De auctoritate et consensu tutorum et curatorum
(Von der Ermächtigung1 und der Zustimmung der Vormünder und Curatoren.)
1Das Wort auctoritas geht blos auf die Vormünder, weil nur diese auctores esse possunt. Curatoren consentiren, aber auctoriren nicht.
1Ulp. lib. I. ad Sabin. Ob es gleich eine Vorschrift des bürgerlichen Rechtes ist, dass kein Vormund [dem Mündel] seine [Genehmigung] für seine Angelegenheit ertheilen könne, so kann er (der Vormund) doch den Mündel zur Erbschaftsantretung seines eigenen Schuldners ermächtigen, wenn dieser [Mündel] gleich dadurch sein Schuldner wird. Denn der erste Grund der Ermächtigung ist, dass der Mündel Erbe werde, und davon ist das Gerathen in das Schuldverhältniss blos eine Folge. Aber unter seiner eigenen Ermächtigung kann der Vormund sich nichts vom Mündel versprechen lassen. Da nun Jemand seine Pflegbefohlene ermächtigte, seinem Sclaven, der stipulirte, Etwas zu geloben, so verfügte der höchstselige Pius Antoninus, nach den Vorschriften des Rechts könne die Pflegbefohlene nicht in Anspruch genommen werden, allein darauf stehe eine Klage zu, um wieviel sie sich dadurch bereicherte. Ertheilte aber [der Vormund] sein Vollwort dazu, dass seinem Sohne Etwas übergeben werde, so ist diese Ermächtigung nichtig, denn augenscheinlich erwirbt er [hier] die Sache durch seine eigene Ermächtigung. 1Wird ein Vormund zu seiner Ermächtigung gezwungen, so ist das Geschäft ungültig. Denn die körperliche Gegenwart genügt nicht zur Ermächtigung, und es ist ebenso, als ob er durch Schlaf- oder die Fallsucht verhindert, nicht widersprochen hätte.
2Idem lib. XXIV. ad Sabin. Es ist kein Unterschied darin, ob gar keine Ermächtigung des Vormundes vorhanden ist, oder ob diese nicht gehörig ertheilt wurde.
3Paul. lib. VIII. ad Sabin. Wenn der Vormund auch unbefragt ermächtigt, so gilt dies, indem er dadurch seine Billigung des Geschäftes erklärt; denn dies ist ermächtigen.
4Pompon. lib. XVII. ad Sabin. Wenn auch gleich bei mehrern bestellten Vormündern die Ermächtigung eines Einzigen hinreicht, so darf der Prätor doch ein Geschäft nicht für gültig erklären, wenn es von einem solchen Vormunde vorgenommen wurde, dem die Verwaltung der Vormundschaft untersagt wurde, und deshalb halte ich die Meinung des Ofilius für die wahrere: nämlich dass ich nicht Eigenthümer werden könne, wenn ich unter Ermächtigung eines Vormundes, der die Vormundschaft nicht führt, vom Mündel etwas kaufe, wohl wissend, ein anderer Vormund führe die Verwaltung22Nach dieser Gesetzstelle gilt die Ermächtigung eines Vormundes, cui administratio concessa non est, durchaus nichts; nach dem Fr. 49. D. de adq. et omitt. hered. wird der Mündel obligirt, wenn er unter Ermächtigung sogar des Vormundes, qui tutelam non gerat, die Erbschaft antritt. Azo glaubt beide Stellen dadurch zu vereinigen, dass er die Worte: concessa non est mit interdicta est gleichbedeutend nimmt. Ihm stimmten Mehrere bei. Cujaz. (Vol. I. p. 1355.) hilft sich damit, dass er die hereditatis aditio für etwas erklärt, quod animi potius est quam facti vel administrationis. Eine venditio, traditio sei facti potius, quam animi. Der animus aber werde leichter quolibet tutore auctore ergänzt; eine Administration aber komme nur dem damit beauftragten Vormunde zu. Duaren (Oper. p. 597. edit. Lugd. 1584.) hält beide Stellen für unvereinbar, weil hier die Ansichten der R. Juristen verschieden waren. (Constat in hac re dissensionem fuisse veterum jjureconsultorum. Atque cum esset dissentio, Pomp. ait, sibi magis placere, quod Ofilio placebat.) Zu der letzteren Meinung möchte sich auch v. Glück hinneigen (XXIX. S. 188.). Ebenso verhält es sich, wenn ich unter Ermächtigung eines Vormundes kaufe, der von der Verwaltung entfernt wurde. Denn dies (Geschäft) erhält keine Gültigkeit.
5Ulp. lib. XL. ad Sabin. Ein Mündel kann sich seinem Vormunde durch dessen [eigene] Ermächtigung nicht verbindlich machen. Freilich wenn mehrere Vormünder vorhanden sind, von denen jedes einzelnen Ermächtigung hinreicht, da muss man annehmen, der Mündel könne mit dem einen in ein obligatorisches Verhältniss treten, wenn der andere sein Vollwort ertheilt, mag es sich nun um ein Darlehn handeln, das der Mündel erhält, oder um ein Versprechen, das er leistet. Wenn aber nur ein Vormund da ist und dieser dem Mündel ein Gelddarlehn gab oder von ihm etwas stipulirt, so ist dadurch zwischen dem Mündel und dem Vormunde keine [bürgerliche, d. i. klagbare] Verbindlichkeit begründet. Eine natürliche jedoch auf das, um wieviel [der Mündel] dadurch reicher wurde, wird Statt finden; denn der höchstselige Pius verfügte, auf das, um wieviel der Mündel reicher wurde, solle nicht nur dem Vormunde, sondern einem Jeden eine Klage zustehen. 1Verkauft ein Mündel ohne Ermächtigung seines Vormundes, so tritt er dadurch in kein obligatorisches Verhältniss; dies ist auch nicht der Fall, wenn er kauft, es sei denn [,dass er belangt werde,] auf das, um wieviel er dadurch reicher wurde. 2Ebenso kann der Vormund selbst nicht die Stelle eines Käufers und Verkäufers vertreten. Hat er aber einen Mitvormund, dessen Vollwort zureicht, so kann er ohne Zweifel kaufen. Würde aber beim Kaufe [von Seiten des Vormundes] unredlich33Si mala fide emtio interc. Mala fides möchte doch wohl eher auf eine minore pretio emere etc. hindeuten, als mit: quia se auctore emit zu erklären sein, weil ja von der auctoritas eines Mitvormundes die Rede ist. gehandelt, so ist das Geschäft nichtig; und es kann auch deshalb keine Ersitzung Statt finden. Wenn aber der mündig Gewordene den Kauf billigte, dann hat der Vertrag seine Gültigkeit. 3Kaufte aber der Vormund eine Sache des Mündels durch eine Mittelsperson, so ist auch unter diesen Umständen der Kauf nichtig, weil er nicht redlich zu Werke gegangen zu sein scheint. So verfügten der höchstselige Severus und Antoninus. 4Wenn nun der Vormund zwar offen den Kauf abschloss, aber, nicht eben unredlicher Weise, sondern absichtslos, in die Urkunde einen [andern] Namen [,als den seinigen,] aufzeichnen liess, wie dies der Brauch bei angesehenern Leuten ist, die in den Urkunden gern ihre Namen verschwiegen wissen wollen, so hat der Kauf seine Gültigkeit. Waltet aber eine Arglist dabei ob, so wird dies eben die Wirkung haben, als ob er durch eine Mittelsperson gekauft hätte. 5Verkauft aber der Gläubiger des Mündels, so soll [der Vormund] ebenfalls, wenn er in gutem Glauben sich befindet, kaufen können. 6Wenn der Sohn des Vormundes, oder eine andere seiner Gewalt unterworfene Person kaufte, so werden eben dieselben Wirkungen eintreten, als wenn er selbst gekauft hätte.
6Pompon. lib. XVII. ad Sabin. Vormünder, denen die Verwaltung nicht zugewiesen wurde, dürfen rechtlich von dem Mündel, wie dritte Personen, kaufen.
7Ulp. lib. XL. ad Sabin. Der Satz, dass der Vormund nicht in seiner eigenen Angelegenheit sein Vollwort [dem Mündel] ertheilen könne, ist immer insofern wahr, als ihm durch sich selbst, oder durch ihm unterworfene Personen eine Stipulation erworben wird; dass aber eine Geschäftsführung für ihn als Folge [einer erlaubten Handlung] Statt finde, verhindert, wie [schon] gesagt wurde, die Ermächtigung nicht. 1Wenn zwei Theilhaber einer Stipulation vorhanden sind und der Eine unter meiner Ermächtigung vom Mündel stipulirte, der Andere aber unter Ermächtigung des anderen Vormundes, so muss man sagen, die Stipulation sei gültig; jedoch unter der Voraussetzung, wenn die Ermächtigung eines einzigen Vormundes [zu gültiger Abschliessung von Geschäften] hinreichend ist. Wenn übrigens dies nicht der Fall ist, so soll man die Stipulation für nutzlos erklären. 2Wenn ein Vater und sein Sohn, der unter seiner Gewalt stand, Vormünder waren, und der Vater unter Ermächtigung seines Sohnes stipulirte, so wird diese Stipulation deswegen ohne Bedeutung sein, weil zum Besten des Vaters der Sohn nicht ermächtigen kann.
8Idem lib. XLVIII. ad Sabin. Wenn auch mit dem Mündel ein bedingter Vertrag abgeschlossen wird, so muss doch der Vormund sein Vollwort unbedingt ertheilen; denn dies darf nicht bedingt, sondern muss unbedingt erfolgen, auf dass der bedingte Vertrag Kraft erhalte.
9Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Ein Mündel kann ohne Ermächtigung des Vormundes nicht aus jedem Vertrage verbindlich gemacht werden, erwerben aber aus einer Stipulation oder durch Annahme einer Uebergabe kann er sich auch ohne des Vormundes Vollwort. Durch das Geben eines Darlehns44Accursius erklärt credendo durch numerando alicui pecuniam ex causa mutui. aber kann er sich (Andere) nicht verbindlich machen, weil er ohne Ermächtigung des Vormundes nichts veräussern kann. 1Aus dem Satze aber, dass der Mündel nichts ohne Vollwort des Vormundes veräussern dürfe, ergibt sich, dass er auch nicht freilassen könne ohne des Vormundes Vollwort. Ferner wenn er auch gleich mit Zustimmung des Vormundes freilässt, so muss er doch nach der [Bestimmung] des Aelisch-Sentischen Gesetzes den Beweggrund [des Freilassens] vor der Rathsversammlung (apud consilium) darthun. 2Zahlt ein Mündel ohne Ermächtigung des Vormundes, so hat dies in keinem Falle die (beabsichtigte] Wirkung, weil er kein Eigenthum übertragen kann. Hat jedoch der Gläubiger das vom Mündel [bezahlte] Geld im guten Glauben verbraucht, so wird der Mündel [von seiner Verbindlichkeit] befreit. 3Eine Erbschaft kann der Mündel ohne Ermächtigung des Vormundes nicht antreten, wenn diese auch vortheilhaft, und ohne alle nachtheiligen Folgen wäre. 4Es kann auch der Mündel ohne seines Vormundes Ermächtigung keine Erbschaft nach dem Trebellianischen Senatsschlusse annehmen. 5Der Vormund muss sogleich bei [der Eingehung des] Geschäftes selbst, ermächtigen. Geschieht dies erst späterhin oder schriftlich, so bleibt es ohne Berücksichtigung. 6Das Geschäft ist rechtlich geschlossen, wenn auch der, welcher mit dem Mündel es einging, des Vormundes Ermächtigung nicht hörte, diese jedoch schriftlich bewiesen wird, wie z. B. wenn ich an den abwesenden Mündel etwas verkaufen oder vermiethen will, und dieser auf die Genehmhaltung seines Vormundes seine Zustimmung erklärt.
10Paul. lib. XXIV. ad Ed. Ein Vormund, der wegen Krankheit oder Abwesenheit oder aus einer anderen rechtlich[gebilligten] Ursache sein Vollwort nicht ertheilen konnte, ist deshalb nicht verantwortlich.
11Gaj. lib. XV. ad Ed. prov. Wenn einem Mündel oder Wahnsinnigen der Nachlassbesitz zusteht, so muss, wie man angenommen hat, zur Erledigung dieser Angelegenheit in Betreff sowohl des Nachsuchens als des Ausschlagens dieses Nachlassbesitzes der Wille des Vormundes oder Curators berücksichtigt werden. Diese sind aber auch der Klage aus der Vormundschaft oder Geschäftsführung unterworfen, wenn sie nämlich hierin etwas gegen den Vortheil des Mündels oder Wahnsinnigen gethan haben.
12Jul. lib. XXI. Dig. Wenn ein Sclav, welcher dir und dem Titius gemeinschaftlich gehört, unter deiner Ermächtigung etwas von deiner Pflegbefohlenen durch Uebergabe erhielt, so wird dies ganz dem Titius gehören. Denn nach einer Bemerkung des Marcellus stellten die alten Juristen den Satz auf, dass Alles, was nicht allen Eigenthümern [eines Sclaven] gehören55Beck leist hier pertinere, Andere pervenire. kann, dem ungetheilt erworben werde, welcher Eigenthümer davon werden kann.
13Idem lib. XXI. Dig. Unmündige werden durch die Ermächtigung ihres Vormundes, selbst wenn sie dazu schweigen, verbindlich gemacht. Denn wenn sie ein Darlehn in Folge vormündlicher Ermächtigung empfingen, so sind sie [zur Rückgabe] verbindlich, wenn sie auch kein Wort dabei sprechen. Würde ihnen daher ein Geld als Nichtschuld gezahlt, so ist, wenn sie auch darüber sich nicht aussprachen, doch die Ermächtigung des Vormundes zu einer Condiction (indebiti) gegen sie hinreichend.
14Idem lib. XXXI. Dig. Es ist kein grosser Unterschied ob der Vormund bei Eingehung eines Geschäfts abwesend66Manche lesen hier adfuerit aus Missverständnis der Florentine, welche (nach einer Randbemerkung) immer adf. statt abf. liest., oder zwar gegenwärtig, aber mit der Beschaffenheit des eingegangenen Geschäfts nicht bekannt war.
15Marc. lib. II. Regul. Hat der Beklagte und der Kläger denselben Vormund, so kann dieser beide ermächtigen. Ist dies aber so zu nehmen, wenn er zweimal ermächtigte, oder reicht auch eine Ermächtigung, in der Absicht [ertheilt], dass sie auf Beide sich beziehe, hin? Pomponius ist darüber in Zweifel; allein man verficht mit Nachdruck die Meinung, dass eine einzige Ermächtigung hinreiche.
16Paul. lib. I. ad leg. Ael. Sent. Ein Vormund kann sein Vollwort ertheilen, auch wenn er blind geworden ist.
17Idem lib. VI. ad Ed. Will der Vormund sein Vollwort nicht ertheilen, so darf der Prätor ihn nicht dazu zwingen, weil es erstens vernunftwidrig ist, da eine Ermächtigung [erzwingen] zu wollen, wo der Mündel keinen Vortheil hat, und weil zweitens der Mündel seinen Verlust mit der Vormundschaftsklage verfolgen kann, wenn [die Ermächtigung] ihm vortheilhaft ist.
18Idem lib. I. ad Plaut. Ein Mündel kann unter Ermächtigung seines Vormundes seinen Schuldner dem Titius delegiren. Ist aber der Vormund Schuldner des Mündels, so soll dieser (Vormund) weder delegirt, noch ein Procurator (Geschäftsbesorger) gegen ihn, unter seiner (des Vormundes) Ermächtigung, gegeben werden können, weil dies auf nichts Anderes, als eine Befreiung des Vormundes durch eigene Ermächtigung hinauslaufen würde.
20Scaevola lib. X. Dig. Zwei Mündel theilten die väterliche Erbschaft unter sich. Der Vormund war zwar zugegen, allein er unterzeichnete77Azo erklärt adsignare durch Aufzeichnen, welchen Theil jeder Mündel erhalten habe. Briss. v. adsignare. die Theilungsurkunde nicht. Es war nun die Frage, ob es bei dieser verbleiben müsse? Die Antwort ist folgende: hätte der Vormund dazu Ermächtigung ertheilt, so müsse es bei dieser Theilung, obschon er nicht unterzeichnete, nichts desto weniger verbleiben.
21Idem lib. XXVI. Dig. Unter der Vertheidigung seines Vormundes wurde ein Mündel aus einem Vertrage seines Vaters verurtheilt, und erhielt sodann einen Curator. Zwischen diesem und dem Gläubiger wurden nun bei dem Procurator des Kaisers die unten beschriebenen Verhandlungen vorgenommen. Der kaiserliche Procurator Priscus sagte: [der Mündel] soll nach dem Urtheile zahlen. Der Curator Novellius sagte: ich lasse den Mündel nicht Erbe sein. Der kaiserliche Procurator Priscus entgegnete: hier hast du die Antwort, du weisst nun, was du thun musst. Es war nun die Frage, ob nach diesen Verhandlungen der Minderjährige von der Erbschaft seines Vaters losgesprochen sei? Die Antwort war bejahend.