Communia praediorum tam urbanorum quam rusticorum
(Gemeinschaftliche Regeln über die städtischen und ländlichen Grundstücke.)
1Ulp. lib. II. Instit. Städtische Gebäude nennt man zwar Grundstücke, übrigens aber können, auch wenn Gebäude auf einem Landgute stehen, ebensowohl Dienstbarkeiten städtischer Grundstücke [an denselben] bestellt werden. 1Diese Dienstbarkeiten heissen aber darum Dienstbarkeiten an Grundstücken, weil sie ohne solche nicht bestellt werden können. Denn Niemand kann eine Dienstbarkeit weder an einem ländlichen, noch an einem städtischen Grundstück erwerben, als wer selbst ein Grundstück besitzt.
2Idem lib. XVII. ad Ed. Was das Wasserziehen oder Schöpfen mittelst eines Rades aus einem Flusse betrifft, oder wenn Jemand einem Röhrkasten eine Dienstbarkeit auferlegt, so haben zwar Manche gezweifelt, ob dies Dienstbarkeiten seien; in einem Rescript des Kaisers Antonin an den Tullian wird aber bemerkt, dass derjenige, wer dieses Recht besessen, wenn er es sich besonders ausgemacht, oder auf irgend eine andere gesetzmässige Weise erworben habe, dabei zu schützen sei, wenn gleich [dasselbe als] Dienstbarkeit nach den Rechtsbegriffen nicht Statt findet.
3Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Wenn der Eigenthümer zweier Grundstücke dir das eine unter der Bedingung abtritt, dass das abgetretene demjenigen, welches er selbst zurückbehält, dienstbar sein soll, oder umgekehrt, so wird die Dienstbarkeit als mit vollem Rechte auferlegt angesehen.
4Javolen. lib. X. ex Cassio. Dafür, dass ein Denkmal nur bis auf eine gewisse Höhe aufgeführt werden solle, kann keine Sicherheit bestellt werden, weil dasjenige, was menschlichen Rechtens zu sein aufgehört hat, keine Dienstbarkeit annimmt, sowie auch nicht einmal eine Dienstbarkeit in der Art bestehen kann, dass nur eine bestimmte Anzahl von Menschen an demselben Orte beerdigt werden solle.
5Idem lib. II. Epistol. Ich verkaufe ein mir allein gehöriges Grundstück; kann ich demselben eine Dienstbarkeit in der Art auferlegen, dass mir und meinem Nachbar dieselbe zustehen solle? Ferner, gesetzt, ich verkaufe ein mir mit einem Andern gemeinschaftlich gehöriges Gut, kann ich da ausmachen, dass es mir und meinem Mitgenossen dienstbar bleiben soll? Ich habe geantwortet, eine Dienstbarkeit kann nur jeder für sich selbst ausmachen. Der Zusatz in Betreff des Nachbars ist daher für überflüssig zu halten, so dass die Dienstbarkeit dem, welcher sie sich vorbehalten hat, allein zukommt. Bei dem Verkauf eines gemeinschaftlichen Grundstücks kann ich schon darum nicht bewirken, dass es mir und meinem Mitgenossen dienstbar sein solle, weil für ein gemeinschaftliches Grundstück durch einen Miteigenthümer keine Dienstbarkeit erworben werden kann.
6Ulp. lib. XXVIII. ad Sabin. Ad Dig. 8,4,6 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 209, Note 9.Wenn Jemand zwei Gebäude hat, und das eine davon weggibt, so kann er bei der Uebergabe die Bedingung stellen, dass entweder das zurückbehaltene demjenigen, welches weggegeben worden, oder umgekehrt, das weggegebene dem zurückbehaltenen dienstbar sein solle, und es ist kein Unterschied, ob beide Gebäude an einander grenzen oder nicht. Dasselbe wird auch bei ländlichen Grundstücken der Fall sein, denn wer zwei Landgüter hat, der kann das eine dem andern durch Uebergabe [an Jemand] dienstbar machen. Bei der Uebergabe zweier Gebäude auf einmal kann er das eine dem andern nicht dienstbar machen, weil man fremden Gebäuden weder eine Dienstbarkeit erwerben noch auferlegen kann. 1Wenn Jemand einen Theil eines Gebäudes, oder einen Theil eines Landgutes übergibt, so kann er [demselben] keine Dienstbarkeit auferlegen, weil eine Dienstbarkeit Theilen [eines Grundstücks] nicht auferlegt, aber auch ebensowenig erworben werden kann. Hat man hingegen ein Landgut nach bestimmten Abtheilungen getheilt und dann einen Theil als abgetheilt[es Ganze] übergeben, so kann einem von beiden eine Dienstbarkeit auferlegt werden, weil dann kein Theil eines Landgutes, sondern ein eigenes Landgut vorhanden ist. Dies kann man auch von Gebäuden sagen, wenn der Eigenthümer durch eine mitten durch gezogene Wand ein Haus in zwei abtheilt, wie es oft geschieht; auch hier müssen dann zwei Häuser angenommen werden. 2Ebenso können wir, wenn wir unserer zwei Leute zwei gemeinschaftliche Gebäude haben, bei einer zu gleicher Zeit Statt findenden Uebergabe beider, dasselbe bewirken, wie wenn ich allein beide Gebäude eigenthümlich besässe. Auch wenn wir sie jedes für sich übergeben, wird dasselbe der Fall sein, jedoch so, dass die zuletzt Statt findende Uebergabe auch die vorhergehende wirksam macht. 3Wenn aber eins von beiden Häusern einem allein gehörig, und das andere gemeinschaftlich ist, so kann ich, schreibt Pomponius im achten Buche aus dem Sabinus, für keines [von dem andern] eine Dienstbarkeit erwerben oder [gegen das andere] auferlegen. 3aWenn Jemand bei dem Verkauf eines Gebäudes sagt, dass dasselbe dienstbar sein solle, so hat er nicht nöthig, es frei [von Dienstbarkeiten] zu übergeben; er kann dasselbe daher entweder seinem eigenen Gebäude dienstbar machen, oder einem Nachbar die Dienstbarkeit, versteht sich vor der Uebergabe, zugestehen. Hat er gesagt, dass es dem Titius dienstbar sein solle, und dem Titius die Dienstbarkeit zugestanden, so ist die Sache abgemacht; hat er sie aber einem Andern zugestanden, [als für den er sie vorbehielt,] so haftet er aus dem Kauf. Hiermit stimmt überein, was Marcell im sechsten Buche seiner Digesten schreibt, [wo er die Frage] ob, wenn Jemand bei der Uebergabe eines Grundstücks gesagt hat, es sei dem Titius dienstbar, während es nicht dienstbar, der Verkäufer aber dem Titius zur Gewährung einer Dienstbarkeit verpflichtet ist, [der Verkäufer] aus dem Verkauf Klage erheben könne, dass der Käufer die Auflage einer Dienstbarkeit auf das erkaufte Grundstück gestatte? dahin beantwortet, die Klage sei zulässig, und hinzusetzt, dass auch [Titius] klagen dürfe, wenn der Verkäufer dem Titius die Dienstbarkeit verkaufen könne. Dies ist so, wenn es wegen der Auflage der Dienstbarkeit bei der Uebergabe [des Grundstücks] ausdrücklich bevorwortet worden ist; wenn übrigens Jemand, sagt er, aus Besorgniss, dass eine Verpflichtung zur Dienstbarkeit gegen den Titius vorhanden sein möchte, sich deshalb dagegen verwahrt hat, so findet, wenn er keine Dienstbarkeit versprochen hat, auch keine Klage aus dem Verkaufe gegen ihn Statt.
7Paul. lib. V. ad Sabin. Bei der Uebergabe eines Gebäudes von Seiten Jemandes, der zwei hat, muss die Art der Dienstbarkeit ganz genau ausgedrückt werden, damit nicht, wenn im Allgemeinen von einer Statt finden sollenden Dienstbarkeit die Rede gewesen, dies entweder wegen der Unbestimmtheit, was für eine Dienstbarkeit vorbehalten worden, ohne Gültigkeit sei, oder jede Dienstbarkeit auferlegt werden könne. 1Auch wenn Gebäude eines Dritten dazwischen liegen, kann eine Dienstbarkeit auferlegt werden, z. B. dass das Höherbauen erlaubt oder nicht erlaubt sein solle, oder auch, wenn Verpflichtung zu einem Fusssteige vorhanden ist, diese dann in Wirksamkeit treten solle, wenn diese Dienstbarkeit auch dem dazwischenliegenden Grundstück hernach auferlegt worden sein würde, sowie eine Dienstbarkeit über die Grundstücke Mehrerer auch zu verschiedenen Zeiten bestellt werden kann; wiewohl11Unser Text hat vor quamquam einen Punct, wo offenbar nur ein Semikolon stehen kann, denn es fehlt jeder Nachsatz. man sagen kann, dass, wenn ich drei an einander grenzende Grundstücke habe, und das an einem Ende gelegene dir übergebe, sowohl für das [nunmehr] deinige, als für meine [beiden andern] eine Dienstbarkeit erworben werden könne, wenn aber für das am andern Ende gelegene, was ich behalte, [allein,] so könne die Dienstbarkeit22Z. B. des Fusssteigs durch das nunmehr übergebene, am andern Ende gelegene. [allerdings darum] bestehen, weil das mittlere auch mein ist. Wenn ich aber dasjenige, für welches die Dienstbarkeit erworben worden ist, oder das in der Mitte gelegene wiederum veräussere, so wird die [Dienstbarkeit]33Eum hat unser Text. Indess ist für das eam der Vulgate längst entschieden. unterbrochen, bis eine solche dem in der Mitte gelegenen Grundstück auferlegt worden ist.
8Pompon. lib. VIII. ad Sabin. Wenn ich zwei einzeln stehende Häuser habe, und sie zwei verschienen Personen in demselben Augenblick übergebe, so fragt es sich, ob eine, dem einen von beiden [zu Gunsten des andern] auferlegte Dienstbarkeit gültig sei, weil fremden Gebäuden weder eine solche auferlegt, noch erworben werden kann? Die Dienstbarkeit wird aber darum bestehen können, weil der Uebergebende vor geschehener Uebergabe vielmehr noch für seine eigenen [Gebäude] erwirbt oder denselben eine solche auferlegt.
10Ulp. lib. X. ad Sabin. Was der Verkäufer [eines Grundstücks] Namens einer Dienstbarkeit sich vorbehalten will, muss namentlich bevorwortet werden; denn ein Vorbehalt in allgemeinen Ausdrücken, wie: wer eine Dienstbarkeit habe, dem solle sie verbleiben, betrifft dritte Personen und hilft dem Verkäufer zur Aufrechterhaltung seiner Gerechtsame zu nichts; denn er hat keine gehabt, weil sich Niemand selbst zu einer Dienstbarkeit verpflichtet sein kann; ja, selbst wenn mir früher [ein Grundstück] zu einer Dienstbarkeit verpflichtet gewesen wäre, das Eigenthum desselben aber nachher an mich gekommen ist, so sagt man ganz folgerichtig, die Dienstbarkeit sei erloschen.
11Pompon. lib. XXXIII. ad Sabin. Denjenigen, welche ein Recht auf eine Dienstbarkeit haben, steht die Erlaubniss zu, der Ausbesserung wegen auch solche Stellen zu betreten, welche nicht dienstbar sind, wenn sie nothwendiger Weise dieselben betreten müssen, es wäre denn bei der Bestellung der Dienstbarkeit ausdrücklich vorgeschrieben worden, wo man [in diesem Fall] herzugehen solle; darum kann auch der Eigenthümer des [dienstbaren] Grundstücks weder längs eines [zur Wasserleitung bestimmten] Baches, noch über demselben, wenn etwa das Wasser unter der Erde entlang geleitet wird, einen Begräbnissplatz anlegen, damit die Dienstbarkeit nicht verloren gehe. Dies ist richtig; man kann aber auch den Bach, durch welchen man das Recht hat, Wasser zu leiten, aushöhen oder vertiefen, es müsste denn Sicherheit bestellt worden sein, dass dies nicht geschehen solle. 1Wenn ich das Recht habe, Wasser über44Prope. Ich halte das per der Vulg. für richtiger. dein Grundstück in einem Bache zu leiten, so folgt hieraus stillschweigend das Recht, dass ich und meine Arbeiter, um den Bach ausbessern zu können, zu diesem Ende auf dem nächsten Wege hinzugehen dürfe, sowie, dass mir der Eigenthümer des Landgutes Raum lassen müsse, zur Rechten und zur Linken an den Bach gehen zu können, und [um etwas zu haben], wo man Erde, Schlamm, Steine, Sand und Kalk hinwerfen kann.
13Ulp. lib. VI. Opin. Der Verkäufer des Geronianischen Landgutes hatte für das Botrianische, welches er zurückbehalten hatte, die Bedingung gestellt, dass längs desselben die Seefischerei nicht betrieben werden solle. Wiewohl nun dem Meere, welches der Natur nach Jedem offensteht, durch ein Privatabkommen keine Dienstbarkeit auferlegt werden kann, so werden dennoch die Besitzer, oder die Nachfolger in deren Recht, durch eine [solche] Stipulations- oder Verkaufsbedingung verbindlich, weil der gute Glaube eines Contracts die Aufrechterhaltung der Verkaufsbedingungen erfordert. 1Wenn auf deinem Acker Steinbrüche sind, so darf wider deinen Willen Niemand, der dazu kein Recht hat, weder zu einem öffentlichen noch zu einem Privatzweck, daselbst Steine brechen, ausser wenn in jenen Steinbrüchen eine Gewohnheit in der Art besteht, dass, wenn Jemand daraus brechen will, er es, gegen Zahlung des dafür üblichen Bruchgeldes an den Eigenthümer, thun dürfe. Auch nach dessen Entrichtung an den letztern darf er jedoch die Steine nur in der Art brechen, dass weder der Bedarf nothwendiger Steine dadurch geschmälert, noch die Bequemlichkeit der Sache dem Eigenthümer durch jene Gewohnheit55Jure. Die Glosse interpretirt: jure i. occasione juris consuetudinarii. entzogen werde.
15Paul. lib. I. Epitom. Alfeni Dig. Wer Jemandem einen Fusssteig oder eine Uebertrift über einen bestimmten Ort zugestanden hat, der darf dieselben Rechte über denselben Ort auch Mehreren zugestehen. So kann ja auch derjenige, welcher sein Gebäude seinem Nachbar dienstbar gemacht hat, nichts desto weniger auch Andern, soviel er will, dasselbe Gebäude dienstbar machen.
16Gaj. lib. II. Rer. quotid. sive Aureor. Auch in seinem Testament kann man seinem Erben auferlegen, sein Gebäude nicht zu erhöhen, um die Hellung der Nachbargebäude nicht zu schmälern, oder zu erlauben, dass [der Nachbar] einen Balken in die Wand [jenes Gebäudes] legen, oder ein Traufrecht wider ihn, [den Erben,] ausüben, oder zu gestatten, dass derselbe über sein [des Testators] oder des Erben Landgut gehen, fahren oder Wasser daher leiten dürfe.
17Papin. lib. VII. Quaest. Wenn ein Nachbar auf deinem Grund und Boden, nachdem er dich vorher um Erlaubniss gebeten, eine Mauer gezogen hat, so kann er, weil er nur bittweise besitzt, kein Interdict anstellen; durch das Aufbauen der Mauer wird auch keine Schenkung einer Dienstbarkeit als vorhanden angenommen. Ebensowenig kann Jener mit Erfolg verlangen, dass er ein Recht habe, wider deinen Willen ein Gebäude zu halten, indem das Gebäude dem Boden folgt, und dadurch jene Forderung unzulässig macht. Wenn übrigens Jemand, der dir zu einer Dienstbarkeit verpflichtet ist, auf seinem eigenen Boden bittweise eine Mauer aufgeführt hat, so wird dadurch die Befreiung [von der Dienstbarkeit] nicht ersessen, sondern es kann, weil er nur bittweise besitzt, ein Interdict mit Erfolg wider ihn angestellt werden. Hat man es schenkungsweise erlaubt, so kann man nicht nur kein Interdict anstellen, sondern es wird auch die Dienstbarkeit durch die Schenkung aufgehoben.
18Paul. lib. I. Manual. Man hat als Regel angenommen, dass mehrere Eigenthümer, auch wenn sie nicht zu gleicher Zeit ihre Erklärung abgeben, Dienstbarkeiten auferlegen oder erwerben können, jedoch so, dass durch die Handlung des letzten erst die frühern bestätigt werden, und in Folge dessen es ganz ebenso ist, wie wenn alle sie zu gleicher Zeit abgetreten hätten. Wenn daher derjenige, welcher sich zuerst erklärt hat, gestorben ist, oder auf eine andere Art und Weise seinen Antheil veräussert hat, und nachher erst der Mitgenosse eingewilligt hat, so ist die Handlung ungültig; denn wenn der letzte einwilligt, so wird die Dienstbarkeit nicht als rückwärts erworben angesehen, sondern die Einwilligung Aller wird erst dann als geschehen angenommen, wenn der letzte einwilligt. Es bleibt also hier die Sache so lange obschwebend, bis der neue Mitgenosse einwilligt. Ganz dasselbe tritt dann ein, wenn [eine Dienstbarkeit] einem von den Miteigenthümern abgetreten wird, und nachher in der Person eines Mitgenossen sich etwas von der Art ereignet. Wenn daher umgekehrt auch einem, der noch nicht eingewilligt hat, etwas der Art widerfährt, so müssen Alle von neuem einwilligen. Denn es findet nur in Ansehung der Zeit eine Nachsicht Statt, worin sie die Dienstbarkeit bestellen können, so dass dies zu verschiedenen Zeiten geschehen darf, und darum kann nicht einer allein dieselbe zugestehen, oder ihm dieselbe zugestanden werden. Dasselbe findet Statt, wenn der eine [von zwei Miteigenthümern] Dienstbarkeiten unter den Lebendigen abtritt, und der andere sie vermacht. Denn wenn alle Miteigenthümer dieselben vermachen und deren Erbschaft gleichmässig angetreten wird, so kann man sagen, dass das Vermächtniss gültig sei; wenn aber zu verschiedenen Zeiten, so wird das Vermächtniss vergebens gefällig, denn man hat nicht auch angenommen, dass die Einwilligung der Gestorbenen, sowie die der Lebenden, obschwebend bleiben könne.