Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Drittes Buch übersetzt von Schneider unter Redaction von Otto
Dig. III2,
De his qui notantur infamia
Liber tertius
II.

De his qui notantur infamia

(Von denen, welche mit dem Schandfleck der Infamie1 bezeichnet werden.)

1Oben ist infamia hin und wieder mit Ehrlosigkeit, infamis mit ehrlos übersetzt worden. Da jedoch die Ehrlosigkeit des Deutschen Rechts von der Römischen infamia im Begriff (andere Punkte zu geschweigen) bedeutend verschieden ist, indem jene in der gänzlichen Beraubung, diese blos in der Verminderung der bürgerlichen Ehre besteht, so schien es zweckmässiger, den Römischen, auch in der Deutschen Sprache nicht ungebräuchlichen Namen beizubehalten.

1Iulianus libro primo ad edictum. Praetoris verba dicunt: ‘Infamia notatur qui ab exercitu ignominiae causa ab imperatore eove, cui de ea re statuendi potestas fuerit, dimissus erit: qui artis ludicrae pronuntiandive causa in scaenam prodierit: qui lenocinium fecerit: qui in iudicio publico calumniae praevaricationisve causa quid fecisse iudicatus erit: qui furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, de dolo malo et fraude suo nomine damnatus pactusve erit: qui pro socio, tutelae, mandati, depositi suo nomine non contrario iudicio damnatus erit: qui eam, quae in potestate eius esset, genero mortuo, cum eum mortuum esse sciret, intra id tempus, quo elugere virum moris est, antequam virum elugeret, in matrimonium collocaverit: eamve sciens quis uxorem duxerit non iussu eius, in cuius potestate est: et qui eum, quem in potestate haberet, eam, de qua supra comprehensum est, uxorem ducere passus fuerit: quive suo nomine non iussu eius in cuius potestate esset, eiusve nomine quem quamve in potestate haberet bina sponsalia binasve nuptias in eodem tempore constitutas habuerit.’
1Julian. lib. I. ad Ed. Die Worte des Prätors lauten: Mit dem Schandfleck der Infamie wird bezeichnet, wer aus dem Heere (ab exercitu) zum Schimpf vom Feldherrn, oder von dem, dem die Gewalt, hierüber zu verfügen, zugestanden haben sollte, verabschiedet sein wird; wer als Schauspieler oder Sprecher22Artis ludicrae pronunciandive causa, d. h. um durch Pantomimen (stumme Vorstellungen) oder Mimen (mit Sprechen verbundene Vorstellungen zu belustigen. S. v. Glück a. a. O. S. 170. auf der Bühne aufgetreten sein sollte; wer Hurenwirthschaft getrieben haben sollte; wer verurtheilt sein sollte, in einer öffentlichen Untersuchung etwas aus Chicane oder Prävarication33Calumnia praevaricationisve causa. Von jener handelt der letzte Titel dieses Buchs; von dieser der 15. des 47. Buchs. Prävarication aber (wofür wir Deutschen keinen Namen haben) wird eigentlich vom Ankläger begangen, der den Beklagten in einer öffentlichen Untersuchung pflichtwidrig begünstigt; sodann wird der Name auch auf das Verbrechen derer übertragen, welche den Gegner der Partei, die sie vertreten, vorsätzlich begünstigen. S. auch weiter unt. L. 4. §. 4. gethan zu haben; wer wegen Diebstahls, Raubs, Ehrenkränkungen, böser Absicht und Betrugs in eigenem Namen verurtheilt sein oder sich [wegen dieser Verbrechen] durch einen Vertrag abgefunden haben (pactus) wird; wer aus einem Gesellschaftsvertrage, aus der Vormundschaft, aus einem Auftragscontracte, einem Niederlegungsvertrage im eigenen Namen nicht durch die Gegenklage [sondern durch die Hauptklage] verurtheilt sein wird; wer die, welche in seiner Gewalt war, nachdem sein Schwiegersohn gestorben, da er wusste, dass er gestorben sei, innerhalb der Zeit, während welcher es Sitte ist, den Mann zu betrauern, ehe sie den Mann [ganz] betrauerte, verheirathet, oder wer sie wissentlich, nicht auf Befehl desjenigen, in dessen Gewalt er ist, geheirathet haben sollte; und wer geduldet haben sollte, dass der, welchen er in seiner Gewalt hatte, die, über welche [Alles] in dem oben Gesagten zusammengefasst ist (de qua supra comprehensum est), geheirathet hat; oder wer in eigenem Namen, nicht auf Befehl desjenigen, in dessen Gewalt er war, oder [wer] im Namen desjenigen, den, oder derjenigen [Frauensperson], die er in seiner Gewalt hatte, zwei Verlöbnisse oder zwei Ehen zu derselben Zeit bestehen haben sollte.
2Ulpianus libro sexto ad edictum. Quod ait praetor: ‘qui ab exercitu dimissus erit’: dimissum accipere debemus militem caligatum, vel si quis alius usque ad centurionem, vel praefectum cohortis vel alae vel legionis, vel tribunum sive cohortis sive legionis dimissus est. hoc amplius Pomponius ait etiam eum, qui exercitui praeest, licet consularibus insignibus utitur, ignominiae causa ab imperatore missum hac nota laborare: ergo et si dux cum exercitui praeest dimissus erit, notatur, et si princeps dimiserit et adiecerit ignominiae causa se mittere, ut plerumque facit, non dubitabis et ex edicto praetoris eum infamia esse notatum: non tamen si citra indignationem principis successor ei datus est. 1Exercitum autem non unam cohortem neque unam alam dicimus, sed numeros multos militum: nam exercitui praeesse dicimus eum, qui legionem vel legiones cum suis auxiliis ab imperatore commissas administrat: sed hic etiam eum, qui ab aliquo numero militum missus est, quasi ab exercitu missum sic accipiemus. 2‘Ignominiae causa missum’: hoc ideo adiectum est, quoniam multa genera sunt missionum. est honesta, quae emeritis stipendiis vel ante ab imperatore indulgetur: est causaria, quae propter valetudinem laboribus militiae solvit: est ignominiosa. ignominiosa autem missio totiens est, quotiens is qui mittit addidit nominatim ignominiae causa se mittere. semper enim debet addere, cur miles mittatur. sed et si eum exauctoraverit, id est insignia militaria detraxerit, inter infames efficit, licet non addidisset ignominiae causa se eum exauctorasse. est et quartum genus missionis, si quis evitandorum munerum causa militiam subisset: haec autem missio existimationem non laedit, ut est saepissime rescriptum. 3Miles, qui lege Iulia de adulteriis fuerit damnatus, ita infamis est, ut etiam ipsa sententia eum sacramento ignominiae causa solvat. 4Ignominia autem missis neque in urbe neque alibi, ubi imperator est, morari licet. 5Ait praetor: ‘qui in scaenam prodierit, infamis est’. scaena est, ut Labeo definit, quae ludorum faciendorum causa quolibet loco, ubi quis consistat moveaturque spectaculum sui praebiturus, posita sit in publico privatove vel in vico, quo tamen loco passim homines spectaculi causa admittantur. eos enim, qui quaestus causa in certamina descendunt et omnes propter praemium in scaenam prodeuntes famosos esse Pegasus et Nerva filius responderunt.
2Ulp. lib. VI. ad Edict. Wenn der Prätor sagt: wer aus dem Heere verabschiedet sein wird, so müssen wir unter dem Verabschiedeten einen gemeinen Soldaten44Militem caligatum, wörtlich: einen gestiefelten Soldaten; der gemeine Soldat wurde so von einer Art Halbstiefel genannt, welche er trug. Bekannt ist, dass daher der Kaiser Caligula diesen Namen hat. S. Sueton. vit. Calig. c. 9. verstehen, oder wenn sonst einer bis zum Hauptmann (Centurionem), oder [bis zum] Obersten (Praefectum) einer Cohorte, oder eines Flügels, oder einer Legion, oder [bis zum] Chef (Tribunum), sei es einer Cohorte, oder einer Legion, verabschiedet sein wird. Noch mehr, Pomponius sagt, sogar der, welcher einem Heer vorsteht, sei, obgleich er sich der, Consular-Ehrenzeichen bedient, wenn er vom Feldherrn zum Schimpf verabschiedet worden, mit diesem Schandfleck behaftet. Demnach wird auch der Heerführer, wenn er, während er dem Heere vorsteht, [zum Schimpf] verabschiedet sein wird, mit dem Schandfleck bezeichnet. Auch wenn der Kaiser verabschiedet und dabei bemerkt haben sollte, er verabschiede zum Schimpf, wie er es gewöhnlich thut, so wird man nicht zweifeln, dass er [der Verabschiedete] auch nach dem Edict des Prätors mit dem Schandfleck der Infamie bezeichnet sei; jedoch nicht, wenn ihm ohne Unwillen des Kaisers ein Nachfolger gegeben worden ist. 1Ein Heer nennen wir aber nicht eine einzige Cohorte, auch nicht einen einzigen Flügel, sondern eine sehr grosse Anzahl Soldaten; denn von dem sagen wir, er stehe einem Heer vor, welcher eine Legion, oder [mehrere] Legionen, mit ihren Hülfstruppen, die ihm vom Feldherrn anvertraut sind, führt (administrat). Aber hier werden wir auch den, welcher aus irgend einer Anzahl Soldaten verabschiedet ist, so ansehen (accipiemus), als wäre er aus dem Heere verabschiedet. 2Zum Schimpf verabschiedet, dies ist darum hinzugefügt, weil es viele Gattungen der Verabschiedungen gibt. Es gibt eine ehrenvolle, welche nach beendigten Dienstjahren (emeritis stipendiis) oder vorher vom Feldherrn gegeben wird; und eine aus bestimmten Gründen (causaria), welche wegen Krankheit von den Beschwerlichkeiten des Kriegsdienstes befreit. Es gibt eine schimpfliche; schimpflich ist aber die Verabschiedung so oft, als der, welcher verabschiedet, namentlich beifügt, er verabschiede zum Schimpf; immer nämlich muss er beifügen, warum der Soldat verabschiedet werde. Aber auch, wenn er ihn seines Eides entlassen, d. h. der militärischen Ehrenzeichen beraubt haben, sollte, bewirkt er, dass er unter die Infamen gehöre, wenngleich er nicht beigefügt hätte, dass er ihn zum Schimpf des Eides entlassen habe. Es gibt auch eine vierte Gattung der Verabschiedung, wenn Jemand, um der Uebernahme von Aemtern zu entgehen, sich dem Kriegsdienst unterzogen hätte; diese Verabschiedung aber verletzt die bürgerliche Ehre nicht, wie sehr oft rescribirt worden ist. 3Ein Soldat, welcher nach dem Julischen Gesetz über Ehebruch verurtheilt sein sollte, ist so infam, dass ihn auch das Urthel selbst vom Eid zum Schimpf entbindet. 4Denen aber, welche mit Schimpf verabschiedet sind, ist es weder in der Stadt, noch irgendwo sonst wo der Feldherr sich befindet, zu verweilen erlaubt. 5Der Prätor sagt: Wer auf der Bühne aufgetreten sein sollte, ist infam. Die Bühne ist, wie Labeo ihren Begriff bestimmt, was, um Spiele anzustellen, an einem beliebigen Ort, wo Jemand steht und sich bewegt, um ein Schauspiel durch seine Person zu geben, aufgestellt ist, [sei es nun] an einem öffentlichen oder Privatort, oder auf einer Strasse; jedoch an einem solchen Ort, wo ohne Unterschied Menschen des Schauspiels wegen zugelassen werden. Dass nämlich die, welche wegen Gewinn in Wettkämpfe sich einlassen, und alle wegen Belohnung auf der Bühne Aufgetretenen, infam seien, haben Pegasus und Nerva zum Bescheid gegeben.
3Gaius libro primo ad edictum provinciale. Qui autem operas suas locavit, ut prodiret artis ludicrae causa neque prodit, non notatur: quia non est ea res adeo turpis, ut etiam consilium puniri debeat.
3Gaj. lib. I. ad Edict. provinc. Wer aber seine Dienste verdungen hat, um als Schauspieler aufzutreten, aber nicht auftritt, wird nicht mit einem Schandfleck bezeichnet; weil diese Sache nicht so sehr schändlich ist, dass selbst der Vorsatz bestraft werden müsste.
4Ulpianus libro sexto ad edictum. Athletas autem Sabinus et Cassius responderunt omnino artem ludicram non facere: virtutis enim gratia hoc facere. et generaliter ita omnes opinantur et utile videtur, ut neque thymelici neque xystici neque agitatores nec qui aquam equis spargunt ceteraque eorum ministeria, qui certaminibus sacris deserviunt, ignominiosi habeantur. 1Designatores autem, quos Graeci βραβευτὰς appellant, artem ludicram non facere Celsus probat, quia ministerium, non artem ludicram exerceant. et sane locus iste hodie a principe non pro modico beneficio datur. 2Ait praetor: ‘qui lenocinium fecerit’. lenocinium facit qui quaestuaria mancipia habuerit: sed et qui in liberis hunc quaestum exercet, in eadem causa est. sive autem principaliter hoc negotium gerat sive alterius negotiationis accessione utatur (ut puta si caupo fuit vel stabularius et mancipia talia habuit ministrantia et occasione ministerii quaestum facientia: sive balneator fuerit, velut in quibusdam provinciis fit, in balineis ad custodienda vestimenta conducta habens mancipia hoc genus observantia in officina), lenocinii poena tenebitur. 3Pomponius et eum, qui in servitute peculiaria mancipia prostituta habuit, notari post libertatem ait. 4Calumniator ita demum notatur, si fuerit calumniae causa damnatus: neque enim sufficit calumniatum: item praevaricator. praevaricator autem est quasi varicator, qui diversam partem adiuvat prodita causa sua: quod nomen Labeo a varia certatione tractum ait, nam qui praevaricatur, ex utraque parte constitit, quin immo ex adversa. 5Item ‘si qui furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, de dolo malo suo nomine damnatus pactusve erit’ simili modo infames sunt,
4Ulp. lib. VI. ad Edict. Dass aber die Athleten ganz und gar keine Schauspielerkunst treiben, haben Sabinus und Cassius zum Bescheid gegeben; sie thäten es nämlich, um ihre Tapferkeit [zu zeigen]. Und im Allgemeinen sind Alle der Meinung, und scheint es billig zu sein, dass weder die Mitglieder des Chors (thymelici), noch die, welche sich im Fechten üben (rystici), noch die Wagenlenker, noch die, welche Wasser für die Pferde sprengen, und die übrigen Verrichtungen derer, welche in den heiligen Wettkämpfen dienen, für beschimpft zu halten seien. 1Dass die Anordner und Richter in den Kampfspielen (designatores) aber, welche die Griechen βραβευτὰς nennen, die Schauspielerkunst nicht treiben, [diese Meinung] billigt Celsus, weil sie sich mit einem Dienst, nicht mit der Schauspielerkunst beschäftigen. Und in der That wird jene Stelle heutzutage vom Kaiser nicht als eine gewöhnliche Begünstigung verliehen. 2Der Prätor sagt: Wer Hurenwirthschaft getrieben haben sollte; Hurenwirthschaft treibt, wer Sclavinnen des Gewinns halber (quaestuaria mancipia) halten sollte, aber auch, wer mit freien Menschen diesen Gewinn treibt, befindet sich in demselben Verhältniss. Mag er aber hauptsächlich dieses Geschäfttreiben, oder nebenbei sich mit einer andern Beschäftigung abgeben, wie wenn er ein Gastwirth war, oder ein Stallwirth (stabularius), und solche Sclavinnen hielt, welche bedienten und bei Gelegenheit der Bedienung [mit ihrem Körper] Gewinn trieben, oder wenn er ein Bademeister (balneator) gewesen sein sollte, der, wie es in einigen Provinzen geschieht, in den Bädern zur Bewachung der Kleider Sclavinnen der Art, welche in der Badeanstalt (officina) aufwarteten, gedungen hatte — so wird er der Strafe der Hurenwirthschaft verfallen. 3Pomponius sagt, dass auch der, welcher in der Sclaverei eigene Sclavinnen, welche sich Preis gaben, hielt, nachdem er die Freiheit wiedererlangt, mit einem Schandfleck bezeichnet werde. 4Ein Chicaneur wird nur dann mit einem Schandfleck bezeichnet, wenn er der Chicane wegen verurtheilt sein sollte; es reicht nämlich nicht hin, dass er chicanirt habe. Ingleichen der Prävaricator; ein Prävaricator ist aber gleichsam varicator55D. h. einer, der mit den Füssen in die Queere geht, grätschelt; daher im abgeleiteten Sinne praevaricator soviel ist, als einer, der in seiner Pflicht nicht geraden Schritt hält. Es musste der lateinische Ausdruck beibehalten werden, da, wenn wir auch für praevaricator Pflichtübertreter, und für varicator Uebertreter gebrauchen wollten, diese Worte doch nnicht zu der gleichfolgenden etymologischen Anspielung des Labeo passen würden., der die andere Partei unterstützt, nachdem er seine Rechtssache verrathen hat. Und dieser Name, sagt Labeo, sei a varia certatione (vom veränderlichen Streit), hergenommen; denn wer als Prävaricator handelt (praevaricatur), steht auf beiden Seiten, ja sogar auf der gegnerischen. 5Ingleichen wenn Jemand wegen Diebstahls, Raubs, Ehrenkränkungen, wegen böser Absicht auf seinen Namen verurtheilt sein oder [deshalb] sich durch einen Vertrag abgefunden haben wird [so soll er infam sein],
5Paulus libro quinto ad edictum. quoniam intellegitur confiteri crimen qui paciscitur.
5Paul. lib. V. ad Edict. weil der, welcher sich durch einen Vertrag abfindet, so angesehen wird, als bekenne er das Verbrechen.
6Ulpianus libro sexto ad edictum. ‘Furti’ accipe sive manifesti sive nec manifesti. 1Sed si furti vel aliis famosis actionibus quis condemnatus provocavit, pendente iudicio nondum inter famosos habetur: si autem omnia tempora provocationis lapsa sunt, retro infamis est: quamvis si iniusta appellatio eius visa sit, hodie notari puto, non retro notatur. 2Si quis alieno nomine condemnatus fuerit, non laborat infamia: et ideo nec procurator meus vel defensor vel tutor vel curator vel heres furti vel ex alia simili specie condemnatus infamia notabuntur, nec ego, si ab initio per procuratorem causa agitata est. 3‘Pactusve’ inquit ‘erit’: pactum sic accipimus, si cum pretio quantocumque pactus est: alioquin et qui precibus inpetravit ne secum ageretur erit notatus nec erit veniae ulla ratio, quod est inhumanum. 4Qui iussu praetoris pretio dato pactus est, non notatur. 4aSed et si iureiurando delato iuraverit quis se non deliquisse, non erit notatus: nam quodammodo innocentiam suam iureiurando adprobavit. 5‘Mandati condemnatus’: verbis edicti notatur non solum qui mandatum suscepit, sed et is, qui fidem, quam adversarius secutus est, non praestat. ut puta fideiussi pro te et solvi: mandati te si condemnavero, famosum facio. 6Illud plane addendum est, quod interdum et heres suo nomine damnatur et ideo infamis fit, si in deposito vel in mandato male versatus sit: non tamen in tutela vel pro socio heres suo nomine damnari potest, quia heres neque in tutelam neque in societatem succedit, sed tantum in aes alienum defuncti. 7Contrario iudicio damnatus non erit infamis: nec immerito. nam in contrariis non de perfidia agitur, sed de calculo, qui fere iudicio solet dirimi.
6Ulp. lib. VI. ad Edict. Wegen Diebstahls verstehe [so]: es mag nun ein öffentlicher oder heimlicher sein. 1Aber wenn ein wegen Diebstahls oder auf andere Klagen, die Infamie nach sich ziehen, Verurtheilter appellirt hat, so wird er, so lange die Untersuchung schwebt, noch nicht unter die Infamen gerechnet; wenn aber alle Zeiten der Appellation verstrichen sind, so ist er mit rückwirkender Kraft (retro) infam; obgleich, wenn seine Appellation als eine ungerechte erschienen ist, ich glaube, dass er vom heutigen Tage an (hodie) mit einem Schandfleck bezeichnet wird, nicht mit rückwirkender Kraft66Unser Text fügt mit der Florent. Handschrift notatur bei, in der Anm. 12 steht jedoch, dass es passend von Haloanderausgelassen sei. Jedenfalls stört es, wenn es in der Uebersetzung berücksichtigt wird.. 2Wenn Jemand auf fremden Namen verurtheilt sein wird, so ist er nicht mit der Infamie behaftet, und darum werden auch nicht mein Geschäftsbesorger, oder Vertheidiger, oder Vormund, oder Curator, oder Erbe, [sobald einer von ihnen] wegen Diebstahls oder wegen eines andern ähnlichen Falls verurtheilt worden ist, mit dem Schandfleck der Infamie bezeichnet werden; auch ich nicht, wenn vom Anfang an der Process durch den Geschäftsbesorger verhandelt worden ist. 3Oder sich durch einen Vertrag abgefunden hat, sagt [der Prätor]; durch einen Vertrag verstehen wir so, wenn er sich gegen einen Preis, er sei so gross, wie er wolle, abgefunden hat; sonst werde (erit) auch der, welcher durch Bitten es erlangt hat, dass mit ihm nicht verfahren werde, mit einem Schandfleck bezeichnet sein, und es werde keine Rücksicht auf Verzeihung Statt finden, was unmenschlich ist. 4Wer auf Befehl des Prätors sich mit Bezahlung eines Preises abgefunden hat, wird nicht mit dem Schandfleck bezeichnet. 4aAber auch wenn Jemand mit einem [ihm] angetragenen Eid beschworen hat, er habe nichts begangen, so wird er nicht mit dem Schandfleck bezeichnet sein; denn er hat gewissermaassen seine Unschuld durch den Eid erwiesen. 5Beim Auftrag verurtheilt; durch diese Worte des Edicts wird nicht blos der mit dem Schandfleck bezeichnet, der den Auftrag übernommen hat, sondern auch der, welcher das Versprechen, dem der Gegner gefolgt ist, nicht hält; z. B. ich habe für dich gebürgt und bezahlt; bewirke ich nun, dass du wegen des Auftrags verurtheilt wirst77Mandati te si condemnavero, d. h. si effecero, ut condemnareris. Ueber die Bedeutung des Wortes condemnare s. v. Glück a. a. O. Th. 15. S. 321. Anm. 90; sie ist auch bei Cicero zu finden, vergl. Schütz. Lex. Cic. s. h. v., so mache ich dich zu einem Infamen. 6Das freilich88Plane. Dies Wort gebrauchen die Römischen Juristen in der angegebenen Bedeutung sehr häufig. muss beigefügt werden, dass zuweilen auch der Erbe auf eigenen Namen verurtheilt und darum infam wird, wenn er beim Niederlegungsvertrage oder beim Auftragscontracte schlecht verfahren sein sollte. Jedoch aus der Vormundschaft oder dem Gesellschaftsvertrage kann der Erbe nicht auf eigenen Namen verurtheilt werden, weil der Erbe weder in [die Verbindlichkeit der Vormundschaft, noch in die des Gesellschaftsvertrags folgt, sondern nur in die Schulden des Verstorbenen. 7Ein durch die Gegenklage Verurtheilter wird nicht infam sein; und nicht mit Unrecht: denn bei Gegenklagen wird nicht wegen einer Treulosigkeit geklagt, sondern wegen einer Berechnung, über die insgemein durch eine Klage [oder vor Gericht] entschieden zu werden pflegt.
7Paulus libro quinto ad edictum. In actionibus, quae ex contractu proficiscuntur, licet famosae sint et damnati notantur, attamen pactus non notatur, merito: quoniam ex his causis non tam turpis est pactio quam ex superioribus.
7Paul. lib. V. ad Edictum. Bei Klagen, die aus einem Vertrag entspringen, wenn sie auch sonst Infamie zur Folge haben und die Verurtheilten mit dem Schandfleck bezeichnet werden, wird dennoch der, welcher sich durch einen Vertrag abgefunden hat, nicht mit dem Schandfleck bezeichnet; mit Recht, weil aus diesen Gründen das Abfinden durch Vertrag nicht so schändlich ist, als aus den oben angegebenen.
8Ulpianus libro sexto ad edictum. ‘Genero’ inquit ‘mortuo’: merito adiecit praetor: ‘cum eum mortuum esse sciret’, ne ignorantia puniatur. sed cum tempus luctus continuum est, merito et ignoranti cedit ex die mortis mariti: et ideo si post legitimum tempus cognovit, Labeo ait ipsa die et sumere eam lugubria et deponere.
8Ulp. lib. VI. ad Ed. Nachdem sein Schwiegersohn gestorben ist, sagt [der Prätor]. Mit Recht hat der Prätor hinzugefügt: da er wusste, dass er gestorben sei, damit nicht die Unwissenheit bestraft werde; doch da die Trauerzeit eine ununterbrochene ist, so läuft sie mit Recht auch für [die Frau], welche [den Tod] nicht wusste, vom Tage des Todes des Ehemanns an. Und darum, sagt Labeo, wenn [die Gattin] nach Ablauf der gesetzlichen Zeit [den Tod ihres Mannes] erfahren hat, ziehe sie sowohl an demselben Tage die Trauerkleider an, als lege sie auch dieselben ab.
9Paulus libro quinto ad edictum. Uxores viri lugere non compelluntur. 1Sponsi nullus luctus est.
9Paul. lib. V. ad Ed. Die Männer werden nicht genöthigt werden, ihre Gattinnen zu betrauern. 1Wegen eines Bräutigams findet. keine Trauer Statt.
10Idem libro octavo ad edictum. Solet a principe impetrari, ut intra legitimum tempus mulieri nubere liceat. 1Quae virum eluget, intra id tempus sponsam fuisse non nocet.
10Idem. lib. VIII. ad Ed. Es pflegt vom Kaiser erlangt zu werden, dass es der Gattin erlaubt sei, innerhalb der gesetzlichen Zeit [der Trauer] zu heirathen. 1Es schadet nichts, dass die, welche ihren Gatten betrauert, innerhalb der [Trauer-] Zeit Braut gewesen sei.
11Ulpianus libro sexto ad edictum. Liberorum autem et parentium luctus impedimento nuptiis non est. 1Etsi talis sit maritus, quem more maiorum lugeri non oportet, non posse eam nuptum intra legitimum tempus collocari: praetor enim ad id tempus se rettulit, quo vir elugeretur: qui solet elugeri propter turbationem sanguinis. 2Pomponius eam, quae intra legitimum tempus partum ediderit, putat statim posse nuptiis se collocare: quod verum puto. 3Non solent autem lugeri, ut Neratius ait, hostes vel perduellionis damnati nec suspendiosi nec qui manus sibi intulerunt non taedio vitae, sed mala conscientia: si quis ergo post huiusmodi exitum mariti nuptum se collocaverit, infamia notabitur. 4Notatur etiam ‘qui eam duxit’, sed si sciens: ignorantia enim excusatur non iuris, sed facti. excusatur qui iussu eius, in cuius potestate erat, duxerit, et ipse, qui passus est ducere, notatur, utrumque recte: nam et qui obtemperavit, venia dignus est et qui passus est ducere, notari ignominia.
11Ulp. lib. VI. ad Ed. Die Trauer der Kinder aber und der Eltern ist für die Heirath kein Hinderniss. 1Auch wenn es ein solcher Ehemann sein sollte, der nach der Sitte der Vorfahren nicht betrauert werden muss, könne sie innerhalb der gesetzlichen [Trauer-] Zeit sich nicht verheirathen; der Prätor hat sich nämlich auf die Zeit bezogen, in welcher der Mann betrauert werden würde; und der pflegt wegen der [zu befürchtenden] Vermischung des Bluts betrauert zu werden. 2Ad Dig. 3,2,11,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 22, Note 3.Pomponius glaubt, dass die, welche innerhalb der gesetzlichen [Trauer-] Zeit geboren haben sollte, sogleich sich verheirathen könne; und dies glaube ich ist wahr. 3Es pflegen aber nicht betrauert zu werden, wie Neratius sagt, Feinde, oder wegen Hochverraths Verurtheilte, auch nicht, die sich erhängt haben, noch die, welche nicht aus Lebensüberdruss, sondern aus bösem Gewissen, Hand an sichgelegt haben. Nichts desto weniger wird [eine Frau], wenn sie nach dem Tode eines Ehemannes der Art sich verheirathet haben sollte, mit dem Schandfleck der Infamie bezeichnet werden. 4Mit dem Schandfleck wird auch bezeichnet, wer sie geheirathet hat, doch [nur], wenn er [es] wissentlich [gethan hat]; die Unwissenheit wird nämlich entschuldigt, nicht die des Rechts, sondern dessen, was geschehen ist. (facti). Es wird entschuldigt, wer auf Befehl desjenigen, in dessen Gewalt er war, [eine solche Frau] geheirathet haben sollte; der selbst aber, der diese Heirath (ducere) geduldet haben sollte, wird mit dem Schandfleck bezeichnet. Beides mit Recht, denn sowohl der, welcher gehorcht hat, ist der Verzeihung würdig, als auch der, welcher die Heirath geduldet hat, [ist werth], dass er mit Schimpf bezeichnet werde.
12Paulus libro quinto ad edictum. Qui iussu patris duxit, quamvis liberatus potestate patria eam retinuit, non notatur.
12Paul. lib. V. ad Ed. Wer auf Befehl des Vaters [eine solche Frau] geheirathet hat, wird, obwohl er, von der väterlichen Gewalt befreit, sie, [als Gattin] behalten hat, nicht mit dem Schandfleck bezeichnet.
13Ulpianus libro sexto ad edictum. Quid ergo si non ducere sit passus, sed posteaquam duxit ratum habuerit? ut puta initio ignoravit talem esse, postea scit? non notabitur: praetor enim ad initium nuptiarum se rettulit. 1Si quis alieno nomine bina sponsalia constituerit, non notatur, nisi eius nomine constituat, quem quamve in potestate haberet: certe qui filium vel filiam constituere patitur, quodammodo ipse videtur constituisse. 2Quod ait praetor ‘eodem tempore’, non initium sponsaliorum eodem tempore factum accipiendum est, sed si in idem tempus concurrant. 3Item si alteri sponsa, alteri nupta sit, ex sententia edicti punitur. 4Cum autem factum notetur, etiamsi11Die Großausgabe liest etiam si statt etiamsi. cum ea quis nuptias vel sponsalia constituat, quam uxorem ducere vel non potest vel fas non est, erit notatus. 5Ex compromisso arbiter infamiam non facit, quia non per omnia sententia est. 6Quantum ad infamiam pertinet, multum interest, in causa quae agebatur causa cognita aliquid pronuntiatum sit an quaedam extrinsecus sunt elocuta: nam ex his infamia non inrogatur. 7Poena gravior ultra legem imposita existimationem conservat, ut et constitutum est et responsum. ut puta si eum, qui parte bonorum multari debuit, praeses relegaverit: dicendum erit duriori sententia cum eo transactum de existimatione eius idcircoque non esse infamem. sed si in causa furti nec manifesti in quadruplum iudex condemnavit, oneratum quidem reum poena aucta, nam ex furto non manifesto in duplum conveniri debuit: verum hanc rem existimationem ei non conservasse, quamvis, si in poena non pecuniaria eum onerasset, transactum cum eo videtur. 8Crimen stellionatus infamiam irrogat damnato, quamvis publicum non est iudicium.
13Ulp. lib. VI. ad Ed. Wie also, wenn er nicht die Heirath geduldet, sondern, nachdem [der, welcher in seiner Gewalt ist] geheirathet hat, es genehmigt haben sollte? Z. B. im Anfang hat er nicht gewusst, dass [die Frau] eine solche sei, nachher weiss er es, so wird er nicht mit dem Schandfleck bezeichnet; der Prätor hat sich nämlich auf den Anfang der Ehe bezogen. 1Wenn Jemand in fremdem Namen zwei Eheverlöbnisse abgeschlossen haben sollte, so wird er nicht mit dem Schandfleck bezeichnet, wenn er sie nicht im Namen desjenigen, der, oder derjenigen, die er in seiner Gewalt hatte, abschliesst; gewiss scheint, der, welcher duldet, dass sein Sohn oder seine Tochter [zwei Eheverlöbnisse] abschliessen, sie gewissermaassen selbst abgeschlossen zu haben. 2Wenn der Prätor sagt: zu derselben Zeit, so ist [darunter] nicht der Anfang von Eheverlöbnissen, die zu derselben Zeit eingegangen sind, zu verstehen, sondern [der Fall], wenn sie in dieselbe [id] Zeit zusammentreffen. 3Ingleichen, wenn [Eine] dem Einen verlobt, mit dem Andern verheirathet sein sollte, so wird sie nach dem Sinn (sententia) des Edicts bestraft. 4Da aber die That mit dem Schandfleck bezeichnet wird, so wird, wenn auch Jemand mit einer solchen eine Ehe oder ein Eheverlöbniss abschliessen sollte, die er entweder nicht heirathen kann, oder nicht darf99D. h. wenn auch eine von zwei zu derselben Zeit bestehenden Verlobungen oder Ehen ungültig sein sollte, so wird doch der, welcher sie einging, mit der infamie belegt, weil er dem Edict zuwider handelte, wenngleich nur eine seiner Verlobungen oder Ehen ihrer Natur nach möglich sein und er also dem Rechte nach nur eine Verlobung oder eine Ehe geschlossen haben sollte., er [doch] mit dem Schandfleck bezeichnet sein. 5Ein durch gegenseitige Versprechung erwählter (ex compromisso) Schiedsrichter bewirkt keine Infamie, weil [sein Ausspruch] nicht durchgängig wie ein Urthel gilt. 6Soviel die Infamie betrifft, so ist ein grosser Unterschied bei dem Process, der verhandelt wurde, ob etwas nach vorgängiger Untersuchung der Streitsache erkannt wurde, oder einige ausserhalb der Sache liegende Punkte (quaedam extrinsecus) ausgesprochen sein sollten; denn wegen dieser wird die Infamie nicht zuerkannt. 7Eine Strafe, die schwerer, als sie das Gesetz vorschreibt (gravior ultra legem), auferlegt ist, erhält die bürgerliche Ehre aufrecht, wie sowohl durch [kaiserliche] Constitutionen festgesetzt (constitutum), als auch [von Rechtsgelehrten] zum Bescheid gegeben worden ist; z. B. wenn der Präsident den, welcher um einen Theil seines Vermögens bestraft werden musste, Landes verwiesen haben sollte, so wird man sagen müssen, dass durch das härtere Urthel mit ihm über seine bürgerliche Ehre ein Vergleich abgeschlossen und er deshalb nicht infam sei. Aber wenn im Process wegen eines heimlichen Diebstahls der Richter zum Vierfachen verurtheilt hat, so [wird man sagen müssen] sei zwar der Beklagte durch die vermehrte Strafe beschwert, denn wegen eines heimlichen Diebstahls musste er aufs Zweifache belangt werden, dennoch aber habe dieser Umstand ihm die bürgerliche Ehre nicht aufrecht erhalten, obgleich, wenn [der Richter] ihn bei einer nicht in Geld bestehenden Strafe beschwert hätte, mit ihm ein Vergleich abgeschlossen zu sein scheinen würde. 8Das Verbrechen des Stellionatus1010Stellionatus war im Röm. Recht der Name für die Fälle des Betrugs, die im Cornelischen Gesetz von Betrügereien nicht namentlich aufgeführt waren. Vergl. den 20. Titel des 47. Buchs der Pandecten. Wir haben kein Wort dafür. legt dem, welcher [deshalb] verurtheilt ist, die Infamie auf, obgleich es keine öffentliche Untersuchung [Anklage] ist.
14Paulus libro quinto ad edictum. Servus, cuius nomine noxale iudicium dominus acceperit, deinde eundem liberum et heredem instituerit, ex eodem iudicio damnatus non est famosus, quia non suo nomine condemnatur: quippe cum initio lis in eum contestata non sit.
14Paul. lib. V. ad Ed. Ein Sclave, in dessen Namen sich der Herr auf einen Schädenprocess eingelassen [und] den er sodann freigelassen und zum Erben eingesetzt hat, ist, wenn er in demselben Process verurtheilt worden, nicht infam, weil er nicht auf seinen Namen verurtheilt wird, da ja im Anfang der Streit nicht gegen ihn eingeleitet (lis in eum contestata) worden ist.
15Ulpianus libro octavo ad edictum. Notatur quae per calumniam ventris nomine in possessionem missa est, dum se adseverat praegnatem,
15Ulp. lib. VIII. ad Ed. Mit dem Schandfleck wird [die] bezeichnet, welche durch Chicane im Namen ihres noch ungebornen Kindes in [Nachlass-] Besitz gesetzt worden ist, indem sie versichert, sie sei schwanger,
16Paulus libro octavo ad edictum. cum non praegnas esset vel ex alio concepisset:
16Paul. lib. VIII. ad Ed. da sie nicht schwanger, oder von einem Andern geschwängert war:
17Ulpianus libro octavo ad edictum. debuit enim coerceri quae praetorem decepit. sed ea notatur, quae cum suae potestatis esset hoc facit.
17Ulp. lib. VIII. ad Ed. es musste nämlich die bestraft werden, welche den Prätor hinterging. Aber eine solche nur wird mit dem Schandfleck bezeichnet, welche dies thut, da sie frei über sich verfügen konnte (quum suae potestatis esset).
18Gaius libro tertio ad edictum provinciale. Ea, quae falsa existimatione decepta est, non potest videri per calumniam in possessione fuisse.
18Gaj. lib. III. ad Ed. provinc. Die, welche durch eine falsche Ansicht hintergangen ist, kann nicht so angesehen werden, als wäre sie durch Chicane im Besitz gewesen.
19Ulpianus libro octavo ad edictum. Non alia autem notatur quam ea, de qua pronuntiatum est calumniae causa eam fuisse in possessionem missam. idque et in patre erit servandum, qui calumniae causa passus est filiam, quam in potestate habebat, in possessionem ventris nomine mitti.
19Ulp. lib. VIII. ad Ed. Eine andere wird aber nicht mit dem Schandfleck bezeichnet, als die, über welche erkannt ist, sie sei aus Chicane in den Besitz gesetzt gewesen. Und das wird auch beim Vater beobachtet, welcher aus Chicane geduldet hat, dass seine Tochter, die er in seiner Gewalt hatte, in den [Nachlass-] Besitz im Namen ihres noch ungebornen Kindes gesetzt wurde.
20Papinianus libro primo responsorum. Ob haec verba sententiae praesidis provinciae ‘callido commento videris accusationis instigator fuisse’ pudor potius oneratur, quam ignominia videtur irrogari: non enim qui exhortatur mandatoris opera fungitur.
20Papin. lib. I. Respons. Wegen dieser Worte im Urthel des Präsidenten der Provinz: durch eine listige Erdichtung scheinst du ein Anreizer zur Anklage gewesen zu sein, wird mehr das Schamgefühl beschwert, als ein Schimpf auferlegt zu werden scheint; denn wer [zu etwas] ermahnt, vertritt nicht die Stelle (opera fungitur) eines Auftraggebers.
21Paulus libro secundo responsorum. Lucius Titius crimen intendit Gaio Seio quasi iniuriam passus atque in eam rem testationem apud praefectum praetorio recitavit: praefectus fide non habita testationis nullam iniuriam Lucium Titium passum esse a Gaio Seio pronuntiavit. quaero, an testes, quorum testimonium reprobatum est, quasi ex falso testimonio inter infames habentur. Paulus respondit nihil proponi, cur hi, de quibus quaeritur, infamium loco haberi debeant, cum non oportet ex sententia sive iusta sive iniusta pro alio habita alium praegravari.
21Paul. lib. II. Respons. Lucius Titius hat gegen den Cajus Sejus eine Anklage gerichtet1111Crimen intendit Cajo Sejo. Die Bedeutung des Wortes crimen für Anklage hat neuerdings Birnbaum im N. Arch. d. Crim. R. Bd. 9. St. 3. S. 339 flgde ausführlich erörtert. S. namentlich daselbst S. 346. Anm. 447., als hätte er [von diesem] eine Ehrenkränkung erlitten, und hat zu diesem Zweck die Zeugenaussage beim Präfectus Prätorio verlesen; der Präfectus hat, da er der Zeugenaussage keine Glaubwürdigkeit beimaass, erkannt, dass Lucius Titius keine Ehrenkränkung vom Cajus Sejus erlitten habe; nun frage ich, ob wegen falschen Zeugnisses unter die Infamen gerechnet werden? Paulus antwortet, dass nichts vorgebracht werde [nihil proponi kein Grund erhelle], warum die, von denen [hier] gehandelt wird, unter die Infamen gerechnet werden müssten, da aus einem Urthel, es sei ein gerechtes oder ungerechtes, das für den Einen gefällt ist, der Andere nicht zu seinem Nachtheil belästigt werden müsse.
22Marcellus libro secundo publicorum. Ictus fustium infamiam non importat, sed causa, propter quam id pati meruit, si ea fuit, quae infamiam damnato irrogat. in ceteris quoque generibus poenarum eadem forma statuta est.
22Marcell. lib. II. Publicorum. Stockschläge ziehen die Infamie nicht zu, sondern die Ursache, wegen welcher man dies zu leiden verdient hat, wenn sie eine solche war, die dem Verurtheilten die Infamie auferlegt. Auch bei den übrigen Gattungen der Strafen ist dieselbe Art und Weise festgesetzt worden.
23Ulpianus libro octavo ad edictum. Parentes et liberi utriusque sexus nec non et ceteri adgnati vel cognati secundum pietatis rationem et animi sui patientiam, prout quisque voluerit, lugendi sunt: qui autem eos non eluxit, non notatur infamia.
23Ulp. lib. VIII. ad Ed. Die Eltern und Kinder beiderlei Geschlechts, nicht weniger auch die übrigen Verwandten vom Vater oder der Mutter her sind nach Maassgabe der Liebe und nach dem Gemüthszustand (animi sui patientiam), so wie es nun ein Jeder will, zu betrauern; wer sie aber nicht betrauert hat, wird mit dem Schandfleck der Infamie nicht bezeichnet.
24Idem libro sexto ad edictum. Imperator Severus rescripsit non offuisse mulieris famae quaestum eius in servitute factum.
24Idem lib. VI. ad Ed. Der Kaiser Severus hat rescribirt, es schade dem guten Namen einer Frau der Gewinn, den sie in der Sclaverei [mit ihrem Körper] getrieben habe, nicht.
25Papinianus libro secundo quaestionum. Exheredatum quoque filium luctum habere patris memoriae placuit, idemque et in matre iuris est, cuius hereditas ad filium non pertinet. 1Si quis in bello ceciderit, etsi corpus eius non conpareat, lugebitur.
25Papin. lib. II. Quaestion. Es ist angenommen worden, dass auch ein enterbter Sohn das Andenken seines Vaters betrauern [müsse]; und dasselbe ist auch bei der Mutter Rechtens, deren Erbschaft dem Sohn nicht zukommt. 1Wenn Jemand im Krieg geblieben seyn sollte, so wird er betrauert werden, wenngleich sein Leichnam nicht zum Vorschein kommen sollte.