De stipulationibus praetoriis
(Von den prätorischen Stipulationen.)
1Ulp. lib. LXX. ad Ed. Es scheint drei Arten von prätorischen Stipulationen11Diese sind wiederum eine von den vier Arten von Stipulationen überhaupt. S. tit. Inst. de div. stip. III. 18. (19.) u. L. 5. D. de verb. obl. 45. 1. Uebrigens hat hier stipulatio die Bedeutung von cautio (Sicherheitsleistung). Vgl. v. Glück III. S. 428. ff. u. Mühlenbruch Doctr. Pand. §. 142. (ed. 2.) od. §. 123. (ed. 3.) zu geben: processualische, sicherheitliche, gemeinsame. 1Processualische nennen wir diejenigen, welche wegen eines Processes eingegangen werden, damit er gesichert werde, z. B. dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, die in Folge des Einspruchs wegen eines neuen Werkes. 2Sicherheitliche aber sind diejenigen, welche so gut, als eine Klage sind, und statt finden, damit eine neue Klage vorhanden sei, wie die Stipulationen wegen Vermächtnisse, wegen der Vormundschaft, dass die Sache genehmigt werde, wegen drohenden Schadens. 3Gemeinsame Stipulationen sind die, welche wegen der Stellung vor Gericht eingegangen werden. 4Und man muss wissen, dass alle Stipulationen ihrer Natur nach sicherheitlich sind; denn das wird bei Stipulationen beabsichtigt, dass Jemand durch die eingegangene Stipulation sicherer und beruhigter sei. 5Unter jenen prätorischen Stipulationen giebt es einige, welche Bürgschaft, einige, welche ein blosses Versprechen22In Stipulationsform. erfordern; aber es giebt sehr wenige, welche ein blosses Versprechen enthalten, und, wenn diese aufgezählt sind, so wird daraus hervorgehen, dass die übrigen nicht Versprechungen, sondern Bürgschaften seien. 6Also die Stipulation in Folge des Einspruchs wegen eines neuen Werkes enthält bald eine Bürgschaft, bald ein [blosses] Versprechen. Wir wollen also sehen, in Folge welchen Einspruchs wegen eines Neubaues Bürgschaft gestellt werden müsse, und auf welche Weise die Bürgschaft gestellt werde. Nemlich wegen des neuen Werkes, welches auf einem Privatboden vorgenommen sein wird, muss Bürgschaft gestellt, wegen desjenigen, welches auf öffentlichem Boden, ein Versprechen geleistet werden. Aber Die, welche in eigenem Namen Sicherheit geben, versprechen, Die, welche in fremdem Namen, stellen Bürgschaft. 7Ferner wird wegen eines drohenden Schadens bald ein Versprechen geleistet, bald Bürgschaft gestellt; denn wenn Etwas in einem öffentlichen Flusse geschieht, so wird Bürgschaft gestellt, wegen Häuser aber wird ein Versprechen geleistet. 8Die Stipulation des Doppelten ist ein Versprechen, ausser wenn man übereingekommen ist, dass Bürgschaft gestellt werden solle. 9Wenn aber irgend ein Streit stattfinden, z. B. wenn behauptet werden sollte, es werde aus Chikane verlangt, dass eine Stipulation eingegangen werde, so muss der Prätor selbst über diese Sache eine Untersuchung ohne Weitläuftigkeit anstellen und die Sicherheitsbestellung entweder befehlen, oder abschlagen. 10Aber auch wenn Etwas in der Stipulation entweder hinzugefügt, oder weggenommen, oder verändert werden muss, so wird es Gegenstand der prätorischen Untersuchung sein.
2Paul. lib. LXXIII. ad Ed. Die prätorischen Stipulationen enthalten entweder die Wiederherstellung einer Sache, oder eine unbestimmte Summe33Die ersteren sind untheilbar, die letzteren theilbar, was im Folg. erläutert wird. Vgl. damit l. 21. §. 5. D. de nov. op. nunc. 39. 1. l. 4. §. 1. 2. l. 72. u. l. ult. D. de verb. obl. 45. 1. Cujac. Observatt. XXV. c. 29.. 1Die Wiederherstellung einer Sache [enthält] z. B. die Stipulation in Folge des Einspruchs wegen eines neuen Werkes, durch welche versprochen wird, dass das Werk wiederhergestellt werden solle; und darum wird, mag nun der Kläger, oder der Beklagte mit Hinterlassung mehrerer Erben verstorben sein, wenn einer [von diesen] siegt oder besiegt wird, der ganze Bau wiederhergestellt werden müssen; denn solange als noch Etwas übrig ist, kann man das Werk nicht als wiederhergestellt ansehen. 2Eine unbestimmte Summe enthält die Stipulation, dass dem Urtheil Genüge geschehen solle, und die dass der Geschäftsherr die Sache genehmigen werde, und die wegen drohenden Schadens, und die diesen ähnlichen, in Bezug auf welche man des Gutachten ertheilt, dass sie in der Person der Erben zertheilt werden; obwohl man behaupten kann, dass rücksichtlich der Person der Erben des Versprechers eine vom Verstorbenen herrührende Stipulation nicht die Lage irgend eines von ihnen zu einer andern, [als die des Erblassers war,] machen könne; aber auf der anderen Seite geschieht es aus einem sehr triftigen Grunde, dass, wenn einer von den Erben des Stipulator siegt, die Stipulation auf den Theil desselben verfällt; denn das bringen die Worte der Stipulation: soviel diese Sache beträgt, mit sich. Dass aber, wenn einer von den Erben des Versprechers44D. h. des Besitzers der Sache, welcher die cautio: judicatum solvi geleistet hatte, aber vor der Litiscontestation gestorben war. S. Cujac. l. l. — Die Meinung des Julianus steht übrigens in l. 55. D. de rei vind. 6. 1. — Unter dem: „er selbst“ im folgenden Satz ist aber nicht der promissor, sondern der eine Erbe, von dem die Rede ist, zu verstehen. Cujac. l. l. die ganze Sache besitze, er aufs Ganze zu verurtheilen sei, schreibt Julianus. Auf wieviel er selbst aber oder die Bürgen, oder ob sie überhaupt in Folge jener Stipulation gehalten seien, darüber kann man zweifeln. Und [Julianus] sagt, sie möchte wohl nicht verfallen. Aber wenn der Besitzer nach der Litiscontestation verstorben sei, so sei einer von den Erben nicht auf einen grösseren Theil zu verurtheilen, als auf welchen er Erbe ist, wenn er gleich das ganze Grundstück besitze.
3Ulp. lib. LXXIX. ad Ed. Im Allgemeinen wird bei allen prätorischen Stipulationen auch den Procuratoren Bürgschaft gestellt.
4Paul. lib. LXXV. ad Ed. Die prätorischen Stipulationen werden wiederholt eingegangen, wenn ohne Schuld des Stipulator die Sicherheit aufgehört hat, vorhanden zu sein.
5Ad Dig. 46,5,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 330, Note 12.Idem lib. XLVIII. ad Ed. Bei allen prätorischen Stipulationen ist das zu beobachten, dass, wenn mein Procurator stipulirt, mir nach Untersuchung der Sache aus jener Stipulation eine Klage zusteht. Dasselbe findet auch dann statt, wenn ein Factor in der Lage sich zu befinden angefangen hat, dass durch die Dazwischenkunft seiner Person55D. h. wenn nur er klagen könnte, und Der, welcher ihn dem Geschäft vorgesetzt hat, sich an ihn halten müsste. S. Mühlenbruch Cession. §. 14. Anm. 216. S. 129. der Eigenthümer der Waare seine Sache verlieren würde, z. B. wenn das Vermögen des [Factors] verkauft worden ist; denn der Prätor muss dem Eigenthümer zur Hülfe kommen.
8Papin. lib. V. Quaest. Paulus bemerkt: wer unter einer Bedingung zum Erben eingesetzt worden ist, wird, wenn er den Nachlassbesitz angenommen hat, gezwungen, dem Substituten auf eine längere Zeit Sicherheit zu stellen. Denn der Prätor will, dass seine Wohlthat für Niemand nachtheilig sei; es kann auch der Fall eintreten, dass Der, welchem ein Anderer vorgeht, aus Chikane Bürgschaft zu fordern scheint66Vgl. hiermit Pauli Sentt. V. 9. §. 1. u. die Bem. von Cujacius u. Schulting dazu, von welchen der Erstere in dem letzten Satz unserer Stelle statt: et potest videri calumniose etc. lesen will: nec pot. vid. c., was der Letztere misbilligt. S. auch die von Schulting u. Smallenburg in d. Nott. ad Dig. l. l. p. 139. sq. citirten Schriftsteller.. 1Wenn dem Titius und Maevius unter entgegengesetzten Bedingungen Etwas vermacht sein sollte, so wird Beiden Sicherheit geleistet, weil Beide nach dem Willen des Verstorbenen auf das Vermächtniss hoffen.
10Ulp. lib. I. Respons. [Ulpianus] hat dem Valerianus das Gutachten ertheilt: wenn der Praeses, welcher vorher auf drei Jahre Sicherheit zu leisten befohlen hatte, nachher auf eine lange Zeit Sicherheit zu leisten angeordnet habe, weil er gewollt, dass man von der ersten Stipulation ganz und gar zurücktrete, so scheine er für die Verpflichteten eine Einrede gegen die erste Stipulation77Exceptionem primae stipulationi (Flor.), i. e. contra primam stipulationem. Glosse. herbeigeführt zu haben.
11Venulej. lib. VIII. Action. Bei solchen Stipulationen, welche das Versprechen: soviel als die Sache beträgt, enthalten, ist es besser, eine bestimmte Summe auszudrücken, weil gewöhnlich der Beweis schwer ist, wie gross das Interesse eines jeden sei, und es auf eine geringe Summe bestimmt wird.