De in litem iurando
(Vom Würderungseide1.)
1Lis bedeutet hier den Gegenstand des Streits und des Interesse, indem der Beklagte durch diesen Eid den ganzen Betrag des ihm zugefügten Schadens bestimmt.
1Ulp. lib. LI. ad Sabin. Wir meinen, dass eine klagbar gemachte Sache darum nicht mehr werth sei, weil die [Summe der] Verurtheilung in Folge des Ungehorsams dessen, welcher [die Sache] nicht zurückerstattet, vermöge des Würderungseides wachsen kann; denn es wird dadurch die Sache nicht mehr werth, sondern es wird in Folge des Ungehorsams eine Schätzung über den Werth der Sache hinaus vorgenommen,
2Paul. lib. XIII. ad Sabin. mögen wir etwas uns Gehöriges fordern, oder mag auf Auslieferung geklagt werden. Zuweilen wird blos das Interesse des Klagenden geschätzt, wie wenn ein Verschulden22D. h. ein geringes (culpa levis); denn dass culpa hier diese Bedeutung habe, geht theils daraus hervor, dass im folgenden Satze die böse Absicht (dolus) entgegengesetzt wird, indem bekanntlich unter dolus die culpa lata mitbegriffen wird, theils aus der ausdrücklichen Angabe des dolus und der culpa lata, als Gründen zum Würderungseide in der L. 2. C. h. t. 5. 53. Also wenn durch geringes Verschulden des Beklagten dem Kläger Schaden zugefügt worden ist, kann er denselben nur auf die gewöhnliche Art, nicht durch den Würderungseid schätzen. dessen, der nicht zurückerstattete oder nicht auslieferte, bestraft wird; wenn aber die böse Absicht oder der Ungehorsam dessen, der nicht zurückerstattete oder nicht auslieferte, [bestraft wird, so wird die Sache so hoch geschätzt werden,] als der Kläger eidlich gewürdert haben wird.
3Ulp. lib. XXX. ad Ed. Wenn Gelder niedergelegt worden sind, so darf der Richter den Würderungseid nicht antragen, damit Jemand sein Interesse beschwöre; da die Werthschätzung der Gelder eine bestimmte ist, wenn nicht etwa Jemand darüber schwören sollte, dass es in seinem Interesse gewesen sei, dass ihm die Gelder an dem für sie bestimmten Termin zurückgegeben worden wären. Denn wie, wenn er Geld unter einer Strafe oder unter einem Pfande geschuldet hat, und dieses, weil ihm das niedergelegte Geld versagt worden ist, verkauft worden ist?
4Idem lib. XXXVI. ad Ed. Wir wollen untersuchen, wer bei einer Vormundschaftssache und gegen wen er schwören könne. Und der Mündel selbst freilich kann, wenn er unmündig ist, nicht schwören, das ist nämlich sehr oft rescribirt worden. Aber die höchstseligen Brüder33D. i. Marcus Aurelius Antoninus und Lucius Verus. haben rescribirt, dass auch der Vormund nicht zu zwingen oder die Mutter des Mündels zuzulassen sei, wenn sie auch bereit wäre, zu schwören; es schien nämlich hart zu sein, dass die Vormünder sowohl ohne etwas [von der fraglichen Sache] zu wissen, als auch wider Willen zum Besten fremden Vortheils sich sogar der Bedenklichkeit eines Meineids aussetzen [sollten]. Dass auch die Curatoren eines Mündels oder eines [minderjährigen] Jünglings nicht zu zwingen seien, den Würderungseid zu schwören, ist in Rescripten unsers Kaisers und seines höchstseligen Vaters44D. i. des Anton. Caracalla und seines Vaters Septimius Severus. S. Bd. I. S. 372. Anm. 31. enthalten. Wenn jedoch die Vormünder oder Curatoren ihrem Mündel oder dem Jüngling eine so grosse Zuneigung beweisen wollen, so wird die Rechtsgültigkeit nicht dawider sein, dass einem Process, auf welchen man sich mit ihnen eingelassen hat, auf solche Art ein Ende gemacht werden könne; es ist nämlich die Werthschätzung durch den Eid nicht auf ihren, sondern auf des Herrn Nutzen zu beziehen, wegen dessen das Vormundschaftsverhältniss gefordert wird55Domini, cujus nominen tutelae ratio postuletur. Unter dominus ist hier soviel als Principal zu verstehen, indem Vormünder und Curatoren bei der Führung der Processe der Mündel den Geschäftsbesorgern gleichstanden. S. Bethmann-Hollweg Versuche S. 165. 178 ff. Durch die folgenden Worte wird die Person des dominus näher bestimmt, und sie scheinen am passendsten so übersetzt zu werden, wie oben geschehen ist, indem sie nichts Anderes bedeuten sollen, als: welcher unter der Vormundschaft steht, Mündel ist.. Ein [minderjähriger] Jüngling kann, wenn er etwa will, schwören. 1Der Richter muss aber den Eid antragen; sonst, wenn ein Anderer den Eid angetragen haben, oder er, ohne dass er angetragen worden ist, geschworen sein sollte, so ist weder eine Verbindlichkeit, noch ein Eid vorhanden; und so ist es in Constitutionen unsers Kaisers und seines höchstseligen Vaters ausgesprochen. 2Es ist aber erlaubt, ins Unendliche66In infinitum, d. h. so hoch man will. S. v. Glück a. a. O. S. 467 ff. zu schwören. Aber ich frage, ob der Richter ein Maass für den Eid bestimmen könne, so dass innerhalb einer gewissen Summe geschworen werde, damit nicht mit Ergreifung der [dargebotenen] Gelegenheit ins Unmässige geschworen werde. Und dass es allerdings im Ermessen des Richters stehe, den Eid anzutragen oder nicht, ist bekannt. Es fragt sich also, ob derselbe, in dessen Macht es steht, den Eid nicht anzutragen, dem Eide auch eine Taxe beifügen könne; es entspricht wenigstens auch dies dem Ermessen eines Richters nach gutem Glauben. 3Ingleichen ist zu untersuchen, ob der Richter, welcher den Eid angetragen hat, ihm nicht folgen, sondern entweder ganz und gar freisprechen, oder auch in ein Geringeres, als beschworen worden ist, verurtheilen könne; und es ist mehr dafür, dass er es aus einem wichtigen Grund und nachher gefundenen Beweismitteln könne. 4Dass aber in Folge eines [geringen] Verschuldens der Eid nicht anzutragen, sondern die Werthschätzung von Richter zu bewerkstelligen sei, ist bekannt.
5Marcian. lib. IV. Regular. Bei dinglichen Klagen, und bei Klagen auf Auslieferung, und guten Glaubens wird der Würderungseid geschworen. 1Aber der Richter kann eine bestimmte Summe, bis auf welche geschworen werden solle, vorausbestimmen; denn es war [ihm] ja erlaubt, [den Eid] auch vom Anfang an gar nicht anzutragen. 2Ingleichen ist es, auch wenn geschworen sein sollte, dem Richter erlaubt, entweder freizusprechen, oder in ein Geringeres zu verurtheilen. 3Aber in allen diesen Fällen wird blos wegen böser Absicht, nicht auch wegen eines [geringen] Verschuldens77S. Anm. 44. geschworen; denn so etwas schätzt der Richter. 4Freilich ist bisweilen auch bei einer Klage strengen Gerichts der Würderungseid zu schwören, wie wenn der Versprecher des Stichus Verzug begangen haben und Stichus gestorben sein sollte; weil der Richter ohne Eidesantrag88Relatione. Relatio und delatio, referre und deferre werden bisweilen verwechselt. So hier; dasselbe soll nach v. Glück a. a. O. S. 425. Anm. 47. auch in L. 24. de jurejur. Statt finden, obgleich dort auch referre einen passenden Sinn gibt. eine Sache, welche nicht vorhanden ist, nicht schätzen kann.
6Paul. lib. XXVI. ad Ed. Sonst, wenn aus einer Stipulation oder einem Testamente geklagt werden sollte, pflegt der Würderungseid nicht geschworen zu werden.
7Ulp. lib. VIII. ad Ed. Insgemein wird angenommen, dass ein Anderer, als der Herr des Streites, den Würderungseid nicht schwören dürfe; sonach sagt Papinianus, dass ein Anderer nicht schwören könne, als der, welcher den Streit auf seinen Namen eingeleitet hat.
8Marcell. lib. VIII. Digest. Ein Vormund will die Sache eines mündig Gewordenen (adulti), welche er besitzt, demselben nicht zurückerstatten; ich frage, ob er [in so viel,] als die Sache werth ist, oder als eidlich gewürdert sein sollte, verurtheilt werden müsse? Ich habe zum Besscheid gegeben: es ist nicht billig, dass der streitige Gegenstand nach seinem Preise, das heisst, soviel die Sache werth ist, geschätzt werde, da sowohl der Ungehorsam zu bestrafen ist, als auch der Werth der Sache vielmehr nach dem Ermessen des Eigenthümers zu bestimmen ist, indem dem Kläger die Freiheit, eidlich zu würdern, zugestanden worden ist.
9Javolen. lib. XV. ex Cassio. Wenn mit der Diebstahls[klage] geklagt wird, so muss so geschworen werden: die Sache sei, als der Diebstahl verübt worden sei, so viel werth gewesen, nicht [aber] hinzugefügt werden: so viel, oder mehr, weil, wenn die Sache mehr werth ist, sie jeden Falls so viel werth ist.