Dig. XXII2,
De nautico faenore
1Modestinus libro decimo pandectarum. Traiecticia ea pecunia est quae trans mare vehitur: ceterum si eodem loci consumatur, non erit traiecticia. sed videndum, an merces ex ea pecunia comparatae in ea causa habentur? et interest, utrum etiam ipsae periculo creditoris navigent: tunc enim traiecticia pecunia fit. 1Modestin. lib. X. Pandect. Trajecticia pecunia heisst das [Geld], welches über das Meer geführt wird; sonst, wenn es an demselben Orte verbraucht werden sollte, so wird es nicht trajecticia pecunia heissen. Aber es ist zu untersuchen, ob Waaren, welche mit solchem Gelde angeschafft worden sind, eben dahin gerechnet werden? Und es kommt darauf an, ob auch sie auf Gefahr des Gläubigers verschifft werden sollen, dann nämlich wird [ein] trajecticia pecunia [zu nennendes Darlehn] begründet.
2Pomponius libro tertio ex Plautio. Labeo ait, si nemo sit, qui a parte promissoris interpellari traiecticiae pecuniae possit, id ipsum testatione complecti debere, ut pro petitione id cederet. 2Pompon. lib. III. ex Plaut. Labeo sagt, wenn Niemand da sei, der von Seiten des Versprechers eines über das Meer zu versendenden Darlehns gemahnt werden könne, so müsse man eben dies in die Protestation aufnehmen, damit es als Forderung gelten könne22Wenn der Schuldner nicht da ist und also nicht zur Zahlung gemahnt werden kann, so soll eine diesen umstand hervorgehobene Protestation als Mahnung gelten und durch dieselbe der Verzug mit seinen Folgen begründet werden..
3Modestinus libro quarto regularum. In nautica pecunia ex eo die periculum spectat creditorem, ex quo navem navigare conveniat. 3Modestin. lib. IV. Regular. Bei einem Seeldarlehen33Nautica pecunia = trajecticia pecunia. trifft die Gefahr den Gläubiger von dem Tage an, an welchem das Schiff nach der Übereinkunft absegelt.
4Papinianus libro tertio responsorum. Nihil interest, traiecticia pecunia sine periculo creditoris accepta sit an post diem praestitutum et condicionem impletam periculum esse creditoris desierit. utrubique igitur maius legitima usura faenus non debebitur, sed in priore quidem specie semper, in altera vero discusso periculo: nec pignora vel hypothecae titulo maioris usurae tenebuntur. 1Pro operis servi traiecticiae pecuniae gratia secuti quod in singulos dies in stipulatum deductum est, ad finem centesimae non ultra duplum debetur. in stipulatione faenoris post diem periculi separatim interposita quod in ea legitimae usurae deerit, per alteram stipulationem operarum supplebitur. 4Papin. lib. III. Respons. Es macht keinen Unterschied, ob man ein über Meer zu versendendes Darlehn, ohne dass der Gläubiger die Gefahr übernahm, erhalten hat, oder ob es nach einem im Voraus festgesetzten Tage oder der Erfüllung einer Bedingung auf die Gefahr des Gläubigers zu stehen aufgehört habe; und in beiden Fällen wird also ein höherer, als der gesetzliche Zins, nicht geschuldet werden; jedoch in dem ersteren Falle immer, in dem anderen aber, nachdem [der Gläubiger für] die Gefahr [zu stehen] aufgehört hat44Discusso periculo. Ein über See zu versendendes Darlehn ist im juristischen Sinne nur dann vorhanden, wenn der Gläubiger die Gefahr trägt. Dann kann er sich höhere Zinsen, als die gewöhnlichen, versprechen lassen, und zwar vor Justinianus so, dass die Grösse der Zinsen der Uebereinkunft der Contrahenten überlassen war, seit Justinianus (L. 26. §. 1. C. de usur. 4. 32.) blos bis zu 12 Procent. Hat also der Gläubiger die Gefahr gar nicht übernommen, so bleibt es überall bei den gewöhnlichen Zinsen, hat er sie nur bis zu einer bestimmten Zeit übernommen, so können auch nur so lange höhere Zinsen gefordert werden.; auch werden die Pfänder oder Hypotheken unter dem Vorwand von höherem Zins nicht haften. 1Das, was für die Dienste eines Sclaven, welcher um eines übers Meer gehenden Darlehns willen [auf dem Schiffe] mitgefahren55Der Gläubiger pflegte nämlich mit der trajecticia pecunia einen Sclaven oder Freigelassenen zu schicken, damit derselbe namentlich, nachdem das Schiff an Orte seiner Bestimmung angelangt und der Termin der Rückzahlung des Darlehns eingetreten wäre, dasselbe vom Schuldner fordern und in Empfang nehmen sollte. Für den Fall nun, dass der Schuldner nicht zur gehörigen Zeit zahlte und so bewirkte, dass der Gläubiger die Dienste des mitgeschickten Sclaven noch länger entbehrte, war es gewöhnlich, dass der Gläubiger als Vergütung für die entbehrten Dienste sich Etwas stipulirte. Da eine solche Stipulation aber erst nach Beendigung der Seefahrt in Wirksamkeit trat, so sollte das, was der Gläubiger sich stipulirte, nach unserer Stelle die gewöhnlichen Zinsen nicht überschreiten dürfen. Der letzte Theil dieser Stelle ist von dem Fall zu verstehen, wo der Gläubiger sich auch noch Verzugszinsen, wenn der Schuldner nach geendigter Gefahr nicht zur gehörigen Zeit zahlen würde, stipulirte. S. v. Glück a. a. O. XXI. S. 105. 188. u. 197 ff. ist, für die einzelnen Tage in die Stipulation gebracht worden ist, wird [nur] bis auf Zwölf vom Hundert, [auch] nicht über das Doppelte [des Hauptstammes] hinaus geschuldet. Was in der Stipulation, welche über [die Leistung] von Zinsen nach der Zeit der Gefahr, besonders eingegangen worden ist, an den gesetzlichen Zinsen fehlen wird, das kann durch die audere Stipulation [wegen Vergeltung] der Dienste ergänzt werden.
5Scaevola libro sexto responsorum. Periculi pretium est et si condicione quamvis poenali non exsistente recepturus sis quod dederis et insuper aliquid praeter pecuniam, si modo in aleae speciem non cadat: veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent, ut ‘si non manumittas’, ‘si non illud facias’, ‘si non convaluero’ et cetera. nec dubitabis, si piscatori erogaturo in apparatum plurimum pecuniae dederim, ut, si cepisset, redderet, et athletae, unde se exhiberet exerceretque, ut, si vicisset, redderet. 1In his autem omnibus et pactum sine stipulatione ad augendam obligationem prodest. 5Scaevola lib. VI. Resp. Es findet auch dann eine Vergütung [für dei Uebernahme] der Gefahr Statt66Diese Stelle handlet von einer Ausdehung der bei der trajecticia pecunia geltenden Grundsätze auf solche Fälle, wo Jemand Geld so dargeliehen hat, dass es nur dann wiedergegeben werden sollte, wenn eine gewisse Bedingung eingetreten, oder nicht eingetreten sein würde. Auch in diesem Falle soll sich nämlich der Gläubiger für die Uebernahme der Gefahr des Verlustes seines Geldes höhere Zinsen als Vergütung ausbedingen dürfen. S. über diese ganze schwierige Stelle v. Glück a. a. O. S. 153 ff., wenn du auf den Fall, dass eine Bedingung, sei es auch eine Straf-[Bedingung], nicht eintritt, das, was du gegeben haben wirst, wiedererhalten wirst und überdies noch Etwas ausser dem Geld, wenn [das Geschäft] nur nicht in eine Art verbotenen Spieles übergeht, wie z. B. die [Geschäfte nicht verboten sind], aus welchen Condictionen77Condictiones für conditiones nach den Basilic. S. v. Glück a. a. O. S. 155. zu entstehen pflegen, wie: wenn du freilassen solltest, wenn du das nicht thun solltest, wenn ich nicht werde gesund werden und so weiter. Auch wird man [über den Fall] kein Bedenken tragen, wenn ich einem Fischer, der für die Werkzeuge [zum Fischfang] eine Ausgabe machen will, viel Geld [unter der Bedingung] gegeben haben sollte, dass er es mir [nur dann,] wenn er [Etwas] gefangen hätte, wiedergeben sollte, und [wenn ich] einem Wettkämpfer [Geld], mit welchem er [die Kosten für] seinen Unterhalt und seine körperlichen Uebungen bestreiten sollte88Unde se exhiberet exerceretque. Die athletae pflegten sich durch besondere kräftige Kost und durch Uebungen zum Wettkampf vorzubereiten. S. v. Glück a. a. O. S. 166 — In diesen beiden Fällen kann sich also der Gläubiger, weil er sein Geld verliert, wenn der Fischer Nichts fängt und der Wettkämpfer nicht siegt, höhere Zinsen stipuliren., [unter der Bedingung gegeben haben sollte,] dass er es [nur dann], wenn er gesiegt hätte, zurückgeben sollte. 1In allen diesen Fällen aber nützt auch ein Pactum ohne Stipulation zur Vermehrung der Verbindlichkeit.
6Paulus libro vicesimo quinto quaestionum. Faenerator pecuniam usuris maritimis mutuam dando quasdam merces in nave pignori accepit, ex quibus si non potuisset totum debitum exsolvi, aliarum mercium aliis navibus impositarum propriisque faeneratoribus obligatarum si quid superfuisset, pignori accepit. quaesitum est nave propria perempta, ex qua totum solvi potuit, an id damnum ad creditorem pertineat, intra praestitutos dies amissa nave, an ad ceterarum navium superfluum admitti possit. respondi: alias quidem pignoris deminutio ad damnum debitoris, non etiam ad creditoris pertinet: sed cum traiecticia pecunia ita datur, ut non alias petitio eius creditori competat, quam si salva navis intra statuta tempora pervenerit, ipsius crediti obligatio non exsistente condicione defecisse videtur, et ideo pignorum quoque persecutio perempta est etiam eorum, quae non sunt amissa. si navis intra praestitutos dies perisset, et condicionem stipulationis defecisse videri, ideoque sine causa de pignorum persecutione, quae in aliis navibus fuerunt, quaeri. quando ergo ad illorum pignorum persecutionem creditor admitti potuerit? scilicet tunc cum condicio exstiterit obligationis et alio casu pignus amissum fuerit vel vilius distractum vel si navis postea perierit, quam dies praefinitus periculo exactus fuerit. 6Paul. lib. XXV. Quaest. Ein Geldverleiher hat dafür, dass er Geld gegen Seezinsen darlieh, einige Waaren in dem Schiffe zum Pfand erhalten; und auf den Fall, dass von diesen [Waaren] nicht die ganze Schuld bezahlt werden könnte, hat er das, was von anderen Waaren, welche in andere Schiffe gelegt und besonderen Geldverleihern [als Pfänder] verbindlich waren, etwa übrig sein würde, zum Pfand erhalten; man hat gefragt, wenn [jenes] besonders [verpfändete] Schiff, aus welchem die ganze [Schuld] hätte bezahlt werden können, untergegangen sei, ob dieser Schaden den Gläubiger treffe, wenn das Schiff innerhalb der vorher festgesetzten Tage zu Grunde gegangen sei, oder ob er zu dem Ueberschuss auf den übrigen Schiffen zugelassen werden könne. Ich habe zum Bescheid gegeben: sonst gehört zwar eine Verminderung des Pfandes zum Schaden des Schuldners, nicht auch des Gläubigers; aber wenn Geld, welches über das Meer versendet werden soll, so dargeliehen wird, dass dem Gläubiger die Forderung desselben nicht anders zustehen solle, als wenn das Schiff wohlbehalten innerhalb der festgesetzten Zeit angelangt sein würde, so scheint, wenn die Bedingung nicht eintrat, die Verbindlichkeit des Darlehns selbst weggefallen zu sein. Und darum ist auch die Verfolgung der Pfänder untergegangen, auch derjenigen, welche nicht verloren gegangen sind, wenn das Schiff innerhalb der bestimmten Tage zu Grunde gegangen war, und es scheint auch die Bedingung der Stipulation weggefallen zu sein, und darum fragt man ohne Grund wegen der Verfolgung der Pfänder, welche in andern Schiffen sich befunden haben. Wann hätte also wohl der Gläubiger zur Verfolgung jener Pfänder zugelassen werden können? Dann, wenn die Bedingung der Verbindlichkeit eingetreten gewesen, und das Pfand durch einen andern Zufall verloren gegangen oder zu wohlfeil verkauft wäre, oder wenn das Schiff nachher, seitdem der für die Gefahr bestimmte Termin verflossen gewesen ist, zu Grunde gegangen wäre.
7Idem libro tertio ad edictum. In quibusdam contractibus etiam usurae debentur quemadmodum per stipulationem. nam si dedero decem traiecticia, ut salva nave sortem cum certis usuris recipiam, dicendum est posse me sortem cum usuris recipere. 7Idem lib. III. ad Ed. In einigen Contracten werden auch Zinsen [in Folge eines Pactums] auf eben die Weise geschuldet, wie vermöge einer Stipulation; denn wenn ich Zehn, welche übers Meer versendet werden sollen, [unter der Bedingung] gegeben haben werde, dass ich sie, wenn das Schiff wohlbehalten [angelangt sei], mit den bestimmten Zinsen zurückerhalten solle, so muss man sagen, dass ich den Hauptstamm mit den Zinsen zurückerhalten könne.
8Ulpianus libro septuagesimo septimo ad edictum. Servius ait pecuniae traiecticiae poenam peti non posse, si per creditorem stetisset, quo minus eam intra certum tempus praestitutum accipiat. 8Ulp. lib. LXXVII. ad Ed. Servius sagt, dass die Strafe99Unter der Strafe in dieser und der folg. Stelle ist das zu verstehen, wass sich der Gläubiger für den Fall, wenn der Schuldner mit der Wiederbezahlung der trajecticia pecunia in Verzug kommen würde, ausbedungen hat. wegen eines Darlehns, welches über das Meer versendet worden ist, nicht gefordert werden könne, wenn es an dem Gläubiger gelegen hätte, dass er es innerhalb der bestimmten Zeit nicht erhalten hat.
9Labeo libro quinto pithanon a Paulo epitomatorum. Si traiecticiae pecuniae poena (uti solet) promissa est, quamvis eo die, qui primus solvendae pecuniae fuerit, nemo vixerit, qui eam pecuniam deberet, tamen perinde committi poena potest, ac si fuisset heres debitoris. 9Labeo lib. V. Pithan. a Paulo epitom. Wenn bei dem Geld, welches über das Meer versendet worden ist, eine Strafe, wie es zu geschehen pflegt, versprochen worden ist, so kann, obwohl an dem Termin, welcher der erste für die Bezahlung des Geldes gewesen ist, Niemand gelebt hat, welcher jenes Geld schuldete, gleichwohl die Strafe ebenso verfallen, als wenn ein Erbe des Schuldners vorhanden gewesen wäre.