Quibus modis usus fructus vel usus amittitur
(Auf welche Weise der Niessbrauch oder Gebrauch verloren geht.)
1Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Es ist bekannt, dass nicht blos der Niessbrauch durch Standesrechtsveränderung verloren gehe, sondern auch die Klage wegen Niessbrauchs, und es ist wenig Unterschied, ob der Niessbrauch durch eine bürgerlich rechtliche Handlung bestellt worden ist, oder durch den Schutz des Prätors. Daher geht auch der durch blosse Uebergabe erworbene, und der an einem Zinsgut oder Erbpachtsgut ohne eine bürgerlichrechtliche Handlung bestellte Niessbrauch durch Standesrechtsveränderung verloren. 1Der Niessbrauch geht aber durch eine Standesrechtsveränderung nur dann verloren, wenn er bereits bestellt war; hat Jemand vor dem Erbschaftsantritt, oder vor dem Anfangspunct [desselben] eine Standesrechtsveränderung erlitten, so geht er bekanntlich nicht verloren. 2Wenn dir ein Grundstück von einem bestimmten Zeitpunct an vermacht, und du gebeten worden bist, mir den Niessbrauch abzutreten, so fragt es sich, ob mir, wenn ich binnen der Zeit, an die dein Vermächtniss gebunden ist, eine Standesrechtsveränderung erlitten habe, der Niessbrauch nicht doch vorbehalten bleibt, indem gewissermaassen die Veränderung vor dem Anfangspunct [des Niessbrauchs] geschieht; man kann dies allerdings bejahen. 3Die Standesrechtsveränderung vernichtet jedoch den schon bestellten Niessbrauch nur insoweit, dass, wenn er auf einzelne Jahre, Monate oder Tage vermacht worden ist, nur derjenige verloren geht, der bereits begonnen hat; ist er daher auf einzelne Jahre vermacht worden, so geht nur der Niessbrauch des [laufenden] Jahres verloren, wenn auf Monate, der des [laufenden] Monats, und wenn auf Tage, der des [laufenden] Tages.
2Papin. lib. XVII. Quaest. Wird Zweien der Niessbrauch ein Jahr um das andere besonders vermacht, so besteht die Eigenheit fortwährend nur allein; da hingegen, wenn man nur einen Vermächtnissinhaber annimmt, dem der Niessbrauch ein Jahr um das andere vermacht ist, der Erbe während der Zeit, wo der Vermächtnissinhaber das Niessbrauchsrecht nicht hat, das volle Eigenthum hat. Stirbt einer von jenen Beiden, so besteht je nach dem Wechsel der Jahre volles Eigenthum; denn dem Andern kann hier nichts anwachsen, weil11Quoniam propria quisque tempora — fructus integri habuit — Haloander, Baudoza und ein Codex Erlang. (s. Glück IX. p. 285. n. 46.) lesen qu. per pr. t. — fructus integros hab. Dies halte ich mit Glück für richtiger, Ed. Fradin. hat ganz dieselbe Lesart, und die Glosse des Azo scheint zu verrathen, dass dieser auch so gelesen habe. jeder, ohne Theilnahme des Andern, seine eigene Zeit hindurch die Nutzungen ganz gezogen hat. 1Wenn nicht der Tod, sondern eine Standesrechtsveränderung eintritt, so wird, weil mehrere Vermächtnisse angenommen werden, nur der Genuss von dem [laufenden] Jahre, vorausgesetzt, dass der [Betheiligte] das Benutzungsrecht hatte, verloren gehen; dies lässt sich auch von einem Vermächtnissinhaber, der die Nutzungen auf einzelne Jahre zieht, behaupten, so dass die Erwähnung der [verschiedenen] Zeiträume die Wirkung einer Wiederholung hat. 2Wenn [zweien] Einzelnen die Nutzung ein Jahr um das andere abwechselnd vermacht worden ist, und sie sich auf dasselbe Jahr einigen, so werden sie hieran verhindert, weil man nicht annehmen kann, dass [der Testator] ein Zusammentreffen gewollt habe; denn es ist ein grosser Unterschied, ob zweien zugleich ein Jahr um das andere [etwas] vermacht worden ist, (weil hier [das Vermächtniss] sich über ein Jahr [jedesmal] nicht erstreckt, ebenso, wie wenn nur Einem so vermacht worden wäre), oder ob Einzelnen ein Jahr um das andere; denn wenn sie hier in einem Jahre beide die Nutzung ziehen wollen, so hindern sie sich entweder gegenseitig, wegen des Willens [des Testators], oder es geht der Niessbrauch, wenn dieser [ihnen] nicht entgegensteht, ein Jahr um das andere verloren.
3Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Sowie der Niessbrauch auf einzelne Jahre vermacht werden kann, so kann auch derselbe, wenn er durch Standesrechtsveränderung verloren gegangen ist, [im Voraus anderweit] vermacht werden, durch den Beisatz: sobald [der Vermächtnissinhaber] eine Standesrechtsveränderung erlitten hat, vermache ich ihm [den Niessbrauch wieder], oder so: sobald [der Niessbrauch] verloren geht, und dann wird er, wenn er durch Standesrechtsveränderung verloren gegangen ist, als wieder bestellt angesehen. Daher ist die Frage entstanden, ob, wenn Jemandem der Niessbrauch auf Lebenszeit vermacht worden ist, derselbe jedesmal, wenn er verloren worden, als wieder bestellt anzusehen sei; auch Mäcian behandelt diesen Fall, und ich glaube, dass er als wiederbestellt angesehen werden müsse. Ist er daher bis zu einem bestimmten Zeitpunct vermacht worden, z. B. auf zehn Jahre, so gilt dasselbe. 1Nun ist aber die Frage, ob diese Wiederbestellung, welche nach dem Verlust des Niessbrauchs durch Standesrechtsveränderung geschieht, auch das Anwachsungsrecht unverkürzt behält; wird z. B. wenn dem Titius und Mävius der Niessbrauch vermacht worden ist, und [der Testator dem] Titius auf den Fall, dass er eine Standesrechtsveränderung erleiden sollte, den Niessbrauch [wieder] vermacht hat, das Anwachsungsrecht zwischen beiden fortbestehn, wenn Titius aus dieser Wiederbestellung den Niessbrauch [zurück] erhält? Papinian schreibt im 17. Buche seiner Quästionen, es bestehe fort, wie wenn ein Anderer dem Titius im Niessbrauch substituirt worden wäre; denn wenn zwischen ihnen auch keine Verbindung den Worten nach bestehe, so bestehe sie doch der Sache nach. 2Ad Dig. 7,4,3,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 645, Note 4.Derselbe Papinian untersucht die Frage, ob, wenn dem Titius und Mävius der Niessbrauch vermacht worden, bei der Wiederbestellung des Niessbrauchs aber [der Testator] dem Titius nicht das Ganze, sondern nur einen Theil wieder vermacht habe, dieselben noch als Verbundene angesehen werden könnten? und beantwortet sie dahin, dass, wenn Titius ihn verloren habe, zwar das Ganze [dessen Niessbrauchs] seinem Mitgenossen anwachse, wenn aber Mävius [seines Antheils] verlustig gegangen sei, so wachse [dem Titius] nicht dessen ganzer Antheil zu, sondern nur die Hälfte; und die andere falle an die Eigenheit zurück. Diese Meinung hat Grund, denn man kann nicht behaupten, dass in dem Augenblick, wo Jemand den Niessbrauch verliert, und wieder erwirbt, ihm selbst davon etwas zuwachse, indem wir den Grundsatz angenommen haben, dass demjenigen, welcher den Niessbrauch verliert, von dem, was er verliert, nichts anwachse[n könne]22Glück in s. Commentar IX. p. 294 ff. hält dieses Bruchstück für eines der schwierigsten, führt Westphals und Suerins Interpretation an, und erklärt sich lebhaft für die letztere. Ich bin es meiner Ueberzeugung schuldig, selbst wenn ich, was ich kaum glaube, hier irren sollte, zu gestehen, dass ich durchaus nicht begreife, wo die Schwierigkeit liegt. Die Stelle lautet fürs erste so: Id. Pap. quaerit, si Titio et Maev. usfr. legato, in repetitione usfr. non totum, sed partem Titio relegasset, an viderentur conjuncti? et ait, siquidem Tit. amiserit, totum socio accrescere, quod si Maev. amisisset, non totum accrescere, sed partem ad eum, partem ad proprietatem redire. Quae sententia habet rationem: neque enim potest dici, eo momento, quo quis amittit usfr., et resumit, etiam ipsi quicquam ex usfr. adcrescere: placet enim nobis, ei qui amittit usfr., ex eo, quod amittit, nihil adcrescere. — Die Frage, die hier zu beantworten ist, ist die, ob und was dem Titius im vorliegenden Fall, wenn Mävius austritt, zuwachse? Nun sagt Glück mit Suerin, non totum socio accrescere heisse, es finde gar kein Anwachsungsrecht Statt, sondern Titius behalte den Theil, den er ex relegato wieder erhalten habe, der Theil des Mävius falle eben an den Proprietar; und so erkläre Suerin die von Allen missverstandenen Worte: sed partem ad eum, partem ad proprietatem redire richtig, und redire heisse in Bezug auf den Titius hier soviel als manere; Titius erhalte mithin durch das Anwachsungsrecht gar nichts. Allein ich halte diese Auslegung für grundfalsch, und bleibe den Worten des mir wenigstens klar scheinenden Gesetzes getreu, und finde es, da Glück selbst behauptet, pars, ohne Beisatz der Portion, heisse die Hälfte (Paul. I. 164, §. 1. D. de V. S.) und auf die Basiliken recurrirt, welche die fraglichen Worte dieser Stelle so übersetzen: εἰ δὲ ὁ Παῦλος (Maevius) ἀπολέση, μέρος προσαύξει Πέτρῳ (Titio), χαὶ μέρος ὑποστρέφει πρὸς τὴν δεσποτείαν, völlig unbegreiflich, wie man das Gesetz wenigstens so, wie Suerin interpretiren kann. Wäre die Glücksche Ansicht richtig, so wäre es unerklärlich, was Papinian mit den Worten: sed partem ad eum — redire habe sagen wollen (denn dass Titius, als Collegatarius ex relegato, nicht seines Antheils durch des Mävius Tod verlustig gehen kann, ist so klar, dass es absurd wäre, es besonders zu erwähnen); und non totum socio accrescere kann man, wenn man den unmittelbar vorhergehenden Satz, wo totum (das Ganze) in einer Bedeutung vorkommt, die Glück selbst nicht leugnet, liest, gar nicht missverstehen. Nun lese man nochmals die obige Uebersetzung der Stelle, zu der ich hier nach meiner Ansicht den Casus gebe: dem Titius und Mävius ist der Niessbrauch vermacht. Titius erleidet eine Standesrechtsveränderung. Für diesen Fall, hatte der Testator verfügt, solle ihm die Hälfte des Niessbrauchs wieder zufallen. Die andere Hälfte war also, und zwar für den Titius unwiederbringlich, bereits an den Mävius accrescirt. Stirbt nun Titius, so fällt sein nunmehriger ganzer Theil (totum), d. h. die ihm relegirte Hälfte vom ehemaligen, (denn die andere besitzt Mävius schon) an den Mävius, so dass dieser durch diesen Accrescenzfall nun den gesammten Niessbrauch hat; stirbt aber Mävius, so kann Titius seine früherhin an den Mävius durch Accrescenz verlorne Hälfte zwar nie wieder erlangen, allein von des Mävins ursprünglichem Antheil (als die Accrescenz noch nicht Statt gefunden) fällt nun die Hälfte (partem ad eum — Titium) an den Titius, und die andere Hälfte an den Proprietar (partem ad proprietarium redire), und dies ist auch ganz richtig gedacht, denn durch eine relegatio partis kann er auch nur auf die eine pars des andern Antheils ein Accrescenzrecht erhalten. So haben auch die Glossatoren diese Stelle verstanden, und namentlich äussern sich Azo und Accursius weitläuftiger darüber; der erstere erklärt ganz ebenso, dass dem Titius in diesem Falle eine quarta partis Maevii accrescire, und behauptet derselbe als ganz zweifellos, dass die re conjunctio zwischen Titius und Mävius in eo, quod resumit Titius fortbestehen bleibe. Da nun dies nur in quartam sei, so finde im gegebenen Fall auch nur Accrescenz in quartam Statt.. 3Dass der Niessbrauch auch durch den Tod verloren gehe, unterliegt keinem Zweifel, indem das Recht der Benutzung mit dem Tode erlischt, sowie alles andere, was der Person anhängt.
5Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Ad Dig. 7,4,5 pr.ROHGE, Bd. 12 (1874), Nr. 106, S. 360: Verträge zu Gunsten eines Contrahenten und eines noch unbestimmten Personenkreises. Verträge über das Aufführungsrecht des contrahirenden Theaterdirectors und dessen Nachfolger.Den Niessbrauch, den man als Vermächtniss bestellt hat, kann man wieder bestellen, er mag auf eine Weise verloren gehen, welche es sei, nur nicht durch den Tod, man müsste ihn denn den Erben vermacht haben. 1Wenn Jemand blos den Niessbrauch von einem Sclaven veräussert, durch den er den Niessbrauch erworben hat, so unterliegt es keinem Zweifel, dass der durch denselben erworbene Niessbrauch zurückbehalten werde. 2Durch Veränderung der Sache geht der Niessbrauch unter; denn ist mir, z. B. der Niessbrauch an Gebäuden vermacht worden, diese aber eingestürzt oder verbrannt, so erlischt derselbe ohne Zweifel. Auch am leeren Platze? Es ist ganz gewiss, dass wenn die Gebäude abgebrannt sind, weder an dem leeren Platze, noch an den Backsteinen ein Recht des Niessbrauchs vorhanden sei; so sagt auch Julian. 3Wenn der Niessbrauch an einem leeren Platze vermacht, und auf demselben ein Gebäude errichtet worden ist, so wird die Sache verändert und der Niessbrauch erlischt. Hat dies aber der Eigenheitsherr gethan, so haftet er [durch die Klage] aus dem Testament oder wegen Arglist.
7Julian. lib. XXXV. Dig. wenn er mir nicht, nachdem er das Gebäude weggenommen, den Niessbrauch des leeren Platzes abgetreten hat, dafern nämlich die Zeit, durch deren Ablauf der Niessbrauch erlischt, verstrichen ist33Denn ist sie noch nicht abgelaufen, so ist keine Wiederabtretung nöthig, der Niessbrauch hebt dann ipso jure wieder an..
8Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Ist, wenn der Niessbrauch an einem Landgute vermacht worden ist, ein Haus auf demselben eingestürzt, so erlischt der Niessbrauch, weil das Haus nur ein Zubehör des Landguts ist, ebenso wenig, wie wenn Bäume umgefallen wären.
10Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Wie aber, wenn das Landgut ein Zubehör des Hauses war? Lass sehen, ob hier der Niessbrauch am Landgute verloren geht; es gilt jedoch auch hier dasselbe, dass er nicht erlösche. 1Der Niessbrauch erlischt nicht nur, wenn Gebäude zum leeren Platze werden, sondern auch wenn der Testator dieselben eingerissen und neue an deren Stelle gesetzt hat; bessert er sie nur nach ihren Theilen aus, so gilt das Gegentheil, selbst wenn sie ganz neu geworden wären. 2Der an einem Acker oder Platze vermachte Niessbrauch erlischt ohne Zweifel, wenn [der erstere oder letztere] unter Wasser gesetzt wird, so dass ein Teich oder Sumpf entsteht. 3Auch wenn der Niessbrauch an einem Teiche vermacht wird, und dieser so austrocknet, dass er zum Acker geworden ist, erlischt der Niessbrauch durch die Veränderung der Sache. 4Wenn aber der Niessbrauch an einem Flurfelde vermacht worden und Weingärten darin angelegt sind, oder umgekehrt, so glaube ich nicht, dass derselbe erlösche, ist der Niessbrauch hingegen an einem Walde bestellt, und dieser gefällt und Spaziergänge daraus gemacht worden, so erlischt derselbe ohne Zweifel. 5Wenn der Niessbrauch an einer Masse vermacht und aus derselben Gefässe gemacht worden sind, oder umgekehrt, so schreibt Cassius beim Ursejus, erlösche der Niessbrauch; diese Ansicht halte ich für richtig. 6Zerstörung oder Umbildung von weiblichen Zierrathen vernichten daher den [an ihnen bestellten] Niessbrauch auch. 7Ueber den Niessbrauch an einem Schiffe, schreibt Sabinus, dass der erstere, wenn letzteres in seinen Theilen ausgebessert worden, nicht erlösche, wohl aber, wenn es auseinander genommen worden, selbst wenn es aus denselben Stücken, ohne ein einziges neues hinzuzufügen, wiederhergestellt worden sei. Diese Meinung scheint mir richtig, denn der Niessbrauch an einem Hause erlischt auch, wenn es wieder aufgebauet worden ist. 8Es fragt sich, ob, wenn der Niessbrauch an einem Viergespann von Pferden bestellt und eins derselben gefallen ist, derselbe erlösche; ich glaube, dass es hierbei darauf ankommt, ob derselbe an dem Viergespann oder an den Pferden bestellt sei; wenn an den Pferden, so bleibt der Niessbrauch an den übrigen [dreien] fortbestehend; wenn am Viergespann, so erlischt er, weil es aufhört, ein Viergespann zu sein,
12Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Wenn Jemandem der Niessbrauch an einem Bade vermacht worden ist, und der Testator dasselbe zu einer Wohnung eingerichtet, oder wenn an einem Laden, aus dem derselbe ein Zimmer gemacht hat, so ist der Niessbrauch als erloschen anzusehen. 1Hat er daher den Niessbrauch an einem Schauspielersclaven bestellt, und denselben zu andern Diensten verwendet, so ist ebenfalls der Niessbrauch als erloschen anzusehen.
13Ad Dig. 7,4,13Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 186, Note 12.Paul. lib. III. ad Sabin. Wenn der Niessbraucher eine Ernte gethan hat, und [darauf] gestorben ist, so gehört, wie Labeo sagt, das, was auf der Schwadt liegt, seinen Erben, was aber noch, auf dem Halme stehend, mit dem Boden zusammenhängt, gehört dem Eigenthümer des Grundstücks; denn die Früchte werden [erst], wenn das Getreide oder Heu gemähet, oder die Trauben abgenommen, oder die Oliven abgeschüttelt sind, gewonnen, wenn gleich das Getreide noch nicht gedroschen, oder das Oel gepresst, oder der Wein gekeltert ist. Wiewohl es richtig ist, was er von den abgeschüttelten Oliven sagt, so ist es doch in Ansehung der aus sich abgefallenen anders; Julian sagt, der Niessbraucher erwerbe die Früchte erst dann, wenn er sie abgenommen hat, der Besitzer im guten Glauben aber, sobald sie vom Boden getrennt sind.
15Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Zuweilen verhilft der Eigenheitsherr [einem Sclaven] zur Freiheit, z. B. wenn der Niessbrauch an demselben auf so lange vermacht worden ist, bis er freigelassen wird, denn sobald der Eigenheitsherr zur Freiheitsertheilung schreitet, erlischt der Niessbrauch.
16Idem lib. V. Disput. Wenn mir der Niessbrauch unter einer Bedingung vermacht worden ist, und derselbe sich während der in der Mitte liegenden Zeit in den Händen des Erben befindet, so kann der Erbe den Niessbrauch einem Andern vermachen; dieser Umstand bewirkt, dass, wenn die Bedingung meines Vermächtnisses eintritt, der vom Erben hinterlassene Niessbrauch sein Ende erreicht. Habe ich [nachher] den Niessbrauch verloren, so kehrt er nicht zu dem Vermächtnissinhaber, dem er vom Erben unbedingt hinterlassen worden ist, zurück, weil aus verschiedenen Testamenten kein Verbindungsrecht Statt findet.
17Julian. lib. XXXV. Dig. Wenn dir der Niessbrauch an einem Landgute unbedingt, dem Titius aber die Eigenheit bedingungsweise vermacht worden ist, und du während des Obschwebens der [letzteren] Bedingung das Eigenheitsrecht erworben hast, nachher aber dieselbe eingetreten ist, so wird dem Titius das Landgut mit vollem Eigenthumsrechte zukommen, und es thut nichts, dass [ihm] die Eigenheit [nur] mit Abzug des Niessbrauchs vermacht worden ist; denn sobald du die Eigenheit erwirbst, hast du alles Recht auf den vermachten Niessbrauch verloren.
18Pompon. lib. III. ad Sabin. Wenn einem Erbschaftssclaven der Niessbruach vor dem Erbantritt vermacht worden ist, so hat man sich mehr zu der Ansicht hingeneigt, dass dieser Niessbrauch erst nach dem Erbantritt auf dich übergehe, nicht aber, als sei er durch die gleichsam geschehene Veränderung des Eigenthumes [an dem Sclaven] erloschen, weil ja der Anfangspunct, bevor du als Erbe aufgetreten bist, auch nicht eintritt,
19Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. und der Niessbrauch so wenig als Uebertrift- und Fusssteigsgerechtigkeit durch Veränderung des Eigenthums verloren geht.
20Paul. lib. XV. ad Plaut. Wenn Jemand, dem der Niessbrauch zukommt, nur den Gebrauch ausübt, in dem Glauben, dass er nur den Gebrauch habe, behält der da den Niessbrauch? Wenn er, wissentlich, dass ihm der Niessbrauch zukomme, nur den Gebrauch ausüben will, so wird nichts desto weniger angenommen, dass er auch den Genuss behalte; weiss er es aber nicht, so glaube ich, dass er den Genuss verliere. Denn er übt den Gebrauch nicht darnach, was er hat, sondern nur darnach, was er zu haben glaubt.
21Modestin. lib. III. Differentiar. Wenn der Niessbrauch einer Stadt vermacht wird, und der Pflug über ihre Stätte geht, so hört sie auf, eine Stadt zu sein, wie es der Stadt Carthago ergangen ist; sie verliert daher den Niessbrauch gleichsam durch den Tod.
22Pompon. lib. VI. ad Quint. Mucium. Wenn einer Frau der Gebrauch an einem Hause vermacht worden ist, und dieselbe über das Meer verreist, auch die für den Verlust des Gebrauchs gesetzlich bestimmte Zeit hindurch abwesend gewesen, ihr Ehemann aber im Gebrauch des Hauses geblieben ist, so wird nichts desto weniger der Gebrauch erhalten, gerade wie wenn sie ihr Gesinde im Hause gelassen hätte, und verreist wäre. Um so mehr ist dies der Fall, wenn der Ehemann, dem selbst der Gebrauch am Hause vermacht worden ist, seine Frau darin gelassen hat.
23Idem lib. XXVI. ad Quint. Mucium. Wenn der Acker, woran uns der Niessbrauch gebührt, durch einen Fluss oder vom Meere unter Wasser gesetzt worden ist, so geht der Niessbrauch verloren, indem in diesem Fall auch die Eigenheit selbst verloren geht; man kann auch den Niessbrauch nicht einmal durch die Ausübung des Fischfangs zurückbehalten. Eben sowohl aber die Eigenheit wieder in Kraft tritt, sobald das Wasser in derselben Strömung abgeflossen ist, wie es kam, so kann man auch behaupten, dass der Niessbrauch wieder hergestellt werde.
24Javolen. lib. III. ex Posterior. Labeonis. Wenn ich den Niessbrauch an einem Garten habe, und ein Fluss den Garten überschwemmt hat, nachher aber von demselben zurückgetreten ist, so wird nach Labeo’s Meinung auch das Recht des Niessbrauchs wieder hergestellt, weil der Grund und Boden stets in demselben Rechtszustand geblieben ist. Ich halte dies insofern für richtig, wenn der Fluss [blos] durch Ueberschwemmung in den Garten getreten ist; hat er mit Veränderung seines Bettes seinen Lauf über denselben genommen, so geht, nach meiner Ansicht, der Niessbrauch verloren, indem die Stelle des Flussbettes öffentlichen Rechtens wird, und sie kann nicht wieder in ihren vorigen Zustand versetzt werden. 1Dieselben Rechtsgrundsätze, sagt Labeo, müssen beim Fussweg und der Uebertrift beobachtet werden; ich denke über diese Puncte ganz dasselbe, wie vom Niessbrauch. 2Labeo [sagt]: auch wenn die Oberfläche des Bodens von meinem Landgute weggeschafft, und andere Erde hinaufgeschüttet worden ist, hört der Boden so wenig auf, mein zu sein, wie wenn der Acker gedüngt worden ist.
25Pompon. lib. XI. ex Variis Lectionibus. Der Niessbrauch kann durch Nichtgebrauch sowohl an einem bestimmten Theile, als auch am Ganzen verloren gehen.
26Paul. lib. I. ad Neratium. Wenn ein vom Feinde in Besitz genommener Acker, oder gefangener Sclav wieder befreiet wird, so wird der Niessbrauch in Folge des Heimkehrrechts wieder hergestellt.
27Idem lib. I. Manual. Wenn ein Sclav, an dem der Niessbrauch einem Andern gehört, vom Eigenheitsherrn dem Niessbraucher an Schädens Statt ausgeliefert wird, so wird [der Niessbraucher] dadurch, dass durch die Erwerbung der Eigenheit die Dienstbarkeit mit derselben vereinigt wird, [von aller Verbindlichkeit gegen den bisherigen Eigenheitsherrn] frei44S. Glück I. p. 355. n. 82..
28Idem lib. XIII. ad Plaut. Wenn der Niessbrauch ein Jahr um das andere vermacht worden ist, so kann er durch Nichtgebrauch nicht verloren gehen, weil dann mehrere Vermächtnisse vorhanden sind4.
29Ulp. lib. XVII. ad Sabin. Ad Dig. 7,4,29 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 219, Note 5.Pomponius wirft die Frage auf, ob ich, wenn der Eigenheitsherr das Landgut von mir erpachtet, und dasselbe ohne Abzug des Niessbrauchs an den Sejus verkauft hat, den Niessbrauch durch den Käufer zurückbehalte, und beantwortet sie dahin, dass, wenn mir auch der Eigenheitsherr das Pachtgeld gezahlt habe, der Niessbrauch dennoch verloren gehe, weil der Käufer nicht in meinem, sondern in seinem Namen die Nutzungen gezogen hat. Allerdings aber hafte mir der Eigenheitsherr aus dem Pachtcontract auf so hoch, als ich dabei betheiligt war, dass dies nicht geschehen sei, obschon, wenn Jemand den von mir erpachteten Niessbrauch an einen Andern verpachtet hat, derselbe aufrecht erhalten wird; hat ihn aber der Eigenheitsherr im eigenen Namen [weiter] verpachtet, so geht er verloren, denn der Pächter geniesst dann nicht in meinem Namen. 1Wenn aber der Eigenheitsherr den von mir gekauften Niessbrauch verkauft hat, so fragt es sich, ob ich den Niessbrauch verliere. Ich glaube ja, weil auch hier der Käufer des Landguts desselben nicht als von mir gekauft geniesst. 2Derselbe Pomponius erörtert die Frage, ob, wenn ich gebeten worden bin, den mir vermachten Niessbrauch dir herauszugeben, anzunehmen sei, dass ich den Genuss durch dich ziehe, und der Niessbrauch nicht verloren gehe, und sagt, dass er über diese Frage in Zweifel sei. Ich halte für richtiger, was Marcell sagt, dass dieser Umstand dem Fideicommissinhaber keinen Eintrag thue, denn er werde im eigenen Namen eine analoge Klage haben.
30Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Fleisch und Haut von gefallenem Vieh gehört nicht zur Nutzung, weil mit dem Tode desselben der Niessbrauch erlischt.
31Pompon. lib. IV. ad Quint. Mucium. Wenn der Niessbrauch an einer Heerde vermacht worden, und die Zahl derselben soweit herabgekommen ist, dass der Begriff Heerde wegfällt, so erlischt der Niessbrauch.