De usu fructu earum rerum, quae usu consumuntur vel minuuntur
(Von dem Niessbrauch an solchen Sachen, die durch den Gebrauch verloren gehen oder vermindert werden.)
1Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Der Senat hat sich dahin erklärt, dass der Niessbrauch an allen Sachen, die Jemand in seinem Vermögen hat, vermacht werden könne; dieser Senatsbeschluss scheint die Veranlassung gewesen zu sein, dass der Niessbrauch auch an solchen Sachen, die durch den Gebrauch verzehrt oder verringert werden, vermacht werden könne.
2Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Wegen Geldes muss aber denen, welche den an demselben vermachten Niessbrauch gewähren müssen, Sicherheit bestellt werden. 1Jener Senatsbeschluss hat aber nicht gerade einen eigentlichen Niessbrauch an Gelde hergestellt; denn ein natürlicher Grund kann auch durch das Ansehen des Senats nicht verändert werden; sondern es entstand in Folge des eingeführten Mittels ein Quasi-Niessbrauch.
3Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Hiernach kann der Niessbrauch an allen Sachen vermacht werden; auch an Schuldforderungen? — Nerva hat dies zwar geleugnet, allein die bejahende Ansicht des Proculus und Cassius ist richtiger. Doch sagt [auch] Nerva, dass dem Schuldner selbst der Niessbrauch [an seiner Schuld] vermacht, und ihm die Zinsen erlassen werden können,
4Paul. lib. I. ad Neratium. weshalb auch von ihm Sicherheitsstellung wird gefordert werden können.
5Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Dieser Senatsbeschluss betrifft nicht blos denjenigen, der den Niessbrauch an eigenem Gelde und andern ihm gehörigen Sachen vermacht hat, sondern auch, wenn es fremde gewesen sind. 1Ist der Niessbrauch an Gelde, oder an andern Sachen, die ihrer Natur nach verbrauchbar sind, vermacht worden, ohne dass eine Sicherheit bestellt worden ist, so entsteht die Frage, ob, nach Beendigung des Niessbrauchs, wegen des gegebenen Geldes, oder der andern Sachen, welche dann verbraucht sein werden, eine Condiction erhoben werden könne? Will11Sed: das et des Holoand. und Baudoza, was auch ein Cod. Erlang. und Ed. Fradin. haben, ist nach Brencmann besser; s. die Göttinger C. J.-Ausgabe. man hier, noch während der Niessbrauch besteht, eine Condiction auf die Sicherheit anstellen, so kann man die vergessene Sicherheit allerdings mit der Condiction des Unbestimmten in Anspruch nehmen; wenn aber nach Beendigung des Niessbrauchs, so kann22Sed si finito usfr., ipsam quant. Sab. putat posse condici. Glück (IX. 417.) will hier hinter quantitatem: velit condicere hinzugedacht wissen; allein man hat dies nicht nöthig, sondern kann, wie unser Text, das Komma hinter quantitatem herauswerfen und das Substantivum zu put. posse condici beziehen, wodurch, ganz richtig construirt, derselbe Sinn herauskommt. nach der Ansicht des Sabinus eine Condiction auf die Quantität selbst erhoben werden. Dieser Meinung tritt Celsus im 18. Buche der Digesten bei, und sie scheint auch mir nicht ohne Scharfsinn. 2Was wir vom Niessbrauch an Gelde oder andern Sachen, welche verbrauchbar sind, gesagt haben, dasselbe gilt auch vom Gebrauch; denn Julian sowohl als Pomponius im achten Buche über die Stipulationen sagen, dass der Gebrauch und der Niessbrauch an Gelde ganz dasselbe enthalte.
6Julian. lib. XXXV. Dig. Wenn dir 10,000 [Sestertien] vermacht worden sind, mir aber an denselben Zehntausenden der Niessbrauch, so werden diese ganzen Zehntausend zwar dein, mir müssen aber fünftausend dergestalt gezahlt werden, dass ich dir Sicherheit leiste, auf den Fall meines Todes, oder wenn mich eine Standesrechtsveränderung treffen sollte, sie wieder herausgeben zu wollen. Denn auch wenn dir ein Landgut vermacht worden ist, und mir der Niessbrauch daran, so wirst du zwar die Eigenheit am ganzen Landgute haben, aber die Hälfte nur mit dem Niessbrauch, die andere ohne denselben, und ich brauche nicht dem Erben, sondern dir, nach dem Ermessen eines guten Wirths, Sicherheit zu leisten. 1Ist aber Zweien der Niessbrauch an denselben Zehntausenden vermacht worden, so werden sie jeder fünftausend bekommen, und sich sowohl gegenseitig, als dem Erben Bürgschaft leisten.
7Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Wenn der Niessbrauch an Wein, Oel, oder Getreide bestellt worden ist, so muss auf den Vermächtnissinhaber die Eigenheit übertragen, und von ihm Sicherheitsbestellung gefordert werden, dass nach seinem Tode, oder einer Standesrechtsveränderung, diese Gegenstände von derselben Güte herausgegeben, oder die Sachen müssen taxirt, und dann für eine bestimmte Geldsumme Sicherheit bestellt werden; das letztere ist auch bequemer. Dasselbe verstehen wir auch von allen andern Sachen, welche verbrauchbar sind.
8Ad Dig. 7,5,8Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 204, Note 7.Papin. lib. XVII. Quaest. [Jemand, der] drei Erben eingesetzt hatte, vermachte dem Titius den Niessbrauch an 15,000 [Sestertien], und befahl zweien der Erben für den Vermächtnissinhaber gut zu sagen; hier nahm man an, dass auch das Vermächtniss der Sicherheitsbestellung gültig, und dem Senatsbeschluss nicht zuwider gehandelt worden sei, weil der Sicherheitsbestellung nichts in den Weg trete, und gleichsam ein [doppeltes] Vermächtniss vorhanden sei, das eine über etwas Bestimmtes, das andere über etwas Unbestimmtes. In Bezug auf den Niessbrauch könne daher die Hälfte des Geldes von dem gefordert werden, dem von seinem Miterben die Bürgschaft bestellt worden ist, die Klage wegen etwas Unbestimmten aber gegen den erhoben werden, der noch keine Bürgschaft bestellt habe. Derjenige hingegen, welcher selbst Bürgschaft bestellt, und wegen der Zögerung seines Miterben noch keine bestellt erhalten hat, hafte einstweilen weder des Senatsbeschlusses wegen, für die Nutzungen, noch durch die Klage wegen etwas Unbestimmten, indem er seinem Miterben Bürgschaft geleistet hat. Auch das hat man angenommen, dass der Vermächtnissinhaber zu dem Versprechen [, nach beendigtem Niessbrauch das Geld wieder herauszahlen zu wollen] genöthigt werden könne. Werden aber nach Beendigung des Niessbrauchs die [beiden] Miterben aus der Bürgschaftsangelegenheit [vom dritten] belangt, so können sie ihrer Seits keine Auftragsklage [gegen den Vermächtnissinhaber oder seine Erben] erheben; denn sie haben keinen Auftrag besorgt, sondern dem Willen des Testators gehorcht, auch sind sie durch das Vermächtniss der Sicherheitsleistung [von Verantwortlichkeit] befreiet. Denn darüber kann nicht lange gezweifelt werden, dass das zweite Vermächtniss, das der Sicherheitsbestellung, nicht der Erben, sondern dessen wegen [als bestellt] anzusehen sei, dem der Niessbrauch am Gelde hinterlassen worden ist, für den der Testator sorgen wollte, und dem er dadurch zu dienen glaubte, dass er nicht, auf seine Gefahr, Bürgen zu suchen nöthig habe.
9Paul. lib. I. ad Neratium. Bei der Stipulation über die Wiederherausgabe des Niessbrauchs an Gelde wird nur auf zwei Fälle Rücksicht genommen, auf den Tod und die Standesrechtsveränderung,
10Ulp. lib. LXXIX. ad Ed. indem der Gebrauch des Geldes nicht anders, als in diesen Fällen verloren gehen kann. 1Wenn nur der Gebrauch von Gelde vermacht worden ist, so wird jene Stipulation ebenfalls eingegangen, indem in dieser Beziehung unter der Benennung des Gebrauchs auch die Nutzung als inbegriffen zu verstehen ist. Man sagt zwar, diese Stipulation brauche vor der Zahlung des Geldes nicht eingegangen zu werden; ich glaube aber, dass die Stipulation von Gültigkeit sei, das Geld mag vorher oder nachher gezahlt worden sein.
11Idem lib. XVIII. ad Sabin. Wenn Jemandem der Niessbrauch an Wolle oder Wohlgerüchen und Aromaten vermacht worden ist, so kann hieran kein [eigentlicher] Niessbrauch rechtlichermaassen als bestellt angesehen werden, sondern man muss hier zum Senatsbeschluss greifen, der von der für selbige zu stellenden Sicherheit spricht.
12Marcian. lib. VII. Inst. Wenn dem Titius Geld auf die Art hinterlassen worden ist, dass es nach dem Tode des Vermächtnissinhabers an den Mävius kommen soll, so ist, wie die Kaiser Sever und Antonin verordnet haben, wenn schon ausdrücklich hinzugesetzt worden ist, dass Titius den Gebrauch daran haben solle, dennoch die Eigenheit [als] ihm vermacht [anzusehen], und des Gebrauchs [nur] darum Erwähnung geschehen, weil er das Geld nach seinem Tode wieder herausgeben soll.