Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 22 übersetzt von Schneider unter Redaction von Otto
Dig. XXII4,
De fide instrumentorum et amissione eorum
Liber vicesimus secundus
IV.

De fide instrumentorum et amissione eorum

(Von der Glaubwürdigkeit der Urkunden und dem Verluste derselben.)

1Pau­lus li­bro se­cun­do sen­ten­tia­rum. In­stru­men­to­rum no­mi­ne ea om­nia ac­ci­pien­da sunt, qui­bus cau­sa in­strui pot­est: et id­eo tam tes­ti­mo­nia quam per­so­nae in­stru­men­to­rum lo­co ha­ben­tur.

1Paul. lib. II. Sentent. Unter dem Wort instrumentum ist alles das zu verstehen, wodurch der Beweis einer Rechtssache geführt werden kann11Instrumentorum nomine ea omnia accipienda sunt, quibus causa instrui potest. Das Wort instrumentum hat eine doppelte Bedeutung, eine weitere, in welcher es in dieser Stelle genommen wird, für Beweismittel überhaupt, und eine engere, welche der Ueberschrift und anderen Stellen dieses Titels zum Grunde liegt. Causam instruere heisst dem Richter die Ueberzeugung von der Wahrheit einer Sache zu verschaffen suchen. S. v. Glück XXII. S. 4. ff.; und darum begreift man sowohl [schriftliche] Zeugnisse, als Personen unter [dem Wort] instrumentum.

2Idem li­bro quin­to sen­ten­tia­rum. Qui­cum­que a fis­co con­ve­ni­tur, non ex in­di­ce et ex­em­plo ali­cu­ius scrip­tu­rae, sed ex au­then­ti­co con­ve­nien­dus est et ita, si con­trac­tus fi­des pos­sit os­ten­di: ce­te­rum ca­lum­nio­sam scrip­tu­ram vim in iu­di­cio op­ti­ne­re non con­ve­nit.

2Idem lib. V. Sentent. Ein Jeder, der vom Fiscus belangt wird, ist nicht aus dem Auszug oder der Abschrift irgend einer Urkunde, sondern aus dem Original zu belangen; dies [findet dann Statt], wenn die Richtigkeit des Contracts nachgewiesen werden kann; sonst ist es nicht passend, dass eine falsche [wenn gleich Original-]Urkunde Kraft im Gericht erlange.

3Idem li­bro ter­tio re­spon­so­rum. Re­spon­dit re­pe­ti­ta qui­dem die cau­tio­nem in­ter­po­ni non de­buis­se, sed fal­si cri­men quan­tum ad eos, qui in hoc con­sen­se­runt, con­trac­tum non vi­de­ri, cum in­ter prae­sen­tes et con­ve­nien­tes res ac­ti­ta­ta sit ma­gis­que de­bi­tor quam cre­di­tor de­li­que­rit.

3Idem lib. III. Resp. [Paulus hat zum Bescheid gegeben,] dass der Schuldschein zwar auf einen zurückgesetzten Tag22Repetita die, d. h. so, dass der Schuldner einen früheren Tag, als den, an welchem die Schuld wirklich begründet worden war, in dem Schein angab. Geschah dies mit Einwilligung des Gläubigers und wurde dadurch keinem Anderen geschadet, so kann keiner den anderen als Verfälscher anklagen, am wenigsten der Schuldner den Gläubiger. S. v. Glück XXII. S. 15. f. nicht hätte ausgestellt werden sollen, dass aber das Verbrechen des Betrugs, soviel die, welche darein eingewilligt haben, betrifft, nicht begangen zu sein scheine, da die Sache zwischen solchen, welche gegenwärtig waren und darüber übereinkamen, verhandelt worden ist und eher der Schuldner, als der Gläubiger, sich vergangen hat.

4Gaius li­bro sin­gu­la­ri de for­mu­la hy­po­the­ca­ria. In re hy­po­the­cae no­mi­ne ob­li­ga­ta ad rem non per­ti­net, qui­bus fit ver­bis, sic­uti est et in his ob­li­ga­tio­ni­bus, quae con­sen­su con­tra­hun­tur: et id­eo et si­ne scrip­tu­ra si con­ve­nit, ut hy­po­the­cae sit, et pro­ba­ri pot­erit, res ob­li­ga­ta erit de qua con­ve­niunt. fiunt enim de his scrip­tu­rae, ut quod ac­tum est per eas fa­ci­lius pro­ba­ri pos­sit: et si­ne his au­tem va­let quod ac­tum est, si ha­beat pro­ba­tio­nem, sic­ut et nup­tiae sunt, li­cet tes­ta­tio si­ne scrip­tis ha­bi­ta est.

4Gaj. lib. sing. de formul. hypothec. Bei einer als Hypothek verbindlichen Sache macht es nichts aus, mit welchen Worten [die Verbindlichkeit] begründet wird33In unserem Text ist die Lesart der Florent. Hdsch. fit in sit verwandelt, in L. 4. D. de pignor. 20. 1. aber fit beibehalten. Zu einer Aenderung jener Lesart ist wohl kein hinreichender Grund vorhanden., sowie dies auch bei den Verbindlichkeiten der Fall ist, welche durch Einwilligung contrahirt werden; und darum wird auch, wenn man ohne eine Urkunde übereingekommen ist, dass eine Sache [Gegenstand] einer Hypothek sein solle, und man [dies] wird beweisen können, die Sache, über welche man übereingekommen ist, [als Hypothek] verbindlich sein. Man setzt aber darum Urkunden über solche [Geschäfte] auf, damit das, was verhandelt worden ist, durch sie desto leichter bewiesen werden könne; es gilt aber auch ohne dieselben das, was verhandelt worden ist, wenn es bewiesen werden kann, sowie auch die Ehe besteht, wenn gleich die Erklärung [der Einwilligung] nicht schriftlich geschehen ist.

5Cal­lis­tra­tus li­bro se­cun­do quaes­tio­num. Si res ges­ta si­ne lit­te­ra­rum quo­que con­sig­na­tio­ne ve­ri­ta­te fac­tum suum prae­beat, non id­eo mi­nus va­le­bit, quod in­stru­men­tum nul­lum de ea in­ter­ces­sit.

5Callistr. lib. II. Quaest. Wenn ein vorgefallenes Geschäft auch ohne schriftliche Aufzeichnung in der Wahrheit sich bewährt, so wird es darum, weil keine Urkunde über dasselbe dabei vorgekommen ist, nicht weniger gelten.

6Ul­pia­nus li­bro quin­qua­ge­si­mo ad edic­tum. Si de ta­bu­lis tes­ta­men­ti de­po­nen­dis aga­tur et du­bi­te­tur, cui eas de­po­ni opor­tet, sem­per se­nio­rem iu­nio­ri et am­plio­ris ho­no­ris in­fe­rio­ri et ma­rem fe­mi­nae et in­ge­nuum li­ber­ti­no prae­fe­re­mus.

6Ulp. lib. L. ad Ed. Wenn man über die Niederlegung von Testamentsschriften verhandeln und zweifeln sollte, bei wem sie niedergelegt werden müssen, so werden wir immer einen Aelteren einem Jüngeren, einen von grösserem Ansehn einem Geringeren, einen Mann einer Frau, und einen Freigebornen einem Freigelassenen vorziehen.