De contraria tutelae et utili actione
(Von der Gegen- und der analogen Vormundschaftsklage.)
1Ulp. lib. XXXVI. ad Ed. Der Prätor hat die Gegenvormundschaftsklage aufgestellt und zum Gebrauch eingeführt, damit die Vormünder desto leichter die Verwaltung übernehmen möchten, wenn sie wüssten, dass auch der Mündel ihnen in Folge ihrer Verwaltung verbindlich sein werde. Denn obwohl die Mündel ohne die Ermächtigung des Vormunds nicht verbindlich werden, auch der Vormund in seiner eigenen Angelegenheit den Mündel nicht verbindlich machen kann, so hat man dennoch angenommen, dass der Mündel seinem Vormund ohne Ermächtigung des Vormunds bürgerrechtlich verbindlich werde, nämlich in Folge der Verwaltung; denn man musste die Vormünder dazu auffordern, damit sie williger Etwas für den Mündel verwendeten, wenn sie [nämlich] wüssten, dass sie das, was sie verwendet hätten, zurückbekommen würden. 1Diese Klage muss nicht blos dem Vormund, sondern auch dem zustehen, der als Protutor11S. den 5. Tit. dieses Buchs. Geschäfte geführt hat. 2Aber auch wenn es ein Curator entweder eines Mündels, oder eines Minderjährigen, oder eines Rasenden, oder eines Verschwenders sein sollte, so muss man sagen, dass auch diesem die Gegenklage zu geben sei. Dasselbe ist auch bei dem Curator einer Leibesfrucht anzunehmen; und dies ist die Meinung des Sabinus gewesen, der der Meinung war, dass auch den übrigen Curatoren aus denselben Gründen die Gegenklage zu geben sei. 3Wir werden aber sagen, dass diese Klage dem Vormund dann zustehe, wenn [sein] Amt beendigt ist, sonst, so lange es dauert, steht sie noch nicht zu. Aber wenn er als Protutor1 Geschäfte geführt, oder auch eine Curatel verwaltet hat, so wird die Klage auch sogleich Statt haben, weil in diesem Falle auch gegen ihn die Klage sogleich zusteht. 4Ueberdies kann der, welcher mit der Vormundschaftsklage belangt werden wird, das in Anrechnung bringen, was er auf das Vermögen des Mündels verwendet hat; so wird es in dem Ermessen desselben stehen, ob er die Kosten aufrechnen, oder fordern will. Wie also, wenn der Richter keine Rücksicht auf die Aufrechnung desselben genommen hat, kann er [dann] mit der Gegenklage verfahren? Und er kann es allerdings; aber wenn diese Anrechnung verworfen worden ist, und er sich dabei beruhigt hat, so darf der Richter das bei der Gegenklage nicht wieder gut machen. 5Es fragt sich, ob in den Bereich dieser Klage nicht nur das komme, was für den Mündel oder auf sein Vermögen verwendet worden ist, sondern auch das, was dem Vormund sonst geschuldet wurde, z. B. wenn vom Vater des Mündels Etwas geschuldet gewesen ist; und ich glaube mehr, dass, da dem Vormund [deshalb] eine Klage unbenommen ist, dies nicht in die Gegenklage zu bringen sei. 6Wie jedoch, wenn er darum gewartet hat, weil er Vormund war, und darum [seine Forderung] nicht eingeklagt hat? Wir wollen sehen, ob er auf die Gegenklage Schadloshaltung erlange, und das ist mehr anzunehmen. Denn sowie er Alles, was er sonst nur immer zum Besten des Mündels ausgeführt hat, auf die Gegenklage [ersetzt] erlangen wird, so muss er auch das, was ihm selbst geschuldet wird, oder Sicherheit deswegen erlangen. 7Daher glaube ich, dass er auch, wenn irgend eine Verbindlichkeit aus einem Grund, welcher mit [dem Ablauf] einer [gewissen] Zeit aufhört, vorhanden gewesen ist, die Gegenvormundschaftsklage habe. 8Man nimmt an, dass diese Klage auch wenn mit der Vormundschaftsklage nicht geklagt werde, zu geben sei; denn zuweilen will der Mündel mit der Vormundschaftsklage deshalb nicht klagen, weil ihm nichts geschuldet wird, vielmehr noch mehr auf ihn verwendet worden ist, als ihm fehlt, und es ist [dann] der Vormund nicht zu verhindern, mit der Gegenklage zu klagen.
3Ulp. lib. XXXVI. ad Ed. Wie also, wenn [der Vormund] mehr auf den [Mündel] verwendet hat, als sich in dem Vermögen [desselben] befindet? Wir wollen sehen, ob er das erlangen könne; und Labeo hat geschrieben, dass er es könne. Es ist [dies] jedoch so zu verstehen, wenn es dem Mündel dienlich ist, dass die Vormundschaft so verwaltet werde; sonst wenn es [ihm] nicht dienlich ist, so muss man sagen, dass der Mündel freigesprochen werden müsse; denn es werden ja die Vormundschaften nicht zu dem Zweck verwaltet, damit die Mündel um ihr Vermögen kommen. Es wird daher der Richter, welcher in Folge der Gegenklage erkennt, auf den Nutzen des Mündels und darauf sehen, ob der Vormund seiner Pflicht getreu den Aufwand gemacht habe. 1Es ist zu untersuchen, ob die Gegenklage auch zu dem Behufe zustehe, um von dem Mündel Befreiung zu fordern. Und noch Niemand hat gesagt, dass ein [Vormund] zu dem Behuf mit der Gegenklage klagen könne, damit er von der Vormundschaftsklage befreit werde, sondern nur wegen dessen, was ihm um der Vormundschaft willen fehlt; er erlangt aber das Geld, welches er etwa von dem Seinigen ausgegeben hat, auch mit Zinsen, aber entweder mit vier vom Hundert, oder mit denen, welche in der Gegend in Gebrauch sind, oder mit denen, zu welchen er geborgt hat, wenn er nothwendig borgen musste, um es dem Mündel aus einem rechtmässigen Grunde vorzuschiessen, oder mit denen, von denen er den Mündel befreit hat, oder die der Vormund entbehrt hat, wenn es nämlich22Nimirum mit einigen alten Ausgaben statt nimium. Vergl. v. Glück XXXII. S. 272. Anm. 26. dem Mündel von Nutzen gewesen ist, dass das Geld bezahlt worden ist. 2Freilich wenn der Vormund etwa einiges Geld des Mündels auf Zinsen hätte ausleihen sollen33Und weil er es nicht gethan hat, eigentlich Zinsen leisten muss. Es werden hier die beiderseitigen Zinsenforderungen compensirt., einiges selbst für den Mündel gezahlt hat, so erlangt er weder selbst Zinsen, noch wird er dem Mündel [Zinsen] leisten. 3Deshalb hört er auch [dann], wenn er Geld des Mündels zu seinem Gebrauch verwendet hat, sodann Etwas auf das Mündelvermögen aufgewendet hat, auf, [das Geld,] welches er aufgewendet hat, [zu seinem Gebrauch] verwendet zu haben, und wird davon keine Zinsen leisten. Und wenn er vorher [Etwas] auf das Mündelvermögen aufgewendet, bald darauf [Etwas] zu seinem Gebrauch verwendet hat, so wird er den Betrag, welcher mit dem ihm [für den Aufwand] geschuldeten Betrag zusammenfällt, nicht [für sich] verwendet zu haben scheinen, sodass er keine Zinsen von jener Summe leistet. 4Wir wollen sehen, ob der Vormund die Zinsen für die Zeit, während welcher er Vormund ist, oder auch [für die Zeit] nach beendigter Vormundschaft, oder nur in Folge eines Verzugs erlangen wird; und es ist mehr dafür, dass er sie [für die ganze Zeit], bis ihm das Geld zurückgegeben wird, erlange, denn es darf das Geld für ihn nicht unfruchtbar sein. 5Wenn sich jedoch im Vermögen des Mündels [Geld] befunden hat, von welchem er die Zinsen hätte bekommen können, so muss man sagen, dass er von dem Mündel keine Zinsen fordern dürfe. 6Wie also, wenn er sich von dem Mündelgeld Nichts hat zahlen können, weil dasselbe zur Anschaffung von Grundstücken niedergelegt worden war? Wenn er es vom Prätor nicht verlangt hat, dass das [ihm schuldige] Geld davon genommen, oder um soviel weniger niedergelegt werden solle, so mag er es sich zurechnen; wenn er dies aber gefordert, und nicht erlangt hat, so muss man sagen, dass für ihn die Zinsen bei der Gegenklage nicht verloren gehen. 7Es genügt für den Vormund, die Geschäfte gut und fleissig geführt zu haben, wenn auch das, was ausgeführt worden ist, einen ungünstigen Erfolg gehabt hat. 8Auf die Gegenvormundschaftsklage wird auch das geleistet, was auf das Mündelvermögen vor der Vormundschaft, oder nach der Vormundschaft verwendet worden ist, wenn es als mit den zur Zeit der Vormundschaft geführten Geschäften zusammenhängend erwiesen wird; auch was vor der Vormundschaft aufgewendet worden ist, mag er als Protutor44S. die Bem. zur Ueberschrift des folg. Tit. die Geschäfte geführt haben, und nachher zum Vormund bestellt worden sein, oder Curator für die Leibesfrucht gewesen sein; aber auch wenn er die Geschäfte nicht als Protutor4 führte, muss [doch] das, was vorher aufgewendet worden ist, in [die Gegenklage] kommen; denn es wird bei der Vormundschaftsklage der Aufwand abgerechnet, welchen er nur immer auf das Mündelvermögen gemacht haben wird, jedoch [nur] dann, wenn er ihn im guten Glauben gemacht hat. 9Es ist bekannt, dass diese Klage eine immerwährende sei, sowohl dem Erben, als gegen den Erben, und gegen die übrigen Nachfolger, und [denen,] welche diese Sache angeht, und gegen dieselben gegeben werde.
4Julian. lib. XXI. Dig. Ein von der Vormundschaft Abgesetzter muss als in derselben Lage befindlich angesehen werden, in welcher er sich befinden würde, wenn die Vormundschaft beendigt wäre; und sowie er sich die Klagen [gegen sich] ebenso gefallen lassen muss, als wenn der Mündel mündig geworden wäre, so wird er mit der Gegenklage das, was ihm etwa fehlen wird, verfolgen dürfen; denn obwohl er Mehreres auf das Vermögen des Mündels verwendet hat, was er nicht verlieren muss, so verhindert das doch nicht, dass er ein verdächtiger Vormund sei.