De his qui sui vel alieni iuris sunt
(Von denen, die eigenen Rechtens, und denen, die fremdem Rechte unterworfen sind.)
1Gaj. lib. I. Instit. Es folgt nun eine andere Eintheilung des Personenrechts, dass nämlich einige Personen eigenen Rechtens, andere fremdem Rechte unterworfen sind. Wir wollen daher von denen handeln, die dem Rechte anderer unterworfen sind; denn wenn wir kennen gelernt haben, welche Personen dies sind, so werden wir zugleich auch wissen, wer eigenen Rechtens ist; wir wollen also sehen, wer sich in fremder Gewalt befindet. 1In der Gewalt der Herren befinden sich nun die Sclaven. Diese Gewalt ist völkerrechtlich, denn wir können bei allen Völkern ohne Unterschied die Beobachtung machen, dass der Herr Gewalt über Leben und Tod seiner Sclaven habe, und dass, was der Sclav erwirbt, für den Herrn erworben wird. 2In jetziger Zeit ist aber Niemandem, der sich unter Römischer Botmässigkeit befindet, erlaubt, über die Gebühr, und ohne einen in den Gesetzen anerkannten Grund, gegen seine Sclaven auszuschreiten. Denn nach der Constitution des Kaisers Antonin wird der nicht minder gestraft, wer seinen eigenen Sclaven ohne Grund tödtet, als wer einen fremden Sclaven umgebracht hat. Auch die grosse Strenge der Herren wird durch die Constitution desselben Kaisers im Zügel gehalten.
2Ulp. lib. VIII. de off. Procons. Wenn ein Herr gegen seine Sclaven ein Wütherich ist, oder sie zu Schamlosigkeiten und Niederträchtigkeiten zwingen will, so erhellt, welches dann die Pflicht des Präsidenten sei, aus einem Rescript des Kaisers Pius an den Aelius Marcian, den Proconsul von Bätica. Die Worte dieses Rescripts lauten so: Die Gewalt der Herren über ihre Sclaven soll zwar unversehrt bleiben und Niemandem sein Recht entzogen werden, aber es nützt den Herren selbst, wenn demjenigen Abhülfe gegen Misshandlungen oder Hunger, oder unerträgliche Gewalthätigkeiten nicht verweigert wird, der aus einem rechtmässigen Grunde jene in Anspruch nimmt. Deshalb untersuche du die Beschwerden derjenigen, die von dem Hausgesinde des Julius Sabinus zu einer Statue entflohen sind, und wenn du findest, dass sie härter, als billig ist, behandelt oder zu Schamlosigkeiten gemissbracht worden sind, so lass sie verkaufen, so dass sie in die Gewalt ihres Herren nicht zurückkommen; sollte er diese meine Constitution umgehen, so möge er wissen, dass ich diesen gegen ihn erlassenen [Befehl] noch strenger vollziehen werde. Auch der Kaiser Hadrian verbannte eine Umbricische Hausfrau auf fünf Jahr, weil sie ihre Sclavinnen bei den geringfügigsten Ursachen aufs härteste behandelt hatte.
4Ulp. lib. I. Instit. Denn die Römischen Bürger sind theils Familienväter, theils Familiensöhne, und theils Familienmütter, theils Familientöchter. Familienväter sind diejenigen, welche eigenen Rechtens sind, sie mögen mündig oder unmündig sein; auf ähnliche Weise sind es die Familienmütter. Familiensöhne und Töchter sind diejenigen, welche sich in Gewalt eines anderen befinden. Denn wer von mir und meiner Gattin erzeugt worden ist, befindet sich in meiner Gewalt; ebenso befindet sich, wer von meinem Sohne und dessen Gattin erzeugt worden, d. h. mein Enkel und meine Enkelin, in meiner Gewalt, sowie Grossenkel und Grossenkelin und die fernern Nachkommen.
5Id. lib. XXXVI. ad Sabin. Enkel vom Sohn pflegen nach dem Tode ihres Grossvaters in die Gewalt des Sohnes, d. h. ihres Vaters, zurückzufallen; auf ähnliche Weise die Grossenkel und fernern Nachkommen entweder in des Sohnes Gewalt, wenn er lebt und in der Familie geblieben ist, oder in die ihres Vaters, der vor ihnen sich in der Gewalt befand. Dies gilt nicht nur von natürlichen Kindern, sondern auch von an Kindes Statt angenommenen.
6Id. lib. IX. ad Sabin. Als Sohn bezeichnen wir denjenigen, der von einem Manne und dessen Gattin erzeugt wird. Nehmen wir aber einen solchen Fall, dass ein Ehemann z. B. zehn Jahre lang abwesend gewesen, und nach seiner Rückkunft ein Kind von einem Jahr als in seinem Haus gefunden habe, so stimmen wir der Ansicht Julians bei, dass dieser kein Sohn des Ehemanns sei. Derjenige aber, sagt Julian, finde kein Gehör, wer mit seiner Gattin fortwährend zusammen [an einem Orte] gelebt habe, und einen Sohn als den seinigen nicht anerkennen wolle. Mir scheint aber, was auch Scävola billigt, dass, wenn es bekannt ist, dass ein Ehemann eine Zeitlang mit seiner Frau wegen Unfähigkeit oder einer andern Ursache keinen Umgang gepflogen habe, oder wenn der Familienvater an einer solchen Krankheit darniederlag, dass er zeugungsunfähig war, dasjenige Kind, welches [unter diesen Umständen] in seinem Hause geboren worden ist, wenn auch die Nachbarn [von der Ehevollziehung] wissen11S. die Note zur Göttinger C. J.-Ausgabe., nicht [als] sein Kind [anzusehen] sei.
8Id. lib. XXVI. ad Sabin. Wenn ein Vater wahnsinnig wird, so befinden sich die Kinder nichts desto weniger in ihres Vaters Gewalt. Dasselbe gilt in Ansehung aller Eltern [jeden Grades], welche Kinder in ihrer Gewalt haben; denn da das Recht der [väterlichen] Gewalt durch das Herkommen angenommen worden ist, und Niemand aufhören kann, seine Kinder in der Gewalt zu haben, als wenn sie auf den gewöhnlichen Wegen daraus treten, so unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselben in der Gewalt bleiben. Er behält daher nicht nur diejenigen Kinder in seiner Gewalt, welche er vor dem Wahnsinn erzeugt hat, sondern auch diejenigen, welche vor dessen Anfang empfangen und während desselben geboren worden sind; nun fragt es sich nur, ob, wenn der Mann im Wahnsinn handelt und die Frau schwanger wird, das geboren werdende Kind in die Gewalt [des Vaters] fällt; denn der Wahnsinnige kann zwar keine Frau heirathen, wohl aber die Ehe fortsetzen. Wenn sich nun dies aber so verhält, so wird er auch dasselbe als Sohn in seiner Gewalt haben. Deshalb wird auch, wenn die Frau wahnsinnig ist, das vorher von ihr empfangene Kind als der Gewalt [des Vaters] unterworfen geboren; auch das im Wahnsinn [der Mutter] von einem Nichtwahnsinnigen empfangene Kind befindet sich, wenn es geboren ist, ohne Zweifel in der Gewalt [des Vaters], weil die Ehe fortbesteht. Auch wenn beide im Wahnsinn handeln, der Mann wie die Frau, und die Frau empfängt, befindet sich das geboren werdende Kind in des Vaters Gewalt, wie wenn noch ein Ueberbleibsel des Willens in den Wahnsinnigen geblieben wäre; denn wenn die Ehe fortbesteht, wenn einer der Ehegatten wahnsinnig ist, so muss sie auch fortbestehen, wenn sie beide wahnsinnig sind. 1Dass der wahnsinnige Vater das Recht der Gewalt behält, geht sogar soweit, dass ihm auch der Nutzen daran erworben wird, was sein Sohn erworben hat.
9Pompon. lib. XVI. ad Quint. Mucium. In öffentlichen Angelegenheiten wird der Familiensohn als Familienvater angesehen, also, dass er Aemter bekleiden und als Vormund bestellt werden kann.
10Ulp. lib. IV. ad Leg. Jul. et Pap. Wenn der Richter [gegen Jemand] die Verbindlichkeit zum Ernähren oder zum Unterhalt [eines Kindes] ausgesprochen hat, so kommt es immer noch auf Ausmittelung der Wahrheit an, ob dasselbe sein Kind sei oder nicht; denn die Sache wegen der Alimente kann der Ausmittelung der Wahrheit nicht in der Entscheidung vorgreifen.
11Modestin. lib. I. Pandectar. Natürliche und aus der Gewalt entlassene Söhne brauchen wider ihren Willen nicht in die väterliche Gewalt zurückzutreten.