De tutelis
(Von den Bevormundungen.)
1Paul. lib. XXXVIII. ad Ed. Vormundschaft ist nach der Begriffsbestimmung11Diese Definition des Servius geht freilich nur auf die Vormundschaft der Unmündigen und lässt die Geschlechtstutel unbeachtet. Deshalb wollten auch einige Juristen (Seger in Historia jur. Rom. de tut. et cur. und Heineccius in seinen notis ad Vinnii comment. ad Instit. ad h. §.) Ergänzungen anbringen. des Servius eine durch das bürgerliche Recht übertragene und anvertraute Macht und Gewalt über eine freie Person dem zum Schutze22Der Schutz, welchen Vormünder den Mündeln gewähren, besteht nach Ulp. Fragm. XI. 25. in dem negotio gerere und dem auctoritatem interponere., der wegen seines [geringen] Alters sich nicht selbst vertheidigen kann33Ueber diese Definition des Servius, welche auch in den Basil. T. IV. p. 826. fast ebenso, nur mit Weglassung der von Beck nach Haloander recipirten Worte: sua sponte; übergetragen ist, verbreitet sich v. Glück mit Anführung der verschiedenen Meinungen darüber in seiner ausf. Erl. d. Pand. Bd. 28. S. 468—478. und Bd. 29. p. 1—36. Von Seite 25—36 findet sich eine Widerlegung der v. Schröterschen eigenthümlichen Ansicht.. 1Tutores (Vormünder) aber nennt man die, welche jene Macht und Gewalt besitzen, und gerade nach dieser Eigenschaft erhielten sie ihre Benennung. Deshalb heissen sie tutores, gleichsam tuitores (Schützer, Aufseher) und Vertheidiger, sowie Personen, welche die Aufsicht über die Tempel haben, aeditui (Tempelhüter) genannt werden. 2Ein Stummer kann nicht zum Vormunde bestellt werden, weil er sein Vollwort nicht ertheilen kann44Das auctoritatem interponere und auctorem esse war eben das Unterscheidende der Vormünder von Unmündigen.. 3Viele Rechtsgelehrte und auch Pomponius im 69. Buche zum Edict führen den Beweis, dass ein Tauber nicht zum Vormunde gegeben werden könne, weil ein Vormund nicht nur die Fähigkeit zu sprechen, sondern auch zu hören haben muss.
3Ulp. lib. XXXVII. ad Sabin. Haben Mündel beiderlei Geschlechts einmal einen Vormund, und gerathen sodann in Wahnsinn, so verbleiben sie dieses Umstandes ungeachtet eben so, wie vorher, unter derselben Vormundschaft. Dieser Meinung war auch Quintus Mucius, auch Julianus gibt ihr seinen Beifall; bei uns ist es ein aufgenommener Rechtssatz, dass die Curatel nicht eintrete, wenn das Alter noch einen Vormund bedarf. Haben nun Unmündige Vormünder, so werden sie bei eintretendem Wahnsinn nicht unter eine Curatel gebracht, haben sie aber noch keine Vormünder zur Zeit, da sie die Raserei überfällt, so kann man ihnen auch in diesem Fall Vormünder geben, weil man die Bestimmungen des Zwölftafelgesetzes [hinsichtlich der Curatoren] durchaus nicht auf Unmündige bezogen wissen will. 1Weil aber bei uns für Unmündige keine Agnaten Curatoren werden dürfen, so sind wir der Meinung, dass auch einem Menschen, der noch nicht das fünfundzwanzigste Jahr vollendet hat, im Zustande der Raserei zwar ein Curator gegeben werden soll, jedoch dies nicht aus dem Grunde, weil er in Raserei verfiel, sondern weil er ein Mensch ist, dem noch seine Minderjährigkeit Hindernisse macht. Wir werden also uns dahin erklären, wenn einen Menschen sein Alter noch der Tutel oder Curatel unterwirft, so sei es nicht nothwendig für diesen aus dem Grunde, weil er wahnsinnig ist, um einen Curator nachzusuchen55Ueber diese Stelle verdient verglichen zu werden Anton Schulting ad Gaji Institut. lib. I. tit. 8 not. 7. (in jurispr. vet. Antejust. p. 67.) und die daselbst angeführte Stelle aus den Basiliken.. So verfügte auch der Kaiser Antoninus Augustus66Dieser Kaiser Antontinus ist der Kaiser Caracalla., indem man hierbei mehr auf das Alter, als auf den Wahnsinn, seine Aufmerksamkeit richten müsse. 2Wenn ein unmündiges Kind mit seinem rechtlich bestellten Vormunde, oder der Vormund mit einem seiner Pflegbefohlenen, einen Process führen will, [so entsteht die Frage,] ob auf Verlangen der Pflegbefohlenen oder des Gegners ein Curator bewilligt wird? Hierbei ist zu bemerken, dass, mögen die Mündel den Vormund belangen, oder selbst belangt werden, zwar immer ein Curator bestellt werden könne, aber dies nicht anders, als wenn der, welcher desselben bedarf, selbst darum anhält. Noch schrieb Cassius im sechsten Buche: ein solcher Curator muss immer bei seiner Bestellung gegenwärtig sein, sowie auch die Gegenwart und das Gesuch dessen nöthig ist, dem er gegeben wird. Deshalb kann er nicht für ein Kind [unter sieben Jahren] bestellt werden. Derselbe Cassius sagt: wenn ein Mündel aus dem Grunde um keinen Curator nachsuchen will, damit er in keinen Rechtsstreit verwickelt werde, so soll er von dem Prätor dazu gezwungen werden können. 3Pomponius schrieb im sechsten Buche an den Sabinus, ein solcher Curator könne an jedem Orte und zu jeder Zeit bestellt werden77Erst durch die C. 5. C. de in litem dando tutore (5. 44.) wurde für den Mündel ein Curator zur Processführung verordnet, früher war es der tutor praetorius. Daher nahm auch schon Schulting (fragm. Ulp. XI. 24. n. 73.) hier eine Interpolation an, wie auch neuerdings v. Löhr. im Magazin für Rechtsw. und Gesetzg. Bd. 3. S. 66. Zu vergleichen ist auch Corn. v. Bynkersh. Observ. V. II. p. 230.. 4Bittet nun der Mündel um einen solchen Curator und fügt den Grund wozu? nicht bei, [so fragt sich’s, ob dieser Curator, für alle Streitfälle bestellt sei? Celsus sagt: Servius habe bestimmt, er solle als für alle Fälle gegeben gelten.
4Paul. lib. VIII. ad Sabin. Wenn es heisst: es solle wenn ohne nähere Bestimmung ein Curator bestellt würde, dies angesehen werden als sei er für den ganzen Rechtsstreit bestellt; so bezieht sich dies vielleicht blos auf den Fall, wenn gegen den Vormund mit Erb- oder Gemeingutstheilungs- oder Grenzberichtigungsklage geklagt wird. Ist nun in einem solchen Falle ein Curator ohne nähere Bestimmung bestellt worden, so solle er nicht blos aus dem Grunde, damit die Unmündigen als Kläger auftreten können, Curator sein, sondern damit auch umgekehrt gegen diese (Mündel) geklagt werden könne. 1Man kann aber um mehrere Curatoren zur Stellvertretung mehrerer Tutoren oder um einen Einzigen sowohl zur Stellvertretung mehrerer [Tutoren] als auch eines einzigen Tutors, wie auch um Bestellung von Curatoren für einen einzigen und mehrere Rechtsstreite nachsuchen.
5Pompon. lib. XVII. ad Sabin. Hat man sich einmal einen solchen Curator erbeten, so kann man sich, so lange dieser Curator vorhanden ist, für denselben Rechtsstreit keinen andern [Curator] erbitten. 1Würde nun z. B. Titius zum Curator gegen den Sejus erbeten, so kann doch derselbe Titius gegen einen Andern als Tutor auftreten, so dass aus verschiedenen Veranlassungen eine Person die Stelle zweier Curatoren behauptet. Dies kann sich auch in der Person eines und desselben Gegners treffen, nämlich wenn derselbe Mann zum Curator für verschiedene Rechtsstreite, und zu verschiedenen Zeiten, erbeten wird.
6Ulp. lib. XXXVIII. ad Sabin. Dass stummen unmündigen Kindern ein Vormund gegeben werden könne, ist ein wahrer Satz, ob aber für dieselben ein Vollwort ertheilt werden könne, unterliegt einigem Zweifel. Wenn nun [eine Ermächtigung] bei einem, der schweigt, Statt finden kann, so ist dies auch bei einem Stummen zulässig. Dass aber für Personen, die schweigen, ein Vollwort ertheilt werden könne, ist die richtigere Annahme, wofür sich auch Julianus im einundzwanzigsten Buche der Digesten erklärte. 1Bedingungsweise darf von den Statthaltern der Provinzen kein Vormund gegeben werden, geschah dies aber doch, so ist es eine ganz ungültige Handlung. Dies ist auch die Meinung des Pomponius. Machen aber die Statthalter der Provinzen noch den Zusatz: Diesen bestelle ich zum Vormund, wenn er Sicherheit geleistet hat; so soll hierin keine Bedingung, sondern vielmehr eine Erinnerung, enthalten sein, nämlich dass diesem nicht anders die Vormundschaft anvertraut werde, als wenn er Sicherheit geleistet habe, das ist, es werde ihm nicht anders die Verwaltung übertragen, als wenn er dem Mündel dahin sicher gestellt, dass dessen Vermögen in einem guten Zustande verbleiben solle. 2Die Bestellung eines Vormundes ist weder Ausfluss einer Amtsgewalt88Imperium ist die Gewalt, welche jedem Magistratus von Amts wegen zusteht., noch der Rechtsprechung, sondern kommt blos dem zu, welchem dies namentlich ein Gesetz oder ein Senatsbeschluss oder der Kaiser verstattete. 3Einem Unmündigen, der taub ist, kann ein Vormund bestellt werden. 4Bekanntlich kann einem Kinde, dessen Vater in feindlicher Gefangenschaft sich befindet, kein Vormund bestellt werden. Es kann aber die Frage entstehen, ob, wenn [diesem dennoch] ein Vormund bestellt wurde, die Gültigkeit [oder Ungültigkeit] dieser Bestellung erst von der Zukunft abhänge? Nach meiner Meinung ist diese Bevormundung ungültig. Denn kehrt der Vater zurück, so fällt das Kind so in seine Gewalt zurück, als ob er niemals in feindlicher Gefangenschaft gewesen wäre. Man muss [hier] über die Vermögensmasse einen Curator setzen, damit diese nicht mittlerer Weile zu Grunde gehe.
7Ulp. lib. II. Disp. Würde ein Familiensohn vom Prätor zum Vormunde bestellt, so haftet der Vater, wenn er die Vormundschaft[sführung seines Sohnes als für ihn verbindlich] anerkannte, für das Ganze, that er das nicht, nur insoweit das Peculium reicht. Das Anerkennen aber erklärt sich daraus, entweder wenn er die Verwaltung übernahm, oder seinem Sohne in diesem Bezug seine Einwilligung ertheilte, oder überhaupt in eine Beziehung mit der Vormundschaft kam. Deshalb sagte ich, es liege auch eine Anerkennung, wenn Jemand an seinen Sohn schrieb, er möge die Vormundschaft mit Achtsamkeit verwalten, in den von ihm gebrauchten Worten: da du weisst, dass jeder Schaden uns zur Last fällt. Freilich wenn er seinem Sohne blos eine Ermahnung gab, so hat er dadurch nicht anerkannt.
8Idem lib. I. Opin. Der Freilasser muss auch als Vormund seines Freigelassenen seine Treue verbürgen, und würde etwas Nachtheiliges unternommen, so darf nach dem gemeinen Rechte, obgleich es sich um einen freigelassenen Pflegebefohlenen handelt, doch auf Aufhebung [eines solchen Geschäfts] angetragen werden.
9Marcian. lib. III. Instit. Bei denen findet eine ausserordentliche Strafe Statt, von welchen es erwiesen wird, dass sie durch Geld die Vormundschaft sich erkauften, oder dass sie bestochen die Bestellung eines tüchtigen Vormundes hintertrieben, oder geflissentlich bei Aufzeichnung der Vermögensmasse diese zu gering ansetzten, oder mit augenscheinlichem Betruge die Güter der Mündel veräusserten.
11Paul. lib. III. ad Vitell. Würde ein Wahnsinniger zum Vormunde bestellt, so kann man dieses als so bedingt verstehen, wenn er wieder zur Vernunft gekommen sein wird.
12Idem lib. X. Resp. Es war die Frage: ob die, welche an die Stelle Jemandes, der des Staates wegen abwesend ist, als Vormünder bestellt würden, nach dessen Tode in dieser Eigenschaft fortbestehen, oder ob man um Andere nachsuchen müsse? Paulus beantwortete dies so: die, welche zu Vormündern an die Stelle eines Abwesenden bestellt würden, sollen, wenn dieser nicht zurückkehrt, in diesem Verhältnisse bis zur Zeit der Mündigkeit verbleiben.
13Pomp. lib. II. Enchir. Man pflegt auch bisweilen einem Kinde, das einen Vormund hat, einen Curator zu geben, wenn der Vormund krank oder zu alt ist. Dieser ist aber mehr für einen Verwalter des Vermögens, als für einen Curator anzusehen. 1Es gibt auch einen Gehülfen (adjutor)99Ein adjutor wird zu aussergerichtlichen, ein actor zum Process, ein procurator aber nur erst nach der Litiskontestation gültig vom Vormunde allein bestellt. (C. 11. C. de procur. in der Vormundschaft, das sind Personen, welchen zu bestellen der Prätor gewöhnlich solchen Vormündern erlaubt, die zur Verwaltung der Vormundschaft nicht hinreichen, jedoch so, dass sie diese Bestellung auf ihre Gefahr unternehmen1010Die verschiedenen Emendations- und Interpretationsversuche dieser Stelle will ich hier nicht hersetzen, weil sie angeführt zu lesen sind bei v. Glück XXXI. S. 133. Anm. 20..
14Ulp. lib. XXXVII. ad Sabin. Wurden Unmündige adrogirt, oder Pflegbefohlene verwiesen, so hören sie auf, unter der Vormundschaft zu stehen. 1Ebenso beendigt sich die Vormundschaft, wenn der Mündel in Sclaverei verfällt. 2Die Vormundschaft endigt sich auch auf andere Arten, wenn z. B. der Vormund oder der Mündel in feindliche Gefangenschaft kamen. 3Wenn aber auch bis zu einer gewissen Zeit hin ein Vormund gegeben wurde, so endigt sich nach Ablauf dieser Zeit sein Amt. 4Ueberdies nimmt die Vormundschaft ein Ende, wenn der Vormund als verdächtig entfernt wurde. 5Wenn aber auch ein Vormund bis zum Eintritte einer bestimmten Bedingung gegeben wurde, so hört gleichfalls die Vormundschaft auf, wenn die Bedingung eintritt.
15Idem lib. XXXVIII. ad Sabin. Wurde ein Vormund zwar nicht von den Feinden gefangen genommen, sondern zu diesen als ein Gesandter abgeschickt, oder auch von diesen aufgenommen, oder er entfloh zu diesen, so bleibt er Vormund, weil er kein Sclav wird, aber inzwischen wird von den Statthaltern ein anderer Vormund bestellt werden.
16Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Die Vormundschaft ist meistens1111Dieses plerumque, welches vielleicht auf die ausnahmsweise Vormundschaft der Mutter hindeutet, hält Wissenbach für ein Einschiebsel des Tribonian. ein Geschäft blos für Männer. 1Mau muss wissen, dass keine Vormundschaft erbrechtlich auf einen Andern übergehe. Aber die gesetzlichen Vormundschaften kommen auf die Kinder männlichen Geschlechtes, wenn diese das volle Alter haben, herab. Dies ist aber nicht der Fall bei den übrigen Vormundschaften.
17Paul. lib. VIII. ad Sabin. Es erfolgten viele Senatsbeschlüsse zu dem Zwecke, dass an die Stelle eines wahnsinnigen, tauben, und stummen Vormundes andere Vormünder bestellt würden.