De nautico faenore
(Von den Seezinsen1.)
1Dieser dem Lateinischen nachgebildete Name, welchen v. Glück öfters gebraucht, schien zur Bezeichnung der Zinsen passend zu sein, welche von einem Darlehn zu entrichten sind, das entweder selbst, oder in Waaren, welche der Schuldner dafür gekauft hat, über See zu versenden ist, so dass der Gläubiger die Gefahr des Verlustes übernimmt (trajecticia pecunia). Auch werden diese Zinsen an einer Stelle (L. 6. h. t.) jener Uebersetzung noch entsprechender usurae maritimae genannt. Für trajecticia pecunia aber möchte der in L. 2. §. 8. D. de eo quod certo l. d. o. 13. 4. gebrauchte Ausdruck: überseeisches Darlehn, darum nicht ganz passend sein, weil der Ausdruck überseeisch mehr das bezeichnet, was jenseits der See ist, als was über die See geht. Es ist daher traject. pec. gewöhnlich, ausser in der L. 1., wo der lateinische Name in der Begriffsbestimmung beibehalten werden musste, durch: Darlehn oder Geld, welches über das Meer versendet werden soll, wiedergegeben worden.
1Modestin. lib. X. Pandect. Trajecticia pecunia heisst das [Geld], welches über das Meer geführt wird; sonst, wenn es an demselben Orte verbraucht werden sollte, so wird es nicht trajecticia pecunia heissen. Aber es ist zu untersuchen, ob Waaren, welche mit solchem Gelde angeschafft worden sind, eben dahin gerechnet werden? Und es kommt darauf an, ob auch sie auf Gefahr des Gläubigers verschifft werden sollen, dann nämlich wird [ein] trajecticia pecunia [zu nennendes Darlehn] begründet.
2Pompon. lib. III. ex Plaut. Labeo sagt, wenn Niemand da sei, der von Seiten des Versprechers eines über das Meer zu versendenden Darlehns gemahnt werden könne, so müsse man eben dies in die Protestation aufnehmen, damit es als Forderung gelten könne22Wenn der Schuldner nicht da ist und also nicht zur Zahlung gemahnt werden kann, so soll eine diesen umstand hervorgehobene Protestation als Mahnung gelten und durch dieselbe der Verzug mit seinen Folgen begründet werden..
4Papin. lib. III. Respons. Es macht keinen Unterschied, ob man ein über Meer zu versendendes Darlehn, ohne dass der Gläubiger die Gefahr übernahm, erhalten hat, oder ob es nach einem im Voraus festgesetzten Tage oder der Erfüllung einer Bedingung auf die Gefahr des Gläubigers zu stehen aufgehört habe; und in beiden Fällen wird also ein höherer, als der gesetzliche Zins, nicht geschuldet werden; jedoch in dem ersteren Falle immer, in dem anderen aber, nachdem [der Gläubiger für] die Gefahr [zu stehen] aufgehört hat44Discusso periculo. Ein über See zu versendendes Darlehn ist im juristischen Sinne nur dann vorhanden, wenn der Gläubiger die Gefahr trägt. Dann kann er sich höhere Zinsen, als die gewöhnlichen, versprechen lassen, und zwar vor Justinianus so, dass die Grösse der Zinsen der Uebereinkunft der Contrahenten überlassen war, seit Justinianus (L. 26. §. 1. C. de usur. 4. 32.) blos bis zu 12 Procent. Hat also der Gläubiger die Gefahr gar nicht übernommen, so bleibt es überall bei den gewöhnlichen Zinsen, hat er sie nur bis zu einer bestimmten Zeit übernommen, so können auch nur so lange höhere Zinsen gefordert werden.; auch werden die Pfänder oder Hypotheken unter dem Vorwand von höherem Zins nicht haften. 1Das, was für die Dienste eines Sclaven, welcher um eines übers Meer gehenden Darlehns willen [auf dem Schiffe] mitgefahren55Der Gläubiger pflegte nämlich mit der trajecticia pecunia einen Sclaven oder Freigelassenen zu schicken, damit derselbe namentlich, nachdem das Schiff an Orte seiner Bestimmung angelangt und der Termin der Rückzahlung des Darlehns eingetreten wäre, dasselbe vom Schuldner fordern und in Empfang nehmen sollte. Für den Fall nun, dass der Schuldner nicht zur gehörigen Zeit zahlte und so bewirkte, dass der Gläubiger die Dienste des mitgeschickten Sclaven noch länger entbehrte, war es gewöhnlich, dass der Gläubiger als Vergütung für die entbehrten Dienste sich Etwas stipulirte. Da eine solche Stipulation aber erst nach Beendigung der Seefahrt in Wirksamkeit trat, so sollte das, was der Gläubiger sich stipulirte, nach unserer Stelle die gewöhnlichen Zinsen nicht überschreiten dürfen. Der letzte Theil dieser Stelle ist von dem Fall zu verstehen, wo der Gläubiger sich auch noch Verzugszinsen, wenn der Schuldner nach geendigter Gefahr nicht zur gehörigen Zeit zahlen würde, stipulirte. S. v. Glück a. a. O. XXI. S. 105. 188. u. 197 ff. ist, für die einzelnen Tage in die Stipulation gebracht worden ist, wird [nur] bis auf Zwölf vom Hundert, [auch] nicht über das Doppelte [des Hauptstammes] hinaus geschuldet. Was in der Stipulation, welche über [die Leistung] von Zinsen nach der Zeit der Gefahr, besonders eingegangen worden ist, an den gesetzlichen Zinsen fehlen wird, das kann durch die audere Stipulation [wegen Vergeltung] der Dienste ergänzt werden.
5Scaevola lib. VI. Resp. Es findet auch dann eine Vergütung [für dei Uebernahme] der Gefahr Statt66Diese Stelle handlet von einer Ausdehung der bei der trajecticia pecunia geltenden Grundsätze auf solche Fälle, wo Jemand Geld so dargeliehen hat, dass es nur dann wiedergegeben werden sollte, wenn eine gewisse Bedingung eingetreten, oder nicht eingetreten sein würde. Auch in diesem Falle soll sich nämlich der Gläubiger für die Uebernahme der Gefahr des Verlustes seines Geldes höhere Zinsen als Vergütung ausbedingen dürfen. S. über diese ganze schwierige Stelle v. Glück a. a. O. S. 153 ff., wenn du auf den Fall, dass eine Bedingung, sei es auch eine Straf-[Bedingung], nicht eintritt, das, was du gegeben haben wirst, wiedererhalten wirst und überdies noch Etwas ausser dem Geld, wenn [das Geschäft] nur nicht in eine Art verbotenen Spieles übergeht, wie z. B. die [Geschäfte nicht verboten sind], aus welchen Condictionen77Condictiones für conditiones nach den Basilic. S. v. Glück a. a. O. S. 155. zu entstehen pflegen, wie: wenn du freilassen solltest, wenn du das nicht thun solltest, wenn ich nicht werde gesund werden und so weiter. Auch wird man [über den Fall] kein Bedenken tragen, wenn ich einem Fischer, der für die Werkzeuge [zum Fischfang] eine Ausgabe machen will, viel Geld [unter der Bedingung] gegeben haben sollte, dass er es mir [nur dann,] wenn er [Etwas] gefangen hätte, wiedergeben sollte, und [wenn ich] einem Wettkämpfer [Geld], mit welchem er [die Kosten für] seinen Unterhalt und seine körperlichen Uebungen bestreiten sollte88Unde se exhiberet exerceretque. Die athletae pflegten sich durch besondere kräftige Kost und durch Uebungen zum Wettkampf vorzubereiten. S. v. Glück a. a. O. S. 166 — In diesen beiden Fällen kann sich also der Gläubiger, weil er sein Geld verliert, wenn der Fischer Nichts fängt und der Wettkämpfer nicht siegt, höhere Zinsen stipuliren., [unter der Bedingung gegeben haben sollte,] dass er es [nur dann], wenn er gesiegt hätte, zurückgeben sollte. 1In allen diesen Fällen aber nützt auch ein Pactum ohne Stipulation zur Vermehrung der Verbindlichkeit.
6Paul. lib. XXV. Quaest. Ein Geldverleiher hat dafür, dass er Geld gegen Seezinsen darlieh, einige Waaren in dem Schiffe zum Pfand erhalten; und auf den Fall, dass von diesen [Waaren] nicht die ganze Schuld bezahlt werden könnte, hat er das, was von anderen Waaren, welche in andere Schiffe gelegt und besonderen Geldverleihern [als Pfänder] verbindlich waren, etwa übrig sein würde, zum Pfand erhalten; man hat gefragt, wenn [jenes] besonders [verpfändete] Schiff, aus welchem die ganze [Schuld] hätte bezahlt werden können, untergegangen sei, ob dieser Schaden den Gläubiger treffe, wenn das Schiff innerhalb der vorher festgesetzten Tage zu Grunde gegangen sei, oder ob er zu dem Ueberschuss auf den übrigen Schiffen zugelassen werden könne. Ich habe zum Bescheid gegeben: sonst gehört zwar eine Verminderung des Pfandes zum Schaden des Schuldners, nicht auch des Gläubigers; aber wenn Geld, welches über das Meer versendet werden soll, so dargeliehen wird, dass dem Gläubiger die Forderung desselben nicht anders zustehen solle, als wenn das Schiff wohlbehalten innerhalb der festgesetzten Zeit angelangt sein würde, so scheint, wenn die Bedingung nicht eintrat, die Verbindlichkeit des Darlehns selbst weggefallen zu sein. Und darum ist auch die Verfolgung der Pfänder untergegangen, auch derjenigen, welche nicht verloren gegangen sind, wenn das Schiff innerhalb der bestimmten Tage zu Grunde gegangen war, und es scheint auch die Bedingung der Stipulation weggefallen zu sein, und darum fragt man ohne Grund wegen der Verfolgung der Pfänder, welche in andern Schiffen sich befunden haben. Wann hätte also wohl der Gläubiger zur Verfolgung jener Pfänder zugelassen werden können? Dann, wenn die Bedingung der Verbindlichkeit eingetreten gewesen, und das Pfand durch einen andern Zufall verloren gegangen oder zu wohlfeil verkauft wäre, oder wenn das Schiff nachher, seitdem der für die Gefahr bestimmte Termin verflossen gewesen ist, zu Grunde gegangen wäre.
7Idem lib. III. ad Ed. In einigen Contracten werden auch Zinsen [in Folge eines Pactums] auf eben die Weise geschuldet, wie vermöge einer Stipulation; denn wenn ich Zehn, welche übers Meer versendet werden sollen, [unter der Bedingung] gegeben haben werde, dass ich sie, wenn das Schiff wohlbehalten [angelangt sei], mit den bestimmten Zinsen zurückerhalten solle, so muss man sagen, dass ich den Hauptstamm mit den Zinsen zurückerhalten könne.
8Ulp. lib. LXXVII. ad Ed. Servius sagt, dass die Strafe99Unter der Strafe in dieser und der folg. Stelle ist das zu verstehen, wass sich der Gläubiger für den Fall, wenn der Schuldner mit der Wiederbezahlung der trajecticia pecunia in Verzug kommen würde, ausbedungen hat. wegen eines Darlehns, welches über das Meer versendet worden ist, nicht gefordert werden könne, wenn es an dem Gläubiger gelegen hätte, dass er es innerhalb der bestimmten Zeit nicht erhalten hat.
9Labeo lib. V. Pithan. a Paulo epitom. Wenn bei dem Geld, welches über das Meer versendet worden ist, eine Strafe, wie es zu geschehen pflegt, versprochen worden ist, so kann, obwohl an dem Termin, welcher der erste für die Bezahlung des Geldes gewesen ist, Niemand gelebt hat, welcher jenes Geld schuldete, gleichwohl die Strafe ebenso verfallen, als wenn ein Erbe des Schuldners vorhanden gewesen wäre.