De divisione rerum et qualitate
(Von der Eintheilung der Sachen und deren Beschaffenheit.)
1Gaj. lib. II. Institut. Ad Dig. 1,8,1 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 146, Note 16.Die oberste Eintheilung der Sachen zerfällt in zwei Abtheilungen, denn sie sind theils göttlichen, theils menschlichen Rechtens. Göttlichen Rechtens sind z. B. die heiligen und religiösen Sachen. Auch die geheiligten Sachen, wie Mauern und Thore, sind gewissermaassen göttlichen Rechtens. Was aber göttlichen Rechtens ist, gehört Niemandem; was menschlichen Rechtens ist, gehört meist Jemandem; doch kann es auch Niemandem gehören; denn Erbschaftssachen gehören, bevor Jemand als Erbe antritt, Niemandem. Diejenigen Sachen aber, welche menschlichen Rechtens sind, sind entweder öffentliche oder Privatsachen; die öffentlichen werden als Niemandem gehörig betrachtet, denn sie werden als der Gesammtheit gehörig angesehen. Privatsachen aber sind diejenigen, welche Einzelnen gehören. 1Ausserdem sind die Sachen theils körperliche, theils unkörperliche. Körperliche sind diejenigen, welche berührt werden können, wie ein Landgut, ein Sclav, ein Kleid, Gold, Silber und unzählige andere. Unkörperliche Sachen sind solche, die nicht berührt werden können, wie diejenigen, welche in einer Recht[svorstellung] bestehen, wie eine Erbschaft, der Niessbrauch, und alle auf irgend eine Weise vollzogene Verbindlichkeiten. Auch thut es nichts zur Sache, dass in der Erbschaft körperliche Sachen begriffen sind; denn auch die von einem Grundstück gewonnenen Früchte sind körperlich, sowie das, was uns aus einer Verbindlichkeit geschuldet wird, meistentheils körperlich ist, wie z. B. Landgüter, Sclaven, Geld; denn das Recht der Erbfolge selbst, das Recht des Niessbrauchs selbst, und das Recht der Verbindlichkeit selbst, ist unkörperlich. Zu derselben Zahl gehören die Rechte städtischer und ländlicher Grundstücke, welche aus Dienstbarkeiten genannt werden.
2Marcian. lib. III. Institut. Einige [Sachen] sind nach dem naturrecht allen gemeinschaftliche, einige Gesammtheiten, einige Niemandem, die meisten Einzelnen [gehörig], welche von denselben auf mannigfache Weise erworben werden. 1Nach dem Naturrecht sind allen gemeinschaftlich: die Luft, das fliessende Wasser, das Meer, und daher die Meeresufer.
3Florentin. lib. VI. Institut. Ebenso werden die Steine, Edelsteine und alles andere, was wir am Meeresufer finden, nach dem Naturrecht sogleich unser, [sobald wir es ergreifen].
4Marcian. lib. III. Instit. Niemandem ist also verwehrt, an das Meeresufer zu gehen, [z. B.] um zu fischen, dahingegen ihm Landhäuser, Gebäude und Denkmäler zu betreten untersagt werden kann, weil diese nicht Völkerrechtens sind, wie das Meer; dies rescribirte der Kaiser Pius auch den Formianischen und Capenatischen Fischern. 1Die Flüsse wie die Häfen sind beinahe alle öffentlich.
5Gaj. lib. II. Rer. quotid. sive aureor. Der Gebrauch der Flussufer ist nach dem Völkerrecht öffentlich. Daher steht jedem frei, an dem Ufer zu landen, Taue an auf demselben wachsenden Bäumen zu befestigen, Netze zu trocknen und aus dem Meere zu ziehen, Lasten darauf niederzulegen, sowie den Fluss selbst zu beschiffen. Das Eigenthum daran steht aber denen zu mit deren Grundstücken es zusammenhängt, weshalb denselben auch die darauf gewachsenen Bäume gehören. 1Wer im Meere fischt, dem steht auch frei, eine Hütte an der Küste zu erbauen, um sich daselbst aufzuhalten,
6Marcian. lib. III. Instit. so dass sogar die Erbauer alleinige Eigenthümer derselben werden, aber nur, so lange das Gebäude steht; ist das Gebäude zerfallen, so kehrt die Stelle, wie durch das Heimkehrrecht, wieder in ihren vorigen Zustand zurück, und wenn ein Anderer auf derselben Stelle [nachher eine solche] gebauet hat, so gehört sie ihm. 1Ad Dig. 1,8,6,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 146, Note 16.Gemeinheiten, und nicht den Einzelnen, gehört, was in den Städten sich z. B. an Theatern, Rennbahnen, und ähnlichen [Gebäuden] findet, und was sonst den Städten an Gemeingut gehört. Deshalb werden auch Gemeinheits-Sclaven der Städte nicht als den Einzelnen theilweise, sondern als der Gesammtheit gehörig angesehen. Die Kaiserlichen Gebrüder rescribirten daher, es könne ein Gesammtheits-Sclav sowohl für, als gegen einen Bürger peinlich befragt werden. Deshalb hat auch ein Gemeinheits-Freigelassener nicht nöthig, die Erlaubniss des Edictes in Anspruch zu nehmen, wenn er einen der Bürger vor Gericht fordert. 2Heilige, religiöse und geweihte Sachen gehören Niemandem. 3Heilige Sachen sind solche, welche öffentlich und nicht privatim heilig gesprochen worden sind; wenn sich also Jemand privatim etwas als heilig hinstellt, so ist dies nicht heilig, sondern profan. Ist aber einmal ein Gebäude heilig geworden, so bleibt es auch die Stelle noch, selbst wenn das Gebäude niedergerissen worden ist. 4Religiös kann Jeder einen Ort nach seinem Belieben dadurch machen, wenn er an einen ihm gehörigen Ort einen Todten hinbringt. In ein [Mehrern] gemeinschaftlich gehöriges Begräbniss kann [der Eine] auch ohne Einwilligung der Uebrigen eine Leiche beisetzen. Auch an einen fremden Ort darf man dieselbe mit Einwilligung des Eigenthümers hinbringen und es wird der Ort, selbst wenn die Genehmigung erst später erfolgt, als der Todte hingebracht worden ist, religiös. 5Auch ein blosses Denkmal wird [zwar] richtiger als ein religiöser Ort angesehen, wie dies Virgil bezeugt,
8Marcian. lib. IV. Regul. Geweiht (sanctum) ist dasjenige, was gegen die Widerrechtlichkeiten der Menschen gesichert und geschützt ist. 1Sanctum kommt her von sagmen; so heisst nämlich ein gewisses Kraut, welches die Gesandten des Römischen Volkes zu tragen pflegen, damit sie Niemand verletze, sowie die Gesandten der Griechen sogenannte Heroldstäbe tragen. 2Dass auch die Mauern der Municipalstädte geweiht seien, sagt Cassius, habe Sabinus mit Recht gelehrt, und es müsse verboten werden, sich an denselben dadurch, dass auf dieselben etwas gesetzt wird, zu vergreifen11S. die Note zur Göttinger Corp. Jur.-Ausgabe..
9Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. Heilige Orte sind diejenigen, welche öffentlich heilig gesprochen worden sind, sie mögen in einer Stadt oder auf dem Lande belegen sein. 1Ein öffentlicher Ort kann dann heilig werden, wenn ihn der Kaiser heilig gesprochen, oder dazu Macht und Gewalt ertheilt hat. 2Es ist aber zu bemerken, dass ein Unterschied zwischen einem heiligen Ort und einem Heiligthum sei; ein heiliger Ort ist ein solcher, der eingesegnet worden ist, ein Heiligthum ist aber ein solcher Ort, wo heilige Gegenstände aufbewahrt werden, was auch in einem Privatgebäude der Fall sein kann; wenn man daher dem Ort die Religiosität wieder entziehen will, so pflegt man das Heilige daraus feierlich abzurufen. 3Geweiht nennt man eigentlich dasjenige, was weder heilig noch profan, sondern was durch eine Weihe bestätigt worden ist, wie die Gesetze geweiht sind, denn sie sind durch eine Weihe bestärkt, und was durch eine Weihe bekräftigt worden ist, ist geweiht, wenn es Gott auch nicht geheiligt ist. Zuweilen wird bei der Weihe hinzugesetzt, dass wer dawider etwas verbricht, am Leben gestraft werden solle. 4Die Mauern der Municipalstädte dürfen auch ohne Genehmigung des Kaisers oder des Präsidenten nicht ausgebessert, noch an dieselben etwas angebauet, oder auf dieselben gesetzt werden. 5Eine heilige Sache erlaubt keine Werthschätzung.
10Pompon. lib. VI. ex Plautio. Aristo sagt, dass, sowie dasjenige, was im Meere erbauet worden, Privateigentum wird, auch dasjenige, was vom Meere eingenommen worden, öffentlich werde.
11Pompon. lib. II. ex variis lection. Wer die Stadtmauern beschädigt, wird mit dem Tode bestraft, sowie derjenige, welcher mit angelegten Leitern, oder auf jede andere Weise darüber steigt; denn die Römischen Bürger dürfen auf keinem andern Wege, als durch die Thore [aus der Stadt] gehen, indem jene Art und Weise feindlich und verwerflich ist. Denn auch Remus, des Romulus Bruder, soll deswegen mit dem Tode bestraft worden sein, weil er über die Stadtmauer habe steigen wollen.