De condictione furtiva
(Von der Diebstahlscondiction.)
1Ad Dig. 13,1,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 453, Note 8.Ulp. lib. XVIII. ad Sabin. Bei einer gestohlenen Sache kommt blos dem Eigenthümer die Condiction zu.
3Paul. lib. IX. ad Sabin. Wenn ein Sclav aus dem Grunde des Diebstahls condicirt werden sollte, so ist gewiss, dass das in [den Bereich der] Condiction komme, was etwa das Interesse des Klagenden ausmacht11Quod intersit agentis. Das id quod interest hat hier nicht die Bedeutung, in welcher es bei Verbindlichkeiten guten Glaubens, als rein subjective Schätzung und Gegensatz des blossen Werths der Sache, vorkommt, sondern es bezeichnet hier die objective Schätzung der Sache, jedoch mit Inbegriff der Nebendinge, als des mittelbaren Schadens und der Zubehör, also das, was zwischen dem quod interest im gewöhnlichen Sinne und dem quanti ea res est in der Mitte liegt. S. Gans Röm. Obligat. R. S. 69 f., wie wenn [der Sclav] zum Erben eingesetzt sein und der Herr [desselben] der Gefahr, die Erbschaft zu verlieren, sich aussetzen sollte; und dies schreibt auch Julianus. Ingleichen, wenn [der Herr] den Menschen, nachdem derselbe gestorben ist, condiciren sollte, so, sagt er, würde er den Werth der Erbschaft erlangen.
4Ad Dig. 13,1,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 359, Note 14.Ulp. lib. XLI. ad Sabin. Wenn ein Sclav oder Haussohn einen Diebstahl begangen haben sollte, so muss man von dem Herrn [desselben] das condiciren, was an ihn gekommen ist; für das Rückständige kann der Herr den Sclaven zum Schadensersatz ausliefern.
5Paul. lib. IX. ad Sabin. Aus dem Grunde des Diebstahls kann man gegen den Haussohn condiciren; denn niemals ist auf diese Condiction ein Anderer gehalten, als [der,] welcher [den Diebstahl] begangen hat, oder der Erbe desselben22Zwischen dieser und der vorhergehenden L. scheint ein Widerspruch zu sein, indem es in L. 4. heisst, wegen eines von einem Sclaven oder Haussohn begangenen Diebstahls sei gegen den Herrn (oder Vater) die Condiction anzustellen, in L. 5. aber, sie könne auch gegen den Haussohn angestellt werden. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich aber dadurch, dass wegen eines Vergehens eines Sclaven nur der Herr desselben, wegen eines Vergehens des Haussohns aber nicht blos der Vater direct mit einer Schädenklage, nach vorjustinian. Recht (§. 7. I. de nox. act. 4. 8.), sondern auch der Haussohn selbst, wenn er nur mündig war, schon nach dem zur Zeit der classischen Juristen und seit Justinianus allein geltenden Recht, belangt werden konnte. S. L. 5. D. de judic. 5. 1. und Zimmern Rechtsgesch. R.I. §. 183. S. 673 f. und §. 192. g. d. E..
6Ad Dig. 13,1,6Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 453, Note 5.Ulp. lib. XXXVIII. ad Ed. Deshalb wird auch, wenn durch die Hülfe [oder] auf den Rath Jemands ein Diebstahl begangen sein sollte, [dieser] auf die Condiction nicht gehalten sein, wenn er gleich [auf die] Diebstahl[sklage] gehalten ist.
7Idem lib. XLII. ad Sabin. Wenn man sich wegen des Schadens zum Besten des Diebes verglichen hat, so ist es sehr wahr, dass [dadurch] die Condiction nicht verhindert werde; denn durch einen Vergleich wird zwar die Diebstahlsklage, nicht aber die Condiction aufgehoben. 1Die Diebstahlsklage fordert die gesetzliche Strafe, die Condiction die Sache selbst; dieser Umstand macht, dass weder die Diebstahlsklage durch die Condiction, noch die Condiction durch die Diebstahlsklage vernichtet wird. Der also, bei dem ein Diebstahl begangen worden ist, hat die Diebstahlsklage, und die Condiction, und die Vindication; er hat auch die Klage auf Auslieferung. 2Die Condiction der gestohlenen Sache macht, weil sie die Verfolgung einer Sache enthält, auch den Erben des Diebes verbindlich, auch nicht nur, wenn der gestohlene Sclav leben, sondern auch, wenn er gestorben sein sollte; aber auch wenn der gestohlene Sclav seinen [letzten] Tag bei dem Erben des Diebes erlebt hat, oder nicht bei [diesem] selbst, jedoch nach dem Tode des Diebes, so muss man sagen, dass die Condiction gegen den Erben fortdauere. Was wir bei dem Erben gesagt haben, dasselbe wird auch bei den übrigen Nachfolgern Statt finden.
8Idem lib. XXVII. ad Ed. Bei einer gestohlenen Sache steht die Condiction der [gestohlenen] Körper selbst zu; aber ob so lange, als sie vorhanden sein, oder aber auch wenn sie aufgehört haben sollten, sich unter den menschlichen Dingen zu befinden? Und wenn der Dieb [den Körper] angeboten hat, so wird ohne Zweifel keine Condiction Statt finden; wenn er [ihn] nicht angeboten hat, so dauert die Condiction des geschätzten Werthes [des Körpers] fort; denn der Körper selbst kann nicht geleistet werden. 1Ad Dig. 13,1,8,1ROHGE, Bd. 3 (1872), S. 96: Die allein für den Fall des furtum gegebene Vorschrift läßt keine analoge Ausdehnung auf nicht erfüllte Lieferungsverträge zu.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 280, Note 15.Wenn aus dem Grunde des Diebstahls eine Sache condicirt werden sollte, so ist es eine Streitfrage, nach welcher Zeit die Werthschätzung geschehen solle. Man nimmt jedoch an, dass auf die Zeit zu sehen sei, in welcher die Sache irgend einmal am meisten werth war, vorzüglich weil der Dieb dadurch, dass er eine schlechter gewordene Sache gibt, nicht befreit wird; denn der Dieb wird so angesehen, als befinde er sich immer in Verzug. 2Endlich muss man sagen, dass auch die Früchte in [den Bereich] dieser Klage kommen.
10Idem lib. XXXVIII. ad Ed. Es mag ein offenbarer (manifestus) Dieb oder ein nicht offenbarer sein, man wird gegen ihn condiciren können. Dann aber nur wird ein offenbarer Dieb auf die Condiction gehalten sein, wenn der Besitz desselben vom Eigenthümer nicht ergriffen sein sollte. Sonst ist Niemand unter den Dieben auf die Condiction gehalten, nachdem der Eigenthümer den Besitz ergriffen hat; und darum stellt Julianus, damit es angehe, bei einem offenbaren Diebe wegen der Condiction zu verhandeln, [die Sache] so dar, der ertappte Dieb habe das, was er weggenommen hatte, entweder getödtet, oder zerbrochen, oder ausgegossen. 1Auch gegen den, welcher [auf die Klage] wegen gewaltsam geraubter Güter gehalten ist, bemerkt Julianus im zweiundzwanzigsten Buch der Digesten, könne condicirt werden. 2Ad Dig. 13,1,10,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 171, Note 2.Solange aber wird die Condiction Statt finden, bis durch eine Handlung des Eigenthümers das Eigenthum der Sache von ihm abkommt; und daher wird er, wenn er diese Sache veräussert haben sollte, nicht condiciren können. 3Daher schreibt Celsus im zwölften Buche der Digesten, wenn der Eigenthümer die gestohlene Sache dem Dieb ohne Nebenbestimmung legirt haben sollte, könne der Erbe sie nicht von ihm condiciren. Aber auch, wenn nicht dem Dieb selbst, sondern einem Andern, so ist dasselbe zu sagen, dass [nämlich] die Condiction wegfalle, weil das Eigenthum durch eine Handlung des Testators, das ist, des Eigenthümers, weggekommen ist.
11Paul. lib. XXXIX. ad Ed. Aber auch nicht der Legatar kann condiciren33Hier ist nämlich an den Fall zu denken, wenn die legirte Sache noch nicht vom Legatar in Besitz genommen worden ist.; denn demjenigen steht die Condiction zu, welchem eine Sache entwendet worden ist, oder dem Erben desselben; aber vindiciren kann [der Legatar] die legirte Sache von demselben (dem Dieb).
12Ulp. lib. XXXVIII. ad Ed. Und darum bestimmt [dies] Marcellus im siebenten Buch auf eine feine Weise; er sagt nämlich, wenn [deine] mir entwendete Sache die deinige bleiben sollte, so wirst du condiciren. Aber auch wenn du das Eigenthum nicht durch deine Handlung verloren haben solltest, wirst du gleichfalls condiciren. 1Bei einer gemeinschaftlichen Sache also, sagt er auf feine Weise, sei der Unterschied, ob du mit der Theilungsklage vorgefordert hast, oder vorgefordert worden bist; [so] dass du, wenn du mit der Theilungsklage vorgefordert hast, die Condiction verloren hast, wenn du vorgefordert worden bist, behältst. 2Neratius erzählt in den Büchern der Membranen, Aristo habe gemeint, dass derjenige, welchem eine Sache zum Pfand bestellt worden sei, mit der Condiction des Unbestimmten klagen werde, wenn sie entwendet worden ist.
13Ad Dig. 13,1,13Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 187, Note 3.Paul. lib. XXXIX. ad Ed. Fulcinius sagt, dass die aus gestohlenem Silber gemachten Becher condicirt werden können. Also wird bei der Condiction der Becher auch eine Werthschätzung der Bildung von halberhobenen Figuren (caelaturae) geschehen, welche auf Kosten des Diebes gemacht worden ist; auf dieselbe Weise, auf welche, wenn ein entwendetes Kind zum Jüngling geworden sein sollte, eine Werthschätzung des Jünglings geschieht, obwohl er durch die Sorge und auf Kosten des Diebes gewachsen ist.
14Julian. lib. XXII. Digest. Ad Dig. 13,1,14 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 361, Note 3.Wenn ein gestohlener Sclav unter einer Bedingung sollte legirt gewesen sein, so wird der Erbe, während dieselbe schwebt, die Condiction haben, und wenn, nachdem der Streit eingeleitet worden, die Bedingung eingetreten sein sollte, so wird eine Freisprechung folgen müssen, ebenso als wenn verordnet wäre, dass derselbe Sclav unter einer Bedingung frei sein solle, und, nachdem der Streit eingeleitet worden, die Bedingung eingetreten wäre; denn sowohl dem Kläger liegt nun nichts daran, den Menschen wieder zu bekommen44Weil nämlich mit dem Eintritt der Bedingung das Eigenthum des legirten Sclaven vom Erben ab und auf den Legatar überging., als auch die Sache hat ohne böse Absicht des Diebes aufgehört, demselben zu gehören. Wenn aber, während die Bedingung schwebt, das Urtheil gefällt wurde, so wird der Richter [den Sclaven zu einem solchen Werthe] schätzen müssen, zu welchem er einen Käufer gefunden haben würde. 1Sicherheit wird aber der Kläger zu Folge dieser Klage demjenigen, gegen welchen geklagt wird, nicht geben müssen. 2Wenn ein Ochse entwendet und getödtet worden ist, so steht dem Eigenthümer eine Condiction sowohl des Ochsen, als der Haut und des Fleisches zu; nämlich wenn sowohl die Haut, als das Fleisch [vom Dieb] an sich genommen waren; auch die Hörner werden condicirt werden. Aber wenn der Eigenthümer durch die Condiction des Ochsen den Werth [desselben] erlangt haben sollte, und nachher etwas von dem, wovon oben gesprochen worden ist, condiciren wird, so wird er jeden Falls durch eine Einrede abgewiesen. Umgekehrt, wenn er die Haut condicirt haben sollte, und nachdem er den Werth derselben erlangt, den Ochsen condiciren wird, so wird er, wenn der Dieb den Werth des Ochsen anbietet, nachdem der Werth der Haut [davon] abgezogen ist, durch die Einrede der bösen Absicht abgewiesen werden. 3Ad Dig. 13,1,14,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 187, Note 3.Dasselbe ist Rechtens, wenn Weintrauben gestohlen worden sind; denn sowohl der Most, als die Weinbeerhülsen können mit Recht condicirt werden.
16Pompon. lib. XXXVIII. ad Q. Muc. Wer einen Diebstahl dadurch begeht, dass er entweder eine geliehene oder eine niedergelegte Sache gebraucht, wird auch auf die Condiction aus dem Grunde des Diebstahls verbindlich. Und diese unterscheidet sich von der Leihklage dadurch, dass, auch wenn ohne böse Absicht oder Verschulden desselben die Sache untergegangen sein sollte, er doch auf die Condiction gehalten ist, da bei der Leihklage nicht leicht über das Verschulden, und bei der Niederlegung[sklage] nicht über die böse Absicht hinaus derjenige gehalten ist, gegen welchen mit der Niederlegung[sklage] geklagt werden wird.
17Papinian. lib. X. Quaest. Es verschlägt wenig, um die Condiction aufzuheben, ob der gestohlene Sclav angeboten oder in eine andere Schuldforderung und in einen andern Zustand der Verbindlichkeit übertragen werde. Auch kümmert es mich nicht, ob der Mensch gegenwärtig war oder nicht, da der Verzug, welcher aus dem Diebstahl entstand, wie durch eine Art von Ueberweisung (delegatio) beendigt wird.
18Scaevola lib. IV. Quaest. Weil ein Diebstahl verübt wird, wenn Jemand ungeschuldete Gelder wissentlich angenommen haben sollte, so ist zu sehen, ob, wenn der Geschäftsbesorger seine Gelder zahlen sollte, gegen ihn selbst ein Diebstahl verübt werde? Und Pomponius sagt im achten Buch der Episteln, dass er selbst aus dem Grunde des Diebstahls condicire; dass aber auch ich condicire, wenn ich billigen sollte, dass es ungeschuldet gegeben worden ist; aber durch [Anstellung] der einen Condiction wird die andere aufgehoben.
20Tryphon. lib. XV. Disputat. Obgleich der Dieb bereit sein, die Condiction aufzunehmen, und es an mir gelegen haben sollte, während die Sache noch unter den menschlichen Dingen sich befunden hatte, sie zu condiciren, nachher aber sie vernichtet ist, so haben gleichwohl die Alten55S. B. I. S. 351. Anm. 4. gewollt, dass die Condiction fortdauere, weil [der,] welcher zuerst wider Willen des Eigenthümers eine Sache an sich genommen haben sollte, immer in Zurückstellung derselben, die er nicht wegnehmen durfte, Verzug zu begehen scheint.