De diversis temporalibus praescriptionibus et de accessionibus possessionum
(Von den verschiedenen Einreden der Verjährung1 und der Anknüpfung des Besitzes2.)
1S. Unterholzner Lehre von der Verjährung Thl I. S. 11. Anm. 11. —
2Zwischen mehreren auf einander folgenden Besitzern. Dieser Ausdruck hat in verschiedenen Wendungen hier und da übersetzt werden müssen; sowie obsteht, übersetzt Unterholzner.
1Ulp. lib. LXXIV. ad Ed. Da sehr oft über die zur Rechtsverfolgung geeigneten Tage Frage erhoben wird, so wollen wir untersuchen, was es heisse, die Fähigkeit zur Rechtsverfolgung haben. Vor allen Dingen ist ein Haupterforderniss, die Möglichkeit, Klage zu erheben; denn es ist nicht hinreichend für den Beklagten, die Möglichkeit darzubieten, ihn in Anspruch zu nehmen, oder Jemanden zu haben, der einen geeigneten Vertheidiger abgiebt, wenn nicht auch der Kläger durch keine genügende Ursache an der Klagenerhebung gehindert wird. Wenn er sich daher in feindlicher Gewalt, oder in Staatsgeschäften abwesend, oder im Gefangniss befindet, oder durch ein Unwetter an einem Orte, oder in einer Gegend festgehalten wird, sodass er weder selbst ein Recht verfolgen, noch Jemandem dazu Auftrag ertheilen kann, so hat er keine Fähigkeit zur Rechtsverfolgung. Wer freilich nur durch Krankheit verhindert wird, sodass er Auftrag ertheilen kann, der befindet sich in einer solchen Lage, dass er allerdings die Fähigkeit zur Rechtsverfolgung besitzt. Das braucht übrigens nicht erwähnt zu werden, dass Der, wem es nicht möglich ist, den Prätor anzugehen, nicht die Fähigkeit der Rechtsverfolgung hat; es werden mithin nur diejenigen Tage gerechnet, an denen der Prätor Recht spricht.
2Marcell. lib. VI. Dig. Es ist die Frage erhoben worden, ob bei der den Verurtheilten33Judicatis, Gothofred versteht nach der Glosse die actio judicati; der Sinn läuft auf Eins hinaus. bestimmten Frist, dem Verurtheilten der Schalttag zu Gute gehen müsse oder nicht, ingleichen von derjenigen Frist, binnen deren ein Rechtsstreit erlischt?44S. die Anm. zu l. 30. §. 1. D. ad L. Aquil. — Es ist ohne allen Zweifel anzunehmen, dass die Frist für den Rechtsstreit durch den Schalttag verlängert wird, z. B. wenn Frage über die Ersitzung entsteht, die durch [Ablauf] einer bestimmten Frist erfüllt zu werden pflegt, oder über die Klagen, die nach einem bestimmten Zeitraum erlöschen, wie die ädilitischen und meisten Klagen. Wenn aber55M. s. Unterholzner a. a. O. S. 279 n. 285, u. 282 n. 288. Ich theile das ohnedies etwas dunkele Fragment, sowie in der Uebersetzung angegeben, der Interpunction nach ein, und lese mit Bynkershoek Obs. IV. 8. sed si quis, und proficiet emtori; die übrigens im letzten Satz gar nicht regelmässige Construction ist wie öfters, dass die Icti non cohaerentibus locutionibus in sententiam transeunt. Jemand ein Landgut unter der Bedingung verkauft hat, dass, wenn die Zahlung des Kaufgeldes nicht binnen dreissig Tagen erfolgte, der Kauf rückgängig sein solle, so bin ich nicht der Ansicht, dass der Schalttag zu der Frist hinzugerechnet werde.
4Javolen. lib. VII. Epistol. Wenn ein Erbschaftssclave, oder ein Sclave Dessen, der sich in feindlicher Gefangenschaft befindet, Bürgschaft erhalten hat, so wird die Frist der Bürgschaft sofort anheben66Diese Stelle untersucht, von welcher Zeit an das Recht aus einer Verbürgung als vollständig begründet anzunehmen sei, Unterholzner a. a. O. S. 285; hinzuzudenken ist: ohne dass Erbschaftsantretung nöthig ist, obgleich erst nach dieser Klage erhoben werden kann, Unterholzner Thl. II. S. 317 n. 736.; denn man muss hier darauf sehen, ob die Möglichkeit vorhanden gewesen ist, wider Den Klage zu erheben, der verbindlich geworden ist, nicht, ob Derjenige klagen könne, der eine Sache zum Gegenstand einer Verbindlichkeit gemacht hat; denn sonst wäre es im höchsten Grade unbillig, die Verbindlichkeiten der Beklagten nach den Verhältnissen der Kläger zu erweitern, da es doch an Erstern nicht gelegen, dass wider sie nicht Klage erhoben werden konnte.
5Ulp. lib. III. Disp. Es frägt sich, ob mir der Mangel [im Besitz] meines Vorgängers, Schenkers, oder Dessen, der mir eine Sache vermacht hat, auch nachtheilig sei, wenn etwa mein Vorgänger keinen rechtmässigen Anfang des Besitzes gehabt hat? — Meiner Meinung nach entsteht daraus sowenig Schaden als Vortheil77neque prodesse, hier muss offenbar eine Umwechselung des Falls gedacht werden; die Basil. sagen deutlicher allgemein: ἡ γὰρ ποιότης (Qualitas possessionis) οὔτε ὠφελεῖ με, οὔτε βλάπ τει με., denn ich kann ja ersitzen, was mein Vorgänger nicht ersitzen konnte. 1Es ist in Folge eines vorgekommenen Falls, dass Jemand eine Sache zum Pfande gegeben und sie verkauft, sein Erbe aber sie wiedergekauft hatte, die Frage entstanden, ob sich der Erbe wider die Verfolgung des Pfandes mit der Einrede des langen Besitzes schützen könne? — Ich gab zur Antwort: der Erbe, welcher das Pfand von einem Dritten wiedergekauft hat, könne sich der Einrede bedienen, weil er an die Stelle eines Dritten getreten ist, und nicht an die Dessen, der das Pfand gestellt hatte, ebenso wie wenn er sie vorher gekauft hätte und dann Erbe geworden wäre.
6African. lib. IX. Quaest. Wenn ich Zweien dieselbe Sache besonders verkauft [und übergeben]88Unterholzner Thl. I. S. 482. n. 484. habe, so nützt mein99Cuj. Obs. V. ult. restituirt hier durch Gemination (vendiderim M) nach den Basil. (μοῦ) mea, s. Radulph. Forner. Rer. Quot. II. 1. T. O. II, 159.) Besitz, der beiden Verkäufen vorangegangen, dem frühern Käufer allein, dem er zugleich übergeben worden ist. Auch wenn ich dir eine Sache verkauft habe, sodann dieselbe wiederum von dir kaufe und an Titius verkaufe, wächst sowohl mein gesammter Besitz als der deinige dem Titius zu, weil du nemlich mir denselben gewähren musst, und ich ihm1010Hieraus folgert Unterholzner a. a. O. Thl. I. S. 482 „wenn in des Vorgängers Person eine Unterbrechung des Besitzes eingetreten ist, so kann nur der von der Wiedererlangung an gelaufene Besitz dem des neuen Erwerbers zugerechnet werden.“ (??). 1Ich habe dir einen Sclaven verkauft, und dabei ist ausgemacht worden, dass, wenn das Geld nicht an einem bestimmten Tage gezahlt worden, der Kauf rückgängig sein solle; als sich dieser Fall zutrug, entstand die Frage, was ich über das Hinzukommen deiner Zeit meine? — Ich ertheilte die Antwort: es werde ebenso gehalten, wie wenn eine Zurücknahme habe geschehen müssen; denn der Sclave werde ebenso betrachtet, wie wenn mir derselbe zurückverkauft worden wäre, sodass, wenn der Verkäufer nachher den Besitz erlangt habe, sowohl dieser Zeitraum selbst, als der dem Verkaufe vorangegangene, und noch dieses Hinzukommen für ihn dazu gerechnet werde, dass er bei Dem gewesen, von dem der Sclave hat zurückgenommen werden müssen.
10Papin. lib. XIII. Resp. Der Angeber eines erblosen Nachlasses stand innerhalb des vierjährigen Zeitraums von der gemachten Anzeige ab; diese frühere Anzeige wird einem nach vier Jahren auftretenden zweiten Angeber nichts nützen, sodass er nicht [vom Besitzer] mit der Einrede des Zeitablaufs abgewehrt werden könnte, wenn nicht eine Prävarication des ersten nachgewiesen wird; ist eine solche dargethan worden, so findet weder Einrede noch überhaupt Erörterung der Sache statt1212Ob das Vermögen erblos sei, sondern es wird wegen der Prävarication des zuerst aufgetretenen Angebers mit dem Besitzer Letzterm sofort die Erbschaft weggenommen. Unterholzner Thl. II. S. 426 n. 827.. 1Die. vierjährige Frist, welche für die Anzeige eines erblosen Nachlasses vorgeschrieben ist, wird nicht nach der vermeintlichen, sondern vom Eintritt der wirklichen Erblosigkeit gezählt1313Non ex opinione hominum, sed ex substantia vac. bon. dinumeratur, Unterholzner a. a. O. Thl. II. S. 426 Anm. 827 vgl. Jens. l. l. p. 456.. Es werden nemlich die vier Jahre von da an gerechnet, wo ein Testament ungültig geworden, und der testamentslose Nachlassbesitz von Allen abgelehnt worden ist, die ihn nach der Stufenfolge fodern konnten, oder vom Ende der den Einzelnen vorgeschriebenen Frist an.
11Papin. lib. II. Defin. Da der Erbe in das gesammte Rechtsverhältniss des Erblassers nachfolgt, so schliesst er durch sein Nichtwissen die [Besitz-]mängel desselben nicht aus, z. B. wenn dieser1414Jens. p. 457 will illo, was die Flor. hat, herauswerfen, allein Hal. conj. ille ist wohl anzunehmen. einen fremden Sclaven wissentlich, oder bittweise besessen hat. Denn obwohl ein bittweises Verhältniss den nicht darum wissenden Erben nicht bindet, und er deshalb rechtlichermaassen nicht mit dem Interdicte angegriffen werden kann, so wird er dennoch Das nicht ersitzen können, was der Erblasser nicht konnte. Dasselbe ist Rechtens, wenn es sich um langen Besitz handelt, denn er wird sich nicht genügend vertheidigen können, da seinen [Besitz-]Anfang nicht der gute Glaube deckt.
13Hermogen. lib. VI. jur. Epit. In Ansehung aller fiscalischen Untersuchungen1515Es sind Vermögensansprüche gemeint, Unterholzner Thl. II. S. 436. n. 836. wird eine Verjährung von zwanzig Jahren beobachtet, ausgenommen diejenigen Fälle, in denen ausdrücklich die Beobachtung einer kürzern Frist vorgeschrieben worden ist. 1Rechnung über Verwaltung städtischer Gemeinwesen, die abgenommen und für richtig anerkannt worden sind, können wider den Rechnungsfiihrer nach zwanzig Jahren, und wider seinen Erben nach zehn Jahren nicht angefochten werden.
14Scaevola lib. sing. Quaest. etc. Ad Dig. 44,3,14 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Ueber die Anknüpfung des Besitzes lässt sich für immer und im Allgemeinen keine Bestimmung treffen; sie beruhet allein in der Billigkeit. 1Ad Dig. 44,3,14,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 5.Soviel ist freilich gewiss, dass sie Denen zugestanden wird, die an die Stelle Anderer nachfolgen, sei es in Folge eines Contracts oder des Willens der Letztern; denn den Erben und Denen, die an Stelle der Rechtsnachfolger treten, wird Anknüpfungsweise der Besitz des Testators gegeben. 2Ad Dig. 44,3,14,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Wenn du mir einen Sclaven verkauft hast, geht mir daher dein vorhergegangener Besitz zu Gute. 3Auch wenn du mir ein Pfand gegeben hast, und ich dieselbe Sache einem Andern verpfändet habe, wird mein Gläubiger die Anknüpfung deiner [Besitz]zeit sowohl gegen jeden Dritten, als wider dich selbst zur Anwendung bringen können, solange du ihn nicht bezahlst; denn wer mir vorgeht, während ich dir vorgehe, der muss dir natürlich umsomehr vorgehen; hast du aber mir Zahlung geleistet, so wird er in diesem Fall von deiner Besitzzeit keinen Gebrauch machen können. 4Ad Dig. 44,3,14,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Ferner werde ich jeden Falls von der Anknüpfung deiner Besitzzeit Gebrauch machen, wenn in deiner Abwesenheit Derjenige, wer deine Geschäfte zu verwalten schien, mir einen Sclaven verkauft hat, und du zurückgekehrt es genehmigt hast. 5Ad Dig. 44,3,14,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 181, Note 10.Ingleichen wird, wenn du mir ein Pfand gegeben hast, und dabei das Uebereinkommen getroffen worden ist, dass, wenn du keine Zahlung leistest, mir auf den Grund des Vertrages der Verkauf des Pfandes freistehen solle, und ich dasselbe verkauft habe, dem Käufer die Anknüpfung deiner Zeit zu Theil werden müssen, wenn das Pfand auch wider deinen Willen verkauft worden ist; denn es stand schon damals, als du contrahirtest, die Annahme der Einwilligung in den Verkauf fest, wenn du keine Zahlung geleistet haben würdest.
15Venulej. lib. V. Interdict. Bei der Ersitzung wird es so gehalten, dass, wenn der Gegenstand am letzten Tage [der Frist] auch nur einen Augenblick lang besessen worden ist, die Ersitzung nichtsdestoweniger erfüllt, und zur Erfüllung der bestimmten Zeit nicht der ganze Tag erfodert wird. 1Die Anknüpfung des Besitzes geschieht nicht nur in Ansehung derjenigen Zeit, dass er bei Dem war, von welchem der Andere gekauft hat, sondern auch bei Dem, welcher an Den verkauft hat, von dem du gekauft hast. Wenn aber ein in der Mitte stehender von den Vorgängern nicht besessen hat, so wird der Besitz der weiter rückwärts stehenden Vorgänger nichts nützen, weil er in keiner Verbindung steht, gleichwie dem Nichtbesitzenden des Vorgängers Besitz nicht zu Theil werden kann. 2Es ist ferner hinzuzurechnen, von woher du gekauft hast, oder Der, dem du dazu Auftrag ertheilt, gekauft hat, und die Zeit des Besitzes Dessen, der zum Verkauf Auftrag ertheilt hat; wenn aber Derjenige, dem dazu Auftrag ertheilt worden, auch wiederum mit dem Verkauf einen Andern beauftragt hat, so, sagt Labeo, dürfe rücksichtlich des nachher Auftrag Ertheilenden nur dann Anknüpfung der Zeit verstattet werden, wenn der Eigenthümer es ihm selbst erlaubt habe. 3Auch wenn ich vom Sohn oder Sclaven gekauft habe, wird mir die Anknüpfung der Zeit, in der sich der Besitz bei dem Vater oder Herrn befunden, nur dann verstattet werden, wenn er entweder mit des Vaters, oder des Herrn Einwilligung verkauft, oder die [freie] Verwaltung seines Sonderguts gehabt hat. 4So ist ferner die Zusammenrechnung mit der Zeit zu gestatten, dass sich [der Besitz] bei einem Unmündigen befand, von dessen Vormund du gekauft hast, während derselbe die Vormundschaft verwaltet hat. Dasselbe gilt von Dem, der von dem Curator eines Unmündigen oder Wahnsinnigen gekauft hat, und wenn Namens der Leibesfrucht oder der [Frau], die sich zur Erhaltung einer Sache im Besitz befindet, und Namens der Mitgift eine Verminderung geschehen ist; auch hier findet Anknüpfung der Zeit statt. 5Diese Anknüpfungen sind aber nicht so ausgedehnt zu verstehen, als die Worte angeben, sodass auch diejenige Zeit dem Käufer nützt, während der die übergebene1616Duker l. l. p. 376. n. 16. hält traditae für falsch und will venditae lesen. Sache nach deren Verkauf und Uebergabe sich bei dem Verkäufer befand1717S. Unterholzner Theil I. S. 475. Anm. 477., sondern nur die vorhergehende, wenn auch der Verkäufer diese Sache zur Zeit des Verkaufs nicht besass. 6Demjenigen, wem der Erbe eine erbschaftliche Sache verkauft hat, muss sowohl die Besitzzeit des Erben als des Erblassers angerechnet werden.