Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 42 übersetzt von Treitschke
Dig. XLII7,
De curatore bonis dando
Liber quadragesimus secundus
VII.

De curatore bonis dando

(Von Bestellung eines Gütervertreters.)

1Pau­lus li­bro quin­qua­gen­si­mo sep­ti­mo ad edic­tum. Si quis sub con­di­cio­ne he­res in­sti­tu­tus est, co­gen­dus est con­di­cio­ni pa­re­re, si pot­est, aut, si re­spon­de­rit se non ad­itu­rum, et­iam­si con­di­cio ex­ti­te­rit, ven­den­da erunt bo­na de­func­ti. 1Quod si ni­hil fa­ce­re pot­est, cu­ra­tor bo­nis con­sti­tuen­dus erit aut bo­na ven­den­da. 2Sed si gra­ve aes alie­num sit, quod ex poe­na cres­cat, per cu­ra­to­rem sol­ven­dum aes alie­num, sic­uti cum ven­ter in pos­ses­sio­ne sit aut pu­pil­lus he­res tu­to­rem non ha­beat, de­cer­ni so­let.

1Paul. lib. LVII. ad Ed. Wenn Jemand unter einer Bedingung zum Erben eingesetzt ist, so muss er angehalten werden, die Bedingung zu erfüllen, wenn er kann; oder antwortet er, nicht antreten zu wollen, so ist zum Nachlasse des Verstorbenen die Gant zu eröffnen. 1Vermag er nichts zu leisten, so ist ein Nachlassvertreter zu bestellen oder11Unter dem Vertreter (curator) wird also hier nicht der mit dem Gantverkauf Beauftragte verstanden, der zu Paulus’ Zeit magister genannt wurde (an welches Wortes Stelle von Justinian’s Compilatoren oft das Wort curator gesetzt worden ist). Zimmern Gesch. des R. Pr. R. Th. III. 252. not. 24. zur Vergantung des Nachlasses zu schreiten22D. h. zur Versteigerung der ganzen Masse in Bausch und Bogen. Die Gebote wurden aber nicht in bestimmten Summen, sondern gleich durch Angabe der den Gläubigern zu gewährenden Procente, gethan. Zimmern a. a. O. S. 253.. 2Sind die Schulden drückend, indem sie zur Strafe wachsen, so sind sie vom Vertreter zu bezahlen, wie verfügt zu werden pflegt, wenn eine Leibesfrucht in Besitz gesetzt ist, oder ein unmündiger Erbe keinen Vormund hat.

2Ul­pia­nus li­bro se­xa­gen­si­mo quin­to ad edic­tum. De cu­ra­to­re con­sti­tuen­do hoc iu­re uti­mur, ut prae­tor ad­ea­tur is­que cu­ra­to­rem cu­ra­to­res­que con­sti­tuat ex con­sen­su ma­io­ris par­tis cre­di­to­rum, vel prae­ses pro­vin­ciae, si bo­na dis­tra­hen­da in pro­vin­cia sunt: 1Quae­que per eum eos­ve, qui ita crea­tus crea­ti­ve es­sent, ac­ta fac­ta ges­ta­que sunt, ra­ta ha­be­bun­tur: eis­que ac­tio­nes et in eos uti­les com­pe­tunt: et si quem cu­ra­to­res mit­te­rent ad agen­dum vel de­fen­den­dum, uti ius es­set: nec ab eo sa­tis, ne­que de ra­to ne­que iu­di­ca­tum sol­vi, no­mi­ne eius cu­ius bo­na ven­eant ex­ige­tur, sed no­mi­ne ip­sius cu­ra­to­ris qui eum mi­sit. 2Si plu­res au­tem con­sti­tuan­tur cu­ra­to­res, Cel­sus ait in so­li­dum eos et age­re et con­ve­ni­ri, non pro por­tio­ni­bus. quod si per re­gio­nes fue­rint con­sti­tu­ti cu­ra­to­res, unus for­te rei Ita­li­cae, alius in pro­vin­cia, pu­to re­gio­nes eos suas con­ser­va­re de­be­re. 3Quae­ri­tur, an in­vi­tus cu­ra­tor fie­ri pot­est: et Cas­sius scri­bit ne­mi­nem in­vi­tum co­gen­dum fie­ri bo­no­rum cu­ra­to­rem, quod ve­rius est. vo­lun­ta­rius ita­que quae­ren­dus est, ni­si et mag­na ne­ces­si­ta­te et im­pe­ra­to­ris ar­bi­trio hoc pro­ce­dat, ut et in­vi­tus crea­re­tur. 4Nec om­ni­mo­do cre­di­to­rem es­se opor­tet eum, qui cu­ra­tor con­sti­tui­tur, sed pos­sunt et non cre­di­to­res. 5Si tres cu­ra­to­res fue­rint et unus ex his ni­hil at­ti­ge­rit, an in eum, qui ni­hil teti­git, ac­tio dan­da est? et Cas­sius ex­is­ti­mat mo­dum ac­to­ri non de­be­re con­sti­tui pos­se­que eum cum quo vult ex­per­i­ri. pu­to Cas­sii sen­ten­tiam ve­rio­rem: spec­tan­dum enim, quid red­ac­tum est, non quid ad cu­ra­to­rem unum per­ve­ne­rit, et ita uti­mur, ni­si in­vi­tus fac­tus est: nam si ita est, di­cen­dum non eum con­ve­nien­dum.

2Ulp. lib. LXV. ad Ed. Mit Bestellung des Vertreters wird es in den Rechten so gehalten, dass der Prätor angegangen wird, und nach der Vereinigung der Mehrzahl der Gläubiger einen oder mehrere Vertreter bestellt; oder der Statthalter der Provinz, wenn das zu kaufende Vermögen in der Provinz liegt. 1Was nun durch einen Solchen oder Solche, die so erwählt sind, geschehen, gethan und gehandelt worden ist, das ist für gültig zu achten, und es stehen ihnen und gegen sie abgeleitete (utiles) Klagen zu. Und wenn die Vertreter Jemanden absenden, um im Wege Rechtens, zu klagen oder auf eine Klage zu antworten, so wird auch von ihm weder der Genehmigung noch der Urtheilsbefolgung (judicatum solvi) wegen im Namen des Gantmannes, sondern im Namen des ihn absendenden Vertreters, Sicherheitsbestellung verlangt. 2Wenn aber mehrere Vertreter bestellt werden, so klagen und antworten sie, sagt Celsus, einer für alle und alle für einen, nicht antheilig. Sind sie jedoch für gewisse Bezirke bestellt, z. B. einer für die städtischen Angelegenheiten, ein anderer in der Provinz, so müssen sie nach meiner Meinung sich auf ihre Bezirke beschränken. 3Es fragt sich: ob man wider seinen Willen zum Vertreter gemacht werden könne? Und Cassius schreibt: Niemand dürfe wider seinen Willen Gütervertreter zu werden gezwungen werden; welches das Richtigere ist. Es ist also ein Freiwilliger zu suchen, wofern nicht wegen dringender Noth, nach dem Ermessen des Kaisers, es dazu kommt, dass Jemand auch wider Willen dazu gewählt werde. 4Es muss auch nicht gerade ein Gläubiger sein, der zum Vertreter bestellt wird, sondern es sind auch Nichtgläubiger dazu fähig33Vgl. fr. 8. 9. Quib. ex caus. in poss. 42. 4. S. Zimmern Gesch. des R. Pr. R. Th. III. S. 252. not. 25.. 5Wenn drei Vertreter sind, einer davon aber nichts in die Hände bekommen hat, ist gegen diesen eine Klage zuzulassen? Cassius glaubt, es dürfe der Kläger nicht beschränkt werden, und könne klagen, gegen welchen er wolle. Und ich halte diese Ansicht des Cassius für die richtigere; denn es kommt in Betracht, was eingegangen ist, nicht was einer der Vertreter eingenommen hat. So wird es auch gehalten, es müsste denn einer wider seinen Willen bestellt sein; wenn dies der Fall ist, so ist es richtig, dass er nicht zu belangen ist.

3Cel­sus li­bro vi­cen­si­mo quar­to di­ges­to­rum. Si plu­res eius­dem bo­no­rum cu­ra­to­res fac­ti sunt, in quem eo­rum vult ac­tor, in so­li­dum ei da­tur ac­tio tam quam qui­vis eo­rum in so­li­dum aget.

3Cels. lib. XXIV. Dig. Wenn Mehrere zu Vertretern des Vermögens Eines Menschen bestellt sind, so wird gegen jeden von ihnen, gegen welchen der Kläger will, die Klage aufs Ganze gestattet, indem Jeder von ihnen für Alle handelt.

4Pa­pi­rius Ius­tus li­bro pri­mo de con­sti­tu­tio­ni­bus. Im­pe­ra­to­res An­to­ni­nus et Ve­rus Au­gus­ti re­scrip­se­runt bo­nis per cu­ra­to­rem ex se­na­tus con­sul­to dis­trac­tis nul­lam ac­tio­nem ex an­te ges­to frau­da­to­ri com­pe­te­re.

4Papir. Just. lib. I. de Constitut. Die Kaiser Antoninus und Verus haben rescribirt: Wenn eine Masse zufolge des Senatsschlusses44S. Zimmern a. a. O. S. 256. vom Gütervertreter verkauft (vereinzelt) worden sei (distractis), komme dem betrügerischen Bankerottirer wegen des vorher Geschehenen keine Klage zu.

5Iu­lia­nus li­bro qua­dra­gen­si­mo sep­ti­mo di­ges­to­rum. Si de­bi­tor fo­ro ces­se­rit et cre­di­to­res pri­va­to con­si­lio co­ie­rint et ele­ge­rint unum, per quem bo­na dis­tra­han­tur et por­tio ip­sis, quae ex red­ac­to fie­ret, sol­ve­re­tur, mox ex­sti­te­rit alius, qui se cre­di­to­rem di­cat: nul­lam qui­dem ac­tio­nem ad­ver­sus cu­ra­to­rem ha­be­bit, sed bo­na de­bi­to­ris una cum cu­ra­to­re ven­de­re pot­erit, ita ut, quae a cu­ra­to­re et a cre­di­to­re ex bo­nis con­tra­han­tur, om­ni­bus pro por­tio­ne prae­sta­ren­tur.

5Jul. lib. XLVII. Dig. Wenn ein Schuldner das Forum meiden muss55D. i. insolvent wird. und die Gläubiger eine Privatversammlung halten und einen erwählen, um durch ihn die Masse verkaufen (distrahantur) und einem Jeden den nach dem Erlöse ausfallenden Antheil auszahlen zu lassen, hernach aber ein Anderer auftritt, der sich für einen Gläubiger ausgiebt, so hat er zwar keine Klage wider den Vertreter, aber er kann mit dem Vertreter zugleich das Eigenthum des Schuldners verkaufen (vendere)66Nach den neuesten Untersuchungen soll distrahere eigentlich nur allmäliges Veräussern einzelner Sachen zu allmäliger Befriedigung der Gläubiger, bei fortgesetzter Verwaltung der Masse für gemeinschaftliche Rechnung, durch den eigentlichen Curator bonorum (S. o. fr. 1. §. 1. fr. 2. §. 1. fr. 4. h. t. fr. 27. de reb. auct. jud. poss. fr. 6. §. 2. quib. ex caus. in poss. und Note 107. 110.) bedeuten, vendere aber das Gantverfahren durch den magister bonis vendundis anzeigen. (S. o. Noten 196. 97.). Doch ist dieser Unterschied von den Juristen (oder doch von Justinian’s Compilatoren) nicht immer streng festgehalten, und es ist auch jener Ausdruck als gleichbedeutend mit diesem, von dem Gantverfahren oder dem Verkaufe durch den magister (Gaj. III, 79.) gebraucht worden, wie in gegenwärtigem Fragment. Vgl. fr. 1. §. 9. de separat. 42. 6., so dass Dasjenige, was aus demselben von ihnen Beiden gelöst wird, Allen nach Verhältniss gewährt werde.