Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 20 übersetzt von Sintenis
Dig. XX2,
In quibus causis pignus vel hypotheca tacite contrahitur
Liber vicesimus
II.

In quibus causis pignus vel hypotheca tacite contrahitur

(In welchen Fällen ein Pfandrecht oder eine Hypothek stillschweigend begründet wird.)

1Papinianus libro decimo responsorum. Senatus consulto quod sub Marco imperatore factum est pignus insulae creditori datum, qui pecuniam ob restitutionem aedificii exstruendi mutuam dedit, ad eum quoque pertinebit, qui redemptori domino mandante nummos ministravit.
1Papin. lib. X. Resp. Das durch einen unter dem Kaiser Marcus errichteten Senatsbeschluss demjenigen Gläubiger an einem Gehöfte gegebene Pfandrecht, der zur Wiederherstellung eines aufzuführenden Gebäudes Geld vorgeschossen hat, ist auch auf den ausgedehnt worden, der im Auftrage des Eigenthümers dem Bauunternehmer die Gelder ausgezahlt hat.
2Marcianus libro singulari ad formulam hypothecariam. Pomponius libro quadragesimo variarum lectionum scribit: non solum pro pensionibus, sed et si deteriorem habitationem fecerit culpa sua inquilinus, quo nomine ex locato cum eo erit actio, invecta et illata pignori erunt obligata.
2Marcian. lib. sing. ad form. hyp. Pomponius schreibt im vierzigsten Buche seiner vermischten Schriften: es hafte dasjenige, was von einem Miethsmann in eine Miethswohnung hineingeschafft und gebracht worden, nicht blos für den Miethszins unterpfandsweise, sondern auch wenn er die Wohnung selbst durch seine Schuld verschlechtert habe, so dass deshalb wider ihn die Klage aus der Vermiethung begründet ist.
3Ulpianus libro septuagesimo tertio ad edictum. Si horreum fuit conductum vel devorsorium vel area, tacitam conventionem de invectis illatis etiam in his locum habere putat Neratius: quod verius est.
3Ad Dig. 20,2,3ROHGE, Bd. 6 (1872), S. 281: Pfandrecht des Vermiethers an den eingebrachten zum Verkaufe bestimmten Waaren des Miethers. Zeitweise und dauernde Bestimmung der Verwendung.Ulp. lib. LXXIII. ad Ed. Wenn eine Niederlage, oder eine Herberge, oder ein leerer Platz gemiethet worden ist, so glaubt Neratius, es finde auch hier ein stillschweigendes Uebereinkommen in Betreff des Hineingeschafften und Hineingebrachten Statt; dies ist richtig.
4Neratius libro primo membranarum. Eo iure utimur, ut quae in praedia urbana inducta illata sunt pignori esse credantur, quasi id tacite convenerit: in rusticis praediis contra observatur. 1Stabula quae non sunt in continentibus aedificiis quorum praediorum ea numero habenda sint, dubitari potest. et quidem urbanorum sine dubio non sunt, cum a ceteris aedificiis separata sint: quod ad causam tamen talis taciti pignoris pertinet, non multum ab urbanis praediis differunt.
4Neratius lib. I. Membran. Es ist Rechtens, dass Dasjenige, was in städtische Grundstücke hineingeführt und geschafft worden ist, als verpfändet angesehen wird, wie wenn man stillschweigend dahin übereingekommen wäre; bei ländlichen Grundstücken11Praed. rusticum, das dem urbanum entgegensteht. Diese Bezeichnungen haben in Bezug auf das Pfandrecht eine andere Bedeutung, als in der Lehre von den Dienstbarkeiten; im ersteren Zusammenhang ist praed. urbanum jedes Grundstück, gleichviel ob Gebäude oder leerer Platz, das keine natürlichen Früchte erzeugt; was diese aber hervorbringt, ist praed. rusticum. Sind beide Arten von Grundstücken verpachtet worden, also z. B. Aecker u. s. w. mit dazu gehörigen Gebäuden, so bleibt trotz dem der Charakter des praed. rustici vorherrschend (s. Glück XVIII. p. 412 ff.). Dies zum richtigen Verständniss dieser Ausdrücke oben im Text. findet das Gegentheil Statt. 1Ad Dig. 20,2,4,1ROHGE, Bd. 6 (1872), S. 281: Pfandrecht des Vermiethers an den eingebrachten zum Verkaufe bestimmten Waaren des Miethers. Zeitweise und dauernde Bestimmung der Verwendung.Es kann Zweifel entstehen, zu welcher Zahl von Grundstücken Ställe im offenen Felde, welche nicht mit andern Gebäuden zusammenhängen, gerechnet werden sollen; städtische sind sie nun auf keinen Fall, indem sie von andern Gebäuden ganz abgesondert sind. In Beziehung auf die Frage wegen eines solchen stillschweigenden Pfandrechts, sind sie jedoch von den städtischen Grundstücken in nichts verschieden.
5Marcianus libro singulari ad formulam hypothecariam. Pomponius libro tertio decimo variarum lectionum scribit, si gratuitam habitationem conductor mihi praestiterit, invecta a me domino insulae pignori non esse. 1Item: illud, inquit, videndum est voluntate domini induci pignus ita posse, ut in partem debiti sit obligatum. 2Si quis fideiubeat, cum res illius a debitore pro quo fideiussit pignori data sit, bellissime intellegitur hoc ipso, quod fideiubeat, quodammodo mandare res suas esse obligatas. sane si postea sint eius res hypothecae datae, non erunt obligatae.
5Marcius lib. sing. ad form. hyp. Pomponius schreibt im dreizehnten Buche seiner vermischten Schriften, dass, wenn der Miethsmann mir wiederum das Wohnen unentgeldlich verstattet, dasjenige, was ich hineingebracht habe, dem Eigenthümer des Gebäudes nicht verpfändet werde. 1Ingleichen, sagt er, ist zu bemerken, dass mit Einwilligung des Eigenthümers ein Pfand auch unter der Bedingung hineingeschafft werden könne, dass es nur für die Hälfte der Schuld haften solle. 2Wenn Jemand eine Bürgschaft übernimmt, während eine ihm gehörige Sache von dem, für den er sich verbürgt, verpfändet worden ist, so wird hieraus ganz richtig gefolgert, dass er durch die Bürgschaftsübernahme selbst gewissermaassen Auftrag zur Verpfändung ertheilt habe; sind freilich ihm gehörige Sachen erst nachher als Pfand bestellt worden, so werden sie nicht verpfändet sein.
6Ulpianus libro septuagesimo tertio ad edictum. Licet in praediis urbanis tacite solet conventum accipi, ut perinde teneantur invecta et inlata, ac si specialiter convenisset, certe libertati huiusmodi pignus non officit idque et Pomponius probat: ait enim manumissioni non officere ob habitationem obligatum.
6Ulp. lib. LXXIII. ad Ed. Wiewohl in Ansehung von städtischen Grundstücken das Uebereinkommen als stillschweigend getroffen angenommen wird, dass das Hineingeschaffte und Hineingebrachte so verpfändet sein solle, wie wenn es ausdrücklich ausgemacht worden wäre, so steht doch eine Verpfändung dieser Art der Freiheitsertheilung nicht entgegen; hiermit stimmt auch Pomponius überein; denn er sagt: [der Umstand,] dass [ein Sclav] wegen des Bewohnens eines Hauses verpfändet sei, stehe seiner Freilassung nicht im Wege.
7Pomponius libro tertio decimo ex variis lectionibus. In praediis rusticis fructus qui ibi nascuntur tacite intelleguntur pignori esse domino fundi locati, etiamsi nominatim id non convenerit. 1Videndum est, ne non omnia illata vel inducta, sed ea sola, quae, ut ibi sint, illata fuerint, pignori sint: quod magis est.
7Pompon. lib. XII. ex var. lection. In Betreff der ländlichen Grundstücke werden die darauf gewachsenen Früchte als dem Eigenthümer des verpachteten Landgutes stillschweigend verpfändet angesehen, auch wenn kein ausdrückliches Uebereinkommen darüber getroffen worden ist. 1Ad Dig. 20,2,7,1ROHGE, Bd. 6 (1872), S. 281: Pfandrecht des Vermiethers an den eingebrachten zum Verkaufe bestimmten Waaren des Miethers. Zeitweise und dauernde Bestimmung der Verwendung.Wird aber Alles, was [in städtische Grundstücke] hineingeführt oder gebracht worden, als verpfändet angesehen, oder blos dasjenige, was in der Absicht dahingebracht worden, dass es da bleiben soll? — Das letztere ist zu bejahen.
8Paulus libro secundo sententiarum. Cum debitor gratuita pecunia utatur, potest creditor de fructibus rei sibi pigneratae ad modum legitimum usuras retinere.
8Paul. lib. II. Sententiar. Wenn der Schuldner ein Darlehn unverzinslich erhalten hat, so kann der Gläubiger von dem Ertrage der ihm verpfändeten Sache die Zinsen bis auf Höhe des gesetzmässigen Zinsfusses abziehen22Die, wie mich dünkt, vortreffliche Erklärung dieses so widersprechend scheinenden Gesetzes s. bei Glück XIV. p. 51. — Er erklärt die Befugniss des Zinsenabzuges vom Verzug..
9Idem libro singulari de officio praefecti vigilum. Est differentia obligatorum propter pensionem et eorum, quae ex conventione manifestari pignoris nomine tenentur, quod manumittere mancipia obligata pignori non possumus, inhabitantes autem manumittimus, scilicet antequam pensionis nomine percludamur: tunc enim pignoris nomine retenta mancipia non liberabimus: et derisus Nerva iuris consultus, qui per fenestram monstraverat servos detentos ob pensionem liberari posse.
9Idem lib. sing. de off. Praet. Vig. Es ist33Unser Text hat durch einen Druckfehler statt Est, Et. ein Unterschied zwischen dem wegen Miethzinses Verpfändeten, und dem, was übereinkunftsweise als ausdrückliches Unterpfand haftet, weil man [ausdrücklich] verpfändete Sclaven nicht freilassen kann; wenn man aber ein Haus bewohnt, [mithin nur ein stillschweigendes Pfandrecht an dem Hineingeschafften und Hineingebrachten besteht,] so kann man die Sclaven freilassen, so lange nicht wegen Miethsrückstände gerichtliche Beschlagnahme Statt gefunden hat, dann kann man die als Unterpfand zurückbehaltenen Sclaven nicht mehr freilassen; daher wurde der Rechtsgelehrte Nerva ausgelacht, weil er behauptet hatte, es könnten wegen Miethzinses festgehaltene Sclaven mittelst Zeigens auf sie durch das Fenster freigelassen werden.
10Scaevola libro sexto digestorum. Tutoris heres cum herede pupilli transactione facta, cum ex ea maiorem partem solvisset, in residuam quantitatem pignus obligavit: quaesitum est, an in veterem contractum iure res obligata esset. respondit secundum ea quae proponerentur obligatam esse.
10Scaevola lib. VI. Dig. Der Erbe eines Vormundes hatte sich mit dem Erben eines Mündels auf eine Summe verglichen, und nachdem er den grössten Theil davon gezahlt hatte, für den Ueberrest ein Pfand gegeben; es entstand die Frage, ob die Sache in Bezug auf den alten Contract als zu Recht verpfändet betrachtet werden könne? Die Antwort hat gelautet: den vorliegenden Umständen nach sei sie als verpfändet zu betrachten.