De tabulis exhibendis
(Von der Auslieferung der Testamente.)
1Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. Der Prätor sagt: Die Urkunden, von denen angegeben wird, dass Lucius Titius sie als auf sein Testament bezüglich hinterlassen habe, wenn dieselben sich in deinen Händen befinden, oder es durch deine Arglist geschehen ist, dass sie nicht mehr vorhanden sind, sollst du Dem und Dem ausliefern. Ingleichen werde ich, wenn angegeben wird, dass ein schriftlicher Aufsatz oder sonst Etwas hinterlassen worden sei, dies in mein Decret begreifen. 1Wenn Jemand geständig ist, es befinde sich ein Testament bei ihm, so muss ihm dessen Auslieferung anbefohlen und eine Frist dazu vorgestreckt werden, wenn er es nicht sofort thun kann. Leugnet er die Möglichkeit zur Auslieferung, oder die Verbindlichkeit, so ist dieses Interdict zuständig. 2Dieses Interdict leidet nicht nur auf die Testamentsurkunden selbst Anwendung, sondern auch auf alle, die sich auf die Angelegenheit wegen des Testaments beziehen, z. B. Codicille. 3Das Testament mag gelten oder nicht, letztern Falls gleichviel, ob, weil es von Anfang an ungültigerweise errichtet, oder umgestossen worden, oder sonst mit einem andern Fehler behaftet ist, es kommt das Interdict zur Anwendung, aber auch wenn von dem Testamente behauptet wird, es sei verfälscht, oder von einem Testamentsunfähigen errichtet. 4Dieses Interdict leidet Anwendung gleichviel ob die betreffende Testamentsurkunde die letzte ist, oder nicht, sondern eine ältere. 5Daher lässt sich als Regel aufstellen, dass dieses Interdict sich im Allgemeinen auf jeden schriftlichen Aufsatz, der zu einem Testamente gehört, beziehe, er sei vollendet, oder unvollendet. 6Mithin auch dann, wenn mehrere Testamentsurkunden vorhanden sind, weil [der Testator] dergleichen öfter errichtet hatte; denn es muss Alles, was auf ein Testament Bezug hat, gleichviel was, und zu welcher Zeit es errichtet sei, ausgeliefert werden. 7Auch wenn über das Standesrecht Frage ist, und behauptet wird, der Testator habe als Haussohn oder Sclave das Testament errichtet, muss ausgeliefert werden. 8Das Interdict hat ferner statt, wenn ein Haussohn ein Testament errichtet und über sein im Felde erworbenes Sondergut testirt hat. 9Ingleichen wenn der Testamentserrichter in feindlicher Gefangenschaft gestorben ist. 10Auf eines noch Lebenden Testamentsurkunden hat dieses Interdict keine Anwendung, weil die Worte des Prätors lauten: hinterlassen hat. 11Aber auch wenn ein Testament ohne Arglist vernichtet worden ist,
2Paul. lib. LXIV. ad Ed. entweder ganz, oder zum Theil,
3Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. hat dieses Interdict Anwendung. 1Wenn ein Testament auf mehrere Blätter geschrieben worden ist, so sind diese alle im Interdicte begriffen, weil das Testament nur eins ist. 2Wenn Titius eine Testamentsurkunde bei Jemandem niedergelegt hat, so kann aus diesem Interdicte Klage erhoben werden, sowohl wider Den, der es in Händen hat, als Den, der es niedergelegt hat. 3Es haftet mithin durch dieses Interdict auch der Tempelhüter oder Notar, der die Verwahrung einer Testamentsurkunde übernommen hat. 4Wenn sich ein Sclave im Besitz einer Testamentsurkunde befindet, so haftet der Herr durch das Interdict. 5Wenn ein Testator noch bei seinen Lebzeiten angiebt, es sei eine gewisse Testamentsurkunde die seinige und deren Auslieferung verlangt, so wird das Interdict keine Anwendung leiden, sondern es muss Klage auf Auslieferung erhoben werden, um die ausgelieferte Urkunde dann eigenthümlich in Anspruch zu nehmen. Dies gilt von Allen, die das Körperliche einer Urkunde als ihnen eigenthümlich gehörig in Anspruch nehmen. 6Hat Jemand es arglistigerweise dahin gebracht, dass eine Testamentsurkunde sich nicht mehr bei ihm befindet, so haftet er nichtsdestoweniger durch das Interdict. Es wird hierdurch auch dem Cornelischen Testamentargesetze in der Entscheidung nicht vorgegriffen, als habe er ein Testament arglistigerweise unterdrückt; denn Niemand darf darum eine Testamentsurkunde ungestraft behalten, weil er eine verbrecherischere That verübt hat, durch die Auslieferung der Testamentsurkunde wird vielmehr seine That mit klarem Beweise belegt; es kann übrigens Jemand auch arglistig handeln, ohne dem Gesetze zu verfallen, z. B. wenn er eine Testamentsurkunde weder entfremdet, noch versteckt, sondern sie nur darum einem Andern übergeben hat, um sie dem Interdicirenden nicht auszuliefern, d. h. wenn er es nicht in der Absicht und mit dem Willen gethan hat, um sie zu unterdrücken, sondern nur, um sie Jenem nicht auszuliefern. 7Dieses Interdict ist ein die Auslieferung verfügendes. 8Was heisst das aber: ausliefern? — Ausliefern heisst die Herstellung der Möglichkeit, das Körperliche der Testamentsurkunde mit äussern Sinnen wahrzunehmen. 9Die Auslieferung geschieht beim Prätor, damit sich auf seine Einladung in Folge seiner Auctorität die Testamentsbesiegler stellen, um ihre Siegel anzuerkennen; leisten die Zeugen dem nicht Folge, so, schreibt Labeo, müssen dieselben mit Strafbefehlen angehalten werden. 10Die Auslieferung einer Testamentsurkunde dürfen alle Diejenigen verlangen, die in dem Testamente Etwas ausgesetzt erhalten haben. 11Die Verurtheilung in Folge dieser Klage muss nach dem Interesse geschätzt werden. 12Stellt daher der eingesetzte Erbe dieses Interdict an, so muss die Würderung auf die Erbschaft selbst bezogen werden. 13Bei einem Vermächtnisse wird der Betrag desselben Gegenstand der Würderung. 14Ist ein Vermächtniss bedingungsweise ausgesetzt worden, so wird die Würderung angelegt, wie wenn die Bedingung eingetreten wäre, und [der Vermächtnissinhaber] nicht zur Sicherheitsbestellung für den Fall angehalten werden dürfen, das Empfangene zurückgeben zu wollen, wenn die Bedingung ausgeblieben, weil die Strafe des Ungehorsams von Dem geleistet wird, der nicht zur Auslieferung schreitet. 15Daher kann hieraus die Frage entstehen, ob der Vermächtnissinhaber, wenn er hiernach die Würderung erhalten hat, und nachher das Vermächtniss fordert, damit zu hören sei? — Ich sollte aber glauben, dass, wenn der Erbe dasselbe geleistet habe, er mit der Einrede der Arglist abgewehrt werden müsse; wenn ein Anderer, aber nicht. Dieser Unterschied bleibt derselbe11D. h. je nachdem der Erbe den Erschaftsbesitzer oder einen Andern belangt hat., wenn auch der Erbe Derjenige ist, der von dem Interdicte Gebrauch machend, die Würderung erlangt hat. 16Dieses Interdict steht bekanntermaassen auch nach Ablauf eines Jahres zu. Ingleichen dem Erben und übrigen Rechtsnachfolgern.
4Paul. lib. LXIX. ad Ed. Wenn sich eine Testamentsurkunde in den Händen eines Unmündigen befindet, und durch die Arglist seines Vormundes der Besitz verloren gegangen ist, so ist das Interdict wider den Vormund selbst begründet; denn es ist billig, dass er aus seinem Vergehen hafte, und nicht der Unmündige.
5Javolen. lib. XIII. ex Cass. Das Interdict über Vorzeigung einer Testamentsurkunde darf nicht stattfinden, so lange eine Erbschaftsstreitigkeit davon abhängt, oder sie auf eine Frage des öffentlichen Rechts Einfluss haben kann22Wegen einer accusatio falsi, Voet. ad h. l.; dann muss dieselbe einstweilen in einem Tempel oder bei einem sich dazu eignenden Manne niedergelegt werden.