Quod falso tutore auctore gestum esse dicatur
(Wenn behauptet werden sollte, dass Etwas unter der Ermächtigung eines falschen1 Vormunds geschehen sei.)
1Falsus tutor ist derjenige Vormund, welcher ohne gesetzliche Befugniss bei einem Geschäft des Mündels mit einem Dritten seine Ermächtigung ertheilt hat, mag er wirklich Vormund sein, oder nicht. Er unterscheidet sich vom protutor hauptsächlich nur dadurch, dass dieser negotia gerit, jener auctoritatem interponit. S. v. Glück a. a. O. S. 303. ff.
1Ulp. lib. XII. ad Ed. Die Billigkeit dieses Edicts ist nicht zweifelhaft, damit nämlich die, welche [mit dem Mündel] contrahiren, nicht betrogen werden sollen, wenn ein falscher Vormund zugezogen wird. 1Die Worte des Edicts sind aber diese: Wenn [ein Geschäft] unter Ermächtigung eines solchen, sagt [der Prätor], welcher nicht Vormund sein wird, [geführt sein wird]. 2In den Worten des Edicts fehlt viel; denn wie, wenn er Vormund gewesen ist, jedoch ein solcher gewesen ist, welcher seine Ermächtigung nicht hat ertheilen können, z. B. ein Rasender, oder ein für einen anderen Bezirk Bestellter? 3Aber Pomponius schreibt im dreissigsten Buche, dass zuweilen, obwohl ein Geschäft von einem Nichtvormund geführt worden ist, es doch nicht zu diesem Theil des Edicts gehöre. Denn wie, wenn zwei Vormünder, der eine ein falscher, der andere ein wahrer, ihre Ermächtigung ertheilt haben sollten, wird das Geschäft, welches geführt worden ist, nicht gelten? 4Desgleichen schreibt Pomponius im dreissigsten Buche, dass dieses Edict, obwohl es in der Einzahl abgefasst sei, doch, wenn Mehrere eingetreten seien, welche nicht Vormünder waren, Statt haben müsse. 5Derselbe Pomponius schreibt, dass, wenn auch Einer, welcher als Protutor die Geschäfte führte, seine Ermächtigung ertheilt habe, nichts desto weniger dieses Edict Statt habe, wenn nicht etwa der Prätor entschieden hat, dass er das genehmigen werde, was unter der Ermächtigung solcher [falscher Vormünder] ausgeführt worden ist; dann nämlich wird es durch den Schutz des Prätors, nicht von Rechts wegen gelten. 6Der Prätor sagt: wenn der Kläger dies nicht gewusst hat, so werde ich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geben. Einem, der es wusste, kommt er nicht zu Hülfe; mit Recht, weil der sich selbst betrogen hat.
3Ulp. lib. XII. ad Ed. Freilich wenn er ein solcher sein sollte, welcher keiner Hülfe bedarf, so schadet ihm die Wissenschaft nicht, z. B. wenn ein Mündel mit einem Mündel [ein Geschäft] abgeschlossen hat; denn da [in einem solchen Fall] so gut wie nichts geschehen ist, so schadet die Wissenschaft nicht.
6Paul. lib. XII. ad Ed. Die Wissenschaft des Mündels ist nicht in Anschlag zu bringen, die seines Vormunds ist in Anschlag zu bringen; jeden Falls sagt man auch, wenn dem Mündel Sicherheit gegeben sein sollte, billiger, dass dem Mündel seine Sache zurückerstattet werde, als dass derselbe den ungewissen Ausgang [der Klage wegen] der Sicherheit versuche, und das Gutachten hat auch Julianus [für den Fall ertheilt,] wenn der Mündel sonst betrogen sei.
7Ulp. lib. XII. ad Ed. Zuletzt sagt der Prätor: Gegen den, der, da er nicht Vormund war, in böser Absicht seine Ermächtigung wird sollen gegeben haben, werde ich eine Klage geben, auf dass er in soviel Geld verurtheilt werde, als das volle Interesse betragen wird22Quanti ea res erit. Ueber diese Bedeutung des quanti ea res est, wo es sich nicht blos auf die reine aestimatio corporis bezieht, sondern auch die Nebendinge mit einschliesst, s. Gans üb. Röm. Obligat. R. S. 70. Anm. 4. S. auch v. Glück a. a. O. S. 309. f. u. 352.. 1Nicht immer wird der Vormund belangt, und es genügt nicht, wenn er wissentlich die Ermächtigung gegeben hat, sondern nur dann, wenn er in böser Absicht seine Ermächtigung gegeben hat. Wie, wenn er genöthigt, oder in der Furcht, dass er genöthigt werden möchte, seine Ermächtigung ertheilt haben sollte, wird er nicht entschuldigt sein müssen? 2Wenn der Prätor sagt: soviel das volle Interesse betragen wird, so glaube ich mehr, dass keine Strafe, sondern der wahre Betrag in diesen Worten enthalten sei. 3Pomponius schreibt richtig im dreissigsten Buche, dass auch auf die Kosten bei dieser Klage Rücksicht genommen werde, welche der Kläger dadurch haben wird, dass er mit der Wiedereinsetzungsklage klagt. 4Wenn es Mehrere sein sollten, welche ihre Ermächtigung gegeben haben, so werden, wenn [der Kläger] von Einem den Gegenstand der Verurtheilung in Empfang genommen hat, auch die Uebrigen befreit, nicht aber, wenn seine Wahl auf Einen gefallen ist33Perceptione ab uno facta et ceteri liberantur, non electione. Nicht dadurch werden die Uebrigen befreit, dass Einer belangt ist, sondern dadurch, dass Einer das Ganze geleistet hat..
9Ulp. lib. XII. ad Sabin. Pomponius schreibt im einunddreissigsten Buche, dass nach dem Muster dieser Klage eine Klage gegen den zu geben sei, welcher es mit böser Absicht dahin gebracht hat, dass ein Anderer unwissentlich seine Ermächtigung ertheilte. 1Labeo schreibt, dass diese Klagen auf das Geschehene zwar den Erben und übrigen Nachfolgern zukommen, gegen dieselben aber nicht gegeben werden, auch nach einem Jahre nicht gegen den [falschen Vormund] selbst, weil sie sowohl die Handlung bestrafen, als auch gegen die böse Absicht gerichtet werden, und gegen die Personen, welche fremdem Rechte unterworfen sind, werden sie Schädenklagen sein.
10Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. Wenn, da ein falscher Vormund seine Ermächtigung gab, geklagt sein, und unterdessen die Verjährungszeit (dies) abgelaufen, oder die Sache ersessen sein sollte, so muss er allen Nachtheil ebenso tragen, als wenn zu jener Zeit ein wahrer Vormund seine Ermächtigung gegeben, und so [der Kläger] geklagt hätte.
11Ulp. lib. XXXV. ad Ed. Ein falscher Vormund, welcher beim Contrahiren einem solchen, der jünger als zwölf, oder vierzehn Jahr war, seine Ermächtigung ertheilt haben wird, wird mit einer Klage auf das Geschehene wegen der bösen Absicht gehalten sein, in welcher Lage auch immer er gewesen sein möge, ob eigenen oder fremden Rechtens. 1Wer in böser Absicht seine Ermächtigung ertheilt haben wird, wird auf dieses Edict gehalten sein. 2Aber auch wenn Jemand einer Haustochter seine Ermächtigung zum Contrahiren ertheilt haben wird, so ist er gehalten. Und dasselbe ist Rechtens, wenn Jemand einer Sclavin unter Ermächtigung eines Vormunds dargeliehen haben sollte; denn in allen jenen Fällen wird der, welcher contrahirt hat, wegen des Vormunds betrogen, indem er anders nicht mit dem Unmündigen contrahirt haben würde, als wenn die Ermächtigung des Vormunds eingetreten wäre. 3Julianus handelt im einundzwanzigsten Buche der Digesta davon, ob diese Klage auch gegen den Vater gegeben werden müsse, welcher seine Tochter, die jünger als zwölf Jahre ist, verheirathet hätte; und er billigt es mehr, dass es dem Vater zu verzeihen sei, wenn er seine Tochter zeitiger in die Familie ihres Verlobten hat bringen wollen; denn er scheine dies mehr aus zu grosser Zuneigung, als in böser Absicht gethan zu haben. 4Wenn sie aber vor dem zwölften Jahre gestorben sei, da sie ein Heirathsgut hatte, so glaubt Julianus, dass, wenn der, welchem das Heirathsgut gehört, mit böser Absicht verfahren sei, der Ehemann denselben, wenn er condicire, in den Fällen mit der Einrede der bösen Absicht zurückweisen könne, in welchen er das Heirathsgut entweder ganz oder zum Theil, wenn die Ehe rechtsbeständig gewesen wäre, gewonnen haben würde.
12Idem lib. I. Resp. Ich habe das Gutachten ertheilt, das Jemand daraus, dass er auf Befragen geantwortet habe, er sei Vormund, auf keine Klage gehalten sei, wenn er jedoch, da er nicht Vormund war, durch seine Antwort den Pflegbefohlenen in irgend einen Nachtheil gebracht hat, so sei eine analoge Klage gegen denselben zu geben.