Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Erstes Buch übersetzt von Sintenis
Dig. I9,
De senatoribus
Liber primus
IX.

De senatoribus

(Von den Senatoren.)

1Ul­pia­nus li­bro se­xa­gen­si­mo se­cun­do ad edic­tum. Con­su­la­ri fe­mi­nae uti­que con­su­la­rem vi­rum prae­fe­ren­dum ne­mo amb­igit. sed vir prae­fec­to­rius an con­su­la­ri fe­mi­nae prae­fe­ra­tur, vi­den­dum. pu­tem prae­fer­ri, quia ma­ior dig­ni­tas est in se­xu vi­ri­li. 1Con­su­la­res au­tem fe­mi­nas di­ci­mus con­su­la­rium uxo­res: ad­icit Sa­tur­ni­nus et­iam ma­tres, quod nec us­quam re­la­tum est nec um­quam re­cep­tum.

1Ulp. lib. LXII. ad Ed. Dass ein Consularmann vor einer Consularfrau den Vorrang habe, daran zweifelt Niemand. Ob aber ein gewesener Präfect einer Consularfrau vorgehe, darüber ist Frage erhoben worden. Ich sollte meinen, dass er ihr vorgehe, weil beim männlichen Geschlecht die Würde von grösserem Gewicht ist. 1Consularfrauen nennt man die Gattinen der Consularmänner; Saturninus setzt hinzu: auch die Mütter, dies ist jedoch nirgends zu finden, noch jemals angenommen worden.

2Mar­cel­lus li­bro ter­tio di­ges­to­rum. Cas­sius Lon­gi­nus non pu­tat ei per­mit­ten­dum, qui prop­ter tur­pi­tu­di­nem se­na­tu mo­tus nec re­sti­tu­tus est, iu­di­ca­re vel tes­ti­mo­nium di­ce­re, quia lex Iu­lia re­pe­tun­da­rum hoc fie­ri ve­tat.

2Marcell. lib. III. Dig. Cassius Longinus glaubt nicht, dass demjenigen, der wegen schlechter Aufführung aus dem Senat gestossen, und nicht wieder in seinen vorigen Stand eingesetzt worden ist, zu verstatten sei, das Richteramt zu verwalten, oder ein Zeugniss abzulegen, weil dies das Julische Gesetz über die Bestechung verbietet.

3Mo­des­ti­nus li­bro sex­to re­gu­la­rum. Se­na­to­rem re­mo­tum se­na­tu ca­pi­te non mi­nui, sed Ro­mae mo­ra­ri, di­vus Se­ve­rus et An­to­ni­nus per­mi­se­runt.

3Modestin. lib. VI. Regul. Dass ein aus dem Senat gestossener Senator keine Standesrechtsveränderung erleide, sondern zu Rom verweilen dürfe, haben die Kaiser Severus und Antonin gestattet.

4Pom­po­nius li­bro duo­de­ci­mo ex va­riis lec­tio­ni­bus. Qui in­dig­nus est in­fe­rio­re or­di­ne, in­dig­nior est su­pe­rio­re.

4Pompon. lib. XII. ex var. lection. Wer zu einem niedern Range unwürdig ist, der ist zu einem höhern noch unwürdiger.

5Ul­pia­nus li­bro pri­mo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Se­na­to­ris fi­lium ac­ci­pe­re de­be­mus non tan­tum eum qui na­tu­ra­lis est, ve­rum ad­op­ti­vum quo­que: ne­que in­ter­erit, a quo vel qua­li­ter ad­op­ta­tus fue­rit, nec in­ter­est, iam in se­na­to­ria dig­ni­ta­te con­sti­tu­tus eum sus­ce­pe­rit an an­te dig­ni­ta­tem se­na­to­riam.

5Ulp. lib. I. ad leg. Jul. et Pap. Als Sohn eines Senators muss man nicht blos dessen natürlichen, sondern auch dessen angenommenen Sohn betrachten, und es ist einerlei, von welchem [Vater], oder auf welche Weise er angenommen sei, und kein Unterschied, ob jener ihn, als er bereits die Senatorwürde erhalten, angenommen habe, oder schon vorher.

6Pau­lus li­bro se­cun­do ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Se­na­to­ris fi­lius est et is, quem in ad­op­tio­nem ac­ce­pit, quam­diu ta­men in fa­mi­lia eius ma­net: em­an­ci­pa­tus ve­ro no­men fi­lii em­an­ci­pa­tio­ne amit­tit. 1A se­na­to­re in ad­op­tio­nem fi­lius da­tus ei qui in­fe­rio­ris dig­ni­ta­tis est, qua­si se­na­to­ris fi­lius vi­de­tur, quia non amit­ti­tur se­na­to­ria dig­ni­tas ad­op­tio­ne in­fe­rio­ris dig­ni­ta­tis, non ma­gis quam ut con­su­la­ris de­si­nat es­se.

6Paul. lib. II. ad leg. Jul. et Pap. Sohn eines Senators ist auch derjenige, welchen [ein Senator] an Kindes Statt angenommen hat, jedoch nur, so lange er in dessen Familie verbleibt; wenn er aus der Gewalt entlassen worden ist, so verliert er durch die Entlassung den Namen eines Sohnes. 1Der von einem Senator Jemandem niederern Standes in Annahme an Kindes Statt übergebene Sohn, wird [fortwährend] als Sohn eines Senators angesehen, weil durch die Annahme an Kindes Statt [von Seiten Jemandes] von niederem Stande, die Senatorwürde nicht verloren geht, so wenig wie Jemand [dadurch] aufhört, Consularmann zu sein.

7Ul­pia­nus li­bro pri­mo ad le­gem Iu­liam et Pa­piam. Em­an­ci­pa­tum a pa­tre se­na­to­re qua­si se­na­to­ris fi­lium ha­be­ri pla­cet. 1Item La­beo scri­bit et­iam eum, qui post mor­tem pa­tris se­na­to­ris na­tus sit, qua­si se­na­to­ris fi­lium es­se. sed eum, qui post­ea­quam pa­ter eius de se­na­tu mo­tus est, con­ci­pi­tur et nas­ci­tur, Pro­cu­lus et Pe­ga­sus opi­nan­tur non es­se qua­si se­na­to­ris fi­lium, quo­rum sen­ten­tia ve­ra est: nec enim pro­prie se­na­to­ris fi­lius di­ce­tur is, cu­ius pa­ter se­na­tu mo­tus est an­te­quam is­te nas­ce­re­tur. si quis con­cep­tus qui­dem sit, an­te­quam pa­ter eius se­na­tu mo­vea­tur, na­tus au­tem post pa­tris amis­sam dig­ni­ta­tem, ma­gis est ut qua­si se­na­to­ris fi­lius in­tel­le­ga­tur: tem­pus enim con­cep­tio­nis spec­tan­dum ple­ris­que pla­cuit. 2Si quis et pa­trem et avum ha­bue­rit se­na­to­rem, et qua­si fi­lius et qua­si ne­pos se­na­to­ris in­tel­le­gi­tur. sed si pa­ter amis­e­rit dig­ni­ta­tem an­te con­cep­tio­nem hu­ius, quae­ri pot­erit an, quam­vis qua­si se­na­to­ris fi­lius non in­tel­le­ga­tur, qua­si ne­pos ta­men in­tel­le­gi de­beat: et ma­gis est ut de­beat, ut avi po­tius ei dig­ni­tas pro­sit, quam ob­sit ca­sus pa­tris.

7Ulp. lib. I. ad leg. Jul. et Pap. Der von einem Senator aus der Gewalt entlassene Sohn wird, [soviel seinen Rang betrifft, fortwährend] als Sohn eines Senators betrachtet. 1Ebenso, schreibt Labeo, sei auch der nach dem Tode eines Senators geborene Sohn desselben als Sohn eines Senators anzusehen. Wer aber, nachdem sein Vater aus dem Senat gestossen worden, empfangen und geboren worden ist, der ist, nach des Proculus und Pegasus Meinung, nicht als Sohn eines Senators zu betrachten. Ihre Ansicht ist richtig, denn wessen Vater eher aus dem Senat gestossen, als er geboren worden ist, der kann nicht eigentlich Sohn eines Senators genannt werden. Wer aber, bevor der Vater aus dem Senat gestossen worden, empfangen, und nachdem der Vater die Würde verloren hat, geboren worden ist, für den spricht mehr, dass er als Sohn eines Senators zu betrachten sei; denn es haben sich die Meisten zu der Ansicht hingeneigt, dass es auf die Zeit der Empfängniss ankomme. 2Wenn Jemand einen Senator zum Vater und einen solchen zum Grossvater gehabt hat, so wird er sowohl als Sohn wie als Enkel eines Senators angesehen. Hat aber der Vater, bevor er empfangen worden, seine Würde verloren, so kann die Frage entstehen, ob, wiewohl er nun nicht mehr als Sohn eines Senators angesehen werden könne, er nicht wenigstens als Enkel eines solchen zu betrachten sei? — Und es spricht allerdings mehr für die bejahende Meinung, so dass ihm die Würde des Grossvaters vielmehr nützt, als ihm der Unglücksfall des Vaters schadet.

8Idem li­bro sex­to fi­dei­com­mis­so­rum. Fe­mi­nae nup­tae cla­ris­si­mis per­so­nis cla­ris­si­ma­rum per­so­na­rum ap­pel­la­tio­ne con­ti­nen­tur. cla­ris­si­ma­rum fe­mi­na­rum no­mi­ne se­na­to­rum fi­liae, ni­si quae vi­ros cla­ris­si­mos sor­ti­tae sunt, non ha­ben­tur: fe­mi­nis enim dig­ni­ta­tem cla­ris­si­mam ma­ri­ti tri­buunt, pa­ren­tes ve­ro, do­nec ple­be­ii nup­tiis fue­rint co­pu­la­tae: tam­diu igi­tur cla­ris­si­ma fe­mi­na erit, quam­diu se­na­to­ri nup­ta est vel cla­ris­si­mo aut se­pa­ra­ta ab eo alii in­fe­rio­ris dig­ni­ta­tis non nup­sit.

8Ulp. lib. VI. Fidcssor. Die an erlauchte Personen verheiratheten Frauen werden unter dem Namen erlauchter Personen mitbegriffen. Unter dieser Benennung werden aber die Töchter der Senatoren, wenn sie nicht an erlauchte Männer verheirathet sind, nicht verstanden; denn den Weibern verleihen die Ehemänner die Würde der Erlauchtheit, und den Töchtern die Eltern nur so lange, als sie sich nicht an Leute niedern Standes verheirathen. Es ist daher eine Frau so lange erlaucht, als sie mit einem Senator, oder einer erlauchten Person verheirathet ist, oder von demselben getrennt, sich an Niemanden geringern Standes verehlicht.

9Pa­pi­nia­nus li­bro quar­to re­spon­so­rum. Fi­liam se­na­to­ris nup­tias li­ber­ti se­cu­tam pa­tris ca­sus non fa­cit uxo­rem: nam quae­si­ta dig­ni­tas li­be­ris prop­ter ca­sum pa­tris re­mo­ti a se­na­tu au­fe­ren­da non est.

9Papinian. lib. IV. Respons. Die Tochter eines Senators, welche sich mit einem Freigelassenen verheirathet hat, wird durch den Unglücksfall des Vaters, [wodurch er seine Würde verliert,] nicht zur Ehefrau [in rechtlicher Beziehung]11Dies will soviel sagen, dass die Tochter eines Senators (welche als solche einen höhern Rang behauptet, und nicht Ehefrau eines Freigelassenen mit voller rechtlicher Wirkung werden könnte) durch den Sturz ihres Vaters nicht auch ihren Rang verliert, und nunmehr Gattin des Freigelassenen in voller rechtlicher Beziehung werde.; denn die für die Kinder bereits erworbene Würde darf denselben wegen eines den Vater betroffenen Unglücksfalls nicht entzogen werden.

10Ul­pia­nus li­bro tri­gen­si­mo quar­to ad edic­tum. Li­be­ros se­na­to­rum ac­ci­pe­re de­be­mus non tan­tum se­na­to­rum fi­lios, ve­rum om­nes, qui ge­ni­ti ex ip­sis ex­ve li­be­ris eo­rum di­can­tur, si­ve na­tu­ra­les si­ve ad­op­ti­vi sint li­be­ri se­na­to­rum, ex qui­bus na­ti di­cun­tur. sed si ex fi­lia se­na­to­ris na­tus sit, spec­ta­re de­be­mus pa­tris eius con­di­cio­nem.

10Ulp. lib. XXXIV. ad Ed. Als Kinder der Senatoren sind nicht blos die Söhne [und Töchter] der Senatoren anzusehen, sondern alle, welche von ihnen und ihren Kindern abstammen; es mögen die letztern, von welchen jene abstammen, natürliche oder angenommene Kinder sein. In Betreff der Kinder von Senatorentöchtern muss man auf den Stand deren Vaters Rücksicht nehmen.

11Pau­lus li­bro qua­dra­gen­si­mo pri­mo ad edic­tum. Se­na­to­res li­cet in ur­be do­mi­ci­lium ha­be­re vi­dean­tur, ta­men et ibi, un­de ori­un­di sunt, ha­be­re do­mi­ci­lium in­tel­le­gun­tur, quia dig­ni­tas do­mi­ci­lii ad­iec­tio­nem po­tius de­dis­se quam per­mu­tas­se vi­de­tur.

11Paul. lib. XLI. ad Ed. Obwohl die Senatoren ihren Wohnort in Rom haben, so wird doch angenommen, dass sie auch an ihrem Geburtsort einen solchen haben, indem sie Würde vielmehr eine Hinzufügungdes Wohnorts, als dessen Veränderung bewirkt.

12Ul­pia­nus li­bro se­cun­do de cen­si­bus. Nup­tae prius con­su­la­ri vi­ro im­pe­tra­re so­lent a prin­ci­pe, quam­vis per­ra­ro, ut nup­tae ite­rum mi­no­ris dig­ni­ta­tis vi­ro ni­hi­lo­mi­nus in con­su­la­ri ma­neant dig­ni­ta­te: ut scio An­to­ni­num Au­gus­tum Iu­liae Ma­maeae con­so­bri­nae suae in­dul­sis­se. 1Se­na­to­res au­tem ac­ci­pien­dum est eos, qui a pa­tri­ciis et con­su­li­bus us­que ad om­nes il­lus­tres vi­ros de­scen­dunt, quia et hi so­li in se­na­tu sen­ten­tiam di­ce­re pos­sunt.

12Ulp. lib. II. de Censibus. Die früher an Consularmänner verheirathet gewesenen Weiber erlangen zuweilen vom Kaiser, jedoch nur sehr selten, [das Vorrecht,] dass sie auch an Männer niederern Standes anderweit verheirathet, den Consularrang behalten; wie ich namentlich weiss, dass Antoninus Augustus der Julia Mammäa, seiner Cousine, dies gestattet hat. 1Als Senatoren sind aber alle von den Patriciern und Consulen Abstammenden bis auf die Personen ersten Ranges anzusehen, weil diese auch allein im Senat eine Stimme haben.