De servitutibus praediorum urbanorum
(Von den Dienstbarkeiten städtischer Grundstücke.)
1Paul. lib. XXI. ad Ed. Wenn öffentlicher Grund und Boden oder eine öffentliche Strasse zwischen [zwei Privatgrundstücken] liegt, so hindert dieser Umstand zwar weder eine Dienstbarkeit des Fusssteigs und der Uebertrift, noch des Höherbauens, wohl aber die des Trammrechts, der Anlage eines Wetterdachs oder Erkers und die der Dachrinne und der Traufe, weil der über diesem Boden befindliche Luftraum frei bleiben muss. 1Wenn der Niessbrauch dein, und die Eigenheit eines Gebäudes, welche die Last des Nachbarhauses tragen muss, mein ist, so kann [nur] ich wegen der Gesammt[verpflichtung] verklagt werden, und keinen Falls du.
2Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Die Rechte städtischer Grundstücke sind folgende: höher zu bauen und das Licht des Nachbars zu schmälern, oder das Verbot des Höherbauens; die Traufe auf das Dach oder den Hof des Nachbars zu leiten, oder nicht zu leiten, Balken in die Wand des Nachbars zu legen, Erker und Wetterdächer anzulegen, und andere diesen ähnliche.
3Ulp. lib. XXIX. ad Sabin. Auch gibe es eine Dienstbarkeit, die Aussicht nicht zu hindern.
4Ad Dig. 8,2,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 211a, Note 8.Paul. lib. II. Institut. Durch die Bestellung einer Fensterdienstbarkeit wird [das Recht] als erworben angesehen, dass der Nachbar unsere Fenster aufnehmen muss. Wird hingegen die Dienstbarkeit auferlegt, dass [uns] das Licht nicht geschmälert werde, so wird [unserer Seits] vielmehr [das Recht] als erworben angesehen, dass der Nachbar wider unsern Willen nicht höher bauen, und dadurch das Licht unserer Gebäude schmälern dürfe11Bei der Uebersetzung dieser berühmten Stelle bin ich der Glückschen Erklärung, X. p. 108 ssq. gefolgt..
5Ulp. lib. XVII. ad Ed. Dass in Ansehung der Dienstbarkeiten etwas wider Jemandes Willen geschehe, müssen wir nicht blos von dem annehmen, der widerspricht, sondern auch von dem, der nicht einwilligt. Daher sagt Pomponius im 40. Buche, dass sowohl ein Kind als ein Rasender mit Recht als nichtwollend betrachtet werden könnten; denn dieser Ausdruck bezieht sich nicht auf die Thatsache, sondern auf das Rechtsverhältniss der Dienstbarkeit.
6Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Auch diese Rechte gehen, wie die von ländlichen Grundstücken, durch Nichtgebrauch während einer bestimmten Zeit verloren; nur waltet der Unterschied vor, dass sie durch Nichtgebrauch nicht unbedingt verloren gehen, sondern nur dann, wenn der Nachbar zugleich seine Freiheit ersitzt; so z. B. verliere ich, wenn dein Gebände dem meinigen insofern dienstbar ist, dass es nicht erhöhet werden darf, um nicht das Licht in meinem Gebäude zu schmälern, und ich die bestimmte Zeit hindurch meine Fenster zugemacht oder verbauet habe, mein Recht nur dann, wenn du während dieser Zeit dein Gebäude erhöhet hast; denn hast du keine Aenderung vorgenommen, so behalte ich die Dienstbarkeit. Ebenso verliere ich, wenn meinem Gebäude [an dem deinigen] das Trammrecht zusteht, und ich den Balken herausgenommen habe, mein Recht nur dann, wenn du das Loch, woraus der Balken genommen worden, zugemauert und die bestimmte Zeit hindurch so behalten hast; unternimmst du hingegen keine Veränderung, so bleibt [jedem] sein22Jus suum; über den Zusatz s. d. Note zur Gött. C. J. Ausgabe. Recht unverändert.
7Pompon. lib. XXVI. ad Quint. Mucium. Wenn gesagt wird, dass ich mit meinem Gebäude die Freiheit [von Dienstbarkeiten] ersitzen könne, so werde ich diesen Zweck, wie Mucius behauptet, nicht erlangen, wenn ich an derselben Stelle einen Baum gepflanzt hatte; und mit Recht, weil ein Baum, wegen seines natürlichen Wachsthums, nicht so unverändert an Ort und Stelle bleibt, wie eine Wand.
8Ad Dig. 8,2,8Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 169a, Note 3c.Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Eine Wand, welche aus einem natürlichen Grunde gemeinschaftlich ist, einzureissen oder herzustellen, ist einer von den Nachbarn [allein] nicht berechtigt, weil er nicht allein Eigenthümer ist.
9Ad Dig. 8,2,9Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 465, Note 6a.Ulp. lib. LIII. ad Ed. Wider denjenigen, der durch Erhöhung seines Gebäudes das des Nachbars verfinstert, gegen welches keine Verpflichtung zu einer Dienstbarkeit vorhanden ist, findet keine Klage Statt.
10Ad Dig. 8,2,10Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 169, Note 6.Marcell. lib. IV. Dig. Gaurus [legte] dem Marcell [die Frage vor]: ich habe zwei Häuser, von denen ich das eine dir vermache. Mein Erbe erhöhet das andere und benimmt dir dadurch das Licht; welche Klage hast du da, und glaubst du, dass etwas darauf ankomme, ob derselbe sein eigenes oder ein erbschaftliches Haus höher bauet? Ich frage auch deshalb, ob der Erbe den Zugang zu der vermachten Sache durch ein fremdes Gebäude gewähren muss, sowie diese Frage erhoben zu werden pflegt, wenn der Niessbrauch an einem Orte vermacht worden ist, zu dem man nur durch einen fremden gelangen kann? Marcell antwortete: wenn Jemand, der zwei Gebäude hatte, das eine davon vermacht hat, so ist es keinem Zweifel unterworfen, dass der Erbe durch Erhöhung des andern das Licht des vermachten Gebäudes schmälern dürfe. Dasselbe findet Statt, wenn er dem Einen das eine Gebäude und dem Andern am andern den Niessbrauch vermacht hat. Nicht allemal aber lässt sich ein ähnlicher Beweisgrund für den Fusssteig aufstellen, weil ohne dazu zu können, kein Vermächtniss der Benutzung bestehen, in verfinsterten Gebäuden man aber allerdings wohnen kann. Ist der Niessbrauch eines Ortes vermacht worden, so muss ein Zugang verstattet werden, weil, auch wenn das Recht zum Wasserschöpfen hinterlassen worden ist, ein Weg dazu verstattet werden muss. Vermachte Gebäude dürfen aber nur insoweit verdunkelt, und denselben das Licht geschmälert werden, dass ihnen dasselbe nicht ganz und gar entzogen wird, sondern soviel verbleibt, als für die Bewohner zum Bedarf bei Tage hinreicht.
11Ulp. lib. I. de officio Consul. Ad Dig. 8,2,11 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 169, Note 6.Wer das Licht seiner Nachbarn [durch einen Neubau]33Hier ist eine bestehende Norm oder rechtliche Nothwendigkeit zu supponieren, s. Glück X. p. 115. schmälern, oder etwas Anderes zu deren Nachtheil unternehmen will, der möge wissen, dass er sich nach dem Zustande und der Gestalt der alten Gebäude richten müsse. 1Wenn zwischen dir und deinem Nachbar keine Uebereinstimmung herrscht, zu welcher Höhe du dein zu bauen angefangenes Gebäude aufführen dürfest, so kannst du einen Schiedsrichter annehmen.
12Javolen. lib. X. ex Cassio. Gebäude, welchen die Dienstbarkeit, dass sie nicht höher aufgeführt werden dürfen, obliegt, dürfen dennoch Gärten44Viridiaria. Dieses ist nach meiner Ansicht von der Höhe der Gesträuche und Bäume des Gartens zu verstehen; denn es ergibt dies der Nachsatz in doppelter Hinsicht. über diese Höhe haben; ist es hingegen eine Dienstbarkeit der Aussicht, so dürfen sie dergleichen, wenn jene im Wege sein sollten, nicht haben.
13Procul. lib. II. Epist. Ein gewisser Hiberus, der hinter meiner Scheuer ein Gebäude hat, legte an der gemeinschaftlichen Wand Bäder an; er darf aber an der gemeinschaftlichen Wand keine Wärmeröhren anbringen, sowie auch keine Wand auf die gemeinschaftliche setzen. Von den Wärmeröhren gilt dies aber um so mehr aus dem Grunde, weil durch dieselben vermöge der Flamme die Wand ausgedörrt wird; ich wünsche daher, dass du mit dem Hiberus reden mögest, damit er nichts Verbotenes begehe. — Proculus antwortete: ich glaube, dass selbst Hiberus darüber keinen Zweifel hegen werde, dass er, durch die Anlegung von Wärmeröhren an der gemeinschaftlichen Wand, etwas Unerlaubtes begehe55Facit; Ed. Frad. u. Hal. haben faciat, was ich vorziehe.. 1Capito’s Ausspruch zu Folge kann man eine gemeinschaftliche Wand [auf seiner Seite] übergypsen, sowie mir auch freisteht, an derselben die kostbarsten Malereien zu haben; wenn übrigens der Nachbar die Wand einreisst und die Klage wegen drohenden Schadens aus einer Stipulation erhoben wird, so dürfen jene nicht höher als gewöhnlicher Abputz geschätzt werden. Dies gilt auch von der Uebergypsung.
14Papir. Just. lib. I. de Constitut. Die Kaiser Antonin und Verus haben verordnet, dass auf einem freien Raume, der Niemandem zu einer Dienstbarkeit verpflichtet ist, der Eigenthümer sowohl als ein Anderer mit dessen Willen, mit Beobachtung des gesetzmässigen Raumes vom Nachbargebäude einen Bau aufführen könne.
15Ad Dig. 8,2,15Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 465, Note 6a.Ulp. lib. XXIX. ad Sabin. Zwischen den beiden Dienstbarkeiten, dass das Licht nicht geschmälert und die Aussicht nicht gehindert werde, ist ein Unterschied zu beobachten, weil in der Aussicht für den Berechtigten mehr enthalten ist, nämlich dass ihm die freie und angenehme Aussicht nicht beschränkt werde, in der wegen Nichtschmälerung des Lichtes aber nur, dass die Hellung nicht verfinstert werde. Was nun also Jemand zur Hinderung des Lichtes unternimmt, kann, wenn eine Verpflichtung zur Dienstbarkeit vorhanden ist, hintertrieben werden, und es kann Anzeige wegen eines neuen Werkes66Glück X. p. 218. wider ihn geschehen, wenn er nur etwas der Art unternimmt, was dem Lichte schaden könnte.
16Paul. lib. II. Epitom. Alfeni Dig. Licht heisst die Möglichkeit, den Himmel zu sehen; und es ist ein Unterschied zwischen Licht und Aussicht, denn Aussicht kann man auch aus tiefgelegenen Orten haben, Licht aber nicht.
17Ulp. lib. XXIX. ad Sabin. Wer einen Baum so pflanzt, dass er das Licht schmälert, der handelt auch der obliegenden Dienstbarkeit zuwider; denn auch ein Baum bewirkt, dass man weniger vom Himmel sehen kann. Wenn aber dasjenige, was vorgesetzt wird, das Licht zwar nicht schmälert, aber die Sonne entzieht, so kann man zwar, wenn dies an einem Orte der Fall ist, wo es angenehm ist, dass sie nicht hinscheint, sagen, dass der Dienstbarkeit nicht entgegengehandelt werde; wenn aber vor einem Sonnenfang oder einem Sonnenbalcon77Glück X. p. 120. n. 46., so ist allerdings der obliegenden Dienstbarkeit zuwidergehandelt worden, weil ein Ort in Schatten versetzt wird, dem die Sonne nothwendig ist. 1Wenn man umgekehrt aber ein Gebäude abträgt oder Baumzweige [abschneidet], wodurch ein bisher schattiger Ort der vollen Sonne ausgesetzt wird, so handelt man nicht gegen die Dienstbarkeit; denn zu dieser war nur darum eine Verpflichtung vorhanden, damit das Licht nicht geschmälert werde; jetzt aber schmälert man dies nicht [nur nicht], sondern man bewirkt mehr Hellung, als nothwendig ist. 2Zuweilen kann auch der Fall eintreten, dass Jemand, der ein Gebäude einreisst oder niedriger macht, das Licht schmälere, z. B. wenn das Licht durch Wiederschein oder Zurückprallen in das [berechtigte] Gebäude gelangt. 3Die Bedingung bei der Uebergabe [eines Gebäudes], dass die Traufen in dem Zustande, wie sie sind, bleiben sollen, bezeichnet88Die Glosse versteht hier eine Beziehung für die Auslegung dunkel gefasster Verträge. dies, dass den Nachbargebäuden die Verpflichtung zur Aufnahme der Traufe obliege, nicht aber, dass auch der Käufer die der Nachbargebäude anfnehme; der Verkäufer versichert also hiermit, dass ihm zwar die Dienstbarkeit der Traufe berechtigungsweise zustehe, er selbst aber Niemandem dazu verpflichtet sei. 4Was von der Traufe gesagt ist, ist auch von den übrigen Dienstbarkeiten zu verstehen, wenn nicht ausdrücklich etwas Anderes bestimmt worden ist.
18Ad Dig. 8,2,18Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 480, Note 9.Pompon. lib. X. ad Sabin. Wenn an meinem Gebäude befestigte Röhren, wodurch du Wasser leitest, mir Schaden zufügen, so steht mir eine Klage auf das Geschehene zu; ich kann aber auch mit dir wegen drohenden Schadens eine Stipulation eingehen.
19Paul. lib. VI. ad Sabin. Eine Röhre, welche entweder aus einem öffentlichen Brunnen oder vom Himmel das Wasser auffängt, darf man, wie Proculus sagt, dem Rechte nach nicht an einer gemeinschaftlichen Wand anbringen; ein Bad an der gemeinschaftlichen Wand anzulegen, kann aber der Nachbar nicht verhindert werden, wenn die Wand auch Feuchtigkeit einzieht; denn es ist ebenso, wie wenn Jemand in seinem Schlafzimmer oder Gemach Wasser ausgiesst. Neratius sagt aber, dass wenn von dem Bade ein so häufiger Gebrauch gemacht würde; dass eine fortwährende Feuchtigkeit herrschte, und dies dem Nachbar Schaden brächte, jener daran gehindert werden könne. 1Ein aus Töpferfliesen erbauetes Gemach an einer gemeinschaftlichen Wand, welches so erhaltbar ist, dass es, auch wenn die Wand weggenommen ist, stehen bleiben kann, darf man dem Rechte nach behalten, sobald es der Wiederherstellung der gemeinschaftlichen Wand nicht im Wege ist. 2Stiegen darf man, wie Sabinus richtig bemerkt, an einer gemeinschaftlichen Wand haben, weil diese wieder weggenommen werden können.
20Idem lib. XV. ad Sabin. Dienstbarkeiten, welche an der Oberfläche [eines Grundstücks] bestehen, werden durch den Besitz [allein] erhalten; denn habe ich z. B. aus meinem Gebäude in das deinige einen Balken gelegt, so besitze ich dadurch, dass ich den eingelegten Balken besitze, die Dienstbarkeit der Berechtigung dazu selbst. Dasselbe ist der Fall, wenn ich eine über dein [Gebiet] vorgeschobene Balcongallerie oder Traufe habe, weil ich hier auf deinem Gebiet einen Gebrauch ausübe, und also gleichsam durch eine Thatsache besitze. 1Wenn dein Hof höher liegt, als mein Haus, und du mir zugestanden hast, über deinen Hof in mein Haus zu gehen und zu fahren, zu demselben über jenen aber kein ebener Zugang ist, so kann ich dem Rechte nach Stufen oder einen Anberg nach meiner Thür zu machen, wenn ich nur nichts weiter als nöthig ist, des Weges halber zerstöre. 2Wenn das Gebäude, von dem die Traufe herniederfällt, weggenommen worden ist, um unter denselben Verhältnissen und in derselben Eigenschaft wieder aufgebaut zu werden, so erfordert der Nutzen, dass es [fortdauernd] als dasselbe angesehen werde; denn ohnedies ist, wenn man es strenge nimmt, das neuaufgeführte ein anderes, und deshalb geht mit der Wegnahme eines Gebäudes ein [daran bestellter] Niessbrauch verloren, wiewohl der Hof ein Theil des Gebäudes ist. 3Wenn die Dienstbarkeit der Traufe vorhanden ist, so darf der Eigenthümer des dienenden Hofraums nicht an einer Stelle bauen, wo die Traufe herabfällt. 4Wenn die Traufe vorher von Dachziegeln gefallen ist, so darf sie nachher nicht von Estrich oder von einem andern Stoff fallen. 5Die Traufe kann erhöhet werden, sie mag erworben worden sein, wie sie will; denn die Dienstbarkeit wird dadurch erleichtert, indem dasjenige, was aus der Höhe fällt, leichter und mehr zerstreuet wird, und nicht auf das dienstbare Grundstück gelangt; niedriger darf [die Traufe] nicht gemacht werden, weil die Dienstbarkeit dadurch beschwerlicher wird, nämlich zu einem Abfluss statt der Traufe. Aus demselben Grunde darf eine Traufe auch weiter rückwärts verlegt werden, weil der Fall dann mehr auf unserm eigenen Boden geschieht; vorgerückt darf sie nicht werden, damit dieselbe nicht an einem andern Orte herabfällt, als wo die Dienstbarkeit ruht; denn erleichtern darf man wohl [die Dienstbarkeiten], nicht aber erschweren. Ueberhaupt ist zu bemerken, dass das Nachbargrundstück zwar in ein vortheilhafteres Verhältniss gesetzt werden dürfe, nicht aber in ein nachtheiligeres, es müsste denn die Veränderung mit ausdrücklicher Auflage einer Dienstbarkeit geschehen sein. 6Wer auf einem Hofraum, auf den die Traufe fällt, bauet, der kann das Gebäude bis dahin fortführen, wo die Traufe gerade herunterfällt; es kann aber auch ein Gebäude, auf welches die Traufe fällt, erhöhet werden, sobald nur für den geraden Herabfall derselben Raum bleibt.
21Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn dein Haus meinen Gebäuden zu der zweifachen Dienstbarkeit verpflichtet ist, dass es nicht erhöhet werden darf und die Traufe meiner Gebäude aufnehmen muss, und ich dir das Recht, wider meinen Willen deine Gebäude höher aufzuführen, zugestanden habe, so muss es in Betreff der Traufe so gehalten werden, dass, wenn durch die Erhöhung deiner Gebäude meine Traufe nicht mehr auf dieselben fallen kann, du aus diesem Grunde nicht höher bauen dürfest, wohl aber, wenn meine Traufe nicht behindert wird.
22Julian. lib. II. ex Minicio. Wer ein [mit der Lichtdienstbarkeit berechtigtes] Gebäude hat, kann dem Nachbar die Dienstbarkeit auferlegen, nicht nur wegen der bereits vorhandenen, sondern auch wegen der künftig noch gemacht werdenden Fenster Sicherheit zu bestellen.
23Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn die Dienstbarkeit auferlegt worden ist, dass das Licht so, wie es ist, bleiben solle, so wird damit für künftig anzulegende Fenster keine Sicherheit als bestellt angesehen; ist aber das Versprechen so gestellt worden, dass das Licht nicht geschmälert werden solle, so ist es zweideutig, ob damit nur die bereits vorhandenen Fenster gemeint sind, oder auch die künftigen. Es ist aber billiger, unter jenem allgemeinen Ausdruck alles Licht zu begreifen, es mag schon gegenwärtig oder erst nach der Zeit der Uebereinkunft in Betracht fallen. 1Auch einem künftigen, noch nicht vorhandenen Gebäude kann eine Dienstbarkeit auferlegt oder erworben werden.
24Paul. lib. XV. ad Sabin. Wessen Gebäude vermöge des [Tramm-] Rechtes99S. Glück X. p. 81. Uebrigens bemerke ich, dass ich Glücks Gründen nicht durchgehends beitrete. auf einem andern ruhet, der darf sein Gebäude ohne Begrenzung in die Höhe führen, sobald er die unten befindlichen Gebäude mit keiner schwereren Dienstbarkeit belastet, als sie zu leiden haben.
25Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Was von der Balkeneinlegung gesagt worden ist, hat [nur] in Bezug von einem Gebäude auf das andere Statt; denn auf andere Weise kann Niemand etwas auf einem fremden Gebäude Ruhendes haben. 1Wenn von dreien an einem unebenen Orte erbaueten Gebäuden das mittlere dem oberen dienstbar ist, das untere aber keinem, und eine zwischen dem unteren und mittleren Gebäude befindliche gemeinschaftliche Wand vom Eigenthümer des unteren erhöhet worden ist, so sagt Sabinus, könne er dies mit vollem Rechte thun.
26Paul. lib. XV. ad Sabin. An einer gemeinschaftlichen Sache kann einer von zwei Eigenthümern vermöge einer Dienstbarkeit weder wider den Willen des andern etwas thun, noch verhindern, dass der andere etwas nicht thue, denn Niemandem ist seine eigene Sache dienstbar. Wegen der endlosen Streitigkeiten kommt die Sache daher meist auf Theilung hinaus; der Mitgenosse erlangt aber durch die Gemeingutstheilungsklage, dass Etwas1010Hier sind besonders Neuerungen und Veränderungen in Bauten u. s. w. zu verstehen. nicht geschehe, oder dass [der andere] das bereits Geschehene wieder wegnehmen müsse, wenn dessen Wegnahme der gemeinschaftlichen Sache nützt.
27Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Wenn mir und dir die Titianischen Gebäude gemeinschaftlich gehören, und aus diesen etwas widerrechtlich in andere mir allein gehörige Gebäude eingelegt worden ist, so kann ich gegen dich Klage erheben oder auch das mir Aufgebürdete zerstören1111Glück X. p. 76. n. 73.. Dasselbe ist der Fall, wenn aus deinen eigenen Gebäuden in die mir und dir gemeinschaftlich gehörigen etwas auf ähnliche Weise vorgebauet sein sollte; hier habe ich allein wider dich eine Klage. 1Wenn du auf einem [dir mit einem Andern] gemeinschaftlich gehörigen Hofraum bauen willst, so hat der Miteigenthümer das Recht, es zu verhindern, wenn dir auch das Recht zu bauen vom Nachbar zugestanden worden ist, weil du wider den Willen des Miteigenthümers auf einem gemeinschaftlichen Platz1212jure; Hal. und die Vulgate haben red: der Sinn ist unzweifelhaft der oben angegebene. zu bauen kein Recht hast.
28Ad Dig. 8,2,28Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 209, Note 7.Paul. lib. XV. ad Sabin. Ein unten in der Wand eines Zimmers oder Speisesaales, um den Fussboden zu scheuern, angebrachtes Loch, ist weder ein Abfluss, noch kann [dadurch ein solcher] durch Zeitablauf erworben werden. Dies ist insofern richtig, wenn in diesen Ort kein Wasser vom Himmel fliesst; denn dasjenige, wozu die Hand nöthig ist, hat keine immerwährende Ursach; was aber vom Himmel fällt, das geschieht, wenn es auch nicht häufig geschieht, doch aus einer natürlichen Veranlassung, und wird daher als immerwährend geschehend angenommen. Jede Dienstbarkeit eines Grundstücks muss aber eine immerwährende Ursach haben, und daher kann weder aus einem Teiche noch aus einem stehenden Wasser eine Wasserleitung zugestanden werden. Auch der Trauffall muss eine natürliche und immerwährende Ursach haben.
29Pompon. lib. XXXII. ad Quint. Mucium. Wenn also der Nachbar durch ein solches Loch, woran keine Dienstbarkeit besteht, Schaden gespürt hat, so findet eine Stipulation wegen drohenden Schadens Statt.
30Paul. lib. XV. ad Sabin. Wenn Jemand ein Gebäude, welches dem seinigen dienstbar ist, gekauft und übergeben erhalten hat, so ist die Dienstbarkeit dadurch vereinigt und aufgehoben, und wenn er [das erstere] wieder verkaufen will, so muss die Dienstbarkeit ausdrücklich wieder auferlegt werden, sonst bleibt jenes Gebäude befreiet. 1Wenn ich einen Theil eines Grundstücks erlangt habe, welches mir1313d. h. meinem Grundstück., oder dem ich dienstbar bin, so findet keine Vereinigung der Dienstbarkeit Statt, weil diese zum Theil fortbesteht, wenn daher mein Grundstück dem deinigen dienstbar ist, und ich dir einen Theil von dem meinigen, und du mir einem von den deinigen übergeben hast, so besteht die Dienstbarkeit fort. Ebensowenig unterbricht auch der an einem oder dem andern Grundstück erworbene Niessbrauch die Dienstbarkeit.
31Idem lib. XLVIII. ad Ed. Wenn ein Erbe, dem durch das Testament als Vermächtniss auferlegt worden ist, das Licht des Nachbars nicht zu schmälern, und [dies als] Dienstbarkeit zu gewähren, das [dienstbare] Gebäude niedergerissen hat, so ist dem Vermächtnissinhaber eine analoge Klage zuzugestehn, wodurch er den Erben verhindern kann, wenn dieser etwa nachher versuchen sollte, das Gebäude höher, als es vorher gewesen, wieder aufzubauen.
32Julian. lib. VII. Dig. Wenn mein Gebäude, dem des Lucius Titius und dem des Publius Mävius insofern dienstbar ist, dass mir nicht erlaubt ist, höher zu bauen, und ich vom Titius bittweise es erlangt habe, höher bauen zu dürfen, und die gesetzmässige Zeit hindurch mein Gebäude dann so erhöht gehabt habe, so werde ich gegen den Publius Mävius die Befreiung [von der Dienstbarkeit] ersitzen; denn die dem Titius und Mävius zukommende Dienstbarkeit war nicht eine, sondern zwei. Ein Beweis dafür ist der Umstand, dass wenn mir der eine von beiden die Dienstbarkeit erlassen hätte, ich nur von ihm befreiet, dem andern aber nichts desto weniger zur Dienstbarkeit verpflichtet geblieben sein würde. 1Ad Dig. 8,2,32,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 216, Note 11.Befreiung von der Dienstbarkeit wird ersessen, wenn die Gebäude besessen werden; wenn daher derjenige, welcher höher gebauet hatte, vor der erforderlichen Zeit den Besitz des Gebäudes verloren hat, so ist die Ersitzung gestört; derjenige aber, welcher nachher den Besitz dieser Gebäude erhält, wird [erst] durch [den Ablauf] des ganzen erforderlichen Zeitraums die Befreiung [von der Dienstbarkeit] ersitzen; denn die Natur der Dienstbarkeiten ist von der Art, dass sie nicht besessen werden können, sondern es wird von demjenigen, der das Gebäude besitzt, [blos] angenommen, als habe er deren Besitz.
33Paul. lib. V. Epitom. Alfeni Dig. Derjenige, dem das dienstbare Gebäude gehört, muss die Säule, welche die Last des benachbarten Gebäudes trägt, wiederherstellen, nicht derjenige, welcher jene darauf legen will; denn wenn es in dem Vertrage wegen der Dienstbarkeit1414In lege aedium, s. Ulr. Hub. prael. J. C. ad Pandect. h. t. §. 2. so heisst: die Wand zur Unterstützung der Last soll bleiben wie sie ist, so ist damit deutlich genug gesagt, dass die Wand auf immer bleiben solle. Denn mit diesen Worten wird nicht gesagt, dass auf immer und ewig die Wand dieselbe bleiben solle, was sogar unmöglich wäre, sondern, dass eine Wand von dieser Art immerwährend da sein soll, um die Last zu tragen. Es ist gerade so, wie wenn Jemand einem Andern Sicherheit bestellt, ihm eine Dienstbarkeit gestatten zu wollen, seines [Hauses] Last zu tragen, wo, wenn die dienstbare [Wand], welche die Last trägt, eingefallen ist, eine andere an deren Statt gesetzt werden muss.
34Julian. lib. II. ex Minicio. Wer zwei Höfe hat, kann, wenn er den einen weggibt, denselben dem andern dienstbar machen.
35Marcian. lib. III. Regular. Wenn der Eigenthümer von zwei Gebäuden eines davon verkauft, und dabei bevorwortet, dass es [dem andern] dienstbar sein solle, bei der Uebergabe aber der Dienstbarkeit keine Erwähnung gethan hat, so kann er [dennoch] sowohl die Klage aus dem Verkauf erheben, als die Condiction des Unbestimmten anstellen, dass die Dienstbarkeit auferlegt werde.
36Papinian. lib. VII. Quaest. Jemand hatte zwei Gebäude unter einem Dachgebälk, und vermachte beide zweien verschiedenen Personen; ich habe hier den Ausspruch gethan, dass weil es zulässig erscheine, dass ein Balken zweien gehöre, jedem Eigenthümer die Balken nach seiner Hausgegend zukämen, so dass jedem bestimmte Theile des Gebälks gehören, und keiner gegen den andern, wegen nicht Statt findenden Rechts, eingelegte Balken zu haben, eine Klage habe. Es ist auch einerlei, ob beiden die Gebäude unbedingt, oder dem einen unter einer Bedingung vermacht worden sind,
41Scaevola lib. I. Respons. Jemand vermacht dem Olympicus das Wohnen und eine Scheuer, welche in dem Hause war, auf Lebenszeit; hei dem Hause war ein Garten und ein Speisesaal1717coenaculum scheint hier in der ursprünglichen Bedeutung genommen werden zu müssen., der dem Olympicus nicht vermacht worden war; zu dem Garten aber und dem Speisesaal war durch das Haus, woran das Wohnen vermacht worden war, immer ein Durchgang gewesen; nun fragte es sich, ob Olympicus den Durchgang leiden müsse? Ich habe geantwortet, dass zwar keine Dienstbarkeit vorhanden sei, der Erbe aber durch das Haus zu dem vorerwähnten [Garten und Speisesaal] gehen könne, wenn er nur dem Vermächtnissinhaber keinen Schaden zufüge. 1Lucius Titius brach die Wand seines Hauses durch und legte innerhalb der Grenzen, welche ihm die Dienstbarkeit der Traufe und des Wetterdachgebälkes [seines Nachbars] vorschrieb, eine nach aussen gehende Thür an; es entsteht die Frage, ob, wenn er weder dem Lichte des Nachbars Publius Mävius, noch dem Fusssteig desselben, noch der von dessen Hause fallenden Traufe hinderlich ist, dem Nachbar Publius Mävius eine Klage, dies zu hintertreiben, zu stehe? — Ich habe geantwortet, dass der Lage der Sache nach keine Klage Statt finde.