Ad senatus consultum Tertullianum et Orphitianum
(Zum Tertullianischen und Orphitianischen Senatsbeschluss.)
1Ulp. lib. XII. ad Sabin. Nach dem Orphitianischen Senatsbeschluss werden die Kinder zur Beerbung ihrer Mütter zugelassen, diese mögen Freigeborene oder Freigelassene sein. 1Wenn über das persönliche Standesrecht einer Mutter Zweifel insofern obwaltet, ob sie eine Hausmutter oder Haustochter sei, z. B. weil ihr Vater vom Feinde gefangen genommen worden ist, so werden ihre Kinder dazugelassen, sobald es zur Gewissheit wird, dass sie Hausmutter sei. Hieraus kann die Frage entstehen, ob ihnen in der Zwischenzeit, während deren [die Frage über das Standesrecht noch obschwebend ist, durch den Prätor geholfen werden müsse, damit nicht, wenn sie in der Zwischenzeit gestorben sind, das Uebertragungsrecht verloren gehe? Und es spricht mehr für die Bejahung, wie man in vielen Fällen angenommen hat. 2Auch Kinder gemeiner Abkunft werden zur gesetzmässigen Erbschaft der Mutter gelassen. 3Zuweilen muss auch dem von der Mutter noch als Sclavin geborenen Kinde die gesetzmässige Erbschaft zugestanden werden, z. B. wenn dasselbe nach einem in Bezug auf die seiner Mutter fideicommissweise ertheilte Freiheit eingetretenen Verzuge geboren worden ist. Ist dasselbe nach der Freilassung seiner Mutter geboren, obwohl noch während sie Sclavin war, empfangen worden, so wird es zu deren gesetzmässige Erbschaft zugelassen werden. Auch aber wenn es bei den Feinden empfangen, von seiner gefangenen Muttern geboren, und nachher mit derselben zurückgekehrt ist, wird dasselbe dem Rescripte unseres Kaisers und seines kaiserlichen Vaters an den Ovinius Tertullus zufolge, in Gemässheit dieses Senatsbeschlusses als ein Kind gemeiner Abkunft zugelassen werden. 4Dem Sohne, der zur Zeit des Todes seiner Mutter römischer Bürger gewesen ist, wird, wenn er vor dem Erbschaftsantritt Sclav geworden ist, die gesetzmässige Erbschaft nicht gebühren, wenn er auch nachher wieder frei geworden ist, er müsste denn zur Strafe Sclav geworden, und durch die Gnade des Kaisers wieder in den vorigen Stand eingesetzt worden sein. 5Ist er aber aus Mutterleibe mittelst des Kaiserschnitts herausgenommen worden, so muss er zu deren gesetzmässiger Erbschaft gelassen werden; denn wenn er zum Erben eingesetzt worden ist, so kann er auch den Nachlassbesitz zufolge Testamentsinhalts und testamentslos, wonach die Verwandten, und um so mehr den, wonach die gesetzmäs sigen Erben, fordern; zum Beweise dient der Umstand, dass die Leibesfrucht nach allen Theilen des Edicts in den Besitz gesetzt werden kann. 6Wer seinen Dienst zum Kampf mit den wilden Thieren verdungen hat, und eines Capitalverbrechens wegen verurtheilt nicht wieder in den vorigen Stand eingesetzt worden ist, der wird nach dem Orphitianischen Senatsbeschluss nicht zur mütterlichen Erbschaft gelassen; allein ein Grund der Billigkeit liess ihn dazu gelangen. Dasselbe, nämlich Zulassung nach dem Orphitianischen Senatsbeschluss, findet auch dann Statt, wenn sich der in [des Erblassers] Gewalt stehende Sohn in einem der vorgedachten Verhältnisse befindet. 7Wenn aber die Mutter ein Testament errichtet, und darin einen Sohn unter einer Bedingung zum Erben eingesetzt hat, während sie deren mehrere hatte, so ist es, wenn dieser während des Obschwebens der Bedingung den Nachlassbesitz gefordert hat, und nachher die Bedingung ausgeblieben ist, billig, dass auch den übrigen Söhnen die gesetzmässige Erbschaft nicht entzogen werde; dies hat auch Papinianus im sechzehnten Buche seiner Quästionen geschrieben. 8Die ohne Anfechtung des persönlichen Standesrechts geschehende Standesrechtsveränderung11S. Noodt Obs. II. 21. ist den Kindern in Bezug auf die gesetzmässige Erbschaft von keinem Nachtheil, denn einzig und allein die alte Erbfolge, welche nach dem Zwölftafelgesetze zusteht, ist es, welche durch die Standesrechtsveränderung untergeht; die neuern entweder aus einem Gesetze oder einem Senatsbeschluss anfallenden Arten aber, gehen durch die Standesrechtsveränderung nicht verloren. Die Standesrechtsveränderung mag daher Jemanden vor oder nach dem Erbschaftsanfall betroffen haben, er wird stets zur gesetzmässigen Erbschaft zugelassen werden, es müsste denn die grosse Standesrechtsveränderung eingetreten sein, die das Bürgerrecht verloren gehen macht, z. B. wenn er deportirt wird. 9Wenn von den Söhnen und denen, welchen die gesetzmässige Erbschaft zugleich mit ihnen anfällt, Niemand dieselbe wird haben wollen, so soll das alte Recht Statt haben. Dies darum, weil so lange auch nur ein einziger Sohn noch die gesetzmässige Erbschaft haben will, das alte Recht nicht Platz ergreift, und wenn daher Einer von Zweien die Erbschaft angetreten und der Andere sie ausgeschlagen hat, ihm sowohl die Portion anwachsen wird, als, wenn es z. B. ein Sohn und ein Freilasser ist, wenn ersterer sie auschlägt, sie dem letztern anfällt. 10Wenn sich Jemand, nachdem er die Erbschaft seiner Mutter angetreten hat, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, von derselben wieder losgesagt hat, kann da das alte Recht Statt haben? Die Worte lassen es zu: wenn er die Erbschaft wird haben wollen, heisst es, denn auch hier will er sie nicht, wenn er sie auch einstmals gewollt hat; und darum sage ich, kann das alte Recht Statt haben. 11Ob aber die Erbfolge dem anfällt, der dann22Wenn der Sohn nicht will. als gesetzmässiger Erbe befunden wird, oder dem, der es dann ist, wenn sie dem Sohne anfällt, also z. B. wenn man annimmt, dass ein Blutsverwandter der Erblasserin, und ein Sohn derselben vorhanden gewesen, und während letzterer sich noch bedenkt, der Blutsverwandte gestorben sei, kurz darauf der Sohn die Erbschaft der Mutter ausgeschlagen hat, der Sohn des Blutsverwandten zugelassen werden könne, ist die Frage. Julianus meint rücksichtlich des Tertullianischen Senatsbeschlusses ganz richtig, dass der nachfolgende Seitenverwandte zur Erbfolge gelange. 12Wenn der Senat sagt: was rechtlich erkannt, verglichen und beendet worden ist, soll bestehen bleiben, ist so zu verstehen, dass von demjenigen erkannt worden, dem ein Recht dazu zustand, der Vergleich im guten Glauben getroffen, so dass er gültig sei, und die Endigung durch gegenseitige Einwilligung, oder durch langes Stillschweigen ein Erlöschen erfolgt sei.
2Idem lib. XIII. ad Sabin. Der Vortheil aus dem Tertullianischen Senatsbeschluss hat Statt, es mag die Mutter eine Freigeborene oder eine Freigelassene sein. 1Unter Sohn und Tochter versteht man sowohl in rechtmässiger Ehe erzeugte Kinder, als gemeiner Abkunft, und dies hat in Ansehung der letztern auch Julianus im neunundfunfzigsten Buche der Digesten geschrieben. 2Wenn aber der Sohn oder die Tochter Freigelassene geworden sind, so kann ihre Mutter deren gesetzmässige Erbschaft nicht in Auspruch nehmen, weil sie aufgehört hat, Mutter dieser Art von Kindern zu sein; dies hat auch Julianus gelehrt, und unser Kaiser hat es so verordnet. 3Hat die Mutter aber den Sohn noch als Sclavin empfangen und als Freigelassene geboren, so wird sie zu seiner gesetzmässigen Erbschaft gelassen werden. Ingleichen wenn sie zur Strafe Sclavin geworden, als solche schwanger geworden, wieder in den vorigen Stand eingesetzt worden ist, und dann geboren hat. Nicht minder, wenn sie als Freie schwanger geworden, zur Strafe Sclavin geworden, geboren hat, und darauf wieder in den vorigen Stand eingesetzt worden ist; ferner wenn sie als Freie schwanger geworden, als Sclavin geboren hat, und dann wieder freigelassen worden ist, wird [das Kind] nicht minder zum Nachlassbesitz, derselben gelassen werden. Auch wenn eine noch schwangere Frau freigelassen worden ist, ist [dem Kinde] dies von Vortheil. Die Mutter wird auch zur gesetzmässigen Beerbung eines noch in der Sclaverei geborenen Sohnes zugelassen werden, z. B. wenn sie nach einer in Ansehung der ihr fideicommissweise ausgesetzten Freiheit eingetretenen Verzögerung geboren hat, oder in feindlicher Gefangenschaft, und mit dem Kinde zurückgekehrt ist, oder wenn sie wieder losgekauft geboren hat. 4Wenn eine Frau infam geworden ist, so wird sie dennoch zur gesetzmässigen Beerbung ihrer Kinder zugelassen werden. 5Ein Unmündiger, dem sein Vater ein Testament gemacht hat, ist dann erst als untestirt gestorben zu betrachten, wenn die Substituirten die Erbschaft desselben unberücksichtigt gelassen haben. Auch wenn daher ein Unmündiger adrogirt worden ist, wird seine Mutter zu seinem Nachlass zugelassen, da sie ihn erhalten würde, wenn er untestirt gestorben wäre. 6Die Kinder eines Verstorbenen insofern sie Notherben sind, stehen zwar seiner Mutter entgegen, und schliessen dieselbe, sie mögen männlichen oder weiblichen Geschlechts, natürliche oder augenommene sein, aus, als Nachlassbesitzer aber auch diejenigen, welche nicht Notherben sind, sobald sie nur natürliche Kinder sind. Angenommene Kinder werden aber nach der Entlassung aus der Gewalt dann zugelassen, wenn sie wenigstens natürliche sind, z. B. der von seinem Grossvater an Kindes Statt angenommene natürliche Enkel; denn wenn dieser auch aus der Gewalt entlassen worden ist, so wird er, wenn er aus der Gewalt entlassen worden ist, dennoch der Mutter entgegenstehen. 7Ist aber ein Sohn in feindlicher Gefangenschaft, oder wird seine Geburt erst erwartet, so bleibt das Recht der Mutter obschwebend, bis er zurückgekehrt oder geboren worden ist. 8Sind aber Notherben vorhanden, und es gebührt ihnen die Erbschaft doch nicht, so fragt es sich, ob die Mutter zugelassen werde, z. B. es hat sich (ein Notherbe) der Erbschaft enthalten? Africanus und Publicius entscheiden dies dahin, dass, im Fall sich die Notherben der Erbschaft enthalten haben, die Mutter zur Beerbung gelange, und ihr dieselben nur dann entgegenstehen, sobald sie sich wirklich im Besitz des Vermögens befinden, damit der Mutter nicht der blosse Name des Notherben entgegenstehe; diese Meinung ist der Billigkeit entsprechender. 9Ist aber Jemand mit Hinterlassung einer auf gesetzmässigem Wege in Annahme an Kindes Statt gegebenen Tochter und seiner Mutter gestorben, so, hat der Kaiser Pius verordnet, falle der Tertullianische Senatsbeschluss weg, und es müssen daher beide, Mutter und Tochter zu dem Nachlassbesitz wonach die nächsten Verwandten zugelassen werden. Wenn aber derselbe Julianus schreibt, die Mutter könne nach dem Senatsbeschluss nicht zugelassen werden, wenn die Tochter von der Forderung des Nachlassbesitzes abgestanden habe, so dürfte dies unrichtig sein, denn sie folgt der Tochter nach, und darum kann die Mutter, so lange die Tochter den Nachlassbesitz fordern kann, denselben33Nämlich pro parte filiae. nicht erhalten, weil die Hoffnung vorhanden ist, sie werde als gesetzmässige Erbin nachfolgen. 10Wenn nach Empfang des Nachlassbesitzes sich ein aus der Gewalt entlassener Sohn der Erbschaft mittelst der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthalten hat, so kann allerdings der Senatsbeschluss Statt haben, hat er sich aber nachher wiederum damit befasst44Durch nochmalige Wiedereinsetzung., so muss sich die Mutter dessen wiederum euthalten. 11Wenn ein Kind, während es sich im Mutterleibe befindet, in den Besitz gesetzt und darauf geboren worden, vor Empfang des Nachlassbesitzes aber wieder verstorben ist, so fragt es sich, ob dasselbe als Nachlassbesitzer der Matter in den Weg trete? Und ich glaube, dass ihr dasselbe keinen Nachtheil bereite, sobald es seinem Vater nicht als Notherbe geboren worden. Denn die Setzung in den Besitz genügt nicht, sobald es nicht nach seiner Geburt auch den Nachlassbesitz wirklich empfangen hat. Es wird daher auch ein Wahnsinniger für den der Nachlassbesitz gefordert worden, und bevor er, wieder zu Verstande gekommen, denselben selbst gefordert hat, mit Tode abgegangen ist, seiner Mutter nicht im Wege stehen. 12Hat aber Jemand, während er eine Standesrechtsveränderung erlitten, blos den Carbonianischen Nachlassbesitz empfangen, so ist zwar auch Frage erhoben worden, ob dieser Nachlassbesitz der Mutter schade, da dieser aber mit der Zeit erlischt, so schadet er auch nachher der Mutter weiter nicht, oder sie kann, wenn er unmündig verstorben ist, dazu gelassen werden. 13Ist der Nachlassbesitz für ein Kind von dessen Vormunde gefordert worden, so hat dasselbe, wenn es auch sogleich gestorben ist, der Mutter doch im Wege gestanden, denn dieser steht dem nicht gleich, der einem Wahnsinnigen ertheilt wird. 14Die Mutter wird überhaupt von der Rechtswohlthat des Senatsbeschlusses nur dann ausgeschlossen, wenn der Sohn die gesetzmässige Erbschaft angetreten hat, hat er diese aber unberücksichtigt gelassen, so wird die Mutter nach dem Tertullianischen Senatsbeschluss zugelassen werden. Ist aber jener Sohn nicht der einzige gesetzmässige Erbe, sondern auch noch Andere vorhanden, mit denen er zusammen zugelassen wird, so wird die Mutter nach dem Senatsbeschluss nicht einmal zu deren Antheil berufen55Nämlich wenn sie ihn ausgeschlagen haben, weil er dann dem Sohn zuwächst, und so umgekehrt. werden dürfen. 15Der Mutter wird der Vater in Bezug auf den Nachlass des Sohnes und der Tochter vorgezogen, er mag Erbe oder Nachlassbesitzer sein. Der Grossvater und der Grossgrossvater schaden aber der Mutter in Rücksicht auf den Tertullianischen Senatsbeschluss nicht, wenn sie dieselben auch mittelst eines Treucontracts66S. Instit. III. 2. l. ult. aus der Gewalt entlassen haben. Der Vater schadet der Mutter aber nur dann, wenn er der natürliche ist, nicht wenn nur ein Adoptivvater, denn es ist richtiger, dass dieser von der Mutter ausgeschlossen werde, wenn er [durch die Entlassung aus der Gewalt]77Glosse. aufgehört hat, es zu sein; auch wird er, wenn er aufgehört hat, es zu sein, nicht zum Nachlassbesitz wider den Testamentsinhalt gelassen. 16Der natürliche Vater schliesst aber die Mutter überall aus, er mag den Nachlassbesitz aus einem Theile des Edicts erhalten haben, aus welchem da will, als gesetzmässiger Erbe, oder wider den Testamentsinhalt. 17Wenn ein Seitenverwandter, der natürliche Vater des Erblassers in einer Adoptivfamilie, und die Mutter vorhanden sind, so lassen wir die letztere zu, weil der Seitenverwandte den Vater ausgeschlossen hat. 18Ad Dig. 38,17,2,18Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 573, Note 5.Angenommen, es ist eine Halbschwester des Erblassers vom Vater, seine Mutter und der Adoptivvater vorhanden, oder er selbst aus der Gewalt entlassen, und die Halbschwester will die Erbschaft haben, so nimmt die Mutter mit ihr nach dem Senatsbeschluss zusammen Theil, und der Vater wird ausgeschlossen; schlägt die Halbschwester die Erbschaft aus, so kommt die Mutter wegen des Vaters nach dem Senatsbeschluss nicht zur Theilnahme, und obwohl sonst die Mutter nicht auf die Halbschwester zu warten braucht, ob sie die Erbschaft antreten will, oder nicht, so muss sie diesmal doch warten, denn diese ist es, welche den Vater ausschliesst; schlägt sie also die Erbschaft aus, so wird die Mutter, als Verwandte, mit dem Vater zusammen den Nachlassbesitz erhalten; allein auch darin wird sie einen Verzug erleiden, dass sie den Nachlassbesitz nicht eher erhält, als der Vater ihn gefordert hat, weil sie, wenn er dies unterlassen sollte, aus dem Senatsbeschluss die Erbfolge überkommen kann. 19Ist aber die Mutter zugleich die Halbschwester von väterlicher Seite selbst, weil z. B. der Vater der Mutter seinen Enkel von der Tochter an Kindes Statt angenommen hat, und ausserdem der natürliche Vater88Der den Sohn in Annahme an Kindes Statt gegeben hat. vorhanden, so wird die Mutter, wenn sie als Halbschwester auftritt, den Vater ausschliessen; hat sie aber auf das Recht einer Halbschwester keine Rücksicht genommen, oder dasselbe durch Standesrechtsveränderung verloren, so kann sie nach dein Senatsbeschluss wegen des Vaters nicht zur Theilnahme kommen, wenn dieser aber [die Erbschaft] ausschlägt, so kann sie nach demselben wiederum auftreten. 20Wenn die Mutter eines Sohnes oder einer Tochter Erbschaft nach dem Tertullianischen Senatsbeschluss nicht angetreten hat, so wird in Ansehung deren Nachlasses das alte Recht wahrzunehmen sein; denn weil jener einen Vorzug enthält, so tritt das alte Recht wieder ein, sobald die Mutter die Rechtswohlthat unberücksichtigt lässt. 21Hat aber die Mutter zwar den Nachlassbesitz ausgeschlagen, sie bedenkt sich jedoch wegen des Erbschaftsantritts, so kommt der Seitenverwandte [, falls ein solcher vorhanden,] nicht zur Erbfolge, weil die Mutter die Erbschaft, noch nicht nicht angetreten hat. 22Wenn wir gesagt haben, dass, wenn die Mutter nicht antrete, das alte Recht zur Anwendung komme, so ist es die Frage, welcher Person die Erbschaft nun anfalle, ob der, die jetzt als die nächste befunden wird, nachdem die Mutter dieselbe ausgeschlagen hat, oder der, die es war, als sich die Gewissheit ergab, dass der Erblasser testamentslos gestorben sei? Z. B. es war, als Letzteres geschah, ein Vatersbruder vorhanden, und ein Vatersbruderssohn als die Mutter die Erbschaft ausgeschlagen hatte; dem Vatersbruder war dieselbe noch nicht angefallen, stirbt er daher, während sich die Mutter noch bedenkt, so wird der Vatersbruderssohn berufen. 23Hat die Mutter für ihre Söhne keine sich eignende Vormünder gefordert, oder wenn die ersten die Vormundschaft abgelehnt haben, oder entfernt worden sind, nicht sogleich die Namen anderer eingereicht, so hat sie kein Recht darauf, den Nachlass ihrer Söhne testamentslos in Anspruch zu nehmen; in diesen Nachtheil verfällt sie, wenn sie solche nicht gefordert hat; denn [der Kaiser Pius99Glosse.] sagt: oder nicht fordern; aber von wem nicht fordern? Die Constitution spricht zwar vom Prätor, ich glaube aber, dass sie auch in den Provinzen Anwendung hat, wenn die Mutter von den Municipalbehörden keine Vormünder fordert, weil auch diesen die Nothwendigkeit deren Bestellung obliegt. 24Wie nun, wenn sie solche zwar gefordert hat, aber auf Anrathen der Freigelassenen [ihres verstorbenen Mannes] oder der Verwandten? Wird sie da dem Nachtheile des Senatsbeschlusses verfallen? Meiner Ansicht nach, nur dann, wenn sie es getrieben dazu gethan hat, nicht aber, wenn sie nur damit zauderte, und es ihr [zu thun] angerathen worden ist. 25Wie nun, wenn der Vater verboten hat, einen Vormund für die Kinder zu fordern, weil es sein Wille war, dass ihr Vermögen durch die Mutter verwaltet werden sollte? Dann wird sie in den Nachtheil verfallen, wenn sie weder [Vormünder] fordert, noch die Vormundschaft gesetzmässig verwaltet. 26Hat sie für ganz arme Kinder keine Vormünder gefordert, so ist ihr zu verzeihen. 27Sind ihr während ihrer Abwesenheit etwa Freigelassene oder Andere darin zuvorgekommen, so wird sie dadurch nicht ausgeschlossen, wenn dies nicht durch eine Zögerung ihrerseits geschehen ist. 28Fordert sie für die Söhne aber keine [Vormünder], so wird sie bestraft, jedenfalls aber auch wenn nicht für die Töchter. Wie dann, weun nicht für die Enkel? Auch dann trifft sie die Strafe. 29Wie aber, wenn sie keine Curatoren gefordert hat? Hierauf beziehen sich die Worte des Rescriptes nicht, allein man kann behaupten, dass, wenn sie für Unmündige keine Curatoren gefordert habe, derselbe gesetzliche Grund vorhanden sei, wenn die Kinder hingegen schon mündig sind, derselbe wegfallen müsse. 30Wie dann, wenn sie im schwangern Zustande für den Nachlass keinen Curator gefordert hat? Dann, sage ich, verfällt sie dem Sinn zufolge in die Strafe. Denn dasselbe gilt, wenn sie einen Unmündigen in Feindes Gewalt hat. 31Nicht minder, wenn sie für einen Wahnsinnigen keinen Vormund oder Curator gefordert hat. 32Nicht blos diejenige Mutter wird mit dem [mehrgedachten] Nachtheile bedrohet, welche gar keinen Vormund gefordert hat, sondern auch diejenige, welche, wie in dem Rescripte gesagt ist, dies nicht so that, wie es sich gehört1010Defunctorio, s. Brisson. h. v. Duker l. l. p. 409., etwa Einen, der durch ein besonderes Vorrecht geschützt, oder schon mit drei Vormundschaften beladen ist, jedoch nur dann wenn sie es mit Absicht gethan hat. 33Hat sie Personen der Art gefordert, und haben diese es dessenungeachtet angenommen, oder sind sie dazu genöthigt worden, so wird die Mutter entschuldigt sein. 34Wie dann, wenn sie unwürdige, d. h. nicht passende, Personen zur Vormundschaft gefordert hat, indem sie wusste, dass der Prätor sie nicht bestellen werde? Und wie, wenn der Prator, dem Antrage der Mutter Folge gebend, dieselben bestellt hat? Hier ist zwar ein Verbrechen von Seiten des Prätors vorhanden, doch straft man auch die Absicht der Mutter. 35Haben jene daher [die Vormundschaft] abgelehnt, oder sind sie zurückgewiesen worden, so muss die Mutter ohne Verzug andere fordern. 36Sie wird daher bestraft werden, sie mag gar keine, oder unpassende gefordert haben, wenn auch letztere durch einen Irrthum des Prätors bestellt worden sein sollten. 37Ob das sich Eignen zur Vormundschaft nach den Vermögenskräften oder nach dem Lebenswandel der Vormünder zu beurtheilen sei, kann in Zweifel gezogen werden? Ich glaube aber, dass ihr leicht Verzeihung zu Theil werden werde, wenn diejenigen, welche sie gefordert hat, reich sind. 38Sie wird auch dann gestraft, wenn sie, nachdem sich die ersten entschuldigt, oder zurückgewiesen worden sind, nicht sogleich die Namen Anderer eingereicht hat. 39Wie dann, wenn sich nicht Alle entschuldigt haben oder zurückgewiesen worden sind? Kann ihr es da zum Vorwurf gemacht werden, warum sie nicht an die Stelle des sich Entschuldigenden einen Andern gefordert habe? Ich glaube, allerdings. 40Wie dann, wenn Einer gestorben ist? Auch dann hat, meiner Ansicht nach, der Sinn der Constitution Anwendung, wenn auch die ausdrücklichen Worte fehlen. 41Verstehen wir aber, wenn wir von Zurückgewiesenen sprechen, nicht blos die vom Prätor gar nicht Bestellten, oder auch die als Verdächtige Entfernten, oder wegen Nachlässigkeit oder Unverstand Abgesetzten? Auch diese kann man mit Recht Zurückgewiesene nennen. Also auch, wenn sie sich, um sich ihren Obliegenheiten zu entziehen, verbergen; allein dies ist überflüssig; denn es kann ihr auch nicht zum Vorwurfe gemacht werden, warum sie sie nicht als verdächtig angezeigt habe; denn wenn sie sich verbergen, um sich ihren Obliegenheiten zus entziehen, so kann sie nach dem Edicte verlangen, dass der Prätor ihnen zu erscheinen anbefehle, und wenn sie sich nicht stellen, als Verdächtige entferne. 42Wie, wenn sie dieselben nicht angetrieben hat, sich mit der Vormundschaft zu befassen? Da wir eine ganz vollkommene Pflichterfüllung von der Mutter fordern, so muss sie auch hierfür sorgen, damit es ihr nicht in Ansehung der Erbschaft im Wege stehe. 43Sogleich ist so zu verstehen, sobald als sie gekonnt hat, d. h. Gelegenheit gehabt hat, den hierüber bestellten Prätor anzugehen, sie müsste denn durch Krankheit, oder eine andere gewichtige Ursache daran verhindert sein, die sie sogar abhielte, einem Andern zur Forderung von Vormündern Auftrag zu ertheilen, jedoch dergestalt, dass sie keinen Falls die Frist von einem Jahre verstreichen liesse; wenn ihr der Tod des Sohnes hierin zuvorkommt, so wird der Mutter keine Schuld beigemessen. 44Es kann sehr wohl die Frage erhoben werden, ob, wenn dem Mündel ein bedeutendes Vermächtniss unter der Bedingung ausgesetzt worden ist: wenn er keine Vormünder gehabt haben werde, und deshalb die Mutter keine gefordert hat, um nicht die Bedingung zu verfehlen, die Constitution wegfalle? Und ich glaube dies allerdings, wenn nämlich der Schaden geringer ist [, der dadurch etwa entstehen wird,] als der Betrag des Vermächtnisses; dies findet sich im Tertullianischen [Senatsbeschluss] auch in Bezug auf Municipalbehörden behandelt, und er glaubt, dass wider dieselben Klage insoweit zu ertheilen sei, als der entstehende Nachtheil das Vermächtniss übertreffe, es müsste denn Jemand der Ansicht sein, dass diese Bedingung als dem öffentlichen Besten widerstrebend erlassen werden müsse, wie andere dergleichen mehr, oder die Worte klaubend1111Cavillari, s. Eckhard l. l. p. 44. Not. der Mutter daraus einen Vorwurf beimessen, warum sie keine Curatoren verlangt habe; allein man nehme an, dass die Bedingung ganz ausführlich ausgedrückt sei, wird da der Mutter nicht Verzeihung zu Theil werden müssen? oder soll ihr [endlich] das Schuld gegeben werden, warum sie den Kaiser nicht um Erlass der Bedingung gebeten habe? Ich glaube, dass ihr kein Vorwurf daraus gemacht werden dürfe. 45So glaube ich auch, dass ihr Verzeihung zu Theil werden müsse, wenn sie für ihr Kind um keinen Vormund nachgesucht hat, wenn dies zahlungsunfähig ist; denn hier frommte es demselben, dass es, als von Niemand vertreten, weniger beunruhigt werden möchte. 46Hat Jemand seine Frau, mit der er zusammen einen Sohn erzeugt hat, zur Erbin eingesetzt, und sie gebeten, gegen Erlass der Bürgschaftsbestellung, dem Sohne, wenn er mündig geworden sein würde, die Erbschaft herauszugeben, und die Mutter hier für denselben keine Vormünder gefordert, so kommt die Constitution nicht zur Anwendung, da sie dem Willen des Vaters Folge geleistet, und [im letztern Fall] für den Sohn darum keine Vormünder gefordert hat, weil er nichts hat. Ist ihr aber die Bürgschaftsbestellung nicht erlassen worden, so wird es sich umgekehrt verhalten, weil er wenigstens deshalb hätte Vormünder haben müssen; ist aber der Unmündige, nachdem die Mutter dies zu thun unterlassen, adrogirt worden, und unmündig gestorben, so steht der Mutter wider den Adrogirenden die Klage aus der Stipulation nicht zu. 47Es ist die Frage, ob, wenn die Mutter verhindert worden ist, ihr Recht in Anspruch zu nehmen, man die Uebrigen zulassen müsse wie wenn die Mutter gar nicht vorhanden wäre, oder dieselbe selbst Erbin werde, oder sonst unter einem andern Namen die Erbfolge überkomme? Allein man wird ihr die Klage verweigern, und es findet sich ein Rescript von unserm Kaiser Antoninus Augustus und dessen kaiserlichen Vater an die Mammia Maximina vom Tage vor den Idus des Aprils aus dem Jahre unter des Plautianus zweitem Consulat, [worin gesagt wird,] dass die Uebrigen mit Ausschluss der Mutter zugelassen werden, welche zur Theilnahme gelangen würden, wenn die Mutter nicht vorhanden gewesen wäre, mithin werden die Seitenverwandten und Anderen zur Erbfolge gelangen, oder, wenn keiner von diesen vorhanden ist, der Nachlass erblos sein.
3Modestin. lib. VIII. Regul. Dass der Adoptivvater der Mutter nicht entgegenstehe, sagen die Meisten.
5Paul. lib. sing. ad SC. Tert. Es ist für der Billigkeit entsprechend befunden worden, dass alle Kinder der Mutter vorgezogen werden, wenn sie auch durch Annabmes and Kindes Statt als Familienmitglieder hinterlassen worden sind. 1Den Worten des Senatsbeschlusses zufolge wird der Mutter auch der von einem Adoptivsohn erzeugte Enkel entgegenstehen. 2Wenn der Grossvater einen Enkel von seinem Sohne aus der Gewalt entlassen hat, und dieser mit Hinterlassung seines überlebenden Vaters, seines Grossvaters und seiner Mutter gestorben ist, so kann die Frage entstehen, wer dem andern vorgehe? Denn wenn die Mutter den entlassenden Grossvater ausgeschlossen haben würde, der wieder dem Vater vorgezogen wird, so wird der Vater des Verstorbenen nach dem Edicte des Prätors berufen werden; lässt man dieses aber zu, so hört der Senatsbeschluss auf, zur Anwendung zu kommen, und es wird wiederum der Grossvater berufen. Es ist daher richtiger, dem Grossvater sein Recht zu erhalten, der ohnehin wider die eingesetzten Erben den Nachlassbesitz zu erhalten pflegt.
6Idem lib. sing. ad SC. Orph. Die Mutter wird nach diesem Senatsbeschluss auch zu des in fremder Gewalt stehenden Sohnes Nachlass zugelassen. 1Es ist die Frage, ob der Sohn, welcher erklärt, die Erbschaft seiner Mutter nicht antreten zu wollen, dieselbe mit Aenderung seines Willens noch antreten kann, so lange dies ein Blutsverwandter oder Seitenverwandter noch nicht gethan hat? nämlich wegen der Worte: wenn von den Söhnen keiner die Erbschaft wird annehmen wollen, weil diese extensiv sind; aus diesem Grunde ist die Reue allerdings bis zum Jahresablauf zulässig, da der Nachlassbesitz für ihn auch ein Jahr dauert.
7Idem lib. sing. ad SC. T. et O. Wenn Jemand mit Hinterlassung seiner Mutter und eines Halbbruders oder einer Halbschwester vom Vater, wenn diese auch nur an Kindes Statt angenommen worden sind, gestorben ist, so werden in Rücksicht der Person der Mutter ganz dieselben rechtlichen Vorschriften beobachtet, wie bei natürlichen Kindern.
8Gaj. lib. sing. ad SC. Tert. So lange der aus der Gewalt entlassene Sohn des Verstorbenen sich die Forderung des Nachlassbesitzes überlegt, bleibt das Recht der Mutter obschwebend.
9Idem lib. sing. ad SC. Orph. In einer Rede Sr. Majestät unseres Kaisers wird verordnet, dass der Nachlass einer Mutter an ihre Kinder auch dann fallen solle, wenn sie sich in fremder Gewalt befinden.
10Pompon. lib. II. SCtor. Wenn ein Haussohn, der Soldat ist, nicht über diejenigen Vermögensstücke testirt hat, die er im Felde erworben hat, so fragt es sich, ob sie der Mutter zufallen? Ich glaube aber nicht, denn diese Rechtswohlthat ist blos in den Willen der Soldaten gestellt, nicht aber dass sie rücksichtlich dieser Gegenstände den Hausvätern ganz gleich stehen sollen. 1Solange es noch nicht ausgemacht ist, ob eine oder die andere Person der Mutter entgegenstehen könne, und ein Zufall es herbeiführt, dass sie nicht auftreten, wird der Mutter ihr Recht unverkürzt verbleiben, was sie in der Zwischenzeit ergriffen hat, z. B. wenn ein Sohn untestirt gestorben ist, ein Sohn nach ihm hätte geboren werden können, und nicht geboren worden, oder todt zur Welt gekommen, oder ein Sohn, der sich in feindlicher Gefangenschaft befand, durch das Heimkehrrecht nicht zurückgekehrt ist.