De iurisdictione
(Von der Gerichtsbarkeit.)
2Javolen. lib. VI. ex Cassio. Wem Recht zu sprechen verstattet ist, dem scheint auch das eingeräumt zu sein, ohne welches sich der Begriff Rechtsprechen nicht entfalten kann.
3Ulp. lib. II. de offic. Quaest. Das Imperium ist entweder rein oder gemischt. Reines Imperium (merum imperium) heisst, die Macht haben, ein Schwert zu führen, um ruchlose Menschen zu bestrafen. Gemischtes (mixtum imperium), in welchem auch das Rechtsprechen stillschweigend enthalten ist, ist das, was in Verstattung des Nachlassbesitzes sich zeigt. Im Rechtsprechen liegt auch die Erlaubniss, einen Richter zu bestellen.
4Idem lib. I. ad Edictum. Befehle, man solle durch eine prätorische Stipulation Sicherheit stellen und provisorischen Besitz verfügen, gehören mehr dem Begriffe des Imperium als des Rechtsprechens an.
6Paul. lib. II. ad Edictum. Und weil nun einem solchen [dem die Gerichtsbarkeit von einem Andern übertragen worden ist] die Gerichtsbarkeit weder vom Anfange her verliehen ist, noch das Gesetz selbst sie ihm übermacht, sondern nur bestätigt, wenn sie ihm schon übertragen worden; so sagt deshalb Labeo, dass hier die Uebertragung, wie in den übrigen Fällen, erlischt, wenn der, welcher die Gerichtsbarkeit übertragen, früher sterbe, als das Geschäft von dem, welchem sie übertragen worden, zu führen angefangen worden sei.
7Ulp. lib. III. ad Edictum. Wenn Einer das, was des ununterbrochenen Rechtsprechens wegen, nicht aber besonderer Fälle halber, auf der weissen Tafel, oder auf Papier oder auf anderm Stoffe, öffentlich ausgestellt ist, mit bösem Vorsatze beschädigt hat, so ist gegen ihn eine Klage gestattet auf 50 Goldstücke, zu welcher Jeder aus dem Volke Erlaubniss hat. 1Auch Sclaven und Haussöhne sind in den Worten des Edicts enthalten, aber auch beide Geschlechter hat der Prätor umfasst. 2Wenn aber, während die öffentliche Ausstellung vor sich geht, oder vor derselben es [das öffentlich Ausgestellte] Jemand beschädigt hat, so werden zwar die Worte des Edicts nicht anwendbar sein; Pomponius jedoch sagt, dass die Bestimmung des Edicts auf diese Fälle auszudehnen sei. 3Bei Sclaven aber, wenn sie nicht von ihren Herren gerichtlichen Beistand erhalten, und denen, welche Mangel leiden, tritt Lebensstrafe [Folterung] ein. 4Des bösen Vorsatzes geschieht aber deshalb in den Worten des Edicts Erwähnung, weil, wenn Einer aus Unerfahrenheit, oder schuldloser Unvorsichtigkeit, oder auf eigenen Befehl des Prätors, oder durch Zufall es gethan, er nicht gestraft wird. 5Und gegen diesen Theil des Edicts handelt auch, wer es wegreisst, ohne es zu beschädigen; ebenfalls wer es mit eignen Händen thut, und wer es einem Andern aufträgt. Aber wenn Einer ohne bösen Vorsatz es that, ein Anderer es ihm aber mit bösem Vorsatz auftrug, so wird der, welcher es aufgetragen hat, bestraft werden: denn auch, wenn Mehrere gehandelt, entweder beschädigt oder es aufgetragen habe, werden Alle strafbar sein,
8Gajus lib. I. ad Edictum prov. und das in soweit, dass es nicht hinreicht, dass einer allein von ihnen die Strafe leide.
9Paul. lib. III. ad Edictum. Wenn mehrere Sclaven, die Einem gehören, die weisse Tafel beschädigt haben sollten, so wird hier nicht, wie beim Diebstahle im Edicte bekannt gemacht, es solle gegen die Uebrigen keine Klage gestattet werden, wofern nämlich der Herr, wenn er gerichtlichen Beistand zu leisten gesonnen war, nur im Namen eines Einzigen das erlegt haben sollte, was ein Freier erlegen würde; vielleicht aus dem Grunde, weil hier die Verachtung der Würde des Prätors bestraft wird, und mehrere Handlungen angenommen werden, wie dies der Fall ist, wenn mehrer Sclaven Jemanden beleidigten oder Schaden zufügten, weil hier eine Mehrzahl von Handlungen da ist, nicht eine einzige, wie beim Diebstahle. Octavenus glaubt, man müsse auch hier dem Herrn beistehen. Doch das kann nur dann gesagt werden, wenn sie mir bösem Vorsatze von einem Andern die weisse Tafel beschädigen liessen, weil dann Eine Absicht Statt findet, und keine Mehrheit der Handlungen. Dasselbe bemerkt Pomponius im 10. Buche.
10Ad Dig. 2,1,10ROHGE, Bd. 21 (1877), Nr. 31, S. 86: Rechtsweg gegen einen Beschluß der Gesellschafter über Ausschließung eines Socius.Ulp. lib. III. ad Edictum. Wer der Gerichstbarkeit vorsteht, darf weder für sich Recht sprechen, noch für seine Frau oder Kinder, noch für seine Freigelassenen oder die übrigen, die er bei sich hat.
11Gaj. lib. I. ad Edictum prov. Wenn ein und derselbe gegen einen und denselben mehrere Klagen anstellt und der Betrag jeder einzelnen innerhalb der Grenzen der Gerichtsbarkeit dessen, welcher richtet, ist, alle zusammengerechnet aber den Betrag seiner Gerichtsbarkeit übersteigen: so kann man bei ihm klagen nach dem Urtheil des Sabinus, Cassius, Proculus; eine Meinung, die durch ein Rescript des Kaisers Antoninus bestätigt worden ist. 1Aber auch wenn Widerklagen vorliegen, und der Eine eine geringere, der Andere eine grössere Summe verlangen sollte, so muss der, welcher die kleinere Summe verlangt, bei demselben Richter klagen, damit nicht die Entscheidung der Frage, ob ich bei demselben klagen könne, der Chicane meines Gegners überlassen sei. 2Gehört einer Klage mehrern Personen gemeinschaftlich, wie die auf Erbtheilung, auf Theilung einer gemeinschaftlichen Sache, auf Berichtigung der Grenzen eines Grundstücks, sind dann in Bezug auf die Gerichtsbarkeit des Richters die Antheile der Einzelnen in Obacht zu nehmen? Dies ist die Meinung des Ofilius und Proculus, weil ein jeder für seinen Antheil streitet —; oder vielmehr der Gegenstand im Ganzen? weil auch die ganze Sache Streitgegenstand wird und sogar nur Einem gerichtlich zugeschlagen werden kann. Dies ist die Meinung des Cassius und Pegasus; und allerdings ist ihre Ansicht beifallswürdiger.
12Ulp. lib. XVIII. ad Edictum. Den Obrigkeiten in Municipalstädten ist es nicht erlaubt, Lebensstrafe über einen Sclaven zu verhängen; doch ist das Recht einer mässigen Züchtigung denselben nicht abzusprechen.
13Id. lib. LI. ad Sabinum. Der, welcher zu richten befiehlt, muss eine Obrigkeit sein. 1Die Obrigkeit aber oder der, welcher eine mit dem Imperium versehene Stelle bekleidet, zum Beispiel ein Proconsul oder Prätor oder andere, welche über Provinzen gesetzt sind, können nicht befehlen, das Richteramt an dem Tage zu übernehmen, an welchem sie in den Privatstand zurückgetreten sein werden.
14Id. lib. XXXIX. ad Edictum. Man hat es angenommen, und es ist noch jetzt Rechtens, dass wenn Eines Gerichtsbarkeit sich ein höherer oder gleichstehender unterwirft, für und gegen ihn Recht gesprochen werde.
15Ad Dig. 2,1,15ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 328: Voraussetzung der stillschweigenden Prorogation des Gerichtsstandes.Id. lib. II. de omnibus Tribunalibus. Wenn aus Irrthum ein Prätor anstatt des andern um Hülfe Rechtens ersucht worden ist, so wird die Verhandlung nichtig sein. Denn es ist nicht zu dulden, wenn einer sagen wollte, sie hätten sich über den Vorstand des Gerichts vereinigt, weil ja, wie Julian schreibt, die, welche im Irrthum sind, sich nicht vereinigen. Denn was ist der gegenseitigen Vereinigung so entgegen, als Irrthum, welcher Unwissenheit verräth?
16Id. lib. III. de omn. Tribun. Der Prätor pflegt seine Gerichtsbarkeit [zuweilen] einem Andern zu übertragen; und er überträgt sie entweder ganz, oder nur einen Theil davon. Und der, welchem die Gerichtsbarkeit übertragen worden, wird nur die Stelle dessen vertreten, der sie übertragen, nicht sie als seine eigne verwalten.
17Id. lib. I. Opinionum. Der Prätor kann, so wie er die ganze Gerichtsbarkeit einem Andern übertragen darf, sie auch gegen gewisse Personen und für einen Fall übertragen, besonders wenn er gerechte Ursache gehabt hatte, vor Antretung seiner obrigkeitlichen Stelle die Advocatur für die eine Partei zu übernehmen.
18African. lib. VII. Quaestionum. Ist man dahin übereingekommen, dass ein anderer Prätor, als der, welchem die Gerichtsbarkeit angehört, Recht sprechen solle, und es hat, bevor man ihn um Hülfe Rechtens ersuchte, der Entschluss sich geändert, so wird ohne Zweifel Niemand gezwungen werden, die Uebereinkunft zu halten.
19Ulp. lib. VI. Fideicommissorum. Als ein gewisses Mädchen bei dem competenten Richter auf eine Klage sich eingelassen hatte, darauf verurtheilt worden, und nachher in die Ehe mit einem einer andern Gerichtsbarkeit unterworfenen Manne getreten war, so entstand die Frage, ob des erstern Richters Urtheil vollstreckt werden dürfe? Ich habe gesagt, es dürfe, weil vor Eingehung der Ehe das Urtheil gesprochen war. Aber auch, wenn nach Uebernahme der Untersuchung jedoch vor dem Endurtheil, dies vorfallen sollte, so möchte ich dasselbe für wahr halten, und das Urtheil wird vom frühern Richter mit Recht gesprochen. Und dies ist auch in allen Fällen dieser Art im Allgemeinen zu befolgen. 1So oft die Summe, bis zu welcher sich die Competenz der Gerichtsbarkeit erstreckt, in Frage kommt, so muss immer untersucht werden, wieviel verlangt werde, nicht, wieviel die Schuld betrage.
20Paul. lib. I. ad Edictum. Wer ausser den Grenzen seiner Gerichtsbarkeit Recht spricht, dem verweigert man ungestraft den Gehorsam. Dasselbe findet Statt auch dann, wenn Jemand über das Maass seiner Gerichtsbarkeit hinaus Rechts sprechen wollte.