De inspiciendo ventre custodiendoque partu
(Von der Besichtigung des Mutterleibs1 und der Bewachung der Leibesfrucht.)
1S. die Bem. zu L. 1. §. 11. im vorherg. Titel.
1Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Als sich zu den Zeiten der höchstseligen Brüder22Des Marc. Aurelius Antoninus u. Lucius Verus. dies zugetragen hatte, dass zwar der Ehemann behauptete, seine Frau sei schwanger, die Ehefrau [aber] es leugnete, so haben sie, um Rath gefragt, an den Valerius Priscianus, den Stadtprätor, in folgenden Worten rescribirt: Rutilius Severus scheint etwas Neues zu verlangen, dass er [nämlich] seiner Ehefrau, welche sich von ihm geschieden hatte, und aussagt, dass sie nicht schwanger sei, einen Wächter bestellen könne; und darum wird sich Niemand wundern, wenn auch wir einen neuen Rath und [ein neues] Mittel an die Hand geben. Wenn er also bei derselben Forderung beharret, so ist es am passendsten, dass das Haus einer ganz ehrbaren Frau erwählt werde, damit Domitia in dasselbe komme, und dort sollen drei Hebammen, deren Kunst sowohl, als Redlichkeit bewährt ist und welche von dir dazu angenommen sein werden, sie besichtigen; und wenn entweder alle oder zwei ausgesagt haben werden, dass sie schwanger zu sein scheine, dann wird man suchen müssen, die Frau zu vermögen, dass sie ebenso einen Wächter zulasse, als wenn sie das selbst verlangt hätte. Wenn sie aber nicht niedergekommen sein wird, so möge der Ehemann wissen, dass [dies] seinen Ruf und seine Ehre betreffe, so dass man es nicht mit Unrecht so ansehen kann, als habe er dieses [Mittel] zu irgend einer Ehrenkränkung der Frau ergriffen. Wenn aber entweder alle oder mehrere ausgesagt haben werden, dass sie nicht schwanger sei, so wird kein Grund zum Bewachen vorhanden sein. 1Aus diesem Rescript erhellt ganz deutlich, dass die Senatsschlüsse über die Anerkennung der Kinder nicht Statt gehabt haben, wenn die Frau es verheimlichte oder auch leugnete, dass sie schwanger sei; und nicht mit Unrecht, denn die Leibesfrucht ist, ehe sie geboren wird, ein Theil der Mutter oder des Mutterleibes; freilich nachdem die Leibesfrucht von der Frau geboren ist, so kann nun der Ehemann in Folge seines Rechts durch ein Interdict ausserordentlich verlangen, dass entweder das Kind ihm herausgegeben werde, oder dass es ihm erlaubt werde, dasselbe wegzuführen. Daher kommt der Kaiser in einer nothwendigen Sache zu Hülfe. 2Diesem Rescript gemäss wird die Frau zum Prätor vorgefordert, und bei demselben gefragt werden können, ob sie sich für schwanger halte, und sie wird zum Antworten zu zwingen sein. 3Wie also, wenn sie nicht geantwortet haben, oder nicht zum Prätor kommen sollte, wenden wir dann die Strafe des Senatsschlusses an, nämlich [die], dass es dem Ehemanne frei stehe, [das Kind] nicht anzuerkennen. Aber man denke sich, der Ehemann sei damit nicht zufrieden, da er lieber Vater zu sein wünscht, als sein Kind entbehren will. Sie wird also durch die prätorischen Mittel zu zwingen sein, sowohl vor Gericht zu kommen, als auch, wenn sie gekommen ist, zu antworten, und es werden Pfänder von ihr weggenommen und verkauft werden müssen, wenn sie ungehorsam sein sollte, oder sie wird durch Geldstrafen angehalten werden müssen. 4Wie also, wenn sie auf Befragen geantwortet haben sollte, dass sie schwanger sei? Es wird die in den Senatsschlüssen33Dies ist nur von dem Plancianischen Senatsschluss zu verstehen. S. v. Glück a. a. O. S. 308. Anm. 95. gegebene Vorschrift befolgt werden; wenn sie es aber geleugnet haben sollte, dann wird der Prätor diesem Rescript gemäss Hebammen zuziehen. 5Und es ist zu bemerken, dass es dem Ehemann oder der Frau nicht erlaubt wird, eine Hebamme zuzuziehen, sondern dass sie alle vom Prätor zuzuziehen sind. 6Desgleichen muss der Prätor das Haus einer ehrbaren Frau wählen, in welches die Frau kommen solle, damit sie besichtigt werden könne. 7Wie also, wenn sie nicht dulden sollte, dass sie besichtigt werde, oder nicht in das Haus kommen sollte? Die Gewalt des Prätors wird auf gleiche Weise eintreten. 8Wenn Alle oder mehrere ausgesagt haben sollten, das die Frau nicht schwanger sei, ob sie wohl aus diesem Grunde wegen Ehrenkränkungen verfahren kann? Und ich glaube mehr, dass sie wegen Ehrenkränkungen klagen könne, dann jedoch, wenn der Ehemann jenes [Verfahren] verlangt hat, um ihr eine Ehrenkränkung zuzufügen; sonst wenn er es nicht in der Absicht, ihr eine Ehrenkränkung zuzufügen, [gethan hat,] sondern weil er mit Grund geglaubt hat [dass sie schwanger sei], oder von dem allzuheftigen Wunsch, Kinder zu haben, dazu veranlasst worden ist oder sie selbst ihn dazu verleitet hatte, dass er es glaubte, weil sie das während der Ehe vorgab, so wird es ganz billig sein, dass dem Ehemanne verziehen werde. 9Man muss sich aber erinnern, dass in dem Rescript keine Zeit vorgeschrieben sei, obwohl in dem Senatsschluss über die Anerkennung der Kinder der Frau dreissig Tage vorgeschrieben werden. Wie also, werden wir sagen, dass es dem Ehemann immer erlaubt sei, die Ehefrau zum Prätor vorzufordern, oder aber schreiben wir auch ihm dreissig Tage vor? Und ich möchte glauben, dass der Prätor nach Untersuchung der Sache, den Ehemann auch nach dreissig Tagen hören müsse. 10Ueber die Besichtigung des Mutterleibes und die Bewachung der Leibesfrucht spricht der Prätor so: Wenn eine Frau nach dem Tode des Ehemannes behaupten wird, dass sie schwanger sei, so möge sie dafür sorgen, dass es denen, welche diese Sache angehen wird, oder dem Geschäftsbesorger derselben, zweimal im Monate angezeigt werde, damit sie, wenn sie wollen, Frauen schicken, welche den Mutterleib besichtigen. Es sollen aber nur fünf freie Frauen geschickt werden und diese alle zugleich besichtigen, jedoch soll keine von ihnen, während sie besichtigt, wider den Willen der Frau ihren Leib berühren. Die Frau soll in dem Hause einer sehr ehrbaren Frau gebären, welche ich bestimmen werde. Die Frau soll dreissig Tage vor der Zeit, wo sie glaubt, dass sie gebären werde, es denen, welche diese Sache angeht, oder den Geschäftsbesorgern derselben anzeigen, damit sie, wenn sie wollen, [Männer] schicken, welche die Leibesfrucht bewachen sollen. In dem Zimmer, in welchem die Frau gebären wird, sollen nicht mehr Zugänge, als einer, sein; wenn mehr sein werden, so sollen sie von beiden Seiten mit Bretern versperrt werden. Vor dem Eingange dieses Zimmers sollen drei freie Männer und drei freie Frauen mit zwei Soldaten44Cum binis comitibus, s. Basil. XXXI. tit. 7. 1. Tom. IV. p. 755. Wache halten. So oft die Frau in dieses Zimmer, oder in ein anderes, oder in ein Bad gehen wird, so mögen die Wächter, wenn sie wollen, dasselbe vorher untersuchen, und die, welche hineingehen werden, durchsuchen; die Wächter, welche vor das Zimmer gestellt sein werden, mögen, wenn sie wollen, alle, welche in das Zimmer oder Haus hineingehen werden, durchsuchen. Die Frau soll, wenn sie zu kreissen anfängt, denen, welche diese Sache angeht, oder den Geschäftsbesorgern derselben, es anzeigen, damit sie [Frauen] schicken, in deren Gegenwart sie gebäre. Es sollen nur fünf freie Frauen geschickt werden, so dass ausser den zwei Hebammen in jenem Zimmer nicht mehr, als zehn freie Weiber, und sechs Sclavinnen sein sollen. Die, welche darin sein werden, sollen alle in jenem Zimmer durchsucht werden, damit nicht eine schwanger sei. Drei Lichter, und nicht weniger, sollen da sein, nämlich weil die Dunkelheit zum Unterschieben passender ist. [Das Kind,] welches geboren sein wird, soll denen, welche diese Sache angeht, oder den Geschäftsbesorgern derselben gezeigt werden, wenn sie es sehen wollen. Es soll bei dem erzogen werden, den der Vater dazu angeordnet haben wird. Wenn aber der Vater nichts angeordnet haben wird, oder der, bei dem er es wird haben erzogen wissen wollen, diese Sorge nicht übernehmen will, so werde ich nach Untersuchung der Sache bestimmen, bei wem es erzogen werden soll. Der, bei dem es erzogen werden wird, soll es, bis es drei Monate alt ist, zweimal im Monate, von dieser Zeit an bis es sechs Monate alt ist, einmal im Monate, von sechs Monaten an bis es ein Jahr alt ist, einen Monat um den anderen, von einem Jahre an bis es reden kann, einmal in sechs Monaten, wo er will, vorzeigen. Wenn man es Jemandem nicht erlaubt haben wird, den Mutterleib zu besichtigen, oder zu bewachen, oder bei der Geburt zugegen zu sein, oder wenn Etwas gethan sein wird, damit das [Alles] so, wie es oben vorgeschrieben worden ist, nicht geschehe, so werde ich dem [Kinde], welches geboren sein wird, nach Untersuchung der Sache den Besitz nicht geben. Oder wenn man es nicht erlaubt haben wird, das [Kind], welches geboren sein wird, wie es oben verordnet worden ist, zu sehen, so werde ich die Klagen, welche ich denen, welchen aus meinem Edict der Nachlassbesitz gegeben worden ist, schlechterdings zu geben verspreche, demselben, wenn mir ein gerechter Grund wird vorhanden zu sein scheinen, nicht geben. 11Obwohl das Edict des Prätor ganz deutlich ist, so ist doch die Erklärung desselben nicht zu vernachlässigen. 12Es muss also die Frau Anzeige machen, nämlich denen, welchen daran liegt, dass das Kind nicht geboren werde, indem sie [dann] entweder die ganze Erbschaft, oder einen Theil derselben haben werden, sei es ohne Testament, oder aus einem Testament. 13Aber Aristo schreibt, dass auch wenn ein Sclav [auf den Fall zum Erben] eingesetzt worden sei, wenn kein [Kind] geboren sei, auch diesem Sclaven, obwohl nicht Alles, doch Einiges in Betreff der Bewachung der Leibesfrucht nach dem Ermessen des Prätors zu gestatten sei. Und diese Meinung halte ich für wahr, denn es bringt es das öffentliche Interesse mit sich, dass die Kinder nicht untergeschoben werden, damit die Würde der Stände und Familien gesichert sei; und darum muss auch jener Sclav, da er die Hoffnung auf die Erbfolge hat, sie möge beschaffen sein, wie sie wolle, gehört werden, indem er sowohl eine öffentliche, als seine eigene Angelegenheit führt. 14Es muss aber denen Anzeige gemacht werden, welche die nächste Hoffnung zur Erbfolge haben, z. B. dem im ersten Grade eingesetzten Erben, nicht auch dem substituirten, und wenn der Hausvater ohne Testament [gestorben] sein sollte, denen, welche [bei der Erbfolge] ohne Testament die erste Stelle behaupten; wenn aber Mehrere zugleich erben werden, so ist Allen Anzeige zu machen. 15Wenn aber der Prätor sagt, dass er nach Untersuchung der Sache den Besitz nicht geben, oder die Klagen versagen werde, so bezieht sich das darauf55D. h. so ist das so zu verstehen., dass, wenn aus Einfalt Etwas von dem, was der Prätor hat beobachtet wissen wollen, unterlassen sein wird, dies dem Kinde nicht schade. Denn wie sollte man das nennen, wenn man dem Kinde den Nachlassbesitz versagen wollte, wenn Etwas von dem, was der Prätor nur nebenbei zu beobachten verordnet hat, nicht geschehen wäre? Es ist aber auf die Sitte der Gegend zu sehen, und es muss dieser gemäss sowohl der Mutterleib, als die Leibesfrucht, als auch das Kind, beobachtet werden.
2Julian. lib. XXIV. Dig. Das Edict über die Bewachung der Leibesfrucht ist eine Abänderung desjenigen, welches nach dem Muster des Carbonianischen Decrets abgefasst ist66D. das Ed. de ventre in possessionem mittendo (tit. Dig. 37. 9.). S. v. Glück a. a. O. S. 324. ff.. 1Aber es muss der Prätor hierbei zuweilen Nachsicht eintreten lassen, wenn es nicht durch Bosheit, sondern durch Unkunde der Frau geschehen sein wird, dass der Mutterleib nicht besichtigt, oder die Leibesfrucht bewacht wurde.
4Scaevola lib. XX. Dig. Jemand, der, wenn er ohne Kinder verstorben wäre, Alles, was an ihn aus dem Vermögen [des Erblassers] gekommen wäre, der Schwester desselben als Fideicommiss hinterlassen soll, ist verstorben, nachdem er seine noch ungeborene Tochter zur Erbin eingesetzt, und Andere substituirt hatte; man hat gefragt, ob, wenn die Ehefrau des Verstorbenen behaupten sollte, dass sie schwanger sei, der Schwester oder dem Geschäftsbesorger derselben zu erlauben sei, den Mutterleib besichtigen und die Leibesfrucht bewachen [zu lassen]? Ich habe das Gutachten ertheilt, dass in einem Falle der Art, wie der fragliche, es scheinen könne, als müsse die Besorgniss derjenigen, welchen das Fideicommiss gegeben worden, berücksichtigt und das nach Untersuchung der Sache festgesetzt werden.