De obligationibus et actionibus
(Von Verbindlichkeiten1 und Klagen.)
1Ich bin nie in Abrede gewesen, dass unser deutsches Verbindlichkeit dem Römischen obligatio, sowie ersteres gewöhnlich verstanden wird und besonders früher, ehe Hugo auf die richtige Bedeutung von obligatio aufmerksam machte, nur halb entspreche, sobald von persönlichen Foderungsrechten die Rede ist; allein die Uebersetzung durch Verbindlichkeit kann ich demungeachtet noch nicht für völlig unzulässig finden, wenn man nur den Begriff richtig versteht, und weiss, was gemeint ist. Nun ist ja aber durch des hochverdienten Hugo Bemühungen nicht (blos) dargethan worden, dass das Wort Verbindlichkeit obligatio nicht erschöpfe, sondern er hat gezeigt, dass man unter obligatio überhaupt etwas Anderes zu verstehen habe, als bis dahin, wo er zuerst darauf aufmerksam machte, gemeiniglich angenommen ward; da nun bis dahin obligatio stets durch Verbindlichkeit übersetzt worden war, so musste er natürlich behaupten, dass dieser Ausdruck unpassend sei, insofern man den alten Begriff daran knüpfte; allein es kommt nur darauf an, ob das deutsche Wort Verbindlichkeit für den richtigern Begriff von obligatio auch passt, wie vorher für den falschen. „Das deutsche Wort Verbindlichkeit, sagt Hugo im Magazin Bd. III. S. 390, ist vom Anfang an die Uebersetzung, im eigentlichen Sinne die Verdeutschung des lateinischen Wortes von Sylbe zu Sylbe, aber in seiner spätern (d. h. falschen) Bedeutung.“ Hierzu bemerke ich, dass die letzten Worte so zu verstehen sind: im Mittelalter war das lateinische Wort obligatio zu dem falschen Gebrauch und Begriff herabgesunken, von dem es durch Hugo wieder emporgerichtet worden, und in diese Zeit fällt (wahrscheinlich) die Entstehung des deutschen Ausdrucks Verbindlichkeit. „Allein die Genauigkeit ist merkwürdig, denn das Stammwort ligare, ist durch binden, ob durch ver gegeben, und das lich, welches sonst auch wohl im Deutschen wie bar die blosse Möglichkeit andeutet, heisst ja doch auch die Wirklichkeit eines Zustandes, also ist verbindlich nicht = verbindbar, sondern = verbunden und verbindend. Die substantive Endigung keit, das sonst freilich eher durch ung gegeben wird, entspricht hier dem lateinischen tio.“ „Die Schuld des Erfinders des Wortes Verbindlichkeit,“ fährt Hugo S. 408 fort, „war es nicht, dass dieses deutsche Wort nun gar nicht in dem Sinn, welchen obligatio bei den Alten hatte, gebräuchlich wurde, es ging dem deutschen Worte als der Tochter, wie dem lateinischen, der Mutter, nur dass erstere noch nicht geboren war, als letztere eines gewissen Wohlstandes genoss.“ — Liegen nun aber im deutschen Worte alle Bedingungen der sprachlichen Möglichkeit an dasselbe den vollen und richtigen Begriff des lateinischen zu knüpfen, ohne einen Zusatz machen zu müssen, warum soll man denn das deutsche Wort da nicht wieder zu Ehren bringen dürfen? — Offenbar hat ja doch Hugo die ganze Lehre von dem Wesen der Obligationen berichtigt, und nicht blos lexicalisch und etymologisch das Wort obligatio in seinen verschiedenen Bedeutungen. Hat man also eine richtige Ansicht von der Lehre und dem Wesen der Obligationen, deren vollständige Grundzüge das Wort obligatio, richtig verstanden, wie ein Centralpunkt zugleich enthält, so hat man ihn doch von dem Worte selbst auch; und wird dieses Wort im Deutschen von Sylbe zu Sylbe richtig wiedergegeben, so wird man, wenn man, wiederholt bemerkt, die richtige Ansicht von der Lehre und dem Wesen der Obligationen hat, auch nirgends irre werden, wenn man überall Verbindlichkeit übersetzt. — Dies ist meine vom Recensenten in der Lpzg. Litztg. Jahrgang 1832 S. 15 vermisste Rechtfertigung zu Anm. 39 zu l. 2. D. de hered v. act. vend. Es fällt mir also nicht ein, gegen Hugo zu deduciren, sondern aus ihm.