Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 40 übersetzt von Schneider unter Redaction von Sintenis
Dig. XL8,
Qui sine manumissione ad libertatem perveniunt
Liber quadragesimus
VIII.

Qui sine manumissione ad libertatem perveniunt

(Welche [Sclaven] ohne Freilassung zur Freiheit gelangen.)

1Pau­lus li­bro quin­to ad Plau­tium. Si ser­vus ven­di­tus est, ut in­tra cer­tum tem­pus ma­nu­mit­te­re­tur, et­iam­si si­ne he­rede de­ces­sis­sent et ven­di­tor et emp­tor, ser­vo li­ber­tas com­pe­tit: et hoc di­vus Mar­cus re­scrip­sit. sed et si mu­ta­ve­rit ven­di­tor vo­lun­ta­tem, ni­hi­lo mi­nus li­ber­tas com­pe­tit.

1Paul. lib. V. ad Plaut. Wenn ein Sclave verkauft worden ist, damit er innerhalb einer bestimmten Zeit freigelassen werde, so steht dem Sclaven die Freiheit zu, auch wenn sowohl der Verkäufer als der Käufer ohne Erben verstorben sind; und das hat der höchstselige Marcus rescribirt. Aber auch, wenn der Verkäufer seinen Willen geändert hat, steht die Freiheit nichtsdestoweniger zu.

2Mo­des­ti­nus li­bro sex­to re­gu­la­rum. Ser­vo, quem pro de­relic­to do­mi­nus ob gra­vem in­fir­mi­ta­tem ha­buit, ex edic­to di­vi Clau­dii com­pe­tit li­ber­tas.

2Modestin. lib. VI. Regular. Dem Sclaven, welchen wegen einer schweren Krankheit sein Herr verlassen hat, steht in Folge eines Edicts des höchstseligen Claudius die Freiheit zu.

3Cal­lis­tra­tus li­bro ter­tio de co­gni­tio­ni­bus. Eum, qui ita venit, ut in­tra tem­pus ma­nu­mit­te­re­tur, cum dies prae­stan­dae li­ber­ta­tis ve­ne­rit vi­ven­te ven­di­to­re et per­se­ve­ran­te in ea­dem vo­lun­ta­te, per­in­de ha­be­ri, ac si ab eo, a quo de­buit ma­nu­mit­ti, ma­nu­mis­sus es­set: mor­tuo au­tem ven­di­to­re non es­se he­redum eius vo­lun­ta­tem ex­plo­ran­dam di­vus Mar­cus cum fi­lio suo re­scrip­sit.

3Callistrat. lib. III. de Cognit. Der höchstselige Marcus hat mit seinem Sohne rescribirt, dass ein [Sclave,] welcher so verkauft worden ist, dass er innerhalb einer bestimmten Zeit freigelassen werden sollte, wenn der Tag der zu leistenden Freiheit herangekommen sei, [und] der Verkäufer lebe, und bei derselben Willensmeinung verharre, ebenso angesehen werde, als wenn er von Dem, von welchem er hätte freigelassen werden sollen, freigelassen worden wäre; dass aber, wenn der Verkäufer gestorben, der Wille der Erben desselben nicht [weiter] zu erforschen sei.

4Ul­pia­nus li­bro ter­tio ad Sa­binum. Ei, qui hac le­ge emp­tus sit, ut a vi­vo emp­to­re ma­nu­mit­ta­tur, sta­tim mor­tuo eo com­pe­tit li­ber­tas.

4Ulp. lib. III. ad Sabin. Demjenigen, welcher unter der Bedingung verkauft worden ist, dass er vom Käufer bei dessen Leben freigelassen werden solle, steht sogleich, nachdem dieser gestorben ist, die Freiheit zu.

5Mar­cia­nus li­bro quin­to re­gu­la­rum. Qui ob ne­cem de­tec­tam do­mi­ni prae­mium li­ber­ta­tis con­se­qui­tur, fit or­ci­nus li­ber­tus.

5Marcian. lib. V. Regular. Ein Sclave, welcher wegen der entdeckten Ermordung seines Herrn zur Belohnung die Freiheit erlangt, wird ein orcinischer Freigelassene.

6Idem li­bro sin­gu­la­ri ad for­mu­lam hy­po­the­ca­riam. Si quis ob­li­ga­tum ser­vum hac le­ge eme­rit, ut ma­nu­mit­tat, com­pe­tit li­ber­tas ex con­sti­tu­tio­ne di­vi Mar­ci, li­cet bo­na om­nia quis ob­li­ga­ve­rit, quae ha­bet ha­bi­tu­rus­ve es­set. tan­tun­dem di­cen­dum est et si hac le­ge eme­rit, ne pro­sti­tua­tur, et pro­sti­tue­rit.

6Idem lib. sing. ad Formul. hypoth. Wenn Jemand einen verpfändeten Sclaven unter der Bedingung gekauft hat, dass er ihn freilassen solle, so steht [demselben] in Folge einer Constitution des höchstseligen Marcus die Freiheit zu, wenngleich Jemand sein ganzes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen verpfändet hat. Eben dies gilt auch dann, wenn er [eine Sclavin] unter der Bedingung gekauft hat, dass sie nicht Preis gegeben werden solle, und er sie Preis gegeben hat.

7Pau­lus li­bro sin­gu­la­ri de li­ber­ta­ti­bus dan­dis. Im­pe­ra­tor nos­ter cum pa­tre suo con­sti­tuit in eo, qui, cum pos­sit ab­du­ce­re pro­sti­tu­tam an­cil­lam, pe­cu­nia ac­cep­ta ma­nus in­iec­tio­nem ven­di­dit, ut li­be­ra es­set: ni­hil enim in­ter­es­se, ip­se ab­du­cas et pro­sti­tuas an pa­tia­ris pro­sti­tu­tam es­se pre­tio ac­cep­to, cum pos­sis ex­ime­re.

7Paul. lib. sing. de Libertat. dandis. Unser Kaiser11Antoninus Caracalla mit seinem Vater Septimius Severus. hat mit seinem Vater in Ansehung Dessen, der, da er eine Preis gegebene Sclavin wegführen konnte, die eigenmächtige Ergreifung [derselben] gegen den Empfang von Geld verkauft hat, verordnet, dass die Sclavin frei sein sollte; denn es sei kein Unterschied, ob man selbst sie wegführe und Preis gebe, oder gegen den Empfang eines Preises dulde, dass sie Preis gegeben sei, da man sie doch wegnehmen konnte.

8Pa­pi­nia­nus li­bro no­no re­spon­so­rum. Man­ci­pia ma­ter fi­liae do­na­ve­rat, ut fi­lia cu­ra­ret ea post mor­tem suam es­se li­be­ra: cum do­na­tio­nis le­gi non es­set ob­tem­pe­ra­tum, ex sen­ten­tia con­sti­tu­tio­nis di­vi Mar­ci li­ber­ta­tes op­tin­ge­re ma­tre con­sen­tien­te re­spon­di: quod si an­te fi­liam ma­ter vi­ta de­ces­sit, om­ni­mo­do.

8Papin. lib. IX. Respons. Eine Mutter hatte ihrer Tochter Sclaven geschenkt, so dass die Tochter dafür sorgen sollte, dass dieselben nach ihrem Tode frei wären. Da sie der Bedingung der Schenkung nicht nachgekommen war, so habe ich das Gutachten ertheilt, dass nach dem Geiste der Constitution des höchstseligen Marcus die Freiheit mit Einwilligung der Mutter eintrete; wenn aber die Mutter vor der Tochter gestorben sei, auf jeden Fall22D. h. auch wenn die Tochter nicht einwillige. Vgl. l. 3. h. t..

9Pau­lus li­bro quin­to quaes­tio­num. La­ti­nus Lar­gus: ven­di­dit an­cil­lam ita, ut ma­nu­mit­te­re­tur, non ad­di­to tem­po­re: quae­ro, quan­do ex con­sti­tu­tio­ne in­ci­pit ei li­ber­tas com­pe­te­re ces­san­te emp­to­re in ma­nu­mit­ten­do. re­spon­di: in­spi­cien­dum est, quid ac­tum sit, utrum, cum pri­mum po­tuis­set, ut ma­nu­mit­te­ret, an ut in po­tes­ta­te es­set emp­to­ris, quan­do vel­let ma­nu­mit­te­re. prio­re ca­su fa­ci­le tem­pus de­pre­hen­di pot­erit: pos­te­rio­re uti­que mo­rien­te emp­to­re com­pe­tit li­ber­tas. si non ap­pa­reat, quid con­ve­ne­rit, fa­vor prio­rem in­du­cet opi­nio­nem, id est ut in­tra duos men­ses, si am­bo prae­sto sunt tam ser­vus quam emp­tor eius: ser­vo enim ab­sen­te ni­si emp­tor in­tra quat­tuor men­ses im­po­sue­rit li­ber­ta­tem, ex con­sti­tu­tio­ni­bus ad li­ber­ta­tem eri­pi­tur.

9Paul. lib. V. Quaest. Latinus Largus hat eine Sclavin so verkauft, dass sie freigelassen werden sollte, ohne dass eine Zeit beigefügt war. Ich frage, wann fängt der Constitution gemäss die Freiheit an, derselben zuzustehen, da der Käufer mit der Freilassung säumt? Ich habe das Gutachten ertheilt: es ist darauf zu sehen, was beabsichtigt worden sei, ob, dass der Käufer, sobald er könnte, freilassen sollte, oder, dass es in der Gewalt des Käufers stehen sollte, wann er freilassen wollte? Im ersteren Falle wird die Zeit leicht gefunden werden können, im letzteren steht die Freiheit jeden Falls zu, wenn der Käufer stirbt. Wenn sich nicht ergeben sollte, was ausgemacht worden sei, so führt die Begünstigung [der Freiheit] die erstere Meinung herbei, das heisst, dass [der Sclave] innerhalb zwei Monaten [freigelassen werden müsse,] wenn beide gegenwärtig sind, sowohl der Sclave, als auch der Käufer desselben; denn wenn der Sclave abwesend ist, so wird er, wenn nicht der Käufer innerhalb vier Monaten die Freiheit ertheilt haben wird, den Constitutionen gemäss [dem Käufer] entzogen, um in Freiheit gesetzt zu werden.