.Idem lib. II. ex Minicio. Es kommt meiner Ansicht nach viel darauf an, in welcher Absicht eine Sache bei einem Sequester niedergelegt wird; wenn, um den Besitz aufzugeben, und dies ausdrücklich zu erkennen gegeben wird, so wird der Besitz den Parteien zur Ersitzung nicht verhelfen, wenn sie aber blos zur Verwahrung niedergelegt wird, so verhilft der Besitz den Obsiegenden zur Ersitzung.
40African. lib. VII. Quaest. Wenn dich dein Sclave von dem Landgute, welches ich, während ich es besass, dir zum Unterpfande gegeben habe, vertrieben hat, so, sagt er, besitzest du dennoch, weil du den Besitz durch den Sclaven selbst behältst. 1Wenn der Pächter, durch den der Eigenthümer besitzt, mit Tode abgegangen ist, so ist es des Nutzens wegen angenommen worden, dass der Besitz durch denselben behalten und fortgesetzt werde, durch dessen Tod nicht sofort der Besitz als unterbrochen zu betrachten ist, sondern erst dann, wenn der Eigenthümer die Besitzerlangung vernachlässigt hat. Dasselbe2727Idem statt aliud nach Savigny a. a. O. S. 337. ist anzunehmen, wenn der Pächter freiwillig aus dem Besitz gewichen ist; dies ist jedoch nur dann wahr, wenn inzwischen kein Fremder die Sache in Besitz genommen hat, sondern dieselbe stets bei der Erbschaft des Pächters verblieben ist. 2Ich habe einen dir gehörigen Sclaven im guten Glauben von Titius gekauft und mir übergeben besessen; als ich nachher erfuhr, er gehöre dir, habe ich angefangen ihn zu verstecken, damit du keine Klage erhebest; es kann darum, sagt er, um nichts mehr angenommen werden, dass ich ihn während der [künftigen] Zeit heimlich besessen habe. Denn auf der andern Seite würde ich, wenn ich wissentlich deinen Sclaven vom Nichteigenthümer gekauft und denselben heimlich zu besitzen angefangen, und nachher dich davon in Kenntniss gesetzt habe, deshalb keinesweges aufhören, heimlich zu besitzen. 3Wenn ich meinen Sclaven dem Käufer im guten Glauben heimlich entführt habe, so, hat er sich ausgesprochen, besitze ich nicht heimlich, weil der Eigenthümer weder durch ein bittweises Ersuchen, noch durch den Pacht seiner eigenen Sache gebunden wird, und der Grund eines heimlichen Besitzes von diesen beiden Gründen nicht getrennt werden kann2828D. h. heimlicher Besitz an einer eigenen Sache kann ebenso wenig statthaben, als bittweiser oder Pacht derselben..
42Ulp. lib. IV. Regular. Ein Mehreren gehöriger Sclave wird als von allen seinen Herren besessen werdend betrachtet, wenn er auch von einem in Namen Aller besessen wird. 1Ad Dig. 41,2,42,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 155, Noten 6, 9.Wenn ein Geschäftsbesorger im Auftrage des Eigenthümers eine Sache gekauft hat, so erwirbt er ihm den Besitz auf der Stelle, wenn er aber freiwillig gekauft hat, nicht, ausser, wenn der Eigenthümer den Kauf genehmigt hat.
43Marcian. lib. III. Regular. Wenn Jemand ein Landgut gekauft hat, von dem ihm bekannt war, dass ein Theil davon einem Andern gehöre, so, sagt Julianus, könne er, wenn er wisse, dass derselbe dem Andern als abgetheilt gehöre, die übrigen Theile durch langen Besitz erwerben; wenn aber als unabgetheilt, so könne er, wenn er den Ort auch nicht kenne, ebenfalls ersitzen, weil der Theil, der für dem Verkäufer gehörig gehalten wird, ohne Jemandes Nachtheil durch langen Besitz auf den Käufer übergeht. 1Auch Pomponius schrieb im fünften Buche seiner Vermischten Schriften, dass, wer wisse oder glaube, dass einem Dritten der Niessbrauch zuständig sei, durch langen Besitz im guten Glauben erwerben könne. 2Ingleichen sagt er, wenn ich eine Sache gekauft habe, von der ich weiss, dass sie verpfändet ist.
44Papin. lib. XXIII. Quaest. Jemand, der eine grosse Reise vorhatte, verbarg Geld, um es zu verwahren, in der Erde; als er zurückgekehrt den Ort, wo der Schatz stand, weil er sich dessen nicht erinnerte, nicht finden konnte, so ist die Frage erhoben worden, ob er aufgehört habe, das Geld zu besitzen, oder, wenn er nachher den Ort wiedererkannt habe, sofort zu besitzen anfange? — Ich habe geantwortet, weil vorgetragen worden, das Geld sei der Verwahrung wegen verborgen worden, so erscheine das Recht des Besitzes für Den, der es versteckt hat, nicht verloren, und die Gedächtnissschwäche bereite in Ansehung des Besitzes keinen Nachtheil, sobald sich noch kein Anderer dareingesetzt; denn sonst müsste man ja auch dahin entscheiden, dass der Besitz an unsern Sclaven verloren gehe, wenn wir sie einen Augenblick lang nicht gesehen haben. Ob ich das Geld auf meinem oder auf fremdem Grund und Boden geborgen habe, ist einerlei, indem, wenn ein Anderer dergleichen auf meinem Boden verborgen hätte, ich es nur dann besitzen würde, wenn ich den Besitz der Sache selbst über der Erde erlangt hätte2929Durch Ausgraben, s. Savigny a. a. O. S. 186.. Daher nimmt mir auch ein fremder Ort den mir gehörigen Besitz nicht, indem es einerlei ist, ob ich über der Erde besitze, oder unter der Erde. 1Es ist gefragt worden, warum für die nicht darum Wissenden auf den Grund des Sondergutes der Besitz durch einen Sclaven erworben werde? Antwort: es sei des Natzens halber, vermöge besonderer rechtlicher Bestimmung angenommen worden, dass die Herren nicht nöthig haben sollen, aller Augenblicke den Bestand und das Verhältniss der Sondergüter zu untersuchen; übrigens folge hieraus nicht, dass der Besitz durch den Willen [allein] als erworben werdend anzunehmen sei, denn wenn Etwas nicht aus einem mit dem Sondergut in Verbindung stehenden Grunde erworben werde, so sei zwar die Wissenschaft des Herrn nothwendig, allein die Besitzerwerbung finde durch die körperliche Einwirkung des Sclaven statt. 2Nach dieser Erörterung, behaupte ich, ist es, wenn es sich um den Verlust des Besitzes frägt, ein grosser Unterschied, ob wir durch uns selbst, oder durch Andere besitzen. Denn an Demjenigen, was wir durch eigene körperliche Einwirkung besitzen, verlieren wir den Besitz entweder durch den Willen, oder auch durch [das Aufhören der] körperlichen Einwirkung, sobald man in der Absicht davongegangen ist, nicht besitzen zu wollen; an Demjenigen aber, was durch körperliche Einwirkung unserer Sclaven oder Pächter besessen wird, verlieren wir den Besitz nur dann, wenn denselben ein Anderer ergriffen hat, und er geht daher für uns auch ohne unser Wissen verloren. Auch das ist noch ein Unterschied des Verlustes des Besitzes3030Illa quoque poss. amitt. separatio est; so verstehe ich diese Worte, nach denen ein besonderer Fall anhebt, in dem solo animo amittitur poss. Man sehe über diese Stelle und ll. 45 u. 46. Ramos del Manzano ad h. tit. Recit. solenn. P. II. c. 1. §. VII. (T. M. VII. 97). Er interpretirt separatio durch alia differentia.: wenn nemlich Jemand Winter- und Sommerweiden, deren Besitz durch den Willen allein behalten wird,
46Idem lib. XXIII. Quaest. dieselben in der Absicht, sie in den Besitz zu nehmen, beschritten hat, so, ist behauptet worden, besitze der frühere Besitzer solange fort, als er nicht weiss, dass der Besitz von einem Andern eingenommen worden sei. Denn wie das Band einer Verbindlichkeit auf dieselbe Weise gelöst wird, wie es geknüpft zu werden pflegt, so darf dem Nichtwissenden der Besitz, der durch den Willen allein behalten wird, nicht entzogen werden.
47Ad Dig. 41,2,47Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 157, Note 6.Papin. lib. XXVI. Quaest. Wenn du die Absicht hast, eine bei dir niedergelegte bewegliche Sache, oder die dir geliehen worden, zu besitzen und nicht herauszugeben, so ist zur Antwort ertheilt worden, verliere ich den Besitz sofort, auch ohne davon zu wissen; der Grund hiervon liegt vielleicht darin, dass man als Regel annahm, die vernachlässigte und unterlassene Verwahrung beweglicher Sachen bereite dem ältern Besitz auch dann Schaden, wenn sich Niemand deren bemächtigt habe; dies hat Nerva der Sohn in den Büchern über die Ersitzungen berichtet. Derselbe schreibt, in Ansehung eines verliehenen Sclaven finde bei vernachlässigter Verwahrung ein anderes Verhältniss statt; denn der Besitz erscheine solange als der bisherige, als kein Anderer denselben zu besitzen angefangen, und zwar darum, weil der Sclave durch den Vorsatz, zurückzukehren, seinem Herrn den Besitz seiner selbst erhalten kann, und wir durch dessen körperliche Einwirkung auch andere Sachen besitzen können3131S. Savigny a. a. O. S. 332. (2).. An denjenigen Sachen also, die Verstand und Geist entbehren, geht der Besitz sogleich verloren, die Sclaven hingegen behält man, wenn sie den Willen haben, zurückzukehren.
48Idem lib. X. Resp. Jemand hatte Grundstücke mit Sclaven geschenkt, und brieflich erklärt, er habe den Besitz derselben übergeben; hier wird, wenn auch nur ein einziger Sclave, welcher zugleich mit den Grundstücken geschenkt worden, zu dem Schenknehmer gekommen und kurz darnach auf die Grundstücke zurückgeschickt worden ist, durch denselben der Besitz der Grundstücke und der übrigen Sclaven erworben sein.
49Idem lib. II. Defin. Durch den Sclaven, an dem mir der Niessbrauch gehört, wird mir [an Gegenständen] aus meinem Vermögen oder durch seine Dienste auch der Besitz erworben, indem er sowohl natürlich vom Niessbraucher besessen wird, als auch der Besitz mit dem Rechte hier verwandt ist3232Plurimum es jure poss. mutuatur. Savigny a. a. O. S. 24. (1) „Der Besitz enthält als Bedingung jener Wirkung juristische Bestimmungen.“. 1Wer sich in eines Andern Gewalt befindet, kann Sondergutsweise eine Sache innehaben, haben und besitzen kann er nicht, weil der Besitz nicht nur etwas Körperliches ist, sondern auch rechtliche Wirkung hat3333Juris est, ist ebenso wie vorher zu erklären. Savigny a. a. O.. 2Wenngleich der Besitz durch einen Geschäftsbesorger auch für Den erworben wird, der nichts davon weiss, die Ersitzung aber nur dem darum Wissenden zusteht, so wird doch die Klage wegen Entwährung dem Eigenthümer wider den Verkäufer ohne den Willen des Geschäftsbesorgers nicht ertheilt, allein er kann ihn durch die Auftragsklage zu deren Abtretung nöthigen.
50Hermogen. lib. V. jur. Epit. Durch Denjenigen, den ich aus einem rechtmässigen Irrthum veranlasst für meinen Sohn und in meiner Gewalt stehend erachte, wird weder Besitz, noch Eigenthum, noch etwas Anderes aus meinem Vermögen für mich erworben. 1Durch einen auf der Flucht begriffenen Sclaven wird durch seine Handlungen, wenn er weder von einem Andern besessen wird, noch frei zu sein glaubt, der Besitz für uns erworben.
51Javolen. lib. V. ex Poster. Lab. „An manchen Sachen, sagt Labeo, erwerbe man den Besitz durch den Willen [allein], z. B. wenn ich einen Haufen Holz gekauft habe, und der Verkäufer mir geheissen hat, ihn hinwegzuschaffen, so erscheint er mir sofort als übergeben, sowie ich ich ihn unter meine Obhut genommen. Dasselbe gilt, wenn Wein verkauft worden, wenn alle Weinflaschen zugleich gegenwärtig sind. Es dürfte übrigens, sagt er, hierin selbst eine körperliche Uebergabe liegen, weil es einerlei ist, ob mir, oder an wen sonst ich befohlen habe, der Besitz übergeben wird.“ — Meiner Meinung nach läuft die Frage besonders darauf hinaus, ob, wenn der Haufen oder die Flaschen auch körperlich nicht ergriffen worden, sind, dieselben nichtsdestoweniger als übergeben erscheinen3434„Und man muss den Stellvertreter gar nicht mit einmischen.“ Savigny a. a. O. S. 172. 173.. Ich sehe keinen Unterschied dabei, ob ich den Haufen selbst verwahre, oder in meinem Auftrag ein Anderer; denn in beiden Fällen muss der Besitz gewissermassen unkörperlich [als erworben] beurtheilt werden.
52Venulej. lib. I. Interd. Man muss den Besitz nicht mit dem Niessbrauch verwechseln, so wenig wie Besitz und Eigenthum vermischt werden dürfen; denn der Besitz wird weder3535Ebenso Savigny a. a. O. S. 245. neque für namque und amputari für computari. Jensius l. l. p. 427. sucht die andere Lesart zu retten, aber wohl vergebens? verhindert, wenn ein Anderer im Niessbrauch ist, noch wird, wenn Einer besitzt, des Andern Niessbrauch dadurch aufgehoben. 1Derjenige, wer am Bauen verhindert wird, wird auch offenbar im Besitz gestört. 2Eine Art der Einführung in den Besitz einer Sache ist die, dem in den Besitz Schreitenden, verhindern, Gewalt anzuthun; denn er befiehlt dem sich Entgegenstellenden, sofort den Besitz zu räumen, und [dem Andern] ausschliesslich zu überlassen; dies ist viel mehr, als die Herausgabe.