De vi et de vi armata
(Von der Gewalt und der Gewalt mit Waffen.)
1Ulp. lib. LXIX. ad Ed. Der Prätor sagt: Von wo du den und den mit Gewalt vertrieben hast, oder dein Gesinde ihn vertrieben hat, in Betreff dessen und Dessen, was er daselbst damals gehabt, werde ich, aber nur innerhalb Jahresfrist, nach einem Jahre in Betreff Dessen, was an Den gelangt ist, der ihn mit Gewalt vertrieben, eine Klage ertheilen. 1Dieses Interdict wird Dem ertheilt, der mit Gewalt aus dem Besitz gesetzt worden ist; denn es war der Billigkeit entsprechend, dem mit Gewalt Vertriebenen zu helfen, weshalb dieses Interdict zur Wiedererlangung des Besitzes begründet ist. 2Zur Begegnung von Gewaltthätigkeiten wird für peinliche und bürgerlichrechtliche Klagen11Publicorum et privatorum, sc. judiciorum; Glosse. durch die Julischen Gesetze und durch Constitutionen der Kaiser gesorgt. 3Dieses Interdict bezieht sich nicht auf jede [erlittene] Gewaltthätigkeit, sondern nur auf Diejenigen, welche gewaltsam aus dem Besitz gesetzt werden. Es betrifft jedoch dieses Interdict blos eine mit schweren Thätlichkeiten verbundene Gewalt, und nur Diejenigen, welche von Grund und Boden vertrieben werden, z. B. von einem Landgute oder Gebäude; Andere betrifft es nicht. Auch aber wenn Jemand von einem leeren Platze vertrieben worden, hat zweifelsohne das Interdict statt. 4Es betrifft im Allgemeinen dieses Interdict alle Diejenigen, welche von einer mit dem Boden zusammenhängenden Sache vertrieben werden; denn der Ort, von wo Jemand mit Gewalt vertrieben worden, mag von einer Art sein, von welcher da wolle, es findet das Interdict statt. 5Mithin scheint das Interdict auch zur Anwendung kommen zu müssen, wenn es ein Erbpachtsgehöfte gewesen, von wo Jemand vertrieben worden. 6Darüber waltet freilich kein Zweifel ob, dass dieses Interdict nicht auf bewegliche Sachen Bezug habe. Hier ist nach Umständen22Savigny R. des Besitzes S. 403. (1). die Klage wegen Diebstahls oder Raubes zuständig; auch kann auf Auslieferung geklagt werden. Sind aber auf einem Landgute oder in einem Gebäude, von wo Jemand vertrieben worden ist, Sachen vorhanden, so ist es keinem Zweifel unterworfen, dass auch in Betreff derselben das Interdict stattfinde. 7Wenn Jemand gewaltsamerweise von einem Schiffe vertrieben worden ist, so hat dieses Interdict nicht statt; als Beweisgrund kann man Den anführen, der von einem Wagen mit Gewalt heruntergeworfen worden ist, von dem keinem einfallen wird, zu behaupten, dass er sich des Interdicts bedienen könne. 8Wenn freilich Jemand aus einem hölzernen Hause vertrieben worden ist, so zweifelt keiner daran, dass das Interdict statthaben werde, weil Dasjenige, was mit dem Boden zusammenhängt, von einer Art sein mag, von welcher da will, der daraus mit Gewalt Vertriebene das Interdict hat. 9Vertrieben kann nur der Besitzer werden, er mag sich übrigens im bürgerlichrechtlichen oder im natürlichen Besitz befinden, denn auch der natürliche Besitz wird von diesem Interdicte berücksichtigt. 10So wird auch die Frau von dem Interdicte Gebrauch machen können, der der Mann ein Geschenk gemacht, und die daraus vertrieben worden ist; der Pächter aber nicht33Savigny a. a. O. S. 47. (1).. 11Der Prätor sagt: vertrieben hast, oder dein Gesinde vertrieben hat; mit Recht ist des Gesindes Erwähnung geschehen; denn da das Wort: vertrieben hast, nur die Person des Vertreibenden bezeichnet, nicht aber Den, dessen Gesinde [einen Besitzer] vertrieben hat (denn wenn mein Gesinde Jemanden vertrieben hat, so kann nicht angenommen werden, dass ich dies gethan habe), so war der Zusatz: oder dein Gesinde vertrieben hat, ganz folgerichtig. 12Vertrieben zu haben, wird auch Derjenige angenommen, der dazu Auftrag oder Befehl ertheilt hat, Jemanden zu vertreiben; denn es hat einerlei geschienen, ob Jemand mit eigener Handanlegung vertreibe, oder durch einen Andern. Es wird daher auch angenommen, dass ich der Vertreibende sei, wenn es mein Gesinde mit meinem Willen gethan hat. 13So oft aber ein Geschäftsbesorger vertrieben hat, so kann, sagt Sabinus, wider Beide, d. h. sowohl den Herrn als den Geschäftsführer, Klage erhoben und Namens des Einen der Andere befreit werden, versteht sich jedoch, wenn von Einem von Beiden die Streitwürderung erlegt worden ist; denn dadurch, dass Jemand auf Geheiss eines Andern den Dritten aus dem Besitz vertrieben hat, ist Ersterer ebensowenig entschuldigt, als wenn er auf Geheiss Jemandes einen Mord begangen hat. Ist es aber ein falscher Geschäftsbesorger gewesen, so kann nur wider den Geschäftsbesorger selbst interdicirt werden. Des Sabinus Ansicht ist richtig. 14Habe ich es genehmigt, wenn ein Anderer aus dem Besitz vertrieben hat, so glauben Einige, worin sie dem Sabinus und Cassius folgen, welche die Genehmigung mit dem Auftrag vergleichen, dass ich als Vertreibender zu betrachten sei und durch jenes Interdict hafte, und dies ist richtig; denn bei einer Uebelthat lässt sich die Genehmigung wohl mit dem Auftrag vergleichen. 15Der Zusatz: oder dein Gesinde vertrieben hat, ist mit Recht für den Fall gemacht, wenn mein Gesinde Jemanden mit Gewalt aus dem Besitz vertrieben hat. Hat er Befehl dazu ertheilt, so hat er selbst aus dem Besitz vertrieben, dahingegen darf es dem Herrn aber nicht zur Last gelegt werden, wenn er den Befehl nicht ertheilt hat, die That seiner Sclaven zu vertreten, wenn sie es ohne seinen Befehl gethan haben; für diesen Fall wird er nicht beschwert, weil, wenn an ihn Etwas dadurch gelangt ist, er zu dessen Herausgabe [genöthigt], wenn nicht, er durch Auslieferung der Sclaven an Schädensstatt wegen der Uebelthat frei ausgehen wird; denn dass er zur Auslieferung an Schädensstatt genöthigt wird, darf er nicht als Schaden nehmen, indem der Sclave dadurch dem Herrn einen Nachtheil bereiten kann. 16Die Benennung des Gesindes bezeichnet aber die Sclaven. 17Doch ist die Frage, welche Zahl von Sclaven darunter begriffen sei, ob mehrere, oder aber auch zwei oder drei? — Es ist aber richtiger, dass in diesem Interdicte der Begriff, dass das Gesinde vertrieben habe, auch so zu verstehen sei, wenn nur ein einziger Sclave die Gewaltthätigkeit verübt hat. 18Unter der Benennung Gesinde müssen auch Diejenigen begriffen werden, die wir an Sclaven Stelle haben. 19Wenn Jemand aber auch verweigert, die Handlung seines Sclaven oder seines Gesindes zu vertreten, so muss er dennoch sich gefallen lassen, dass dieses Interdict wider ihn zur Anwendung gebracht werde, nemlich zu dem Ende, dass er Das, was an ihn gelangt ist, herausgebe. 20Wenn ein Haussohn oder ein um Lohn Gedungener die gewaltthätige Handlung verübt hat, so steht das Interdict analog zu44Nemlich gegen den Conductor des Sclaven, oder gegen den Vater, und zwar in id quod pervenit, dies beweisen die vorhergehenden Worte, Savigny S. 399. (3).. 21Wenn ich mich wider Den, über dessen Person ein Rechtsstreit obschwebt, wonach er entweder aus Sclavenverhältniss als Freier, oder als Sclave in Anspruch genommen wird, im Laufe des Verfahrens über sein Standesrecht des Interdicts bediene, und derselbe für frei rechtlich erkannt worden ist, und es sich dann ergiebt, dass ich von seinen Sclaven, ohne sein Wissen, gewaltsamerweise vertrieben worden sei, so werde ich in den Besitz wiedereingesetzt werden. 22Was ein Sclave, ein Geschäftsführer oder Pächter innehat, scheint der Herr zu besitzen; sind jene daher aus dem Besitz vertrieben worden, so wird angenommen, er sei selbst daraus vertrieben worden, wenn er auch gar nicht weiss, dass Diejenigen, durch welche er besass, daraus vertrieben worden seien, Ist daher ein Anderer, durch den ich besass, [aus dem Besitz] vertrieben worden, so bezweifelt Niemand, dass mir das Interdict zustehe. 23Dieses Interdict steht aber nur Dem zu, der zu der Zeit, wo er aus dem Besitz vertrieben worden, besass; denn ein Anderer als der Besitzer kann nicht als aus dem Besitz vertrieben betrachtet werden. 24Uebrigens ist es klar, dass, er möge körperlich, oder blos durch den Willen besitzen, er als mit Gewalt vertrieben betrachtet erscheint. Ist daher Jemand von seinem Acker oder seinem Hause ohne Jemanden von den Seinigen dort zu lassen, fortgegangen, und kurz darnach zurückkehrend entweder am Beschreiten des Grundstücks selbst behindert worden, oder es hat ihn Jemand mitten auf dem Wege festgehalten und sich selbst in den Besitz gesetzt, so wird er als gewaltsam aus dem Besitz vertrieben betrachtet; denn du hast ihm den Besitz genommen, den er durch den Willen behielt, wenn auch nicht durch körperliche Einwirkung. 25Wenn es gewöhnlich heisst, man behalte den Besitz der Sommer- und Winterweideplätze55Saltus, s. Varro de R. R. l. II. c. 2. 3. durch den Willen, das, habe ich gelernt, habe Proculus [nur] beispielsweise gesagt; denn dies gilt von allen Grundstücken, aus denen wir nicht in der Absicht gehen, den Besitz als aufgegeben betrachten zu wollen. 26Wenn aber Derjenige, der weder durch den Willen, noch durch körperliche Einwirkung besitzt, an dem Beschreiten und Anfang des Besitzes behindert worden ist, so wird er, richtiger Ansicht zufolge, nicht als vertrieben zu betrachten sein; denn vertrieben wird nur Derjenige, der den Besitz verliert, nicht, wer nicht darin aufgenommen wird. 27Gewalt mit Gewalt zu vertreiben ist erlaubt, schreibt Cassius, und dieses Recht bietet die Natur selbst dar. Hieraus, sagt er, lässt sich abnehmen, dass man Waffengewalt mit Waffengewalt begegnen dürfe. 28Gewaltsamerweise, lässt sich dem Begriffe nach bestimmen, besitzt Der, wer nach Vertreibung des alten Besitzers, den gewaltsam erlangten Besitz behauptet, oder wer, allen guten Sitten zuwider, mit solchen Mitteln ausgerüstet und vorbereitet kommt und handelt, dass er, sich in den Besitz setzend, nicht daran verhindert werden kann. Wer aber seinen Besitz mit Gewalt zurückbehält, der, sagt Labeo, besitzt nicht gewaltsam. 29Derselbe Labeo sagt, wer aus Furcht vor einem grossen Haufen66Turba, nemlich Solcher, die in Absicht kommen, Gewaltthätigkeiten zu verüben. erschrocken entflohen ist, erscheine als gewaltsam aus dem Besitz vertrieben. Pomponius sagt aber, Gewalt könne ohne physische Gewaltthätigkeit nicht stattfinden; auch Derjenige also, der, von Mehreren angefallen, zur Flucht genöthigt worden, ist, wenn jene sich mit Gewalt des Besitzes bemächtigt haben77So nach unserm Text, ergo; die Flor. hat ergo sc. puto und dann ist dies so zu erklären, dass Pomponius dies ergänzt wissen will, und somit vereinigt dann Ulpian die Ansicht des Labeo und Pomponius. S. auch Savigny S. 309. (1.), als gewaltsam daraus vertrieben zu betrachten. 30Wer gewaltsamerweise wider mich besitzt, kann, wenn er selbst gewaltsam von einem Andern vertrieben wird, sich des Interdicts bedienen. 31Wer gewaltsam aus dem Besitze gesetzt worden ist, muss vollständigen Ersatz alles durch die Vertreibung erlittenen Schadens erhalten; denn es muss der vorige Zustand wiederhergestellt werden, in dem er sich befinden würde, wenn er nicht vertrieben worden wäre. 32Wenn mir ein Landgut, aus dem ich gewaltsamerweise vertrieben worden bin, herausgegeben worden ist, die übrigen Sachen aber, welche mit Gewalt genommen worden, mir nicht zurückgegeben werden, so findet das Interdict nichtsdestoweniger statt, weil ich in der That gewaltsam aus dem Besitz gesetzt worden bin. Wer freilich in Ansehung des Besitzes einer mit dem Boden zusammenhängenden Sache sich des Interdicts, wegen der beweglichen Sachen aber der Klage auf Auslieferung bedienen will, der kann dies nach Belieben thun; so sagt Julianus. Dasselbe sagt er, wenn Jemand sich wegen dieser Sachen der Klage wegen Raubes bedienen will. 33Die Worte des Prätors: und was er daselbst hatte, muss man so verstehen, dass darunter alle Sachen begriffen sind, nicht nur seine eigenen, sondern auch die bei ihm niedergelegt, oder geliehen, oder verpfändet sind, deren Gebrauch, Niessbrauch oder Verwahrung er gehabt, oder was ihm vermiethet worden; denn wenn der Prätor sagt: hatte, so ist unter dem Worte haben Alles begriffen. 34Sehr richtig setzt aber der Prätor hinzu: damals daselbst hatte; damals heisst: als er vertrieben ward. Deshalb kommt dieses Interdict doch zur Anwendung, wenn sich auch nachher Etwas nicht mehr daselbst befindet. Daher kommt es, dass das Interdict auch dann statthat, wenn Sclaven oder Vieh nach der Vertreibung gestorben sind. Ferner schreibt Julianus, es sei angemessener, dass Derjenige, der gewaltsamerweise einen Andern aus dem Besitz eines Grundstückes gesetzt, worauf sich Sclaven befinden, in Folge des Interdicts die Würderung auch der ohne seine Schuld gestorbenen Sclaven ersetzen müsse, gleichwie der Dieb eines Sclaven auch nach dessen Ableben hafte. 35Dem, sagt er, sei es angemessen, dass er auch zum Ersatz des Werths abgebrannter Landhäuser und Gebäude genöthigt werde; denn wenn Jemand, sagt er, mit Gewalt vertrieben hat, so scheint es an ihm gelegen zu haben, dass er nicht zur Herausgabe schritt88D. h. er ist stets im Verzug.. 36Daher, sagt er, ist es eine bekannte Sache, dass Derjenige, welcher einen Andern gewaltsam aus dem Besitz gesetzt hat, und selbst mit Gewalt [vertrieben] ohne Arglist zu besitzen aufgehört hat, durch das Interdict hafte. 37Daselbst sagt der Prätor darum, damit Niemand Etwas, was er nicht daselbst hatte, mitbegreife. 38Wie soll man aber das Wort daselbst verstehen? heisst es: an dem Orte, von wo er mit Gewalt vertrieben worden, oder in der ganzen Besitzung? Richtiger ist es nun, es nicht auf einen Winkel oder den Ort zu beziehen, wo er sich gerade befand, sondern auf alle Theile der Besitzung, um die der aus dem Besitz Vertriebene kommt. 39Das Jahr für dieses Interdict wird mit Ueberspringung gerechnet. 40Von dem Tage an, wo Jemand aus dem Besitz vertrieben worden ist, werden die Nutzungen berücksichtigt, obwohl bei den übrigen Interdicten dieselben von da an gezählt werden, wo erstere ertheilt worden sind, und nicht rückwärts. Dasselbe gilt von den daselbst befindlichen beweglichen Sachen, auch deren Nutzungen werden von da an gerechnet, wo die gewaltsame Vertreibung aus dem Besitz geschehen ist. 41Bei diesem Interdicte wird aber nicht blos auf die Nutzungen Rücksicht genommen, sondern auch auf jeden andern Vortheil; denn auch Vivianus sagt, dass zufolge dieses Interdicts Alles, was der Vertriebene gehabt oder erlangt haben würde, wenn er nicht vertrieben worden wäre, herausgegeben, oder der Richter dessen Würderung anlegen, und jener soviel erlangen müsse, als er dabei betheiligt sei, nicht gewaltsam vertrieben worden zu sein. 42Zufolge des Interdicts: Von wo mit Gewalt, wird auch Derjenige zur Herausgabe genöthigt, der nicht besitzt. 43Es ist die Frage erhoben worden, ob, da dieses Interdict eine gewaltsame That begreife, dasselbe dem Freigelassenen wider den Freilasser, oder den Kindern wider die Eltern zustehe? Und es ist richtiger, dass weder das Eine noch das Andere stattfinden müsse, sondern es wird besser sein, dass ihnen eine Klage anf das Geschehene zustehe; etwas Anderes ist es freilich dann, wenn sich der Freilasser wider den Freigelassenen, oder der Vater wider den Sohn der Gewalt mit Waffen bedient hat, dann ist das Interdict zuständig. 44Dieses Interdict steht sowohl dem Erben als den übrigen Rechtsnachfolgern zu. 45Dass aber das Interdict Von wo mit Gewalt keinem Andern als Dem, der nicht99Qui non poss. muss gelesen werden, s. Savigny a. a. O. S. 127. (2). im Besitz ist, zuständig sei, dafür dient ein bei Vivianus angeführtes Beispiel als Beweisgrund, dass ich nemlich, wenn mich Jemand mit Gewalt vertrieben hat, die Meinigen aber nicht, mich dieses Interdicts nicht bedienen könne, weil ich durch die Nichtvertriebenen den Besitz fortbehalte. 46Derselbe Vivianus berichtet: wenn Jemand einige Sclaven mit Gewalt vertrieben, andere zurückbehalten und gefesselt, oder auch ihnen Befehle ertheilt habe1010Als Herr., so werde angenommen, dass du mit Gewalt vertrieben seiest, denn du hast aufgehört zu besitzen, weil deine Sclaven von einem Andern besessen werden. Und was von einem Theile der Sclaven gesagt worden ist, dasselbe, sagt er, gelte von allen, wenn kein einziger mit Gewalt vertrieben worden wäre, sondern sie selbst von Dem in Besitz genommen worden sind, der sich in den Besitz gesetzt hat. 47Was würde man aber wohl sagen, fragt er, wenn, während sich Jemand im Besitz befindet, ich mich auch in den Besitz setze, und ihn nicht aus dem Besitz vertreibe, sondern gefesselt zwinge, Arbeit zu verrichten; wie würde dies zu betrachten sein? — Ich bin der Meinung, dass, wer daselbst gefesselt worden, auch aus dem Besitz vertrieben erscheine. 48Auf den Grund dieses Interdictes steht auch wider den Erben, den Nachlassbesitzer und die übrigen Rechtsnachfolger eine Klage auf das Geschehene rücksichtlich Dessen zu, was an sie gelangt ist,
3Ulp. lib. LXIX. ad Ed. Dasselbe ist der Fall, wenn Jemand mit Waffen vertrieben worden ist, weil aus den verbrecherischen Thaten der Erblasser wider ihre Erben eine Klage in Betreff Dessen ertheilt wird, was an sie gelangt ist; denn es genügt, dass der Erbe keinen Vortheil habe, nicht, dass er noch Schaden übernehmen müsste. 1Die Klage wider den Erben und die übrigen Rechtsnachfolger ist von immerwährender Dauer, weil darin die rechtliche Verfolgung einer Sache liegt. 2Wie verstehen wir das, wenn es heisst, es sei Jemand mit Waffen vertrieben? — Waffen sind alle Gewehre, d. h. auch Prügel und Steine, nicht blos Schwerter, Lanzen, Spiesse, d. h. Hellebarden. 3Wenn auch nur ein Einziger einen Prügel oder ein Schwert in Händen hat, wird der Besitzer doch als mit Waffen vertrieben betrachtet. 4Wenn ferner Mehrere unbewaffnet gekommen sind, und dieselben während des Streites zu Prügeln und Steinen gegriffen haben, so wird eine bewaffnete Gewalt vorhanden sein. 5Wenn die bewaffnet Gekommenen auch von ihren Waffen zum Vertreiben keinen Gebrauch gemacht, jedoch den Besitzer vertrieben haben, so wird die Gewaltthätigkeit als mit Waffen vollzogen betrachtet; denn zu dem Begriff der Vertreibung mit Waffen genügt schon der Schreck der Waffen. 6Ist Jemand aus Furcht vor erblickten Bewaffneten, die aber wo anders hin gerichtet waren, erschrokken geflohen, so wird er nicht als Vertriebener betrachtet, weil diese Bewaffneten gar nicht die Absicht gehabt haben, sondern wo anders hin wollten. 7So wird auch Derjenige nicht als mit Waffen vertrieben angesehn werden können, der, nachdem er das Herannahen Bewaffneter gehört, aus Furcht aus seinem Besitzthum geflohen ist, er mag richtig oder unrichtig gehört haben, ausser wenn sich dieselben des Besitzes bemächtigt haben. 8Wenn aber Bewaffnete den Herrn, der in seine Besitzung gehen will, daran verhindern und sich selbst in den Besitz gesetzt haben, so wird er als mit Waffen vertrieben betrachtet. 9Wer mit Waffen kommt, den kann man mit Waffen zurücktreiben, aber es muss sofort auf der Stelle geschehen, nicht erst einige Zeit nachher; man merke hierbei, dass es nicht blos erlaubt sei, Widerstand zu leisten, um nicht vertrieben zu werden, sondern wenn man auch schon vertrieben worden ist, den Vertreibenden sofort und auf der Stelle wieder vertreiben dürfe, aber nicht erst einige Zeit darnach. 10Wenn ein Geschäftsbesorger bewaffnet kommt, so wird angenommen, dass der Herr selbst mit Waffen vertrieben habe, er mag Auftrag dazu gegeben, oder, wie Julianus sagt, nachher seine Genehmigung dazu ertheilt haben. 11Dies gilt auch von einem Gesinde, denn wenn mein Gesinde bewaffnet ohne mich anlangt, so bin dies nicht ich, sondern mein Gesinde; ich müsste es denn befohlen oder genehmigt haben. 12Dieses Interdict wird auch wider Den begründet, der es arglistigerweise dahingebracht hat, dass Jemand mit Waffen vertrieben ward, und wird auch nach Jahresfrist darauf ertheilt werden, was an Den gelangt ist, der das Hinderniss bereitet hat. 13Das Interdict: Von wo mit Gewalt, scheint auch dem Niessbraucher nothwendig haben ertheilt werden zu müssen, wenn er am Genuss des Niessbrauchs eines Landgutes verhindert worden ist. 14Dem Niessbrauch ein Hinderniss in den Weg gelegt zu haben scheint Derjenige, der den Niessbraucher mit Gewalt aus dem Besitz vertrieben oder ihn nicht wieder hereingelassen hat, als er aus dem Landgute nicht in der Absicht sich entfernt hatte, den Niessbrauch in Stich zu lassen. Wenn hingegen von Anfang an Jemand Demjenigen ein Hinderniss in den Weg legt, der den Niessbrauch ergreifen will, so findet dieses Interdict nicht statt; wie also dann? — Der Niessbraucher muss den Niessbrauch eigenthümlich in Anspruch nehmen. 15Es betrifft dieses Interdict Denjenigen, der an dem Niessbrauch eines Landgutes verhindert worden ist; auch wird es Den berücksichtigen, der am Niessbrauch von Gebäuden verhindert worden ist. Folgerichtig wird man aber behaupten, dass dieses Interdict nicht auf bewegliche Sachen Bezug habe, an deren Niessbrauch Jemand verhindert worden ist, ausser wenn dieselben Zubehör einer mit dem Boden zusammenhängenden Sache sind. Haben sie sich aber daselbst befunden, so muss dieses Interdict auch auf sie bezogen werden. 16Ingleichen ist dieses Interdict dann zuständig, wenn nicht der Niessbrauch, sondern blos der Gebrauch letztwillig hinterlassen worden ist; es hat auch1111Enim ist hier auf das Letztvorhergehende bezüglich. dasselbe allemal statt, der Grund der Bestellung des Niessbrauchs oder Gebrauchs sei, welcher er wolle. 17Wer Namens des Niessbrauchs sich im Quasibesitz befand, gleichviel auf welche Weise er dazu gekommen, kann sich dieses Interdicts bedienen. Hat aber Jemand, nachdem er daran verhindert worden, eine Standesrechtsveränderung erlitten, oder ist er mit Tode abgegangen, so steht das Interdict seinen Erben und Rechtsnachfolgern zu, und zwar nicht, um den Niessbrauch für die Zukunft zu bestellen, sondern auf den Ersatz für die Vergangenheit und den schon erlittenen Schaden. 18Auf gleiche Weise muss sich der Erbe auf die Klage auf das Geschehene wider sich selbst rücksichtlich Dessen einlassen, was an ihn gelangt ist.
5Idem lib. XI. ad Ed. Wenn ich dir den Besitz von Sachen durch Gewalt [genöthigt] übergeben habe, so, sagt Pomponius, falle das Interdict Von wo mit Gewalt weg, weil Derjenige nicht mit Gewalt aus dem Besitz gesetzt worden ist, der gezwungen worden ist, einen Andern in den Besitz einzuführen1212Hier findet die actio quod metus causa statt..
6Paul. lib. XVII. ad Ed. Zufolge des Interdicts Von wo mit Gewalt geschieht eine Verurtheilung in das Interesse des Besitzes; und das, schreibt Pomponius, sei bei uns Rechtens, d. h. der Gegenstand werde so hoch gewürdert, als der Kläger dabei betheiligt sei; dies ist zuweilen mehr, zuweilen weniger, denn oft ist dem Kläger mehr daran gelegen, einen Sclaven zu behalten, als er werth ist, z. B. wenn ihm an dessen Besitz wegen Anstellung einer Untersuchung, oder zum Beweis irgend eines Umstandes, oder wegen Antritts einer Erbschaft gelegen ist.
7Idem lib. XXIV. ad Ed. Wenn ich von dir mit Gewalt aus dem Besitz gesetzt worden bin, und Titius angefangen hat, dieselbe Sache gewaltsam zu besitzen, so kann ich einzig und allein das Interdict wider dich zur Anwendung bringen.
9Idem lib. LXV. ad Ed. Wenn mehrere Erben vorhanden sind, so haftet jeder einzelne nur zu Dem, was an ihn gelangt ist. Deshalb haftet zuweilen Derjenige auf das Ganze, an den Alles gelangt ist, wenn er auch nur Erbe zum Theil ist. 1Den aus dem Niessbrauch Vertriebenen befiehlt der Prätor völlig in das vorherige Verhältniss wiedereinzusetzen, d. h. dasjenige, worin er sich befinden würde, wenn er nicht aus dem Besitze vertrieben worden wäre; ist daher der Niessbrauch, nachdem er vom Eigenthümer vertrieben worden, durch den Zeitablauf geendigt, so wird er nichtsdestoweniger zur Herausgabe, d. h. zur Wiederbestellung des Niessbrauches gezwungen.
10Gaj. lib. II. ad Ed. Praet. urb. etc. Wenn ein Räuber den Eigenheitsherrn und den Niessbraucher von einem Landgute vertrieben, und in Folge dessen der Erstere den Genuss während der [für das Erlöschen desselben] festgesetzten Zeit nicht gezogen und sein Recht verloren hat, so bezweifelt Niemand, dass der Eigenthümer, er mag mit dem Niessbraucher zusammen wider den Räuber geklagt haben oder nicht, den zu ihm zurückgekehrten Niessbrauch behalten dürfe, und was der Niessbraucher verloren, Dem zum Schaden gereiche, durch dessen Handlung er den Verlust erlitten.
11Pompon. lib. VI. ex Plaut. Gewaltthätig handelt Derjenige, der den Besitzer nicht Dasjenige, was er besitzt, nach seinem Belieben gebrauchen lässt, gleichviel ob dadurch, dass er Etwas einsäet, eingräbt, umpflügt, oder erbauet, oder überhaupt Etwas vornimmt, wodurch er dem Gegner nicht den freien Besitz belässt.
12Ad Dig. 43,16,12Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 157, Note 6; Bd. II, § 400, Note 7.Marcell. lib. XIX. Dig. Ein Pächter liess Den, dem der Verpächter ein Landgut verkauft hatte, nachdem er in den Besitz eingewiesen worden war, nicht zu; darauf ward der Pächter von einem Andern gewaltsamerweise aus dem Besitz vertrieben; hier frug es sich, wem das Interdict nun zustehe? — Ich habe geantwortet: es sei einerlei, ob der Pächter den das Grundstück betreten wollenden Eigenthümer daran verhindert, oder den Käufer nicht zugelassen habe, dem der Erstere den Besitz zu übergeben befohlen hatte. Es stehe daher das Interdict Von wo mit Gewalt dem Pächter zu, und er selbst werde dem Verpächter durch dasselbe Interdict verpflichtet sein, den mit Gewalt vertrieben zu haben er dadurch angenommen wird, dass er dem Käufer den Besitz nicht übergeben hat, er müsste denn eine rechtmässige und genügende Ursache dazu gehabt haben.
13Ulp. lib. VIII. ad Sabin. Weder das Interdict Von womit Gewalt, noch ein anderes zieht Infamie nach sich.
14Pompon. lib. XXIX. ad Sabin. Wenn du aber mit Waffengewalt aus dem Besitze eines Landguts gesetzt worden, so wirst du gleich ihm selbst, wenn du auch den Besitz desselben gewaltsam, heimlich, oder bittweise erlangt, jeden Falls auch die beweglichen Sachen wiedererhalten.
15Paul. lib. XIII. ad Sabin. Wenn du mich gewaltsamerweise aus dem Besitz gesetzt hast, oder gewaltsam oder heimlich gehandelt hast1313Athanas. Oteyza et Olano Paralipom. etc. jur. l. 1. c. 10. §. 26. nimmt hier zwei verschiedene Fälle an (T. M. I. 411)., so musst du, wenn du auch den Besitz selbst ohne Arglist und Verschuldung verloren hast, mir dennoch auf das Interesse verurtheilt werden, weil der in deine Schuld vorhergegangen ist, dass du mich überhaupt gewaltsamerweise vertrieben, oder gewaltsam oder heimlich gehandelt hast.
16Ulp. lib. XXIX. ad Ed. In Folge des Interdicts Von wo mit Gewalt haftet, wenn du von einem Haussohne [aus dem Besitz] vertrieben worden bist, der Vater deswegen, was an ihn gelangt, selbst.
17Julian. lib. XLVIII. Dig. Wer sich des ihm gewaltsamerweise entrissenen Besitzes während des Streites selbst mit Gewalt wiederum bemächtigt hat, von dem muss vielmehr angenommen werden, dass er in das vorige Verhältniss wiedereintrete, als gewaltsamerweise besitze; habe ich dich daher gewaltsam aus dem Besitz vertrieben, und du mich unmittelbar darauf wiederum, und in der Folge ich dich nochmals, so wird dir das Interdict Von wo mit Gewalt analog zustehen.
18Ad Dig. 43,16,18Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 400, Note 7.Papin. lib. XXVI. Quaest. Ad Dig. 43,16,18 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 157, Note 6.Jemand, der ein Landgut verpachtet hatte, verkaufte dasselbe, und hiess den Käufer den ausschliesslichen Besitz zu ergreifen; der Pächter verhinderte ihn am Eintritt, und darauf vertrieb der Käufer den Pächter mit Gewalt; hier frug es sich um die Interdicte Von wo mit Gewalt. Man entschied sich dafür, dass der Pächter dem Verkäufer durch das Interdict hafte, weil es einerlei sei, ob er ihm selbst oder einem andern mit seinem Willen dahin Geschickten den Eintritt verweigert habe; denn der Besitz erscheine nicht eher als verloren, als bis er dem Käufer übergeben worden, weil Niemand der Absicht sei, den Besitz des Käufers wegen zu verlieren, den derselbe nicht erlangt habe. Dagegen hafte der Käufer, der gewaltsam zu Werke gegangen, dem Pächter wiederum selbst durch das Interdict, denn es sei der Besitz des Landgutes nicht wider ihn gewaltsamerweise ergriffen worden, sondern wider den Verkäufer, dem derselbe entrissen worden sei. Es frug sich nun, ob dem Käufer Hülfe werden müsse, wenn er nachher den Pächter mit dem Willen des Verkäufers gewaltsamerweise vertrieben habe? — Ich habe geantwortet, es dürfe ihm keine Hülfe zu Theil werden, weil er einen unerlaubten Auftrag übernommen habe. 1Wer ein Landgut mit der Eigenthumsklage wider Den in Anspruch genommen hat, gegen den er auch das Interdict Von wo mit Gewalt ergreifen konnte, der kann, hat man angenommen, während obschwebenden Verfahrens nichtsdestoweniger zum Interdicte noch greifen.
19Tryphonin. lib. XV. Disput. Mit Recht hat Julianus das Gutachten ertheilt, dass, wenn du mich aus einem Landgute gewaltsamerweise vertrieben hast, auf dem sich bewegliche Sachen befanden, da du mir zufolge des Interdicts Von wo mit Gewalt nicht blos den Besitz an Grund und Boden zurückstellen müssest, sondern auch Dasjenige, was sich daselbst befand, obwohl ich erst eine Zeitlang mit dem Angriff durch das Interdict gezögert habe, der Abgang an Sclaven und Vieh durch das Absterben beider und der Verlust an andern Gegenständen bei der Herausgabe dir nichtsdestoweniger zur Last falle, weil du von dem Augenblick des begangenen Vergehens vielmehr, denn durch die Verzögerung Schuldner wirst.
20Labeo lib. III. Pithan. a Paulo epit. Wenn dein Pächter mit Gewalt aus dem Besitz vertrieben worden ist, so kannst du aus dem Interdicte Von wo mit Gewalt klagen. Ingleichen, wenn dein Miether. Paulus: dasselbe lässt sich von des Pächters Pächter sagen, und dem Miether des Miethers.