De usurpationibus et usucapionibus
(Von den Unterbrechungen der Verjährung und den Ersitzungen.)
1Gaj. lib. XXI. ad Ed. prov. Die Ersitzung ist zum allgemeinen Besten eingeführt worden, damit nemlich das Eigenthum an manchen Sachen nicht lange Zeit und beinahe für immer in Ungewissheit sei, indem den Eigenthümern der vorschriftmässige Zeitraum zur Nachforschung ihrer Sachen genügte.
4Paul. lib. LIV. ad Ed. Es folgt nun, von der Ersitzung zu handeln. Es soll hierbei die Folge beobachtet werden, dass wir untersuchen, wer ersitzen kann, welche Gegenstände, und in wie langer Zeit. 1Ersitzen kann [nur] der Hausvater; der Haussohn, besonders der Soldat, wird ersitzen, was er im Lager erworben hat. 2Der Unmündige ersitzt, wenn er unter seines Vormundes Ermächtigung zu besitzen angefangen; besitzt er ohne des Vormundes Ermächtigung, und hat den Willen zu besitzen, so werden wir sagen, dass er ersitzen könne. 3Der Wahnsinnige kann Das ersitzen, was er vor seinem Wahnsinne zu besitzen angefangen. Eine solche Person kann aber nur dann ersitzen, wenn sie aus einem Grunde besitzt, aus dem die Ersitzung erfolgen kann. 4Ein Sclave kann nicht als Erbe besitzen. 5Die Nutzungen und Kinder der Sclavinnen und das Junge des Viehes kann ersessen werden, wenn sie dem Erblasser auch nicht gehört haben22Es ist von der Ersitzung des Erben die Rede. S. Adrian. Pulvaei de rei furt. proh. usucap. cap. XI. (T. O. IV. 336.) Wiel. Jur. Rest. p. 70.. 6Die Vorschrift des Atinischen Gesetzes, dass eine gestohlene Sache nicht ersessen werde, wenn sie nicht in die Gewalt Dessen zurückgekehrt sei, dem sie entwendet worden, ist so verstanden worden, dass sie in des Eigenthümers Gewalt zurückkehren müsse, nicht aber schlechterdings in die Dessen, dem sie entwendet worden ist. Ist also eine solche dem Gläubiger entwendet worden, oder Dem, dem sie geliehen worden, so muss sie in des Eigenthümers Gewalt zurückkehren. 7Ad Dig. 41,3,4,7Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 182, Note 10.Auch sagt Labeo, dass, wenn eine zum Sondergute gehörige Sache meines Sclaven ohne mein Wissen gestohlen worden sei, er dieselbe aber nachher wiedererlangt habe, angenommen werde, sie sei in meine Gewalt zurückgekehrt. Vortheilhafter noch [für mich] wird behauptet, dass sie, wenn ich es auch gewusst habe, in meine Gewalt zurückgekehrt sei; denn es genügt nicht, wenn der Sclave die Sache, welche er ohne mein Wissen verloren, wiederergreift, wenn ich nur gewollt habe, dass sie zu seinem Sondergute gehören solle, denn wenn dies nicht mein Wille gewesen, so ist erforderlich, dass ich den Besitz selbst erlangt habe33Dieses Gesetz versteht Unterholzner Thl. I. S. 231. Anm. 241. gerade umgekehrt, und es veranlasst ihn bei Gelegenheit, dass er die Regel aufstellt, Rückkehr in die Gewalt eines Stellvertreters gilt ebenso, wie wenn die Sache in des Herrn Gewalt selbst gekommen, nur muss der Herr davon wissen, zu bemerken, dass es auffallend sei, dass nicht einmal dann davon eine Ausnahme stattfinde, wenn dem Sclaven Etwas entwendet worden, was er peculiariter besitze, da doch eine solche statthabe, wenn die Sache zur Zeit der Entwendung in des Stellvertreters Händen gewesen und der Herr nichts davon gewusst, indem hier Rückkehr an Erstern genüge, wenn Letzterer auch nichts davon wisse; er zieht also aus dem Gesetz den Schluss, der Herr müsse nothwendig wissen, dass der Sclave die Sache wiedererhalten habe, wenn angenommen werden solle, die Sache sei an den Herrn zurückgekommen. — Diese Behauptung hat mir, so lange ich sie kenne, nie einleuchten wollen. Da die Achtung, welche man dem Namen des genannten Rechtsgelehrten schuldig ist, ihn nur dann eines Irrthums zu zeihen erlaubt, wenn man hinreichende Gründe dazu hat, so bin ich hier um so mehr genöthigt, weitläuftig zu sein, als die Erklärung innig mit der Uebersetzung zusammenhängt. — U. selbst giebt sein dadurch gefundenes Resultat, wie er das Gesetz versteht, als auffallend an. Freilich aber macht er sich durch seine Abtheilung des Gesetzes die Sache selbst schwer, ja unauflöslich. Allein es ist gar nicht schwer, Das hinwegzuräumen, woran er sich stösst. Denn 1) me ignorante gehört zu subrepta sit, und nicht zu deinde; wäre es so gemeint, wie U. will, so stände deinde jeden Falls vor me ign. Ferner 2) sind Paul. und Labeo hier gar nicht in Streit; allerdings ist die Bemerkung von commodius an eine solche des Paul., aber er corrigirt den Labeo nicht, sondern er ergänzt ihn; dies beweist nicht nur die Sache und der Zusammenhang selbst, sondern hauptsächlich der Anfang: commodius dicitur etc. Mit diesem Ausdrucke wird nie direct und absolut widersprochen, sondern nur modificirt, vervollständigt, besonders da, wo der allgemeine Nutzen in Schutz genommen ist; diese Bedeutung kann man zu §. 11. de Verbor. Form. von Hänel noch hinzusetzen. 3) In dieser Beziehung heisst es dann: nec enim sufficit etc. nemlich für das zu begünstigende Verhältniss des Herrn zum Sclaven, und dessen Erwerb durch diesen, und hatte er vielleicht hier noch dasselbe Thema vor Augen, was er lib. eod., woraus diese Stelle auch genommen, in l. 1. §. 5. D. de acquir. vel amitt. poss. behandelt hat. 4) Das folgende ignorante me gehört aber zu perdidit, und nicht (wie auch unser Text hat,) zu adprehendat. Hiernach lässt sich nun 5) sciero auch auf den Verlust allein, und nicht auf die Wiedererlangung beziehen. 6) Ganz falsch versteht U. dies so: dass auch ich, (und nicht blos der Sclave) gewusst habe; allein dieser Gegensatz ist gar nicht vorhanden, weil vom scire des Sclaven überhaupt keine Rede ist, etiam si ist = etsi, licet, und nicht etiamsi ego sciero. 7) Der Satz von: nec enim sufficit — adprehendat ist ein wahrer Zwischensatz, und kann in Parenthese eingeschlossen werden; der Hauptsatz geht mit si modo in peculio etc. fort. Welche völlig zerrissene Gedankenreihe wäre es, si modo etc. dem Labeo wiederzuzueignen! — Endlich 8) dass der Herr wissen müsse, dass res peculiaris wiedererlangt sei, ist aus §. 8. ebensowenig zu schliessen, dieser spricht blos von rebus non peculiaribus, und hebt darum mit ideoque an, weil gerade gleich vorher für solche eine besondere Bestimmung getroffen ist. In extenso und in freier Uebersetzung sagt also die Stelle Folgendes: Labeo sagt, wenn meinem Sclaven eine res pecul. entwendet worden ist, und er sie wiedererlangt hat, so ist sie eo ipso in meine Gewalt zurückgetreten, ich mag von der Entwendung nichts gewusst haben, oder weder von der Entwendung, noch von der Wiedererlangung. Als vortheilhafter für mich, als Herrn in Betracht des Verhältnisses zum Sclaven, das überall begünstigt wird, wird aber von Andern behauptet (oder lässt sich aber behaupten), dass dies auch der Fall sei, wenn ich von dem Verluste gewusst und nichts von der Wiedererlangung; denn in dieser Hinsicht ist es nicht ausreichend, wenn mein Sclave nur die Sache sollte ohne mein Wissen wiedererlangen können, die er verloren hat, ohne dass ich darum weiss; es versteht sich, dass es mein Wille sein müsse, der Sclave solle die Sache als res pecul. fortbehalten, was präsumirt wird; entgegengesetzten Falls muss ich den Besitz selbst erlangen. Und ebendies findet statt, sobald von andern als reb. pecul. die Rede von Hause aus ist. Der Charakter, die Eigenschaft der Sache, rücksichtlich des Eigenthumsverhältnisses giebt also den Ausschlag, und ist es, die berücksichtigt werden muss, wenn von einem Sclaven in Bezug auf deren Verlust und Wiedererwerb die Rede ist, nicht aber das Wissen und Nichtwissen des Herrn allein, oder des Sclaven Handlung allein.. 8Daher wird auch, wenn mir mein Sclave eine Sache entwendet hat, nachher aber dieselbe an ihre Stelle wiederhinschafft, dieselbe ersessen werden können, als wäre sie in meine Gewalt zurückgekehrt, vorausgesetzt jedoch, dass ich es nicht gewusst habe; denn habe ich es gewusst, so ist erforderlich, dass ich es weiss, sie sei in meine Gewalt zurückgekehrt. 9Ferner, wenn mein Sclave die Sache, welche er mir gestohlen, Namens seines Sondergutes innehat, so wird sie, sagt Pomponius, nicht als in meine Gewalt zurückgekehrt betrachtet, ausser wenn man sie dergestalt zu besitzen anfängt, wie man sie besessen, bevor sie entwendet ward, oder, wenn man es erfahren, ihm gestattet, sie unter seinem Sondergute zu besitzen. 10So sagt auch Labeo, dass, wenn du eine Sache, welche ich bei dir niedergelegt habe, in gewinnsüchtiger Absicht verkauft, nachher aber, weil es dir leid geworden, sie zurückgekauft, und in demselben Zustande hast, es mag dies mit oder ohne mein Wissen vorgefallen sein, dieselbe, des Proculus Ansicht zufolge, in meine Gewalt zurückgekehrt sei, was auch richtig ist. 11Wenn einem Unmündigen eine Sache entwendet worden ist, so ist es hinreichend, wenn sein Vormund es weiss, dass sie in des Unmündigen Hand zurückgekehrt sei; und wenn einem Wahnsinnigen, so genügt es, dass es seine Curatoren wissen. 12Eine Sache, kann man sagen, ist dann in die Gewalt des Eigenthümers zurückgekehrt, wenn er deren Besitz erlangt hat, sodass er ihm rechtmässigerweise nicht entrissen werden kann44S. Unterholzner Thl. I. S. 233 ff. über diese dogmatisch schwer zu interpretirenden Worte.; es ist jedoch auch erforderlich, dass [er den Besitz daran] als an einer ihm gehörigen Sache [erlangt haben müsse]; denn wenn ich, ohne zu wissen, dass mir eine Sache gestohlen sei, dieselbe kaufe, so wird sie nicht als in meine Gewalt zurückgekehrt betrachtet. 13Nicht minder wird Ersitzung stattfinden, wenn ich eine mir gehörige gestohlene Sache mit der Eigenthumsklage in Anspruch genommen, und die Streitwürderung erhalten habe, wenngleich ich deren Besitz körperlich nicht erlangt habe. 14Dasselbe gilt, wenn sie mit meinem Willen einem Andern übergeben worden ist. 15Der Erbe, der in das Recht eines Verstorbenen nachgefolgt ist, wird, wenn auch bei ihm eine Sclavin empfangen und geboren hat, von der er nicht weiss, dass sie eine gestohlene sei, dieselbe doch nicht ersitzen. 16Darüber ist Frage, ob, wenn mein Sclave mir eine gestohlene Sclavin für seine Freiheit gegeben, ich das von ihr bei mir empfangene Kind ersitzen könne? Sabinus und Cassius meinen, nein, weil der Besitz, den ein Sclave mangelhafterweise erlangt hat, dem Herrn nachtheilig ist, und sie haben Recht55Man sehe die dogmatische Erläuterung dieser Stelle, welche l. 10. pro emt. widerspricht, bei Donell. Comment. V. 25. §§. 5. sq.. 17Auch wenn mir Jemand eine gestohlene Sclavin gegeben hat, um meinen Sclaven freizulassen, und diese bei mir empfangen und geboren hat, werde ich [das Kind] nicht ersitzen. Derselbe Fall findet statt, wenn ich die Sclavin von Jemand eingetauscht, oder als Zahlung angenommen, oder geschenkt erhalten habe66S. Unterholzner Thl. I. S. 432.. 18Wenn der Käufer [der Sclavin], noch vor deren Niederkunft erfährt, dass sie eine fremde sei, so, haben wir gesagt77Ueber dieses diximus s. Unterholzner a. a. O., könne er nicht ersitzen; hat er es nicht gewusst, so kann er es; hat er sie aber, als er sie schon ersass, als fremde kennen lernen, so muss man auf den Anfang der Ersitzung sehen, sowie man es in Ansehung gekaufter Sachen angenommen hat. 19Ad Dig. 41,3,4,19Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 186, Noten 12, 14.Die Wolle von gestohlenen Schaafen kann, wenn sie beim Diebe abgeschoren worden, nicht ersessen werden; wenn aber beim Käufer im guten Glauben, allerdings, weil sie zu den Nutzungen gehört, und nicht ersessen zu werden braucht, sondern gleich dem Käufer zu eigen wird. Dasselbe gilt von den Lämmern, wenn sie verzehrt worden sind; und es ist wahr. 20Ad Dig. 41,3,4,20Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 187, Note 3.Wenn du aus gestohlener Wolle ein Kleid gemacht hast, so ist es richtiger, auf die Bestandtheile zu sehen, und darum wird das Kleid ein gestohlenes sein. 21Wenn der Schuldner eine verpfändete Sache untergeschlagen und verkauft hat, so, schreibt Cassius, könne sie ersessen werden, weil angenommen wird, dass sie in des Eigenthümers Gewalt gekommen sei, der sie zum Unterpfande bestellt hat, obwohl wider den Erstern Diebstahlsklage erhoben werden kann; und das halte ich für richtig. 22Wenn du mich aus dem Besitz eines Landgutes gewaltsamerweise vertrieben, und den Besitz selbst nicht ergriffen hast, sondern Titius nun in den leeren Besitz eingetreten ist, so kann der Gegenstand nach Ablauf langer Zeit ersessen werden; denn wenngleich das Interdict Von wo mit Gewalt stattfindet, weil es eine Wahrheit ist, dass ich gewaltsamerweise daraus vertrieben worden bin, so ist es doch auf der andern Seite nicht wahr, dass es auch mit Gewalt in Besitz genommen worden sei. 23Uebrigens wird ein Landgut auch dann, wenn du mich, den Besitzer im schlechten Glauben daraus getrieben und es verkauft hast, nicht erworben werden können, weil es wirklich gewaltsamerweise in Besitz genommen worden ist, wenn auch vom Nichteigenthümer. 24Dasselbe gilt von Dem, der Den daraus vertrieben hat, der als Erbe besass, wenn jener auch weiss, dass es ein erbschaftliches Landgut sei88S. Unterholzner Thl. I. S. 248. Anm. 258.. 25Wenn der Eigenthümer eines Landgutes den Besitzer mit Gewalt daraus vertrieben hat, so, sagt Cassius, erscheine es nicht als in seine Gewalt zurückgekehrt, sobald er durch das Interdict Von wo mit Gewalt den Besitz wird herausgeben müssen. 26Wenn ich über dein Landgut einen Fahrweg habe, und du mich davon gewaltsam zurückgetrieben hast, so werde ich durch Nichtgebrauch lange Zeit über den Fahrweg verlieren, weil ein unkörperliches Recht weder besessen werden, noch von dem Fahrwege, das heisst einem blossen Rechte, Jemand vertrieben werden kann99Unterholzner Thl. II. S. 220. Anm. 666. Ich ziehe das id est der Florentina vor.. 27Ebensowenig wird von dir angenommen, du besitzest mit Gewalt, wenn du dich eines leeren Besitzes bemächtigt, und den dann kommenden Herrn [an dem Eintritt in den Besitz] verhindert hast. 28Dass die Befreiung von Dienstbarkeiten ersessen werden könne, ist als richtig anzunehmen, weil das Scribonische Gesetz nur die Ersitzung aufhob, welche eine Dienstbarkeit begründet, nicht auch diejenige, welche die Freiheit durch Aufhebung der Dienstbarkeit wiederherstellt. Wenn ich daher, falls ich dir zu einer Dienstbarkeit verpflichtet war, etwa der, dass mir höher zu bauen verboten war, die vorgeschriebene Zeit über höher gebaut gehabt habe, so wird die Dienstbarkeit aufgehoben sein.
5Gaj. lib. XXI. ad Ed. prov. Natürlicherweise1010D. h. es versteht sich von selbst, Unterholzner Thl. I. S. 462. Anm. 451. wird der Besitz unterbrochen, wenn Jemand gewaltsamerweise aus dem Besitz vertrieben, oder ihm eine Sache entrissen wird; welchen Falls nicht blos in Bezug auf Den1111Adversus in dieser Bedeutung mit Unterholzner Thl. I. S. 462. Anm. 453. macht Bynkershoek’s Obs. IV. 25. no. 8. Emendation unnöthig., der sie entrissen hat, der Besitz unterbrochen wird, sondern in Bezug auf Alle. Uebrigens ist es in diesem Falle einerlei, ob der den Besitz Unterbrechende Eigenthümer ist, oder nicht, und ebensowenig ob Jemand Etwas als Sein besitzt, oder aus einem bereichernden Grunde.
7Ad Dig. 41,3,7Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 103, Noten 12, 15.Idem lib. XXVII. ad Sabin. Wer daher um Mitternacht des ersten Januars zu besitzen angefangen hat, der erfüllt die Ersitzung um Mitternacht des [folgenden] letzten Decembers12.
8Paul. lib. XII. ad Ed. Labeo und Neratius haben zum Gutachten ertheilt, es könne Das ersessen werden, was die Sclaven Sondergutsweise erlangt haben, weil die Herren dies auch ohne es zu wissen ersitzen. Dasselbe sagt Julianus. 1Wer aber im eigenen Namen nicht ersitzen kann, der kann, wie Pedius schreibt, auch durch seinen Sclaven nicht erwerben.
9Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. Der Ersitzung unterliegen namentlich körperliche Gegenstände1313Unterholzner Thl. II. S. 134. Anm. 614., mit Ausnahme der heiligen, der geweihten und der öffentlichen des Römischen Volks und der Städte, sowie freier Menschen.
10Ulp. lib. XVI. ad Ed. Wenn eine fremde Sache im guten Glauben gekauft worden ist, so frägt es sich, ob dazu, dass die Ersitzung anhebe, [blos] das Vorhandensein des guten Glaubens zu Anfang des Kaufes, oder [auch] der Uebergabe erforderlich sei? — Hier überwog des Sabinus und Cassius Ansicht, die auf den Zeitpunkt der Uebergabe [auch]1414S. Glück VIII. S. 338. Unterholzner S. 414. Anm. 413. Der Streit war nemlich darüber: ob ausserdem, d. h. ausser auf die Zeit des Kaufs, auch auf die des wirklichen Besitzanfangs durch Uebergabe zu sehen sei. Rücksicht genommen wissen wollten. 1Ad Dig. 41,3,10,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 213, Note 1.Es ist bei Uns Rechtens, dass Dienstbarkeiten für sich allein nirgends durch lange Zeit ersessen werden können; mit Gebäuden zusammen können sie es1515Das Beste über diese Stelle sagt wohl Unterholzner Thl. II. S. 148. ff. Ich lese nusquam.. 2Ad Dig. 41,3,10,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 144, Noten 2, 4; Bd. I, § 182, Note 6.Scaevola schreibt im elften Buche seiner Quaestionen, Marcellus sei der Ansicht gewesen, dass, wenn ein Rind bei dem Diebe tragend geworden, und bei dessen Erben geworfen habe, das vom Erben verkaufte Rind nicht ersessen werden könne, eben so wenig, sagt er, wie das Kind einer Sclavin. Scaevola schreibt aber, seiner Meinung nach könne er das Junge ersitzen; denn das Junge ist kein Theil des gestohlenen Gegenstandes. Wäre es ein solcher, so konnte es ja auch nicht, wenn es bei einem Besitzer guten Glaubens geboren worden, ersessen werden1616D. h. es würde einerlei sein, ob es bei einem Besitzer b. f. oder m. f. geboren worden, was man doch nicht zugeben kann. Unterholzner Thl. I. S. 224..
13Idem lib. V. ad Plaut. Eine zum Pfande empfangene Sache kann man nicht ersitzen, weil man sie als einem Andern gehörig besitzt. 1Wer von einem Wahnsinnigen im guten Glauben kauft, der, ist entschieden worden, kann ersitzen. 2Ad Dig. 41,3,13,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 176, Note 7.Wenn ich dir aufgetragen habe, ein Landgut zu kaufen, so ersitzest du dasselbe, wenn es dir aus diesem Grunde übergeben worden ist, durch langen Besitz, obschon es scheinen könnte, dass du es nicht als dein eigen besitzest, indem nichts darauf ankommt, weil du durch die Auftragsklage haftest.
14Idem lib. XIII. ad Plaut. Dem Käufer ist die Zeit von Nutzen, welche hindurch der Verkäufer vor dem Verkauf besass; denn wenn der Verkäufer den Besitz nachher erlangt hat, so wird der Besitz dem Käufer nichts nützen. 1In Bezug auf einen vermachten Gegenstand, ist der Vermächtnissinhaber durch die [stattfindende] Anknüpfung der Zeit, welche hindurch der Testator besass, gewissermaassen1717Weil er auch einen neuen Ersitzungsbesitz anfangen kann. Unterholzner Thl. I. S. 475. Anm. 472. als Erbe zu betrachten.
15Idem lib. XV. ad Plaut. Wenn Derjenige, welcher als Käufer besass, vor der Vollendung der Ersitzung von den Feinden gefangen genommen worden ist, so ist es die Frage, ob seinem Erben die Ersitzung fortlaufe? — Denn die Ersitzung wird unterbrochen, und wenn sie selbst dem Zurückgekehrten nichts nutzt, wie sollte sie da dem Erben nutzen können? — Nein, es ist unbestreitbar1818Sed verum est etc. Die Wendung ist hier etwas schwierig, aber doch jeden Falls verneinend, s. Unterholzner Thl. I. S. 485., dass er noch bei seinen Leizeiten den Besitz verloren habe, und daher nutzt ihm auch das Heimkehrrecht nicht dazu, dass angenommen werden könnte, er habe ersessen. Hat der Sclave Dessen, der sich in feindlicher Gefangenschaft befindet, gekauft, so, sagt Julianus, bleibe die Ersitzung ausgesetzt; sei nemlich der Herr zurückgekehrt, so werde die Ersitzung als geschehen angenommen; wenn er daselbst gestorben, so sei es die Frage, ob [die Ersitzung] durch das Cornelische Gesetz nicht seinen Rechtsnachfolgern gebühre? — Marcellus [ist der Ansicht], es könne die Rechtserdichtung des Gesetzes richtiger verstanden werden, [als dass ein Zweifel übrig bleibe,] denn wie sollte der durch das Heimkehrrecht Zurückgekehrte mehr Recht haben können in Ansehung Dessen, was seine Sclaven gethan haben, als Dessen, was er durch sich selbst, oder einen Sclaven besass, als er in feindliche Gefangenschaft fiel? Auch ist die Erbschaft nur in einiger Beziehung als die Person vertretend angenommen worden; es habe also die Ersitzung für die Rechtsnachfolger nicht statt1919Von Accursius bis auf den heutigen Tag ist die Auslegung und Vereinigung dieser Stelle mit den übrigen denselben Gegenstand behandelnden versucht worden, ohne dass man einen Schritt weiter gekommen ist, als vielleicht die Verfertiger der Basiliken waren. Andr. Alciat. Paradox. l. 6. c. 2. Anton. Augustin. Emend. et Obs. I. 3. Cujac. Obs. XII. 10. Pancirolus Thes. var. lect. l. II. c. 112. Ramos del Manzano ad tit. de acqu. vel am. poss. Pars II. c. II. (T. M. VII. 99.) de Retes Opuscul. l. VI. c. 11. (T. M. VI. 300.) Best. ratio em. legg. c. 22. Unterholzner Th. I. S. 421. 485ff. haben alle mögliche Waffen der Interpretation angewendet, doch Wenige glauben sogar, dass ihrer Auslegung kein Zweifel entgegenstehe, und alle diese nur nach gewaltsamen Operationen mit der Lesart. Wie mangelhaft das Resultat Aller sei, davon wird sich Jeder, wer die genannten Interpreten prüft, überzeugen; sollte man meiner Versicherung nicht glauben, dass, wenn man Alle sorgsam gelesen, Alles verglichen, aus ihren Deductionen nur mit einer völligen Verwirrung der eigenen Ideen sich wieder herauswindet, so verweise ich auf Unterholzner, der gewiss selbst auch Alles geprüft hat und keinen Schritt vorwärts gerückt ist. Lassen wir daher alle Interpreten bei Seite gesetzt, und suchen aus der Quelle des Streits und des Zweifels selbst einen Weg zur Vereinigung. Das obige Gesetz (Paul.) behandelt mit l. 22. §. 3. de Capt. (Julian.), l. 44. §. 7. de usurp. u. l. 19. ex quib. css. maj. (Papin.), l. 12. §. 2. de Capt. (Tryphon.), l. 23. §. 1. ex quib. css. maj. (Ulpian.), u. l. 29. de Capt. (Paul.) gleiche und verwandte Materien, und ist es die Frage, wie des Marcell. Meinung in demselben zu verstehen sei. Es finden sich nun in allen Stellen folgende Fragen behandelt: I) Qui per se possidebat, an captus ex postliminio reversus continuat possess. et usucapionem? — Hierauf antworten: Papinian.: nein; Tryphon.: nein; Ulpian.: nein; Paul.: nein; Letzterer stellt dabei die Unterfrage auf, an heredi procedat usucapio, defuncto illo apud hostes? und beantwortet sie auch: nein; II) Quod servus, domino capto, ex causa peculiari possidet, an usucapio domino reverso vel mortuo heredi continuatur? — Hierauf antworten: Julian.: ja; Papin.: ja; Marcell. dissentirt; Tryphon. stimmt aber gegen ihn und tritt dem Julian. bei. In der zweiten Stelle, wo Julian. referendo erwähnt wird, sagt Paul. von ihm, in Bezug auf die successores, dubitavi an? — III) Si non ex causa peculiari an domino captivo poss. et usucapio quaeritur? — Papin.: nein. An heredi mortuo domino? Ders.: ja. Ich bemerke zu des Paul. ja auf die Frage II., dass in l. 15. Paul. offenbar den Julian. von reb. peculiar. reden lässt, wie Unterholzner S. 421 richtig bemerkt, worin ihm schon Retes vorangegangen ist. Nun entsteht aber die Hauptfrage; was meint denn Marcell. über diejenigen dieser Fragen, bei deren Gelegenheit seine Meinung mit angeführt wird? — Dieselbe spricht sich aus in l. 12. §. 2. de Capt., worin Tryphon. zuerst auf die Frage I, nein, und Julian. auf Frage II, ja antwortet, nihil interesse ipse possedisset an subjecta ei persona, worauf Tryphon. fortfährt: sed Juliani sententia sequenda est; und in l. 15. (oben) hinter Julians Zweifel, in Bezug auf die successores, so: Marcell.: posse plenius fictionem legis accipi. Quemadmodum enim postl. vers. plus jur. hab. potest in his, quae servi egerunt, quam his quae per se vel per servum possidebat, cum ad hostes pervenit? Nam heredit. in quibusdam vice personae fungi receptum est; ideoque in success. locum non hab. usucap. — Dass Marcell. dissentirt, ist klar, aber — will er der fictio legis eine grössere Ausdehnung zugestehen, als die übrigen ICti? will er mithin sagen, auch die Frage I. müsse bejahet werden? oder will er Frage II. u. III. schlechterdings verneinen? — (Wie es möglich ist, aus dem Gesetze 15. herauszufinden, dass er beider Ansichten sei, was Unterholzner S. 486. als Resultat bringt, und wie Marcell. beides behaupten könnte, ohne die grösste Inconsequenz sich zu Schulden kommen zu lassen, und ohne die fictio legis zur wächsernen Nase zu machen, davon möchte ich mit Best sagen: aut talpa sum, aut haec adversus cornibus pugnant; ob die fictio legis, wie Unterholzner will — worin er dem Pancirol. beitritt — die f. postliminii, und nicht die leg. Corneliae sei, darauf kann auch nichts ankommen; im Gegentheil muss meines Erachtens letztere verstanden werden.) Es lässt sich nicht leugnen, dass für beide Meinungen Gründe vorhanden sind. Denn 1) spricht für die Bejahung, und also für das Extendiren der Julian’schen Ansicht a) das wenigstens Unbestimmte der Marcell’schen Meinung in l. 12. §. 2. de Capt.; b) scheint es am natürlichsten, die Anfangsworte der Marcell’schen Meinung so zu verstehen, das Gesetz erlaube, die Fiction noch weiter auszudehnen, und das ist der Hauptgrund. c) Die Vergleichung quemadmodum etc. ist diesem Gedankengang entsprechend. d) Das, was dieser Meinung gleich ein schlechtes Vorurtheil bereitet, nemlich die von deren frühern Vertheidigern unter den Interpreten geforderte Herauswerfung des non am Ende (was Alciat. u. Augustin. vertheidigen, Ersterer liest nach seinem Msppt. statt locum non, novam), liesse sich sogar entweder so vermeiden, dass man entweder die Schlussworte von ideo an so übersetzte: „und darum haben die Rechtsnachfolger keine Ersitzung nothwendig;“ oder wörtlich: „und darum braucht in Ansehung derselben keine [besondere] Ersitzung stattzuhaben,“ nemlich, weil die früher per servum vivo domino begonnene für die successores gilt, oder man könnte die Alciatische Lesart novam, ohne non zu streichen, mit hineinbringen, wodurch dasselbe Resultat, nur noch deutlicher, herauskommt. — Allein es wird Niemandem das Mangelhafte dieser Auslegung, und was sich daran ausstellen lässt, entgehen, wieviel gezwungen und bei den Haaren herbeigezogen erklärt werden muss. Bei weitem mehr scheint mir für die andere Meinung zu sprechen, dass nemlich Marcell. nicht Das, was die Julian. leugnet, bejahe, sondern, dass er, was dieser bejahet, dass nemlich quod servus usuceperit domino ab hostibus non reverso ad heredes pertinere, verneine. Denn a) es ist ganz unwahrscheinlich, dass Marcell. in einer so folgereichen Frage sich allein dem Ansehen der grössten Rechtslehrer vor ihm und noch dazu b) so kurz widersetzt habe, ja ohne einmal der übereinstimmenden (wenigstens scheinbar, da uns der Zusammenhang völlig fehlt!) Meinung Labeo’s l. 29. de Capt. zu gedenken. Liest man l. 12. §. 2. de Capt. im Zusammenhang rasch über, so ergiebt sich als unzweifelhaft, dass Marcell. dem Julian. nur darin widerspreche, per personas juri domini captivi subjectas (für die successores) sub tempore impleri usucapionem, nicht aber dem Eingange des Gesetzes, in Ansehung des ipse possidens captivus! Denn zuerst spricht in l. 12. §. 2. Tryphonin. von einer allgemeinen Regel wegen des ipse possidens captivus, darauf gedenkt er einer von Julian dazu gemachten Bemerkung wegen des captivus per alium possidens, rücksichtlich dessen es sich die usucapio anlangend umgekehrt verhalte, wie beim ipse possidens; jetzt folgen Marcell’s Worte: nihil interesse etc., und dann schliesst Tryphonin.: Sed Juliani sententia sequenda est. Also ist es klar, dass Marcell. nur dessen gemachter Ausnahme widerspreche! sonst könnte es ja nicht heissen Juliani sententia, sondern etwa aliorum, veterum sententia. c) Die Vergleichung quemadmodum passt zu diesem Sinn bei weitem besser, als zu dem nach der entgegengesetzten unter 1) behandelten Auslegung; „denn“, sagt Marcell., „wie sollte man es denn rechtfertigen, dass der reversus per servum mehr Recht solle haben können, als per se possidens? d) das nach der andern Auslegung alles Zusammenhanges völlig ermangelnde nam hereditatem in quibusdam, lässt sich ganz natürlich hier für sed verstehen, wie es öfters gebraucht wird (Brisson §. ult. h. v.) oder für etiam, oder plane; ja, es wäre wohl die Conjectur nicht unzulässig, pervenit? nam, zu restituiren pernenit? etiam. Ein ähnlicher Fall, wo aus der Endsylbe it und einem folgenden sinnlosen nam, durch conjecturirtes etiam (mittels Gemination) Sinn hergestellt worden, ist l. 33. ult. h. t. Dass hinter quibusdam, duntaxat zu ergänzen sei, ist kein Streit. e) Nun passt auch völlig der verneinende Schluss, den man nicht künstlich zum bejahenden zu machen braucht. — Es ist aber auch hier nicht zu übersehen, dass eine bedeutende Schwierigkeit übrigbleibt; würde diese siegreich widerlegt, so wäre wohl kein Zweifel an der bisherigen Interpretation mehr übrig, nemlich die Anfangsworte des Marcell. posse plenius fictionem legis accipi, die offenbar gegen Julian gerichtet sind, und allerdings mehr eine ausdehnende Bejahung Dessen aus dem Gesetz zu folgern scheinen, was Julian bezweifelt, als eine Verneinung. Schon Andere haben es auffallend gefunden (Unterholzner S. 421.), warum Julian in l. 15. zweifelnd spreche, da er sich doch l. 22. §. 3. de Capt. ganz bestimmt erkläre? „Sollte Paul., sagt Unterholzner, eine andere Stelle des Julian vor Augen gehabt haben?“ — Diese Schwierigkeit lässt sich doppelt lösen; entweder hat Paul. wirklich eine andere Stelle vor Augen gehabt, und dann wäre es die von Tryphonin. aufbewahrte Relation der Pauli’schen Ansicht, nach der lectio Florent. Julian. scribit: credi suo tempore impleri usucap. oder man kann geradezu behaupten, Julian habe nie gezweifelt, denn dubitatur an, heisst ja oft ebenso viel als non dubitatur, s. Noodt ad leg. Aquil. cap. 6. (Op. T. I. p. 126.) (und für diesen Fall liesse sich auch entweder das credi anders auslegen, oder man läse heredi mit der Vulg.). Berücksichtigt man nun, dass vorher mit überzeugenden Gründen dargethan worden, welcher Ansicht Marcell. gewesen sei, so folgt freilich hieraus, dass die beregten Anfangsworte damit im vollkommensten Widerspruche stehen, wenn sie heissen sollen, die fictio leg. könne noch ausgedehnter verstanden werden. Best will dem durch Verwandlung des plenius in planius abhelfen; allein dies möchte einerseits nicht viel Beifall finden, und andererseits wäre damit nichts gewonnen, weil planius accipi am Ende mit plenius accipi auf eins hinausläuft; es bleibt daher nichts übrig, als es so zu nehmen „es könne die fictio leg. richtiger verstanden werden“, nemlich: „als dass ein Zweifel übrig bleiben dürfe“; dieser Sinn des plenius accipi ist wenigstens in abstracto (man s. z. B. l. 15. §. 28. de injur. etc. wo von einer plenior animadversio praetoris die Rede ist) nicht wegzustreiten, und passt hier offenbar am besten, wenn sich schon Marcell. deutlicher hätte ausdrücken können, wenn er dies sagen wollte. — In freier Uebersetzung und in extenso würde die Stelle nun also Folgendes sagen: „— wenn er daselbst gestorben, so stehe es dahin, ob nicht die Ersitzung zufolge des Cornelischen Gesetzes an seine Erben falle. Marcellus hingegen sagt: Die richtige Erklärung der Fiction lasse gar keinen Zweifel darüber zu. Denn wie solle man es denn rechtfertigen, dass der durch das Heimkehrrecht Zurückgekehrte in Ansehung Dessen, was seine Sclaven gethan, mehr Rechte haben solle, als in Ansehung Dessen, was er selbst oder durch einen solchen besessen, ehe er gefangen werde? — Auch helfe es nichts, was die Erben angehe, die Erbschaft als die Person vertretend betrachten zu wollen, da dies nur in einzelnen Fällen eintrete; es habe also für die Rechtsnachfolger keine Ersitzung statt“. — Dass es endlich sonderbar sei, warum Paul. der schon früher verworfenen Meinung des Marcell. nicht auch gleich widerspreche, das lässt sich freilich nicht in Abrede stellen. Indessen gicht es solcher Anstösse mehr, die am Ende ihren Grund blos in der Gestalt finden, wie die Fragmente in den Digesten auf uns gekommen sind.. 1Wenn ein Sclave, den ich besass, entflohen ist, so wird, wenn er sich nicht als Freier benommen, angenommen, er werde von seinem Herrn besessen; dies ist jedoch nur dann der Fall, dafern er, wenn er ergriffen worden, nicht bereit ist, für seine Freiheit einen Rechtsstreit durchzuführen, denn wenn er zu einem Rechtsstreit bereit ist, so wird nicht angenommen, dass er von seinem Herrn besessen werde, dem er sich als Gegner zu widersetzen anschickt. 2Wer in gutem Glauben besitzend, den Besitz vor Vollendung der Ersitzung verloren, darauf erfahren hat, dass der Gegenstand einem Andern gehöre, und wiederum den Besitz erlangt, der wird nicht ersitzen, weil der Anfang seines zweiten Besitzes ein mangelhafter ist. 3Wenn ein uns aus einem Testamente oder einer Stipulation gebührender Gegenstand uns übergeben wird, so muss auf unsere Ueberzeugung zu der Zeit Rücksicht genommen werden, wo die Uebergabe stattfindet, weil es als zulässig angenommen worden ist, dass auch eine dem Versprecher nicht gehörige Sache stipulirt werden könne.
16Javolen. lib. IV. ex Plaut. Namens eines verpfändeten Sclaven muss die Klage auf Auslieferung nicht wider den Schuldner, sondern wider den Gläubiger gerichtet werden, weil der Verpfänder nur zur Ersitzung besitzt. In jeder andern Beziehung ist aber der Empfänger Besitzer, sodass also der Besitz des Pfandstellers angeknüpft werden2020Adici = adjici = accedere, s. Radulph. Forner. Rer. quotid. l. II. c. 1. (T. O. II. 160.), Cujac. Obs. XI. c. 11. Basil. ἀμέλει καὶ προστίθεται ἡ νομὴ αὐτοῦ, u. zu dies. Stelle Gul. Otto Reitz n. 24. (T. M. V. p. 52.) kann.
17Marcell. lib. XVII. Dig. Wenn ich, nach meinerseits aus Irrthum geschehener Einlassung auf eine Gemeingutstheilungsklage über Andern gehörige Langüter, wie wenn sie mir gehörten, und erfolgter Zuerkennung als Eigenthum zu besitzen angefangen habe, so kann ich durch Ablauf langer Zeit ersitzen.
19Javolen. lib. I. Epist. Wenn du einen Sclaven [unter der Bestimmung] gekauft hast, dass, wenn eine Bedingung eingetreten wäre, der Kauf als ungeschehen betrachtet werden solle, und derselbe dir übergeben worden ist, darauf aber die Bedingung den Kauf wieder aufgelöst hat, so muss meiner Meinung nach die Zeit, welche über er beim Käufer gewesen, dem Verkäufer zugerechnet werden, weil der Verkauf auf diese Art, ähnlich der Wandelung, rückgängig geworden ist, bei welcher ohne allen Zweifel die Zeit Dessen, der ihn zur Zurücknahme genöthigt, dem Verkäufer zugerechnet wird, weil dies eigentlich kein Verkauf genannt werden kann.
21Idem lib. VI. Epist. Ich habe Demjenigen, wider den ich ein Landgut, wenn ich den Besitz als Erbe längere Zeit über fortgesetzt hätte, ersessen haben würde, dasselbe verpachtet; ich frage, ob du die Verpachtung von Gültigkeit hältst; wenn aber nicht, glaubst du, dass die Ersitzung des Landgutes nichtsdestoweniger fortdauere? Ich frage ferner, was du über die vorgedachten Umstände dann glaubst, wenn ich ihm das Landgut verkauft habe? — Antwort: wenn Derjenige, der als Erbe ein Landgut besass, dasselbe an den Eigenthümer verpachtet hat, so ist die Verpachtung von gar keiner Gültigkeit, weil der Eigenthümer seine eigene Sache gepachtet hat; daraus folgt, dass der Verpächter auch den Besitz nicht behält; mithin wird auch die Verjährung lange Zeit nicht fortdauern. Vom Verkauf gilt ganz Dasselbe, was vom Verpacht, nemlich dass ein Kauf an einer eigenen Sache nicht statthaben könne.
23Idem lib. IX. Epist. Ad Dig. 41,3,23 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 152, Note 3.Wer ein Haus gekauft hat, der besitzt meiner Ansicht zufolge nichts weiter als das Haus selbst; wollte man annehmen, er besitze die einzelnen Gegenstände [woraus es besteht], so wird er das Haus selbst nicht besitzen. Denn wenn die einzelnen Gegenstände, woraus das Haus besteht, von einander abgesondert werden, so fällt der Begriff der Gesammtheit des Hauses weg; hierzu kommt2121Accedit, s. Unterholzner Thl. I. S. 164. Anm. 163. Savigny S. 226. Anm. (2.), dass, wenn Jemand behaupten wollte, er besitze die einzelnen Gegenstände, nothwendigerweise daraus folgen würde, dass er auch behaupten müsse, es finde für den Besitz des über der Erde befindlichen wirklichen Gebaueten die für bewegliche Sachen vorgeschriebene Zeit statt, den Grund und Boden ersitze er aber erst nach längerer Zeit; dies wäre aber ganz widersinnig und dem bürgerlichen Rechte geradezu entgegen, dass eine und dieselbe Sache in verschiedenen Zeiträumen ersessen werde, indem ein Haus aus zwei Theilen besteht, dem Grund und Boden, und dem, was darauf gebaut ist, und der gesammte Inbegriff beider durch den die für unbewegliche Gegenstände bestimmte Zeit über dauernden Besitz das Eigenthum ändert2222Die Schlussworte ebenfalls nach Savigny a. a. O.. 1Wenn aber eine Säule entwährt worden ist, so kannst du, meiner Ansicht zufolge, wider den Verkäufer rechtlichermaassen Klage erheben, und auf diese Weise Schadloshaltung erlangen. 2Wenn aber ein Haus niedergerissen worden ist, so müssen die beweglichen Gegenstände von Neuem in Besitz genommen werden, damit sie binnen der für die Ersitzung beweglicher Gegenstände bestimmten Zeit ersessen werden, und man kann sich der Zeit, welche hindurch sie im Gebäude steckten, dazu rechtlichermaassen nicht bedienen; denn ebensowenig du dieselben allein und getrennt vom Gebaude besessen hast, sind sie auch nicht einzeln für sich und getrennt, da sie mit dem Gebäude zusammengehangen haben, bei dir gewesen, wenn dasselbe niedergerissen worden, welches selbst Dinge dieser Art enthielt2323Einen andern als obigen Sinn bringe ich aus dem jeden Falls corrumpirten Satz: nam quemadmod. eas solas et separ. ab aedif. non possedisti, sic nec penes te singulae aut separ. fuerunt et cohaerentibus his in aedif., depositis aedibus, quae hoc quoque ipsum possident, nicht heraus; das et wird wohl überflüssig sein, ist (wie in unserm Text) auch in vielen Ausgaben in Klammern, und fehlt im Mscrpt. Rehd. (Gött. C. J. Ausgabe); Hal. schieht vor depos. nec ein; wie Unterholzner Th. I. 165. nach seiner Abtheilung die Stelle versteht, ist mir unverständlich.; denn es kann keinen Falls als zulässig angenommen werden, dass dieselbe Sache als eine unbewegliche und eine bewegliche besessen worden sei.
24Pompon. lib. XXIV. ad Quint. Muc. Wo ein Gesetz die Ersitzung verbietet, nützt dem Besitzer der gute Glaube nichts. 1Zuweilen läuft die Ersitzung dem Erben fort, wenn sie auch vom Erblasser gar nicht angefangen worden ist, z. B. wenn dem nicht aus der Person, sondern aus der Sache entgegenstehenden [Besitz-]mangel abgeholfen worden ist, etwa also eine dem Fiscus gehörige Sache, oder eine gestohlene, oder gewaltsam in Besitz genommene dies zu sein aufgehört hat.
25Licin. Rufin. lib. I. Regular. Ohne Besitz kann keine Ersitzung stattfinden.
26Ad Dig. 41,3,26Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 223, Note 14.Ulp. lib. XXIX. ad Sabin. Was sich über dem Grund und Boden darauf gebaut befindet, kann ohne letztern durch lange Zeit nicht ersessen werden.
27Idem lib. XXXI. ad Sabin. Celsus sagt im vierunddreissigsten Buche, es seien Diejenigen im Irrthum, die da glaubten, dass jedweder die Sache, an der er den Besitz im guten Glauben erlangt habe, als sein ersitzen könne, ohne dass darauf etwas ankomme, ob er sie gekauft habe, oder nicht, oder ob sie ihm geschenkt worden sei, oder nicht, sobald er nur glaube, dass das Eine oder das Andere geschehen sei, weil weder die Ersitzung als Vermächtniss, noch als Geschenk, noch als Mitgift gelte, wenn keine Schenkung, keine Mitgift, oder kein Vermächtniss erfolgt sei. Dasselbe gilt von der Streitwürderung, sodass er nicht ersitzen könne, wenn er sich nicht derselben wirklich unterworfen habe.
28Pompon. lib. XVII. ad Sabin. Wenn dem Slaven eines Wahnsinnigen oder Kindes eine Sache übergeben worden ist, so können diese Personen, wie bekannt, durch ihn ersitzen2424Ex peculiari causa, s. Unterholzner Thl. I. S. 418. Anm. 418..
29Idem lib. XII. ad Sabin. Während ich allein Erbe war, aber glaubte, du seiest auch zur Hälfte Erbe, habe ich die Erbschaftssachen zur Hälfte übergeben; hier spricht mehr dafür, dass du dieselben nicht ersitzen könnest, weil Dasjenige auch nicht als Erbgut ersessen werden kann, was wider den Erben ersessen worden ist, und du gar keinen andern Grund des Besitzes hast; dies gilt jedoch nur dann so, wenn es nicht in Folge eines Vergleiches geschehen ist. Dasselbe lassen wir gelten, wenn du auch glaubst, du seiest Erbe, denn hier wird dir auch der Besitz des wahren Erben entgegenstehn2525Unterholzner Thl. I. S. 372. Anm. 371..
30Idem lib. XXX. ad Sabin. Ad Dig. 41,3,30 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 138, Noten 1, 3.Ob eine Vermischung [verschiedener] Gegenstände die vorangegangene Ersitzung eines jeden [einzelnen] unterbreche, ist die Frage. Es giebt drei Arten von Körpern, erstens solche, die aus einem Ganzen bestehen, griechisch ἡνωμένον (einheitig), wie ein Sclave, ein Balken, ein Stein und dergleichen mehr; zweitens solche, die aus zusammengesetzten, d. h. aus mehreren aneinanderhängenden bestehen, συνημμένον (zusammengesetzt) genannt, wie ein Haus, ein Schiff, ein Schrank; drittens solche, die aus verschiedenen [einzelnen] bestehen, wie mehrere, nicht von einander für sich bestehende, sondern unter einem Namen begriffene Körper, z. B. ein Volk, eine Legion, eine Heerde. Die erste Art kann rücksichtlich der Ersitzung zu keinen Fragen weiter Veranlassung geben, wohl aber die zweite und die dritte. 1Ad Dig. 41,3,30,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 152, Note 6.Labeo schreibt in den Büchern seiner Briefe, dass, wenn Derjenige, dem zur Ersitzung von Dachziegeln oder Säulen [nur noch] zehn Tage fehlten, dieselben in ein Gebäude versetzt hat, er sie nichtsdestoweniger ersitzen werde, sobald er das Gebäude besessen habe. Wie nun bei denen, die nicht in unbeweglichen Sachen angebracht werden, sondern bewegliche bleiben, wie ein Juwel in einem Ringe? — Hier ist es keinem Zweifel unterworfen, dass sowohl Gold als Juwel [als eine Sache für sich] besessen und ersessen werde, da beides ein Ganzes bleibe2626Cum utrumque maneat integrum, s. Savigny a. a. O. S. 228 (2); über die bei weitem schwierigere und noch nicht gelöste Erklärung der tegularum und columnarum s. Savigny a. a. O. (3) und Unterholzner Thl. I. S. 167; über den Widerspruch der letzten Worte s. Unterholzner S. 172.. 2Ueber die dritte Art von Körpern ist ebenfalls zu untersuchen; die ganze Heerde [z. B.] kann nicht so ersessen werden, wie einzelne Gegenstände, aber auch nicht wie zusammenhängende; wie ist es also nun? Wenn auch ihre Natur von der Art ist, dass sie durch Hinzukommen neuer Körper dieselbe bleibt, so findet doch an der ganzen Heerde durchaus keine Ersitzung statt, sondern wie die einzelnen Thiere besessen werden, werden sie auch ersessen, und es wird dadurch, dass etwas gekauft und zur Heerde gethan worden ist, um sie zu vermehren, deshalb der Grund des Besitzes nicht verändert, sodass, wenn die übrige Heerde mein Eigenthum ist, es auch das einzelne Schaaf sei, sondern sie werden jedes seinen eigenen Grund des Besitzes haben, sodass, wenn gestohlene darunter sind, sie zwar zur Heerde gehören, aber doch nicht ersessen werden.
31Paul. lib. XXXII. ad Sabin. Ein Rechtsirrthum ist bei Ersitzungen dem Besitzer von keinem Vortheil, und darum sagt Proculus, dass, wenn der Vormund zu Anfang beim Verkauf aus Irrthum dem Unmiündigen seine Ermächtigung ertheilt habe, dennoch keine Ersitzung stattfinden könne, wenn auch schon lange Zeit nach dem Verkauf verflossen sei, weil ein Rechtsirrthum vorhanden ist. 1Bei den Ersitzungen beweglicher Sachen wird die Zeit fortlaufend gezählt. 2Der Sclave besitzt nichts, wenn er sich auch [factisch] in der Freiheit befindet, noch durch ihn ein Anderer; wenn er aber im Namen eines Andern, während er sich in der Freiheit befand, den Besitz erlangt hat, so wird er ihn für Den erwerben, in dessen Namen er erlangt worden ist. 3Wenn mein Sclave oder mein Sohn, im Namen seines Sondergutes, oder in meinem Namen etwas innehat, sodass ich durch ihn besitze, ohne darum zu wissen, oder auch ersitze, und jener wahnsinnig wird, so muss, solange die Sache in demselben Verhältniss bleibt, ebensowohl angenommen werden, dass mir der Besitz verbleibe, als die Ersitzung fortlaufe, sowie dies uns ebenfalls durch sie zu Theil werden würde, wenn sie schlafen. Dasselbe gilt vom Pächter und Miethmann, durch die man besitzt. 4Wenn Jemand den Besitz gewaltsamer, heimlicher oder bittweise erlangt hat, nachher aber wahnsinnig geworden ist, so dauert sowohl der Besitz als das Verhältniss in Betreff Dessen fort, was der Wahnsinnige bittweise besitzt, gleichwie man auch das Interdict Was gewaltsam oder heimlich Namens des Wahnsinnigen [als dessen Curator] rechtlichermaasen des Besitzes wegen erheben kann, den er vor Anfang seines Wahnsinnes selbst, oder nachher durch einen Andern erlangt hat. 5Der leere Zwischenraum, der bis zum Erbschaftsantritt, oder nach demselben verstrichen ist, läuft zur Ersitzung für den Erben. 6Wenn der Erblasser Etwas gekauft hat, der Erbe aber in dem Glauben steht, er habe auf den Grund einer Schenkung besessen, so, sagt Julianus, werde er ersitzen.
32Pompon. lib. XXXII. ad Sabin. Wenn der Dieb die gestohlene Sache vom Eigenthümer gekauft und als übergebene gehabt hat, so hört er auf, dieselbe als gestohlene zu besitzen, und fängt an, sie als sein zu besitzen. 1Ad Dig. 41,3,32,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 177, Note 9.Wenn Jemand in dem Glauben steht, es sei ihm durch die Gesetze verboten, Das zu ersitzen, was er besitzt, so muss man dennoch als Regel annehmen, dass ihm, wenn er auch irre, die Ersitzung nicht laufe, entweder, weil er nicht im guten Glauben zu besitzen scheine, oder weil die Ersitzung dem rechtlich Irrenden nicht läuft. 2Ad Dig. 41,3,32,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 152, Note 12.Einen unbestimmten Theil kann Niemand besitzen; wenn sich daher Mehrere auf einem Landgute befinden, die nicht wissen, den wievielsten Theil jeder von ihnen besitzt, so schreibt Labeo, besitze keiner von ihnen, allein dies ist eine blosse Spitzfindigkeit2727So ist die Stellung der mera subtilitas zu verstehen, s. Savigny a. a. O. S. 220. Anm. (4)..
33Julian. lib. XLIV. Dig. Nicht blos die Käufer guten Glaubens, sondern auch Alle, die aus einem solchen Grunde besitzen, der die Ersitzung in der Regel zur Folge hat, machen das Kind einer gestohlenen Sclavin sich zu eigen; und dies ist meines Erachtens mit vollem Rechtsgrunde eingeführt worden, denn aus demselben Grunde Jemand eine Sclavin ersitzen würde, wenn nicht das Zwölftafelgesetz oder das Atinische Gesetz entgegenstände, muss er nothwendigerweise auch das Kind erwerben, wenn es bei ihm zu einer Zeit empfangen und geboren worden ist, wo er noch nicht wusste, dass seine Mutter gestohlen sei. 1Die allgemeine Regel, es könne sich Niemand den Grund seines Besitzes selbst ändern, ist allemal dann wahr, wenn Jemand weiss, dass er nicht im guten Glauben besitze, und sein Besitz nur auf einen [unerlaubten] Gewinn abzweckt; und dies kann damit erwiesen werden: wenn Jemand wissentlich von dem Nichteigenthümer ein Landgut gekauft hat, so wird er es als Besitzer besitzen, hat er es aber vom Eigenthümer gekauft, so wird er anfangen, es als Käufer zu besitzen, und also nicht angenommen, er verändere sich den Grund seines Besitzes selbst. Dasselbe wird Rechtens sein, wenn er vom Nichteigenthümer gekauft hat, in dem Glauben, er sei der Eigenthümer. So wird ferner Derjenige, wer vom Eigenthümer zum Erben eingesetzt worden, oder seinen Nachlassbesitz erhalten hat, anfangen, das Landgut als Erbe zu besitzen. Ausserdem wird er auch dann, wenn er eine rechtmässige Ursache zu dem Glauben gehabt hat, er sei des Eigenthümers Erbe oder Nachlassbesitzer geworden, das Landgut als Erbe besitzen, ohne dass man annehmen könnte, er verändere den Grund seines Besitzes. Da nun dies als von der Person Dessen gültig angenommen worden, der den Besitz [wirklich schon gehabt] hat, um wie vielmehr muss es nicht vom Pächter zugelassen werden, der weder bei Lebzeiten noch nach dem Ableben des Eigenthümers irgend einen Besitz gehabt hat? — Hat daher der Pächter nach Ableben des Eigenthümers das Landgut von Dem gekauft, der sich für dessen Erben oder Nachlassbesitzer hielt, so wird er anfangen als Käufer zu besitzen. 2Wenn der Eigenthümer eines Landgutes kommende Menschen für Bewaffnete gehalten hat2828Extimuerit liest Savigny S. 308. (1) statt existimaverit, nach Cujac. Opp. T. I. p. 964, weil venientes armatos existimaverit, keine richtige Construction gäbe; aber warum denn nicht? si dominus fundi homines venientes existimaverit esse armatos, ist ja eine ganz richtige Construction. Ich habe späterhin gefunden, dass schon J. Conrad Rücker de civ. et nat. comput. etc. cap. 2. ebenso die Verbesserung des Cujac. verwirft (venientes, sc. qui veniebant). und davongelaufen ist, so wird angenommen, er sei mit Gewalt aus dem Besitz getrieben worden, wenn auch keiner von jenen das Landgut betreten hat; nichtsdestoweniger wird aber dieses Grundstück, auch bevor es in des Eigenthümers Gewalt zurückgekehrt ist, vom Besitzer im guten Glauben ersessen, weil das Plautische und Julische Gesetz nur Das durch langen Besitz zu ersitzen verbot, was gewaltsam ergriffen worden, nicht auch [die Ersitzung] Dessen, woraus Jemand mit Gewalt vertrieben worden ist. 3Wenn mir Titius, von dem ich ein Landgut klagend fodern wollte, den Besitz abgetreten hat, so habe ich einen rechtmässigen Grund für die Ersitzung. Auch dann, wenn mir Derjenige, von dem ich ein Landgut in Folge vorangegangener Stipulation klagend fodern wollte, zur Entrichtung seiner Schuld, den Besitz abgetreten hat, wird er dadurch selbst bewirken, dass ich das Landgut durch lange Zeit ersitze. 4Wer eine Sache verpfändet, ersitzt sie, so lange dieselbe sich beim Gläubiger befindet; wenn der Gläubiger den Besitz derselben einem Andern übergeben hat, so wird die Ersitzung unterbrochen werden, und jener steht, was die Ersitzung anlangt, Demjenigen gleich, der etwas niedergelegt oder verliehen hat; denn es ist klar, dass Beide zu ersitzen aufhören, wenn die verliehene oder niedergelegte Sache einem Andern von Dem übergeben worden ist, der sie geliehen oder niedergelegt empfangen hat. Wenn freilich der Gläubiger durch blosses Uebereinkommen eine Hypothek contrahirt hat, so wird der Schuldner in der Ersitzung fortfahren. 5Wenn ich deine eigne Sache, die ich im guten Glauben besass, dir ohne dein Wissen, dass sie dein sei, zum Unterpfande gab, so höre ich auf, zu ersitzen, weil von Niemand angenommen wird, dass er ein Pfandrecht an einer ihm gehörigen Sache erwerben könne. Ist hingegen das Pfandverhältniss durch blosses Uebereinkommen contrahirt worden, so werde ich nichtsdestoweniger ersitzen, weil auch auf diese Weise ein Pfand nicht als wirklich contrahirt betrachtet wird2929S. Savigny a. a. O. S. 252. (2).. 6Wenn ein Sclave des Gläubigers eine verpfändete Sache gestohlen hat, welche der Gläubiger besass, so wird die Ersitzung des Schuldners nicht unterbrochen, weil der Sclave seinen Herrn nicht um den Besitz bringt. Auch wenn ein Sclave des Schuldners sie entwendet hat, dauert die Ersitzung für den Schuldner fort, obgleich der Gläubiger zu besitzen aufhört, ebenso, wie wenn der Gläubiger sie dem Schuldner übergeben hätte; denn soviel die Ersitzungen anlangt, können die Sklaven durch Entwendung von Gegenständen die Lage ihrer Herren nicht schlechter machen. Noch mehr spricht dann für diese Behauptung, wenn, während der Schuldner bittweise besitzt, sein Sclave die Sache gestohlen hat. Die Pacht gewährt auch3030Nam (s. Anmerk. zu l. 15. pr. h. t.). Man mag hier die Lesart der Vulgata annehmen, oder nicht, der Sinn der Verbindung bleibt derselbe; ja sogar, wenn ein Verbindungswort ganz fehlt. dasselbe, wie wenn sich die Sache beim Gläubiger befindet; denn der Gläubiger besitzt in diesem Fall. Auch aber wenn beides im Mitte liegt, bittweises Ersuchen und Pacht, wird der Gläubiger als Besitzer betrachtet, und das bittweise Ersuchen wird nicht zu dem Ende gethan, dass der Schuldner den Besitz behalten solle, sondern, dass ihm erlaubt sei, die Sache behalten zu dürfen.
34Alfen. Var. lib. I. Dig. a Paul. epit. Wenn ein Sclave ohne Wissen seines Herrn eine Sondergutssache verkauft hat, so kann der Käufer sie ersitzen.
35Julian. lib. III. ad Ursej. Fer. Wenn ein Sclave, an dem der Niessbrauch vermacht worden, den der Erbe niemals besessen, gestohlen worden ist, so ist es die Frage, ob er ersessen werden könne, da der Erbe die Diebstahlsklage nicht habe? Sabinus hat geantwortet, es finde keine Ersitzung an der Sache statt, daran wegen Diebstahls Klage erhoben werden könne; klagen aber könne Derjenige wegen Diebstahls, dem der Niessbrauch zustehe. Dies ist so zu verstehen, dass der Niessbraucher Genuss und Gebrauch ziehen könne3131Possit, man kann dies entweder so wie obsteht übersetzen, oder man lese potuerit. Unterholzner Thl. I. S. 217. Anm. 215.); es ist von der rechtlichen Möglichkeit die Rede., denn sonst würde der Sclave nicht zum Gegenstande der Klage gemacht werden können3232Aliter homo non in eam causa (m) perduceretur, Unterholzner a. a. O.; wenn aber der Sclave dem bereits sich im Niessbrauch Befindenden entführt worden wäre, so wird er nicht blos selbst, sondern auch der Erbe die Diebstahlsklage erheben können.
36Gaj. lib. II. Rer. quotid. Es kann sich auf mehrfache Weise zutragen, dass Jemand, aus Irrthum veranlasst, eine fremde Sache als ihm angehörig verkauft oder verschenkt, und deshalb dieselbe vom Besitzer im guten Glauben ersessen werden kann; z. B. wenn der Erbe eine dem Erblasser geliehene oder verpachtete, oder bei ihm niedergelegte Sache in dem Glauben, sie sei ein Erbschaftsstück, veräussert hat. 1Ingleichen wenn Jemand, durch irgend ein Dafürhalten veranlasst, geglaubt hat, es gebühre ihm eine Erbschaft, die ihm nicht gehört, und eine Erbschaftssache veräussert hat, oder wenn Der, dem der Niessbrauch an einer Sclavin gebührt, deren Kind, in dem Glauben, es gehöre ihm, wie auch die Jungen des Viehes dem Niessbraucher gehören, veräussert hat;
37Idem lib. II. Inst. so begeht er keinen Diebstahl; denn ein Diebstahl kann ohne die Absicht zu Stehlen nicht begangen werden. 1Auch an einem fremden Landgute kann Jemand den Besitz ohne Gewaltthätigkeit erlangen, wenn derselbe entweder durch Nachlässigkeit des Eigenthümers unbesetzt, oder der Eigenthümer ohne Nachfolger gestorben, oder lange Zeit über abwesend gewesen ist.
38Idem lib. II. Rer. quotid. Deshalb kann er zwar selbst nicht ersitzen, weil er weiss, dass er ein fremdes [Landgut] besitzt, auch deswegen im schlechten Glauben besitzt; hat er dasselbe aber einem Andern im guten Glauben Annehmenden übergeben, so wird dieser es ersitzen können, weil er es weder als gewaltsam in Besitz genommen, noch als gestohlen besitzt. Denn die Meinung einiger Alten, dass auch an Grund und Boden Diebstahl stattfinden könne, ist längst verworfen.
41Idem lib. VII. Membran. Wenn mein Geschäftsbesorger eine mir gestohlene Sache wiederergriffen hat, so muss, obwohl es eine längst abgemachte Sache ist, dass man den Besitz durch einen Geschäftsbesorger erwerben könne, dennoch angenommen werden, dass dieselbe nichtsdestomehr in meine Gewalt zurückgekehrt sei, und ersessen werden könne, weil es verfänglich ist, das Gegentheil stattfinden zu lassen.
42Ad Dig. 41,3,42Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 172a, Note 3.Papin. lib. III. Quaest. Wenn ein Ehemann ein Mitgiftsgrundstück verkauft hat, so gilt der Verkauf nichts, es mag der Käufer gewusst haben, dass es zur Mitgift gehöre, oder nicht; ist jedoch die Frau nachher in stehender Ehe gestorben, und die ganze Mitgift dem Manne zugefallen, so wird der Verkauf nachher bestätigt. Dasselbe ist Rechtens, wenn der Verkäufer einer gestohlenen Sache nachher Erbe des Eigenthümers geworden ist.
43Idem lib. XXII. Quaest. Der Erbe Dessen, der eine Sache im guten Glauben gekauft hat, wird, wenn er weiss, dass sie einem Andern gehöre, dieselbe nicht ersitzen, sobald ihm der Besitz selbst übergeben worden ist. An der Fortsetzung [des vom Erblasser bereits angefangenen Besitzes] wird er aber als Erbe durch seine Wissenschaft nicht verhindert. 1Dass der Vater nichts ersitzen wird, was der Sohn gekauft hat, sobald er oder der Sohn [die Sache als eine fremde] kennt, ist eine bekannte Sache.
44Idem lib. XXIII. Quaest. Aus einem rechtmässigen Irrthum veranlasst habe ich den Titius für meinen Sohn und in meiner Gewalt stehend gehalten, indem eine zu Recht nicht beständige Adrogation in Mitte lag. Dieser erwirbt, meiner Ansicht nach, aus meinem Vermögen für mich nichts; denn von ihm ist das nicht verordnet, was von einem freien Menschen, der mir im guten Glauben dient, angenommen worden ist; denn hier war das öffentliche Beste dabei betheiligt, dass diese Verordnung geschah, wegen des so häufigen und täglichen Ankaufs der Sclaven; denn oft kauft man freie Menschen, ohne es zu wissen; nicht so leicht und häufig ist aber die Annahme an Kindes statt und Adrogation von Kindern. 1Es ist bekannt, dass, wenn du mir wissentlich eine fremde Sache verkaufest, jedoch erst zu der Zeit übergiebst, wo der Eigenthümer es genehmigt, der Zeitpunkt der Uebergabe zu berücksichtigen sei, und die Sache mir gehörig werde. 2Ad Dig. 41,3,44,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 144, Note 4.Wenn auch, soweit es die Ersitzung angeht, man darüber einig ist, dass auf den Anfang des Besitzes, nicht aber des Contractes zu sehen sei, so tritt doch zuweilen der Fall ein, dass man nicht den Anfang des gegenwärtigen Besitzes, sondern einen älteren Grund der Uebergabe, der auf gutem Glauben beruhete, berücksichtigen muss, z. B. rücksichtlich des Kindes der Sclavin, die man im guten Glauben zu besitzen angefangen; denn das Kind wird keineswegs darum nicht ersessen werden, wenn man, bevor es geboren worden, seine Mutter als eine fremde [Sclavin] erkannt hat. Dasselbe gilt von einem durch das Heimkehrrecht zurückgekehrten Sclaven. 3Die Zeit vor dem Antritt der Erbschaft ist als zur Ersitzung gehörig bestimmt worden, es mag ein Erbschaftssclave etwas angeschafft, oder der Erblasser zu ersitzen angefangen haben; dies ist jedoch vermöge besondern Rechtens angenommen worden. 4Ad Dig. 41,3,44,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 175a, Note 1; Bd. I, § 176, Note 6.Ein Haussohn hatte eine fremde Sache gekauft, während er noch nicht wusste, dass er Hausvater geworden sei, und fing an dieselbe, nachdem sie ihm übergeben worden, zu ersitzen; warum soll er nicht ersitzen, da zu Anfang des Besitzes guter Glauben vorhanden war, wenn er auch irrigerweise sich für eine solche Person hielt, welche die ihr aus einem auf das Sondergut bezüglichen Grunde erworbene Sache nicht besitzen kann? — Dasselbe wird zu behaupten sein, wenn er in Folge einer wohlbegründeten Vermuthung in dem Glauben steht, es sei eine Sache als gekauft aus dem väterlichen Nachlasse an ihn gelangt. 5Die eintretende Ersitzung als Käufer oder als Erbe [für den Verpfänder] ändert durchaus darin nichts, dass nicht die rechtliche Verfolgung des Pfandes unverkürzt aufrechterhalten werde; denn ebensowenig der Niessbrauch ersessen werden kann, wird auch die Rechtsverfolgung des Pfandes, die durch keine Theilnahme am Eigenthum entsteht, sondern durch das Uebereinkommen allein bestellt wird, durch die Ersitzung des Gegenstandes nicht aufgehoben. 6Wer, nachdem er zu ersitzen angefangen, in Wahnsinn verfallen ist, von dem hat man wegen des daraus erwachsenden Nutzens angenommen3333Unser Text hat mit Hal. receptum, was Cujac. billigt. Bynkershoek Obs. VIII. 25. will relatum., dass er die Ersitzung aus jedem [Erwerbs]grunde erfülle, damit nicht die Geistesschwäche dem Vermögen Schaden bringe. 7Wenn ein Sclave oder Sohn etwas kauft, während der Herr oder Vater in feindlicher Gefangenschaft verweilt, fängt er da auch an zu besitzen? — Besitzt er aus einem mit seinem Sondergute in Verbindung stehenden Grunde, so hebt die Ersitzung an, und es steht die Gefangenschaft des Herrn nicht im Wege, dessen Wissenschaft ja nicht einmal nöthig sein würde, wenn er im Staate wäre; hat er hingegen nicht aus einem mit seinem Sondergute in Verbindung stehenden Grunde erworben, so findet keine Ersizzung statt, und es wird auch keine Erwerbung als durch das Heimkehrrecht [bestätigt] angenommen, indem, ehe etwas als ersessen bezeichnet werden kann, es besessen worden sein muss; ist der Vater aber daselbst [in der Gefangenschaft] gestorben, so lässt sich sowohl behaupten, dass der Sohn besessen habe, als angenommen werden kann, dass er ersessen habe, weil die Zeit der Gefangenschaft von dem Tage an, wo er gefangen ward, unmittelbar sich an den Tod anschliesst3434Eigentlich umgekehrt, der Tod schliesst sich an den Tag der Gefangenschaft an, d. h. der dominus wird schon die captivitatis für tod gerechnet. S. o. die Anm. zu l 15. pr..
45Idem lib. X. Resp. Die Einrede langen Besitzes wird in der Regel zur Behauptung solcher Plätze, die nach Völkerrecht öffentliche sind3535loca juris gentium, publica; Jens. l. l. p. 430. liest jure und streicht das Komma. Man kann sich auch mit dem letztern begnügen und juris behalten., nicht gestattet; dies kann [z. B.] der Fall sein, wenn Jemand, nachdem er ein Gebäude von Grund aus niedergerissen, was er auf der Küste erbaut, oder, wenn er dasselbe verlassen hatte, und eines Andern Gebäude nachher auf derselben Stelle aufgeführt worden, dem sich [der Stelle] Bemächtigenden die genannte Einrede entgegnen will3636Diese Stelle ist sehr verdorben, s. Unterholzner I. Thl. S. 185. Anm. 179. Ich lese darin aedificio und occupanti mit Hal., und dictam mit Cujac. statt datam (dies liesse sich allenfalls wohl ebenso interpretiren?) Gar nicht übel ist des Jens. l. l. Vermuthung, dass hier ein griechischer Genitiv. absolutus vorhanden sei. Ueber die Vereinigung mit l. 7. de divers. et t. exc. s. Unterholzner a. a. O. Mir scheint jedoch die Cujacische Erklärung, der Labittus in der Jurispr. rest. von Wiel. p. 57. u. Noodt Opp. Τ. II. p. 29a. folgt, sehr viel für sich zu haben, der l. 7. de d. et t. exc. vom noch stattfindenden Besitz versteht, indem dann zur Erklärung der obigen l. 45. das: quod ita procedit, wohl zu berücksichtigen ist.; oder wenn Jemand, weil er in der Abschweifung eines öffentlichen Flusses allein mehrere Jahre lang gefischt hat, einem Andern dasselbe Recht wehren will. 1Nach des Herrn Tode fing ein Erbschaftssclave an, eine Sache Namens seines Sondergutes zu besitzen; der Anfang der Ersitzung wird mit dem Zeitpunkte des Erbschaftsantrittes beginnen3737Um diese Stelle mit l. 44. §. 3. h. t. zu vereinigen, schlägt Best (l. l. p. 319.) die sinnreiche Conjectur vor, in letzterer Stelle das zweifelhafte comparat (Flor.) mittels der Gemination in compararat zu verwandeln. Unterholzner Thl. I. S. 474. Anm. 470. nimmt dies nicht an, sondern will mit Cujac. ad h. l. die Sache durch das in l. 43. §. 3. erwähnte jus singulare lösen. Allein für Best’s Emendation spricht sogar die vorhandene Lesart der Vulg. und Hal. comparavit, und selbst Geb. im Göttinger C. J. spricht davon, dass Taurelli ex Cod. Flor. compaRAt hätte ediren sollen; und für die Sache, d. h. die Wahrheit des daraus entspringenden Lehrsatzes die Schlussworte der l. 45. §. 1. Das, was Unterholzner hierauf erwidert, die Entgegenstellung des sive defunctus usucapere coeperat in l. 44. §. 3. kann ich aber gar nicht als solche anerkennen, denn es soll dies nur ein Gegensatz zum servus insofern sein, als hier die Alternative, ob der defunctus ipse gehandelt und zu ersitzen angefangen hat, ausgedrückt wird, d. h. es soll einerlei sein, ob servus oder dominus vivo domino zu usucapiren angefangen haben; da es nun in l. 45. §. 1. ausdrücklich heisst, post mortem domini, und die Schlussworte den schlagendsten Grund des Unterschieds geben, so kann ich gar keinen Widerspruch finden.; denn wie sollte sonst etwas ersessen werden können, was der Erblasser vorher nicht besessen hatte? —
46Hermogen. lib. V. jur. Epit. Als gezahlt ersitzt Der, wer eine Sache wegen einer Schuld empfängt, und nicht blos Das, was ihm selbst geschuldet wird, sondern auch Alles und Jedes, was für eine Schuld gezahlt worden, kann unter diesem Titel ersessen werden.
47Paul. lib. III. ad Nerat. Wenn ein Geschäftsbesorger, ohne mein Wissen, eine für mich gekaufte Sache in meinem Namen ergriffen hat, so ersitze ich sie nicht, wenn ich sie gleich besitze, weil nur in Betreff von solchen Gegenständen, die zum Sondergute gehören, angenommen worden ist, dass wir, ohne es zu wissen, ersitzen.
48Idem lib. II. Manual. Wenn ich in dem Glauben, dir zu schulden, übergebe, so erfolgt nur dann die Ersitzung, wenn du auch glaubst, dass du es zu fodern habest. Was Anderes ist es, wenn ich glaube, dir auf den Grund eines Kaufes zu haften, und dir deshalb übergebe; denn wenn hier kein Kauf3838Man kann hier auch actio statt emtio behalten, und dann ist bei actio zu verstehen: weil natürlich dann keine b. f. accipiendi, vorhanden ist; so erkläre ich das actio, was Cujac. ad Ulp. XXII. in auctio verwandeln will: man braucht aber nicht, wie Unterholzner Thl. I. S. 361. Anm. 365. will, nur so zu interpretiren, es müsse eine klagbare Foderung wirklich vorhanden sein, sondern man verstehe actio geradezu als „Klage,“ indem doch der Kläger bon. fid. für sich zu haben, präsumirt werden muss, und nicht, dass er calumniator sei. vorangeht, hat die Ersitzung [von Seiten des Andern] als Käufer nicht statt. Der Grund des Unterschiedes beruhet darin, dass bei andern Gründen [für die Uebergabe] auf die Zeit der Entrichtung Rücksicht genommen wird, und es einerlei ist, ob, wenn ich stipulire, ich weiss, dass der Gegenstand einem Andern gehöre, oder nicht; es genügt, dass ich glaube, er sei dir3939Jens. l. l. p. 452. will das meum der Flor. damit retten, dass esse = fieri sei. gehörig, wenn du ihn entrichtest. Beim Kauf aber wird sowohl die Zeit des Contractsabschlusses als die der Entrichtung berücksichtigt, und wer nicht kauft, kann nicht als Käufer ersitzen, noch als gezahlt, sowie bei den übrigen Contracten4040Unterholzner Thl. I. S. 381. meint, der Grund sei nicht genügend, und könne auf sich beruhen; auch Donell. Comm. V. 17. §. 12. löse nicht befriedigend; mir scheint aber dessen Erklärung doch immer noch bei weitem die beste: quod in ceteris contractibus, in quibus ex altera tantum parte obligatio est, intervenit tantum factum et consilium debitoris ad rei praestationem, dum de re praestanda solus spondet, creditor autem nihil facit, quo invitet debitorem ad rem alienam deducendam in possessionem — at in emtione non solus venditor ad venditionem rei alienae se movet, sed etiam emtor hanc facto suo maxime provocat, dum et ipse negotiatur, et rei precium dicat. Quod si facit, cum rem alienam esse sciret, negari non potest, quin non bona fide id faciat..
49Labeo lib. V. Pith. a Paulo epit. Was gestohlen worden ist, kann nicht eher ersessen werden, bevor es in des Eigenthümers Gewalt zurückgelangt ist. Paulus: im Gegentheil, zuweilen auch umgekehrt. Denn wenn du Das, was du mir zum Unterpfande gegeben, gestohlen hast, so wird der Gegenstand gestohlenes Gut sein, sobald er aber in meine Gewalt gekommen ist, wird er ersessen werden können4141Man hat verschiedentlich versucht, diese Stelle zu erklären, und mit l. 4. §. 6. h. t. zu vereinigen, s. Unterholzner Thl. I. S. 227 u. 239; er hält es nicht für natürlich, an Verpfändung einer fremden Sache zu denken, wo denn der Makel der Entwendung durch den Verpfänder für den Eigenthumer erlösche, sobald die Sache in des Creditors Gewalt zurückgelangt; allein sehr gesucht ist diese Erklärung wenigstens. Adrian. Pulvaeus de rei furt, prohib. usucaр. c. 14. (T. O. IV. p. 340.) behauptet geradezu, Paulus widerspreche nur ex contradicendi studio..