De duobus reis constituendis
(Von mehreren Theilnehmern an einem Stipulationsverhältnisse.)
1Modestin. lib. II. Regular. Wer stipulirt, wird der Stipulationsberechtigte (reus stipulandi), und Derjenige, welcher verspricht, der Stipulationsverpflichtete (reus promittendi) genannt11Sunt autem duo pluresve rei stipulandi, qui eandem rem ab eodem in solidum stipulati sunt, ea mente, ut, quamvis solida singulis, una tamen debeatur omnibus. Duo pluresve rei promittendi sunt, quorum singuli eandem rem eidem stipulanti in solidum promiserunt, ea mente, ut quamvis solidum singuli debeant, una tantum tamen debeatur ab omnibus. Westenberg Princip. jur. Rom. ad h. lib. et tit. §. 3. u. 5..
2Javol. lib. III. ex Plaut. Wenn Zwei dieselbe Geldsumme entweder versprochen, oder stipulirt haben22Nach der Lesart: singulis in solidum debetur., so wird jeder Einzelne sofort dem Rechte selbst zufolge auf das Ganze berechtigt und ebenso verpflichtet. Und es wird auch durch die Foderung (petitio) oder acceptilation33Acceptilatio ist eine solche Stipullation, durch welche eine durch Stipulation entstandene Verbindlichkeit wiederaufgenommen wird. Es kann durch sie daher nur eine durch Stipulation begründete Obligation aufgehoben werden. Wir haben im Deutschen kein Wort dafür. des Einen die ganze Verbindlichkeit getilgt.
3Ulp. lib. XLVII. ad Sabin. Bei zwei durch ein Versprechen Verpflichteten befürchtet man ohne Grund eine Erneuerung der Verbindlichkeit. Denn hätte gleich der Erste früher geantwortet, und der Andere wäre erst nach einem Zwischenraume angenommen worden, so ist es doch folgerecht, zu entscheiden, dass die vorhergehende Verbindlichkeit fortdauere und die folgende hinzutrete, und es hat nichts auf sich, ob sie zugleich geloben oder jeder besonders das Versprechen leisten, sobald es Absicht gewesen, dass zwei Verpflichtete bestellt werden und auch keine Erneuerung geschehen solle. 1Wo zwei Verpflichtete bestellt worden sind, kann auch von einem derselben das Ganze gefodert werden. Denn das ist das Eigenthümliche bei zweien Verpflichteten, dass ein jeder derselben auf das Ganze verpflichtet ist, und dass es auch von jedem derselben gefodert werden kann; dass auch Antheile von dem Einzelnen gefodert werden können, ist aber durchaus unzweifelhaft; so wie es sowohl von dem Hauptverpflichteten als von dem Bürgen gefodert werden kann. Denn wo eine Verbindlichkeit vorhanden ist, existirt auch nur eine Zahlung derselben; sodass, wenn der Eine zahlt, Alle befreit werden, oder wenn von dem Andern die Zahlung geleistet wird, die Befreiung ebenfalls Allen zu Theil wird.
4Pomponius lib. XXIV. ad Sabin. Zwei Stipulationsverpflichtete werden rechtsbeständig verpflichtet, mögen sie nun in der Art gefragt worden sein: Gelobt ihr? und darauf geantwortet haben: ich gelobe oder wir geloben; oder in der Art: Gelobst du? und geantwortet haben: wir geloben es.
5Julian. lib. XXII. Digestor. Es wird Jedermann bekannt sein, dass fremde Dienste versprochen und für eine solche Verbindlichkeit Bürgen bestellt werden können, und deshalb können auch zwei Stipulationsberechtigte oder Verpflichtete bestellt werden, z. B. wenn zwei Stipulationsberechtigte von ein und demselben Handwerker sich dieselben Dienste stipuliren; und umgekehrt wird von zwei Handwerkern desselben Handwerks, welche dieselbe Arbeit versprechen, angenommen, dass sie auch zwei Stipulationsverpflichtete werden.
6Idem lib. LII. Dig. Wenn ich, in der Absicht, mir zwei Personen durch ein Versprechen zu verpflichten, beide gefragt habe, aber nur einer geantwortet hat, halte ich es für richtiger, dass nur Der verpflichtet wird, welcher geantwortet hat, indem die Befragung Beider nicht unter der Bedingung geschieht, dass jeder nur alsdann verpflichtet werde, wenn der Andere auch geantwortet hat. 1Jedoch bezweifle ich nicht, dass es, wenn zwei Verpflichtete bestellt worden, in der Willkür des Stipulators steht, entweder von Beiden oder nur von dem Einen einen Bürgen anzunehmen. 2Wenn jedoch der von zweien Theilnehmern an der Stipulation Befragte nur dem Einen geantwortet hätte, dass er gelobe, so ist er auch nur diesem allein gehalten. 3Zwei Verpflichtete können ohne Zweifel so bestellt werden, dass man auch auf die Zeit Rücksicht nimmt, innerhalb welcher beide die Antwort ertheilen. Jedoch hindert ein mässiger Zwischenraum oder ein kurzes Geschäft, insofern es nur der Verbindlichmachung nicht entgegengesetzt ist, nicht die Entstehung zweier Verpflichteten. Auch die Befragung eines Bürgen zwischen den Antworten der beiden Verpflichteten und dessen Antwort darauf kann nicht als ein Hinderniss gegen die Verbindlichmachung der Hauptschuldner angesehen werden, weil weder ein langer Zeitraum dazwischentritt, noch eine Verhandlung, welche jener Verbindlichkeit entgegengesetzt ist.
7Florentin. lib. VIII. Inst. Von zwei Stipulationsverpflichteten kann der eine auf einen Termin oder unter einer Bedingung verpflichtet werden; und der Termin oder die Bedingung verursacht auch kein Hinderniss, Denjenigen, welcher unbedingt verpflichtet worden ist, in Anspruch zu nehmen.
8Ulp. lib. I. Respons. Bei den Worten — und dieses44Flor. eaque. zu gewähren, geloben wir auf deine Stipulation: — kommt es auf die Absicht der Contrahenten an. Denn sollten beide Correalverpflichtete werden, so ist derjenige, welcher abwesend war, nicht gehalten; derjenige aber, welcher anwesend war, ist auf das Ganze verpflichtet; war dies aber nicht der Fall, so ist er nur auf seinen Antheil verpflichtet.
9Papin. lib. XXVII. Quaest. Ad Dig. 45,2,9 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 297, Note 4.Ich habe eine und dieselbe Sache gleichmässig bei Zweien niedergelegt und Beider Redlichkeit sie im Ganzen anvertraut, oder dieselbe Sache auf gleiche Weise Zweien geliehen; hier entstehen dadurch zwei aus einem Versprechen Verpflichtete, und zwar nicht nur durch die Worte einer Stipulation, sondern auch durch alle andere Contracte, z. B. aus dem Kaufe, Verkaufe, Pacht, Verpacht, der Niederlegung, dem Leihen, und aus dem Testamente, z. B. wenn der Testator nach Einsetzung mehrerer Erben gesagt hat: Titius und Maevius sollen dem Sempronius zehn geben. 1Wenn jedoch Jemand, indem er eine Sache bei Zweien niederlegt, bedingt, dass von Einem auch Verschuldung vertreten werden solle, so ist die richtigere Meinung, dass hier nicht zwei Verpflichtete seien, da von ihnen55A quibus, diese Wendung giebt den Ausschlag. D. R. eine ungleiche Verbindlichkeit übernommen worden ist. Nicht dasselbe aber ist anzunehmen, wenn, nachdem Beide die Vertretung der Verschuldung versprochen, Einem von ihnen durch einen nachher eingegangenen Vertrag diese Vertretung erlassen worden wäre, weil eine spätere Uebereinkunft, welche nur in des Einen Person eingetreten ist, den Zustand und die Natur einer Verbindlichkeit, wodurch ursprünglich zwei Verpflichtete entstanden, nicht verändern kann. Sind sie daher Gesellschafter, und es ist eine gemeinschaftliche Verschuldung eingetreten, so wird der mit dem Einen eingegangene Vertrag auch dem Andern zu statten kommen. 2Als ich mir zwei Stipulationsverpflichtete bestellte, stipulirte ich mir aus verschiedenen Orten die Zahlung des Geldes zu Capua. Hier muss die dazu erfoderliche Zeit mit Rücksicht auf jedes Person berechnet werden. Denn ob sie gleich hauptsächlich eine gleiche Verpflichtung übernehmen, so besteht doch nichtsdestoweniger eine jedem einzelnen besonders obliegende Verbindlichkeit66Nämlich für den einen z. B. es von Mailand nach Capua, für den andern es von Florenz nach Capua zu bringen..
10Ad Dig. 45,2,10ROHGE, Bd. 12 (1874), Nr. 81, S. 253: Compensationsbefugniß eines vom Gläubiger wegen einer Correalschuld in Anspruch genommenen Schuldners mit Privatforderungen des andern Socius.Papin. lib. XXXVII. Quaest. Wenn zwei Stipulationsverpflichtete nicht Gesellschafter sind, so kann dem einen nicht zu statten kommen, dass der Stipulator dem andern Geld schuldig ist.
11Idem lib. XI. Respons. Man hat sich dahin entschieden, zwei Stipulationsverpflichtete rechtsgültig wechselseitig als Bürgen anzusehen. Will daher der Stipulationsberechtigte seine Klage theilen (wozu er jedoch nicht gezwungen werden kann), so kann er denselben als Hauptschuldner und zugleich als Bürgen für den andern auf Antheile belangen: mithin so, als wenn er zwei aus einem Versprechen Verpflichtete mit getheilten Klagen belangte77S. hierzu Glück Bd. 4. S. 526. n. 86.. 1Ad Dig. 45,2,11,1ROHGE, Bd. 24 (1879), Nr. 91, S. 354: Voraussetzung der Gleichheit der Antheile mehrerer Berechtigter. Legitimation zur Geltendmachung der Rechte Einzelner.Wenn in einer Urkunde enthalten wäre: dieser und jener habe sich hundert Goldstücke stipulirt, jedoch ohne den Zusatz, dass sie zwei Stipulationsberechtigte wären, so sind sie als solche anzusehen, die sich jeder einen Kopftheil stipulirt haben. 2Ad Dig. 45,2,11,2ROHGE, Bd. 24 (1879), Nr. 91, S. 354: Voraussetzung der Gleichheit der Antheile mehrerer Berechtigter. Legitimation zur Geltendmachung der Rechte Einzelner.Und umgekehrt, wenn der Inhalt der Verhandlung so befunden würde: Julius Carpus hat rechtsbeständig stipulirt, dass ihm so und so viel Goldstücke gegeben werden sollen, und wir, ich Antonius Achilleus und Cornelius Divus, haben es gelobt: so werden ebenfalls nur Kopftheile geschuldet, weil der Zusatz fehlt, dass die Einzelnen das Ganze angelobt haben, sodass sie zwei Stipulationsverpflichtete würden.
12Venulej. lib. II. Stipulat. Wenn von Zweien, welche etwas versprechen wollen, der Eine heute, der Andere am folgenden Tage antwortete: ich verspreche es88Nach der Lesart der Vulg. promitto., so werden es nicht zwei zugleich Verpflichtete: man kann sogar Den nicht einmal für verpflichtet ansehen, welcher am folgenden Tage geantwortet hätte; da der Stipulator inmittelst zu andern Geschäften übergegangen ist, oder der Versprecher, hätte er auch gleich, nachdem er jene Geschäfte vollbracht, geantwortet. 1Wenn ich vom Titius und einem Unmündigen ohne Ermächtigung des Vormundes mir zehn stipulirt habe, oder von einem Sclaven, und mir auf diese Weise gleichsam zwei Stipulationsverpflichtete bestellt habe, so ist doch, wie Julianus schreibt, Titius allein verpflichtet: obgleich, wenn ein Sclave angelobt hätte, man bei der Klage aus dem Sondergute ganz so verfahren muss, als wenn er frei gewesen wäre.
13Idem lib. III. Stipulat. Wenn der eine Stipulationsverpflichtete Erbe des andern Verpflichteten wird, so muss dafür entschieden werden, dass er beide Verbindlichkeiten überkommt; denn nur wo eine Verschiedenheit der Verbindlichkeit obwaltet, wie bei dem Bürgen und dem Hauptschuldner, wird bekanntlich die eine durch die andere vernichtet. Wenn aber beide von derselben Qualität sind, lässt sich kein Grund auffinden, warum die eine früher als die andere erlöschen sollte, daher auch, wenn der eine Stipulationsberechtigte Erbe [des andern] wird, er beide Arten der Verbindlichkeit überkommt.
15Gajus lib. II. de verbor. obligat. Wenn Das, was ich und Titius uns stipuliren, als eine Eigenthümlichkeit einzelner Personen zu betrachten ist, so können wir nicht als zwei Stipulationsberechtigte bestellt werden, z. B. wenn wir uns einen Niessbrauch oder Etwas als Heirathsgut stipuliren, was auch Julianus annimmt. Ebenderselbe sagt: wenn sowohl Titius als Sejus sich zehn oder den Stichus, welcher dem Titius gehört, stipuliren, so können sie nicht als zwei Stipulationsberechtigte angesehen werden, weil dem Titius nur zehn, dem Sejus aber Stichus oder zehn gebühren; welche Meinung darauf hinauskommt, dass, wenn der Verpflichtete auch entweder diesem oder jenem zehn gäbe, oder dem Sejus den Stichus, er nichtsdestoweniger dem Andern verpflichtet bliebe. Man muss jedoch dafür entscheiden, dass, wenn er dem Einen zehn bezahlt, er von dem Anderen befreit wird.
16Idem lib. III. de verb. obligat. Wenn von zwei Stipulationsberechtigten der Eine einmal geklagt hat, ist es ohne Wirkung, wenn der Versprecher dem Andern die Zahlung anbietet.
17Ad Dig. 45,2,17Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 626, Note 11.Paul. lib. VIII. ad Plaut. Es mag nun die Entrichtung eines Vermächtnisses bestimmten Personen der Erben namentlich, oder allen mit Ausnahme eines Einzelnen, auferlegt worden sein, so schulden diese, wie Atilicinus, Sabinus und Cassius sagen, das ganze Vermächtniss nach Verhältniss ihrer Erbantheile, weil sie durch die Erbschaft verpflichtet werden. Ebendasselbe findet statt, wenn alle Erben aufgezählt werden99S. hierzu Glück Bd. I. S. 422..
19Idem lib. XXXVII. ad Quint. Mucium. Wenn Zwei eine und dieselbe Summe schulden, so wird, wenn der Eine durch eine Veränderung seiner Standesrechte von der Verbindlichkeit entbunden wird, der Andere nicht befreit. Denn es ist ein grosser Unterschied, ob die Schuld selbst getilgt, oder ob die Person befreit wird. Wenn die Person befreit wird, die Verbindlichkeit aber bleibt, so dauert auch die Verpflichtung für den Andern fort: und deshalb bleibt, wenn Jemandem der Gebrauch des Feuers und Wassers untersagt worden ist, der von ihm bestellte Bürge auch nachher gehalten. —