De manumissis vindicta
(Von den durch den Stab1 freigelassenen [Sclaven].)
1Die Förmlichkeit dieser Freilassung bestand in einer fingirten in libertatem vindicatio durch einen lictor, bei welcher dieser (nach einigen Stellen der Prätor) unter Anderem auch dem Sclaven mit einem Stabe (vindicta oder festuca) einen Schlag auf den Kopf gab. S. Zimmern a. a. O. S. 202.
2Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Wenn Jemand, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, der Niessbraucher [eines Sclaven] ist, ob er dann wohl zur Freiheitsertheilung einwilligen könne? Und ich glaube, dass er dadurch, dass er einwilligt, [den Sclaven] in Freiheit setzen könne.
3Idem lib. IV. Disp. Wenn der Erbe einen vermachten Sclaven freilässt, und bald darauf der Vermächtnissnehmer das Vermächtniss ausschlägt, so steht die Freiheit rückwärts zu22D. h. so, dass sie nicht erst von der Ausschlagung des Legats an gerechnet, sondern rückwärts schon seit der Zeit angenommen wird, zu welcher der Erbe freiliess.. Und dasselbe findet auch dann Statt, wenn Zweien ein Sclave ohne Nebenbestimmung vermacht worden, und nach der Freilassung von Seiten des Einen der Andere das Vermächtniss ausgeschlagen haben sollte, denn auch hier steht die Freiheit rückwärts2 zu.
4Julian. lib. XLII. Dig. Wenn ein Vater seinem Sohn, einen Sclaven freizulassen, erlaubt hat, und unterdessen ohne Testament verstorben ist, und sodann der Sohn, ohne zu wissen, dass sein Vater gestorben sei, die Freiheit ertheilt hat, so steht dem Sclaven die Freiheit in Folge der Begünstigung der Freiheit zu, da es sich nicht zeigt, dass der Wille des Herrn verändert sei. Wenn aber der Vater es, ohne dass es der Sohn wusste, durch einen Boten untersagt, und der Sohn, ehe er davon benachrichtigt wurde, den Sclaven freigelassen hatte, so wird er nicht frei. Denn damit durch das Freilassen des Sohnes der Sclave zur Freiheit gelange, muss des Vaters Wille fortdauern; denn wenn er verändert worden ist, so wird es nicht wahr sein, dass der Sohn mit dem Willen des Vaters freigelassen habe. 1So oft ein Herr seinen Sclaven freilässt, so ist es, obwohl er glaubt, dass derselbe einem Andern gehöre, nichtsdestoweniger wahr, dass der Sclave mit dem Willen seines Herrn freigelassen worden sei, und darum wird er frei sein. Und umgekehrt [ist es wahr,] dass, wenn Stichus glauben sollte, dass er dem Freilassenden nicht gehöre, er nichtsdestoweniger die Freiheit erhalte. Denn es kommt mehr auf die Wirklichkeit, als auf die Meinung an, und in beiden Fällen ist es wahr, dass Stichus mit dem Willen seines Herrn freigelassen worden sei. Und dasselbe ist Rechtens, auch wenn der Herr und der Sclave sich in dem Irrthum befanden, dass weder jener sich für den Herrn, noch dieser sich für den Sclaven desselben hielte. 2Ein Herr, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, kann auch nicht ein Mal einen gemeinschaftlichen Sclaven ohne die [Billigung des] Raths33Sine consilio, d. h. ohne dass der dominus XX. annis minor vor dem, für die mit causae cognitio verbundenen Fälle der Freilassung ernannten, und in Rom aus 5 Senatoren und 5 equites, in den Provinzen aus 20 recuperatores cives Rom. bestehenden consilium, den grund der Freilassung erwiesen hat, und der Grund von dem consilium gebilligt worden ist. rechtsgültig freilassen. Paulus bemerkt: Aber wenn Jemand, der jünger als zwanzig Jahre ist, zugeben sollte, dass ein ihm verpfändeter Sclave freigelassen werde, so wird [derselbe] rechtsgültig freigelassen, weil man annimmt, dass jener nicht sowohl freilasse, als den Freilassenden nicht verhindere.
5JULIAN. eod. lib. Man hat oft gefragt, ob Der, welcher dem Rath vorsteht, vor sich freilassen könne? Ich für meinen Theil bin, da ich mich erinnerte, dass mein Lehrer Javolenus sowohl in Afrika, als in Syrien seine Sclaven freigelassen habe, als er dem Rathe vorstand, dem Beispiel desselben gefolgt, und habe sowohl in meiner Prätur, als in meinem Consulat einige von meinen Sclaven durch den Stab befreit, und einigen Prätoren, welche mich um Rath fragten, dasselbe gerathen.
6Idem lib. II. ad Ursej. Feroc. Es ist nicht zweifelhaft, dass ein gemeinschaftlicher Sclave von seinen Herren, welche jünger als zwanzig Jahre sind, vor dem Rath freigelassen werden könne, wenngleich nur einer von den Mitherren einen Grund bewiesen haben wird.
7Gaj. lib. I. Rer. quot. s. Aureor. Es ist nicht durchaus nothwendig, vor dem Tribunal freizulassen; daher pflegen die Sclaven gewöhnlich im Vorübergehen freigelassen zu werden, wenn der Prätor oder Proconsul, oder der Legat des Kaisers, um zu baden, oder zu spatzieren, oder um der Spiele willen ausgegangen ist.
9Marcian. lib. XIII. Instit. Ein rechtmässiger Grund zur Freilassung ist vorhanden, wenn der Sclave seinen Herrn von einer Lebensgefahr, oder von der Infamie befreit haben wird. 1Man muss wissen, dass, welcher Grund auch immer bewiesen und genehmigt worden sei, die Freiheit ertheilt werden44Tribui statt tribuere mit der Vulg. müsse; denn der höchstselige Pius hat rescribirt, dass man gebilligte Gründe nicht widerrufen dürfe, nur könne Niemand einen fremden Sclaven freilassen. Denn dem Grunde der Billigung kann zwar widersprochen, nicht auch ein schon gebilligter Grund von Neuem erörtert werden.
11Ulp. lib. VI. de off. Procons. Wenn Jemand, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, freilässt, so pflegen solche Gründe der Freilassung genehmigt zu werden: wenn [der Sclave] der natürliche Sohn, oder die natürliche Tochter, der natürliche Bruder, oder die natürliche Schwester [desselben] ist,
12Idem lib. II. ad l. Aet. Sent. oder wenn der Sclave [sonst] durch das Blut mit ihm verbunden ist; denn es wird Rücksicht auf die Verwandtschaft genommen;
13Idem lib. de off. Procons. wenn [der Sclave] der Milchbruder, wenn er der Erzieher, wenn er der Lehrer desselben [ist], wenn [die Sclavin] seine Amme, oder wenn [der Sclave oder die Sclavin] der Sohn oder die Tochter von irgend einer von diesen Personen, oder wenn er der Pflegesohn, oder der Capsarius [desselben ist], das heisst, Der, welcher, die Bücher trägt, oder, wenn er zu dem Zweck freigelassen wird, dass er der Geschäftsbesorger [desselben] sei, wenn er nur nicht jünger, als achtzehn Jahre ist. Ueberdies wird auch das erfordert, dass Der, welcher freilässt, nicht nur einen einzigen Sclaven habe. Ingleichen, wenn eine Jungfrau oder Frau um der Ehe willen freigelassen werden sollte, nachdem zuvor [dem Herrn] der Eid abgefordert wird, dass dieselbe innerhalb sechs Monaten zur Frau genommen werden solle; denn so hat der Senat verordnet.
14Marcian. lib. IV. Regular. Es ist mehr für Frauen passend, Pflegekinder freizulassen, aber auch bei Männern hat man es angenommen, und es ist genug, dass erlaubt werde, den freizulassen, zu dessen Ernährung sie geneigt gewesen sind. 1Manche glauben, dass auch Frauen um der Ehe willen freilassen können, aber nur dann, wenn einer solchen etwa ihr [ehemaliger] Mitsclave zu diesem Zweck vermacht worden ist. Auch wenn ein Zeugungsunfähiger um der Ehe willen freilassen will, so kann er es thun. Bei einem Castraten findet dasselbe nicht Statt.
15Paul. lib. I. ad l. Ael. Sent. Auch zur Erfüllung einer Bedingung freizulassen, ist Einem, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, zu erlauben, z. B. wenn Jemand so zum Erben eingesetzt ist, wenn er einen Sclaven in Freiheit gesetzt habe. 1Aus der Vergangenheit kann es mehrere Gründe geben, z. B. weil er dem Herrn im Treffen beigestanden, gegen Strassenräuber geschützt, weil er denselben, als er krank war, geheilt, weil er Nachstellungen [gegen denselben] entdeckt hat; und es würde lange dauern, wenn wir [alle Gründe] durchgehen wollten, weil viele Verdienste vorkommen können, für welche die Freiheit vermittelst eines Decrets [der Obrigkeit] zu ertheilen, anständig ist, und diese [Gründe] muss Der beurtheilen, bei welchem über diese Sache verhandelt wird. 2Es können Mehrere zugleich durch den Stab freigelassen werden, und es genügt die Gegenwart der Sclaven, damit selbst mehrere [auf ein Mal] freigelassen werden können. 3Ein Abwesender wird auch einen Grund durch einen Geschäftsbesorger beweisen können. 4Wenn Zwei um der Ehe willen [eine und dieselbe Sclavin] freilassen werden, so darf der Grund nicht genehmigt werden. 5Die, welche in Italien, oder in einer andern Provinz ihren Wohnsitz haben, können vor dem Präsidenten einer anderen Provinz unter Zuziehung des Raths freilassen.
16Ulp. lib. II. ad l. Ael. Sent. Es müssen die Richter beim Billigen der Gründe dessen eingedenk sein, dass sie nicht aus Verschwendung, sondern aus Zuneigung entstehende Gründe billigen, denn man muss annehmen, dass das Aelisch-Sentische Gesetz nicht zur Ergötzlichkeit, sondern wegen gebührender Zuneigungen eine rechtmässige Freiheit ertheilt habe. 1Wenn Jemand Einem, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, einen Sclaven entweder nach Empfang eines Preises, oder als Schenkung unter der Bedingung gegeben hat, dass er ihn frei machen solle, so kann Jener den Grund zu jener Freilassung um so rechtmässiger beweisen, wenn er gerade das anführt, dass ihm die Bedingung auferlegt worden sei, und [so den Sclaven] in Freiheit setzen; es muss also dieser darthun, dass dies unter ihnen ausgemacht sei, damit sonach die Sache entweder nach der Bedingung der Schenkung, oder nach der Zuneigung Dessen, der [den Sclaven] gegeben hat, beurtheilt werde.
18Idem lib. XVII. ad Plaut. Vor einem Haussohn, welcher eine obrigkeitliche Person ist, kann man freilassen55Nach der Flor. Lesart. Hal. und die Vulg. haben: pater manumittere pot., obgleich der Haussohn selbst nicht freilassen kann. 1Vor seinem Collegen kann ein Prätor nicht freilassen. 2Auch ein Sohn wird mit dem Willen seines Vaters vor dem Vater freilassen können.
19Cels. lib. XXIX. Dig. Wenn Jemand, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, vor dem Rath eine schwangere [Sclavin] um der Ehe willen freigelassen, und dieselbe unterdessen geboren haben wird, so wird es [einstweilen] unentschieden sein, ob der, welchen sie geboren hat, Sclave, oder frei sei66Je nachdem die Ehe vollzogen wird oder nicht. S. Basil. XLVIII. 2. 19. T. IV. p. 279. u. Schol. a. p. 284..
20Ulp. lib. II. de off. Cons. Wenn Jemand, welcher jünger als zwanzig Jahre ist, durch ein Fideicommiss gebeten ist, freizulassen, so muss es ihm ohne Zögerung erlaubt werden; ausser wenn er gebeten worden ist, seinen eigenen Sclaven freizulassen, denn dann wird der Betrag des Vortheils, welcher in Folge der Anordnung Dessen, welcher ihn gebeten hat, an ihn gekommen ist, mit dem Werthe derer verglichen werden müssen, welche freizulassen, er gebeten worden ist. 1Aber auch wenn ihm ein Sclave unter der Bedingung geschenkt sein wird, damit derselbe freigelassen werde, so wird es ihm erlaubt werden müssen, freizulassen, damit nicht die Constitution des höchstseligen Kaisers Marcus Platz ergreife, und der Zögerung des Consuls ein Ende mache. 2Wenn Jemand um der Ehe willen freilassen will, und er ein solcher ist, der nicht wider den Anstand eine Ehefrau solchen Standes erwählen wird, so wird es ihm gestattet werden müssen. 3Marcellus schreibt, dass es auch einer Frau, wenn sie ihren natürlichen Sohn oder einen von den oben genannten [Sclaven] freilassen wolle, zu erlauben sei. 4Ein Consul kann vor sich freilassen, auch wenn es sich zutragen sollte, dass er jünger als zwanzig Jahre ist.
22Paul. lib. XII. Quaest. Ein Vater hat aus der Provinz an seinen Sohn, von dem er wusste, dass er sich zu Rom aufhalte, einen Brief gerichtet, welcher demselben erlaubt hat, von den Sclaven, welche er zur Bedienung bei sich hatte, den, welchen er wollte, durch den Stab zu befreien. Nachdem nun der Sohn des Stichus vor dem Prätor freigelassen hat, so frage ich, ob er ihn zu einem Freien gemacht habe. Ich habe das Gutachten ertheilt: Warum sollen wir nicht glauben, dass das dem Vater gestattet sei, dass er seinem Sohn erlauben könne, einen von den Sclaven, welche er zur Bedienung hätte, freizulassen? Denn er hat ja blos die Wahl dem Sohne gestattet, übrigens lässt er selbst frei.
23Hermogen. lib. I. Jur. Epit. Die Freilassung pflegt heut zu Tage, wenn der Herr schweigt, durch Lictoren vollzogen zu werden, und die feierlichen Worte werden, wenn gleich sie nicht gesprochen werden, als gesprochen angenommen.
25Gaj. lib. I. de Manumiss. Fufidius sagt, wenn ein Mündel freilasse, um einen Vormund zu erhalten, so sei ein Grund zur Billigung vorhanden. Nerva, der Sohn, nimmt das Gegentheil an, und das ist richtiger, denn es würde sehr widersinnig sein, wenn bei der Wahl eines Vormunds die Urtheilskraft des Mündels selbständig zu sein schiene, dessen Urtheil bei allen Angelegenheiten als nicht selbständig durch die Ermächtigung des Vormunds geleitet wird.