De compensationibus
(Von den Aufrechnungen.)
1Ad Dig. 16,2,1ROHGE, Bd. 8 (1873), S. 43: Zulässigkeit der Compensation von Gegenforderungen, obschon über letztere bereits quittirt ist, sofern die Quittung die Art der Tilgung nicht ergibt und behauptet wird, daß dieselbe nicht durch Zahlung, sondern durch Aufrechnung geschehen ist.Modest. lib. VI. Pandect. Aufrechnung ist die Ausgleichung11Contributio; die angenommene Uebersetzung schien darum die passendste, weil der Begriff, dass die sich gegenüberstehenden Forderungen nur insoweit, als sie sich gleich sind, aufgehoben werden, ebenso in Ausgleichung, wie in contributio liegt. einer Schuld und einer Forderung unter einander.
2Ad Dig. 16,2,2ROHGE, Bd. 8 (1873), S. 43: Zulässigkeit der Compensation von Gegenforderungen, obschon über letztere bereits quittirt ist, sofern die Quittung die Art der Tilgung nicht ergibt und behauptet wird, daß dieselbe nicht durch Zahlung, sondern durch Aufrechnung geschehen ist.Julian. lib. XC. Digest. Ein Jeder weist seinen Gläubiger, welcher zugleich sein Schuldner ist und fordert zurück, wenn er bereit ist, aufzurechnen.
4Ad Dig. 16,2,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 349, Note 10.Paul. lib. III. ad Sabin. Es ist wahr, was sowohl Neratius annahm, als auch Pomponius sagt, dass ein Bürge in Folge eines jeden Contracts um so weniger schulde, als der Schuldner vermittelst der Aufrechnung zurückhalten kann; denn so wie ich, wenn ich von dem Schuldner das Ganze fordere, nicht recht fordere, so ist auch der Bürge von Rechtswegen22Ipso jure heisst hier nicht, wie gewöhnlich: nach dem strengen Recht, so dass in dem Augenblicke, wo die Gegenforderung entsteht, diese und die Forderung, soweit sie sich decken, durchaus nichtig sind, und aufgehört haben, zu existiren, es also auch nicht mehr in der Willkühr des Schuldners stehen kann, eine gar nicht mehr vorhandene Gegenforderung geltend zu machen, — sondern es bedeuten jene Worte hier soviel, dass die Aufhebung der sich gegenüber stehenden Forderungen durch blosses Vorhandensein beider von selbst und ohne ein Zuthun der Parteien (einen Vertrag oder eine Willenserklärung des Schuldners) eintritt, so dass es zwar von der Willkühr des Schuldners abhängt, seine Gegenforderung geltend zu machen, und wenn dieses nicht geschieht, sie bestehen bleibt, die Wirksamkeit der Geltendmachung aber auf den Augenblick des Gegenüberstehens zurückbezogen wird. S. Hasse im Arch. f. civil. Pr. B. 7. S. 156 ff. Bethmann-Hollweg im Rhein. Mus. Bd. 1. S. 269 ff. nicht auf einen grössern Betrag gehalten, als [auf den, in welchen] der Schuldner verurtheilt werden kann.
5Ad Dig. 16,2,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 349, Note 20.Gaj. lib. IX. ad Ed. prov. Wenn man Etwas von einem Bürgen fordern wird, so ist es ganz billig, dass der Bürge wähle, ob er lieber das, was ihm selbst, oder das, was dem Schuldner [von dem fordernden Gläubiger] geschuldet wird, aufrechnen will; aber auch wenn er Beides etwa aufrechnen will, ist er zu hören.
7Idem lib. XXVIII. ad Ed. Was auf einen Termin geschuldet wird, wird nicht aufgerechnet werden, ehe der Termin gekommen ist, obgleich es gegeben werden muss. 1Wenn der Richter keine Rücksicht auf die Aufrechnung genommen haben sollte, so bleibt die Forderung unversehrt; denn es kann ja nicht die Einrede der entschiedenen Sache entgegengestellt werden. Etwas Anderes werde ich sagen, wenn er die Aufrechnung, gleich als ob die Schuld nicht vorhanden wäre, verworfen hat; dann nämlich wird mir die Einrede der entschiedenen Sache schaden.
8Gaj. lib. IX. ad Ed. prov. In Aufrechnung wird auch das gebracht, wegen dessen mit dem Kläger der Streit eingeleitet worden ist, damit nicht gerade der [in der Verfolgung seines Rechts] Beflissenere in einer schlechtern Lage sich befinde (habeatur), wenn ihm die Aufrechnung versagt werden sollte.
9Paul. lib. XXXII. ad Ed. Wenn mit einem Haussohne oder einem Sclaven eine Gesellschaft contrahirt sein, und der Herr oder der Vater klagen sollte, so erhalten wir durch Aufrechnung das Ganze, obwohl, wenn wir klagen würden, [das Schuldige] nur von dem Sondergut geleistet würde. 1Aber wenn gegen den Haussohn geklagt werden sollte, so fragt es sich, ob der Sohn das, was dem Vater etwa geschuldet wird, aufrechnen könne. Und es ist mehr zuzulassen, weil es ein einziger Contract ist, jedoch unter der Bedingung, dass er Sicherheit gebe, dass sein Vater es genehmigen, das heisst, nicht fordern werde, was jener aufgerechnet hat.
10Ulp. lib. LXIII. ad Ed. Ad Dig. 16,2,10 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 349, Note 10.Wenn wir Beide als Gesellschafter gleiche Nachlässigkeit bei der Gesellschaft uns haben zu Schulden kommen lassen, so muss man sagen, dass wir aufhören, [deshalb] gegenseitig verbindlich zu sein, indem von Rechtswegen33S. die vorhergehende Anm. Aufrechnung der Nachlässigkeit geschieht. Auf ähnliche Weise wird es gebilligt, dass, wenn der Eine aus einer gemeinschaftlichen Sache Etwas gezogen hat, der Andere eine sehr grosse Nachlässigkeit begangen haben sollte, welche zu eben demselben Betrag geschätzt wird, Aufrechnung und von Rechtswegen gegenseitig Befreiung geschehen zu sein scheine. 1Ad Dig. 16,2,10,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 349, Note 5.Wenn also Jemand, der aufrechnen konnte, gezahlt haben sollte, so wird er condiciren können, gleich als wenn eine Nichtschuld gezahlt worden sei. 2So oft aus einer Uebelthat eine Klage entsteht, z. B. aus dem Grunde des Diebstahls und der übrigen Uebelthaten, so hat, wenn wegen dieser Sache im bürgerlichen Process44Pecuniarie; s. die Bem. zu L. 1. §. D. de calum. 3. 6. geklagt wird, die Aufrechnung Statt. Dasselbe findet Statt, auch wenn aus dem Grunde des Diebstahls condicirt werden sollte. Aber auch wer mit einer Schädenklage belangt wird, kann die Aufrechnung entgegensetzen. 3Auch bei Stipulationen, welche so gut wie Klagen sind, das heisst bei prätorischen55S. L. 1. §. 2. D. de stipul. praetor. 46. 5., hat die Aufrechnung Statt; und nach Julianus wird sowohl bei der Stipulation selbst, als bei der Klage aus der Stipulation, die Aufrechnung entgegengestellt werden können.
11Ad Dig. 16,2,11ROHGE, Bd. 25 (1880), Nr. 9, S. 38: Kompensation verzinslicher Forderungen.Idem lib. XXXII. ad Ed. Wenn Einer dem Andern Geld ohne Zinsen, der Andere Verzinsliches schuldet, so ist vom höchstseligen Severus constituirt worden, dass die Zinsen für den auf beiden Seiten gleichkommenden Betrag nicht zu leisten seien.
12Ad Dig. 16,2,12ROHGE, Bd. 25 (1880), Nr. 9, S. 38: Kompensation verzinslicher Forderungen.Idem lib. LXIV. ad Ed. Dasselbe Recht ist nicht blos in Bezug auf Privat[sachen], sondern auch in Bezug auf die Sache des Fiscus constituirt worden. Aber auch wenn auf beiden Seiten eine verzinsliche Geld[schuld] vorhanden sein sollte, die Zinsen jedoch verschieden sein sollten, so findet nichts desto weniger eine Aufrechnung dessen Statt, was gegenseitig geschuldet wird.
13Idem lib. LXVI. ad Ed. Was Labeo sagt, ist nicht ohne vernünftigen Grund, dass [nämlich,] wenn für irgend eine Forderung insbesondere die Aufrechnung bestimmt worden ist, sie nicht bei andern entgegengestellt werde.
14Javolen. lib. XV. ex Cassio. Alles, was durch eine Einrede vernichtet werden kann, kommt nicht zur Aufrechnung.
15Idem lib. II. Epistol. Ich habe stipulirt, dass [mir] von Titius an einem bestimmten Orte Geld gegeben werden sollte, der fordert von mir das Geld, welches ich ihm schulde; ich frage, ob auch das aufzurechnen sei, wie gross mein Interesse gewesen ist, dass an einem bestimmten Orte gegeben würde? [Javolenus] hat zum Bescheid gegeben: wenn Titius fordert, so muss auch das Geld, welches er auf einen bestimmten Ort versprochen hat, in Aufrechnung gebracht werden, aber mit seiner Zubehör, das heisst, so dass [darauf] Rücksicht genommen wird, wie gross das Interesse des Titius gewesen ist, dass an dem Orte, auf den man übereingekommen ist, das Geld gegeben würde.
16Papinian. lib. III. Quaest. Ad Dig. 16,2,16 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 350, Note 17.Wenn Einer Erbe eines Soldaten in Betreff des in Kriegsdiensten erworbenen, ein Anderer in Betreff des übrigen Vermögens geworden ist, und ein Schuldner, welcher dem einen der Erben verbindlich ist, aufrechnen will, was [ihm] von dem andern geschuldet wird, so wird er nicht gehört werden. 1Wenn innerhalb des zur Vollstreckung des Urtheils gegebenen Termins der dem Titius Verurtheilte gegen eben denselben Titius, der selbst auch jenem vorher verurtheilt worden ist, klagt, so wird die Aufrechnung zugelassen werden; denn etwas Anders ist es, wenn der Termin der Verbindlichkeit nicht gekommen ist, etwas Anders, wenn aus Menschlichkeit eine Zeit zur Zahlung gestattet wird.
17Idem lib. I. Resp. Wer darum verurtheilt worden ist, weil er zur Zeit [seines] Aedilenamts den Proviant zu sparsam vertheilt hat66Arctiorem annonam aedilitatis tempore praebuit. Die Aedilen erhielten den von den curatores (s. Anm. 32.) eingekauften Proviant zur Vertheilung, nicht aber das Geld selbst zum Ankauf, waren also nicht Schuldner der pecunia frumentaria an den Fiscus, und wurden deshalb zur Aufrechnung gelassen. S. v. Glück a. a. O. S. 86., wird nicht als Schuldner des zu Ankauf des Getreides bestimmten Geldes angesehen werden, und darum wird er [das Recht zur] Aufrechnung haben.
18Idem lib. III. Resp. Ein zu seinem eigenen Besten bestellter Geschäftsbesorger wird, wenn er nach der Einleitung des Streits mit einer Wiederklage77Vice mutua. S. Mühlenbruch Cession S. 584. Wenn also derjenige, welchem eine Forderung abgetreten ist, (hier nach der Formalität des ältern Rechts procurator in rem suam genannt,) diese Forderung geltend macht und der Schuldner ihn mit einer Wiederklage belangt, so kann er seine und des Cedenten Gegenforderungen durch Aufrechnung geltend machen. belangt werden sollte, sich des billigen Rechts der Aufrechnung bedienen. 1Ein Gläubiger wird nicht gezwungen aufzurechnen, was er einem Andern, als seinem Schuldner schuldet, obwohl der Gläubiger desselben zum Besten desjenigen, welcher wegen einer eigenen Schuld belangt wird, aufrechnen will88D. h. obgleich der Gläubiger des Gläubigers es sich gefallen lassen will, dass das dem Erstern von dem Letztern Geschuldete, diesem von dem jetzt belangten Schuldner vermittelst der Aufrechnung abgezogen werde..
19Idem lib. XI. Resp. Ein Schuldner hat öffentliches Geld einem öffentlichen Sclaven ohne den Willen derjenigen, welchen die Schuld richtig hat gezahlt werden können, gezahlt; die frühere Verbindlichkeit wird bleiben, aber es wird ihm die Aufrechnung bis zur Grösse99Peculii fini. S. Brisson. s. v. finis. des Sonderguts, welches der öffentliche Sclav haben wird, gegeben werden.
20Idem lib. XIII. Resp. Man hat angenommen, dass ein [Proviant-]Besorger, welcher wegen eines zur Zeit des Feldzugs aufgetragenen Proviantgeschäfts verurtheilt worden ist1010Die curatores annonae oder frumentarii waren diejenigen, welche vom Staat Geld erhielten, um zur Zeit des Feldzugs Proviant zu kaufen. Copiae heisst hier so viel als annona, commeatus. S. v. Glück a. a. O. S. 85 f. — Vgl. übrigens L. 24. h. t., das Geld vermöge des Rechts der Aufrechnung nicht zurückhalten könne, weil dergleichen nicht aufgerechnet wird.
21Ad Dig. 16,2,21Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 349, Noten 9, 10.Paul. lib. I. Quaest. Nachdem unter Allen angenommen worden ist, dass das, was gegenseitig geschuldet wird, von Rechtswegen aufgerechnet werde, so wird der Geschäftsbesorger eines Abwesenden, wenn er belangt werden sollte, nicht wegen der Genehmigung Sicherheit geben müssen, weil er nichts aufrechnet, sondern von ihm von Anfang an weniger gefordert wird1111Der procurator absentis soll nach dieser Stelle die cautio de rato, welche er sonst immer geben muss, wenn er Etwas für den Abwesenden thut, was dieser widerrufen kann, nicht zu geben brauchen, weil die Klage bei dem Vorhandensein von Forderung und Gegenforderung gleich auf weniger gerichtet werden müsse, die Aufrechnung also gar nicht mehr in der Willkühr des Beklagten stehe. Dies wird daraus abgeleitet, weil die Aufrechnung ipso jure geschehe, so dass dem ipso jure hier der Sinn untergelegt wird, welchen es nach der Anm. zu L. 4. h. t. bei der compensatio nicht hat. Wahrscheinlich ist die Stelle interpolirt, und sie bezog sich wohl ursprünglich auf die compensatio der Argentarien, welche von der Regel abwich. S. Bethmann-Hollweg a. a. O. S. 281 ff..
24Idem lib. III. Decretor. Der Kaiser1212Entweder Septimius Severus oder dessen Sohn Antonin. Caracalla, denn die Entscheidungen beider hatte Paulus gesammelt. Vgl. übrigens L. 46. §. 4. D. de jure fisci 49. 14. und als Ausnahmen von der hier gegebenen Regel L. 5. D. cod. und L. 20. h. t. hat befohlen, dass der, welcher beweist, dass ihm das, worauf er selbst belangt wird, vom Fiscus geschuldet werde, gehört werden solle.