Quis ordo in possessionibus servetur
(Von der zu beobachtenden Reihenfolge beim Nachlassbesitz.)
1Modestin. lib. VI. Pand. Testamentslos werden die Abstufungen folgendergestalt berufen: zuerst die Notherben, sodann die gesetzmässigen Erben, darauf die nächsten Verwandten, und zuletzt Mann und Frau. 1Wenn dem Testamentsinhalt zufolge oder demselben zuwider, gleichviel, ob ein Testament vorhanden ist, oder nicht, Niemand den Nachlassbesitz erhalten hat, so wird der Nachlassbesitz testamentslos ertheilt. 2Eines testamentslos verstorbenen Vaters Nachlasses Besitz wird nicht nur denjenigen seiner Kinder gegeben, die sich zur Zeit seines Todes in seiner Gewalt befinden, sondern auch den daraus entlassenen.
2Ad Dig. 38,15,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 104, Note 7.Ulp. lib. XLIX. ad Ed. Die Zeit zur Erlangung des Nachlassbesitzes wird mit Ueberspringung der zur Rechtsverfolgung nicht dienlichen Tage gerechnet11Utile; der Deutlichkeit wegen ist dieser Ausdruck das erste Mal ausführlicher als nachher übersetzt; s. übr. die Anm. zu l. 14. §. 2. D. quod met. cssa.; eine zur Rechtsverfolgung dienliche Zeit ist eine solche, in der jeder einzelne Tag zur Rechtsverfolgung dienlich ist, nämlich dergestalt, dass man jeden einzelnen Tag sowohl davon gewusst, als auch [den Nachlassbesitz] hat erhalten können; jeder andere Tag, an dem man es nicht gewusst, oder ihn nicht hat erhalten können, läuft einem ohne allen Zweifel nicht ab. Es kann aber geschehen, dass Jemand, der Anfangs darum gewusst, oder den Nachlassbesitz hat erhalten können, nachher nichts mehr davon weiss, oder ihn nicht erlangen kann, nämlich wenn er anfänglich erfahren hat, der Erblasser sei testamentslos gestorben, und nachher durch angeblich gewissere Nachricht in Zweifel gesetzt worden ist, ob er mit Hinterlassung eines Testaments gestorben, oder ob er überhaupt todt sei, weil sich nachher das Gerücht [, dass er sich noch am Leben befinde,] verbreitet hatte. Denselben Fall kann man umgekehrt verstehen, so dass Jemand, der Anfangs keine Kenntniss gehabt, sie nachher erlangt hat. 1Dass als Tage [der Frist für die Forderung des Nachlassbesitzes [nur] die zur Rechtsverfolgung dienlichen gerechnet werden, ist klar, sie werden jedoch nicht nach den Sitzungen gezählt, sobald der Nachlassbesitz von der Art ist, dass er überall und auf der Stelle gefordert werden kann. Wie aber dann, wenn er von der Art ist, dass er eine Erörterung und Entscheidung vor dem Tribunale erheischt oder ein Decret erfordert? Dann werden die Sitzungen gezählt werden müssen, soviel nämlich derselbe hält, und wo es nicht am Prätor gelegen hat, dass er den Nachlassbesitz nicht ertheilt hat. 2Bei dem Nachlassbesitz, der vor dem Tribunal ertheilt wird, kommt die Frage zur Sprache, [wie es zu halten sei,] wenn zwar der Prätor zu Gericht gesessen, aber der geschehenen Forderung kein Gehör gegeben habe; hier kann man sagen, laufe die Frist für die Forderung des Nachlassbesitzes nicht ab, da der Präsident mit andern Geschäften, mit Militärsachen, Gefangenen, oder Erörterungen und Entscheidungen zu thun gehabt hat. 3Wenn sich der Provincialpräsident in der nächsten Stadt befand, so muss bei der Berechnung der zur Rechtsverfolgung dienlichen Zeit auch der zurückzulegende Weg berücksichtigt werden, so dass zwanzigtausend Schritt [auf einen Tag]22L. 3. D. de V. S. gerechnet werden; denn man braucht nicht darauf zu warten, dass der Provincialpräsident zu dem komme, der den Nachlassbesitz fordern will. 4Wenn eine Leibesfrucht in den Besitz gesetzt worden ist, so läuft ohne allen Zweifel die Frist für die Folgenden nicht, und zwar nicht blos nicht innerhalb des hundertsten Tages, sondern auch nicht, so lange sie geboren werden kann, denn man weiss, dass, wenn sie auch [erst dann] geboren worden ist, ihr der Nachlassbesitz vor jenen zuständig sei. 5Pomponius sagt, es komme hier nicht auf diejenige Wissenschaft an, die man von Rechtsgelehrten erwartet, sondern auf diejenige, welche jeder durch sich oder Andere erlangen kann, nämlich durch Anfrage um Rath bei Erfahrenen, wie es einem aufmerksamen Hausvater ansteht, um Rath zu fragen.
3Paul. lib. XLIV. ad Ed. Die Wissenschaft des Vaters schadet rücksichtlich der Frist für die Forderung des Nachlassbesitzes dem nichtwissenden Sohne nicht.
4Julian. lib. XXVIII. Dig. Wenn du deinem Miterben substituirt worden bist, und den Nachlassbesitz erhalten hast, so wird derselbe erst von da an als dir ganz ertheilt betrachtet, wenn dein Miterbe beschlossen hat, ihn nicht fordern zu wollen, und er hat alsdann keine Befugniss weiter, den Nachlassbesitz zu fordern. 1Der Sohn hat nicht nur dann den Zeitraum eines Jahres für sich, wenn er zum Nachlassbesitz als Sohn berufen wird, sondern auch wenn als Seitenverwandter, oder als Verwandter, gleichwie der Vater, wenn er den Sohn aus der Gewalt entlassen hat, obwohl er als Entlasser aus der Gewalt den Nachlassbesitz empfängt, dennoch zu dessen Empfang eine Jahresfrist hat.
5Marcell. lib. IX. Dig. Wenn einem Haussohn der Nachlassbesitz angefallen ist, so laufen ihm diejenigen Tage, an denen er den Vater davon nicht in Kenntniss setzen kann, so dass er ihm entweder dessen Annahme heisse, oder den geschehenen Empfang des Nachlassbesitzes genehmige, [von der Frist] nicht ab. Man denke sich den Fall: er hat gleich am ersten Tage [des Fristlaufs], wo ihm der Nachlassbesitz angefallen, denselben empfangen, den Vater aber von dessen Annahme, damit er sie genehmigen möge, nicht unterrichten können; hier werden die hundert Tage nicht ablaufen, sie fangen aber an zu laufen, sobald er davon hat in Kenntniss gesetzt werden können; sind [dann] aber die hundert Tage verstrichen, so wird er die Genehmigung vergebens ertheilen. 1Man kaun die Frage aufwerfen, ob der Sohn, der den Nachlassbesitz fordern konnte, dies aber, während sein Vater abwesend war, so dass er ihn nicht davon benachrichtigen konnte, oder im Wahnsinn befangen war, zu thun vernachlässigt habe, ihn noch fordern könne? Doch, was soll ihm daraus, dass er den Nachlassbesitz nicht gefordert, für ein Nachtheil entstehen, da er denselben, wenn er ihn auch gefordert hätte, dennoch nicht erwerben würde, bevor es der Vater genehmigt hätte? 2Wenn ein zum Erben eingesetzter fremder Sclav verkauft worden ist, so fragt es sich, ob die Frist für den Nachlassbesitz dem zweiten Herrn angerechnet werden müsse? Man hat sich dahin entschieden, dass, soviel dem frühern Herrn noch übrig gewesen, dem zweiten angerechnet werde.