De statu hominum
(Vom Zustand der Menschen.)
2Hermogen. lib. I. Jur. Epitom. Da nun das gesammte Recht der Menschen wegen begründet worden ist, so werden wir zuerst vom persönlichen Zustand der Menschen und nachher von den übrigen [Lehren] nach der Ordnung des immerwährenden Edicts sprechen, und daran, wie es der Gegenstand zulässt, die nächsten und damit zusammenhängenden Titel knüpfen.
4Florentin. lib. IX. Institut. Freiheit ist der natürliche Zustand dessen, was Jedem zu thun erlaubt ist, sobald nicht etwas durch Gewalt oder ein Recht verhindert wird. 1Sclaverei ist diejenige völkerrechtliche Einrichtung, vermöge deren ein Mensch wider die Natur der Herrschaft eines Andern unterworfen ist. 2Das Wort Sclav kommt daher, dass die Feldherren die Gefangenen zu verkaufen, und dadurch zu erhalten und nicht zu tödten pflegen. 3Handgenommene (mancipia) aber wurden sie davon genannt, weil sie vom Feinde mit der Hand gefangen werden (manu capiantur).
5Marcian. lib. I. Instit. Der Zustand der Sclaven ist nur ein und derselbe; von den freien Menschen sind aber die einen Freigeborene, die andern Freigelassene. 1Sclaven kommen entweder nach bürgerlichem Recht oder nach Völkerrecht in unsere Gewalt; nach bürgerlichem Recht, wenn Jemand, der über zwanzig Jahre alt ist, sich, um Theil am Kaufpreis zu haben, selbst hat verkaufen lassen; nach Völkerrecht sind diejenigen unsere Sclaven, welche vom Feinde gefangen genommen oder von unsern Sclavinnen geboren werden. 2Freigeborene sind diejenigen, welche von einer freien Mutter geboren worden sind; denn es genügt, dass sie zur Zeit der Geburt frei gewesen sei, wenn sie auch als Sclavin empfangen hat, und auch im umgekehrten Fall, wenn sie als Freie schwanger geworden und nachher als Sclavin geboren hat, wird das Kind freigeboren. Auch ist es einerlei, ob sie in rechtmässiger Ehe empfangen hat, oder im gemeinen Umgange, weil der Leibesfrucht der Mutter Unglücksfall nicht schaden darf. 3Hieraus hat man die Frage aufgeworfen, ob wenn eine schwangere Sclavin freigelassen, nachher aber wieder Sclavin geworden, oder aus dem Staate verwiesen, wiederkommt, sie einen Freien oder einen Sclaven gebiert? — Es ist jedoch für richtiger befunden worden, dass [das Kind] freigeboren werde, und es für die Leibesfrucht genüge, auch nur in der dazwischen liegenden Zeit eine freie Mutter gehabt zu haben.
7Ad Dig. 1,5,7Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 52, Note 2.Paul. lib. singul. de portion. quae lib. damn. conced. Für die Leibesfrucht wird, sobald über deren Vortheile auf den Fall, dass sie geboren wird, Frage entsteht, stets so gesorgt, als wenn sie schon am Leben wäre, wiewohl sie einem andern, ehe sie geboren ist, in keiner Art Vortheil bringen kann.
9Id. lib. XXXI. Quaest. In vielen Theilen unsers Rechts ist die Lage der Frauen weniger vortheilhaft, als die der Männer.
11Paul. lib. XVIII. Responsor. Paulus hat sich dahin ausgesprochen, dass wer von einer Tochter bei Lebzeiten deren Vaters, und ohne dessen Kenntniss von ihrer Verbindung, empfangen worden, selbst wenn er erst nach des Grossvaters Tode geboren worden ist, als rechtmässiger Sohn dessen, von dem er empfangen worden, nicht angesehen werden könne.
12Id. lib. XIX. Respons. Dass eine Kind im siebenten Monat den Grad der Ausbildung erreicht habe, wo es weitern Lebens fähig ist11S. Glück II. p. 87. n. 41., ist schon wegen der Auctorität des gelehrten Hippocrates angenommen worden; daher ist auch anzunehmen, dass, wer aus rechtmässiger Ehe im siebenten Monat geboren worden ist, ein rechtmässiger Sohn sei.
13Hermogenian. lib. I. Jur. epitom. Ein Sclav, der in einer Criminalsache von seinem Herrn dem Schicksal der Untersuchung überlassen worden ist, wird, selbst wenn er freigesprochen worden, nicht frei.
14Paul. lib. IV. Sententiar. Diejenigen, welche ohne menschliche Gestalt und unnatürlich gebildet geboren werden, werden nicht für Kinder gehalten, z. B. wenn ein Weib eine Missgeburt oder Mondkalb zu Welt bringt; diejenige Geburt aber, welche mit mehrern menschlichen Gliedmassen versehen ist, wird für theilweise ausgebildet angesehen und daher den Kindern beigezählt.
15Tryphonin. lib. X. Disput. [Eine Sclavin, Namens] Arescusa, der in einem Testamente die Freiheit auf den Fall ertheilt worden war, wenn sie drei Kinder geboren haben würde, gebar bei der ersten Niederkunft ein Kind und bei der zweiten drei; es fragte sich nun, ob und welches von den letztern frei sein solle? — Die der Freiheit gestellte Bedingung muss nun zwar das Weib schon erfüllen, allein darüber darf kein Zweifel Statt finden, dass das letzte Kind freigeboren wird; denn die Natur gestattet nicht, dass zwei Kinder auf einmal aus Mutterleibe kommen können, so dass, da es unbestimmt wäre, wer zuerst und wer zuletzt geboren sei, man mit Gewissheit nicht entnehmen könnte, wer von beiden als Sclav und wer als Freier geboren sei. Die mit dem Anfang der Geburt eintretende Bedingung bewirkt also nun, dass das Kind, welches nachher zur Welt kommt, von ihr als Freien geboren wird, gleichwie wenn irgend eine andere der Freiheit eines Weibes beigefügte Bedingung, auf den Fall, dass sie niederkommt, eintritt, oder dieselbe, dafern sie unter der Bedingung freigelassen worden ist, wenn sie dem Erben oder dem Titius 10,000 [Sestertien] gegeben haben würde, und in dem Augenblick, wo sie gebiert, die Bedingung durch einen andern erfüllt hat, schon als Freie geboren zu haben angenommen wird.
16Ulp. lib. VI. Disput. Dasselbe wird der Fall sein, wenn jene Sclavin Arescusa zuerst zwei geboren hatte und nachher mit Zwillingen niedergekommen ist; denn hier kann man nicht sagen, dass beide als Freie geboren würden, sondern nur der zuletztgeborene. Die Frage betrifft also vielmehr eine Thatsache, und keine Rechtsbestimmung.
17Id. lib. XXII. ad Ed. Alle Menschen, welche sich im Umkreis des Römischen Reichs befinden, haben nach der Constitution des Kaisers Antonin das Römische Bürgerrecht erhalten.
18Id. lib. XXVII. ad Sabin. Der Kaiser Hadrian rescribirte an den Publius Marcellus, dass eine Freie, welche schwanger zum Tode verurtheilt worden, ein freies Kind zur Welt bringe, und dass es Gebrauch sei, sie so lange am Leben zu lassen, bis sie geboren habe. Auch wenn einer Frau, welche aus rechtmässiger Ehe schwanger geworden, Feuer und Wasser verboten worden ist, gebiert sie einen Römischen Bürger, der sich in der Gewalt seines Vaters befindet.
19Cels. lib. XXIX. Dig. Wenn eine rechtmässige Heirath vollzogen worden ist, so folgen die Kinder dem Vater, die aus gemeinem Umgang erzeugten aber der Mutter.
20Ulp. lib. XXXVIII. ad Sabin. Wer wahnsinnig wird, behält sowohl seinen persönlichen Zustand, als die Würde, welche er bekleidet hat, als sein Amt und seine Gewalt, wie er das Eigenthum seines Vermögens behält.
23Id. lib. I. Pandectar. Aus gemeinem Umgang empfangen werden diejenigen genannt, welche nicht sagen können, wer ihr Vater sei, oder die es zwar können, aber Jemanden zum Vater haben, der es nicht sein sollte; diese heissen auch spurii, παρὰ τὴν σποράν22Diese Spracherklärung lässt sich nicht übersetzen..
24Ulp lib. XXVII. ad Sabin. Das Naturgesetz lautet so, dass, wer ausser einer gesetzmässigen Ehe geboren wird, der Mutter folgt, wenn nicht ein besonderes Gesetz etwas anderes bestimmt.
25Id. lib. I. ad Leg. Jul et Pap. Für freigeboren muss man auch den annehmen, der durch ein rechtliches Erkenntniss dafür anerkannt worden ist, selbst wenn er ein Freigelassener gewesen sein sollte, weil hier die Rechtskraft statt der Wahrheit gilt.
26Julian. lib. LXIX. Digestor. Die Leibesfrucht wird fast im gesammten bürgerlichen Recht als schon lebend betrachtet. Denn es werden derselben sowohl gesetzmässige Erbschaften ausgeantwortet, als es geniesst auch das Kind eines vom Feinde gefangen genommenen Weibes [, welches in der Gefangenschaft geboren worden ist,] des Heimkehrrechts und folgt dem Stande des Vaters und der Mutter. Ist übrigens eine schwangere Sclavin heimlich entführt worden, so wird das von ihr geborene Kind, wenn sie auch bei einem Besitzer im guten Glauben geboren hat, als ein gestohlenes, demnach nicht ersessen. Diesem gemäss ist auch das, dass ein Freigelassener sich, so lange ein Sohn seines [verstorbenen] Freilassers geboren werden kann, in demselben Rechtsverhältnis befindet, wie diejenigen, deren Freilasser am Leben sind.