Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Elftes Buch übersetzt von Sintenis
Dig. XI3,
De servo corrupto
Liber undecimus
III.

De servo corrupto

(Vom verführten Sclaven.)

1Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. Ait prae­tor: ‘Qui ser­vum ser­vam alie­num alie­nam re­ce­pis­se per­sua­sis­se­ve quid ei di­ce­tur do­lo ma­lo, quo eum eam de­te­rio­rem fa­ce­ret, in eum quan­ti ea res erit in du­plum iu­di­cium da­bo.’ 1Qui bo­na fi­de ser­vum emit, hoc edic­to non te­ne­bi­tur, quia nec ip­se pot­erit ser­vi cor­rup­ti age­re, quia ni­hil eius in­ter­est ser­vum non cor­rum­pi: et sa­ne, si quis hoc ad­mi­se­rit, eve­niet, ut duo­bus ac­tio ser­vi cor­rup­ti com­pe­tat, quod est ab­sur­dum. sed nec eum, cui bo­na fi­de ho­mo li­ber ser­vit, hanc ac­tio­nem pos­se ex­er­ce­re opi­na­mur. 2Quod au­tem prae­tor ait ‘re­ce­pis­se’, ita ac­ci­pi­mus, si sus­ce­pe­rit ser­vum alie­num ad se: et est pro­prie re­ci­pe­re re­fu­gium abs­con­den­di cau­sa ser­vo prae­sta­re vel in suo agro vel in alie­no lo­co ae­di­fi­cio­ve. 3Per­sua­de­re au­tem est plus quam com­pel­li at­que co­gi si­bi pa­re­re. sed per­sua­de­re τῶν μέσων ἐστίν, nam et bo­num con­si­lium quis dan­do pot­est sua­de­re et ma­lum: et id­eo prae­tor ad­ie­cit ‘do­lo ma­lo, quo eum de­te­rio­rem fa­ce­ret’: ne­que enim de­lin­quit, ni­si qui ta­le ali­quid ser­vo per­sua­det, ex quo eum fa­ciat de­te­rio­rem. qui igi­tur ser­vum sol­li­ci­tat ad ali­quid vel fa­cien­dum vel co­gi­tan­dum im­pro­be, hic vi­de­tur hoc edic­to no­ta­ri. 4Sed utrum ita de­mum te­ne­tur, si bo­nae fru­gi ser­vum per­pu­lit ad de­lin­quen­dum, an ve­ro et si ma­lum hor­ta­tus est vel ma­lo mons­tra­vit, quem­ad­mo­dum fa­ce­ret? et est ve­rius et­iam si ma­lo mons­tra­vit, in quem mo­dum de­lin­que­ret, te­ne­ri eum. im­mo et si erat ser­vus om­ni­mo­do fu­gi­tu­rus vel fur­tum fac­tu­rus, hic ve­ro lau­da­tor hu­ius pro­pos­i­ti ex­ti­tit, te­ne­tur: non enim opor­tet lau­dan­do au­ge­ri ma­li­tiam. si­ve er­go bo­num ser­vum fe­ce­rit ma­lum si­ve ma­lum fe­ce­rit de­te­rio­rem, cor­ru­pis­se vi­de­bi­tur. 5Is quo­que de­te­rio­rem fa­cit, qui ser­vo per­sua­det, ut in­iu­riam fa­ce­ret vel fur­tum vel fu­ge­ret vel alie­num ser­vum ut sol­li­ci­ta­ret vel ut pe­cu­lium in­tri­ca­ret, aut ama­tor ex­is­te­ret vel er­ro vel ma­lis ar­ti­bus es­set de­di­tus vel in spec­ta­cu­lis ni­mius vel sed­itio­sus: vel si ac­to­ri sua­sit ver­bis si­ve pre­tio, ut ra­tio­nes do­mi­ni­cas in­ter­ci­de­ret ad­ul­te­ra­ret vel et­iam ut ra­tio­nem si­bi com­mis­sam tur­ba­ret:

1Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Der Prätor sagt: Wer einen fremden Sclaven oder eine fremde Sclavin versteckt oder zu etwas in böser Absicht beredet zu haben beschuldigt wird, um sie zu verschlechtern, wider den werde ich eine Klage auf das Doppelte dessen, wieviel der Gegenstand beträgt, ertheilen. 1Wer einen Sclaven im guten Glauben gekauft hat, der haftet durch dieses Edict nicht, weil er auch selbst nicht wegen Verführung des Sclaven klagen kann, indem ihm nichts daran gelegen ist, dass der Sclav nicht verführt werde; denn wer dies zulässig finden wollte, der müsste annehmen, dass die Klage wegen der Verführung des Sclaven Zweien zuständig sei, was widersinnig ist. Wir nehmen nicht einmal an, dass diese Klage derjenige, dem ein freier Mensch im guten Glauben dient, erheben könne. 2Wenn der Prätor sagt: versteckt hat, so verstehen wir darunter, wenn er einen fremden Sclaven zu sich genommen hat; verstecken heisst also eigentlich: einem Sclaven einen Zufluchtsort, um ihn zu verbergen, gewähren, gleichviel ob auf seinem eigenen Grund und Boden, oder an einem fremden Ort und Gebäude. 3Ueberreden aber ist mehr, als angetrieben und gezwungen werden, Jemandem Gehorsam zu leisten; überreden hat eine doppelte Bedeutung; man kann sowohl durch Ertheilung eines guten als eines bösen Raths [Jemandem] zureden; darum hat der Prätor hinzugesetzt; in böser Absicht, um ihn zu verschlechtern; denn nur derjenige begeht ein Verbrechen, wer den Sclaven zu etwas der Art beredet, wodurch er ihn schlechter macht. Der also, wer einen Sclaven anreizt, etwas Schlechtes zu thun oder zu denken, scheint durch dieses Edict bezeichnet zu sein. 4Haftet er aber nur dann, wenn er einen Sclaven von rechtlicher Gemüthsart zum Verbrechen verführt, oder auch wenn er einem schlechten Sclaven dazu gerathen, oder einem solchen gezeigt hat, wie er es machen müsse? Es ist richtiger, anzunehmen, dass er auch hafte, wenn er einem schlechten Sclaven gezeigt, wie er das Verbrechen begehen solle; ja er haftet sogar, wenn der Sclav schon im Begriff stand, jeden Falls zu entlaufen, oder einen Diebstahl zu begehen, und er nach seinem Vorsatz lobpreisend aufgetreten ist; denn Bosheit darf nicht durch Lob noch verstärkt werden. Er mag also einen guten Sclaven zum schlechten, oder einen schlechten zum noch schlechtern gemacht haben, es wird Verführung angenommen. 5Auch der verschlechtert einen Sclaven, der ihn überredet, eine Injurie zu begehen, zu stehlen, oder zu entlaufen, oder einen fremden Sclaven zu etwas zu bereden, oder sein Sondergut in Processe zu verwickeln, oder zu Liebschaften verleitet, oder ein Nachtschwärmer zu werden, sich schlechten Künsten zu ergeben, den Schauspielen zu sehr nachzulaufen, widerspenstig zu sein, oder wer einen Verwalter durch Ueberredung oder Bestechung bewogen hat, die Rechnungen seines Herrn zu vernichten, zu verfälschen, oder auch eine ihm übertragene Rechnung zu verwirren,

2Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. vel lu­xu­rio­sum vel con­tu­ma­cem fe­cit: qui­ve ut stu­prum pa­te­re­tur per­sua­det.

2Paul. lib. XIX. ad Ed. oder ihn zur Verschwendung oder zum Ungehorsam verleitet, oder ihn überredet, sich Schändung gefallen zu lassen.

3Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. Do­lo ma­lo ad­iec­to cal­li­di­ta­tem no­tat prae­tor eius qui per­sua­det: ce­te­rum si quis si­ne do­lo de­te­rio­rem fe­ce­rit, non no­ta­tur, et si lu­sus gra­tia fe­cit, non te­ne­tur. 1Un­de quae­ri­tur, si quis ser­vo alie­no sua­se­rit in tec­tum ascen­de­re vel in pu­teum de­scen­de­re et il­le pa­rens ascen­de­rit vel de­scen­de­rit et ce­ci­de­rit crus­que vel quid aliud fre­ge­rit vel per­ie­rit, an te­n­ea­tur: et si qui­dem si­ne do­lo ma­lo fe­ce­rit, non te­ne­tur, si do­lo ma­lo, te­ne­bi­tur.

3Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Durch den Beisatz: in böser Absicht, bezeichnet der Prätor die List dessen, der überredet; wer [den Sclaven] ohne böse Absicht schlechter gemacht hat, ist nicht gemeint; auch wer es aus Spielerei gethan, haftet nicht. 1Daher entsteht die Frage, ob derjenige, der einem Sclaven zugeredet hat, auf ein Dach hinauf oder in einen Brunnen hinabzusteigen, und wenn dieser ihm folgsam hinauf- oder hinabgestiegen, einen Fall gethan, und das Bein oder etwas Anderes zerbrochen hat, oder um’s Leben gekommen ist, deshalb verbindlich sei? Hat er es ohne böse Absicht gethan, so haftet er nicht; wenn mit böser Absicht, so muss er haften;

4Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. Sed com­mo­dius est uti­li le­ge Aqui­lia eum te­ne­ri.

4Ad Dig. 11,3,4ROHGE, Bd. 10 (1874), S. 404: Beschädigung einer körperlichen Sache. Utilis actio ex lege Aquilia.Paul. lib. XIX. ad Ed. es ist aber bequemer, ihn mit der analogen Aquilischen Klage anzugreifen.

5Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. Do­li ver­bum et­iam ad eum qui re­ce­pit re­fe­ren­dum est, ut non alius te­n­ea­tur, ni­si qui do­lo ma­lo re­ce­pit: ce­te­rum si quis, ut do­mi­no cus­to­di­ret, re­ce­pit vel hu­ma­ni­ta­te vel mi­se­ri­cor­dia duc­tus vel alia pro­ba­ta at­que ius­ta ra­tio­ne, non te­ne­bi­tur. 1Si quis do­lo ma­lo per­sua­se­rit quid ser­vo quem li­be­rum pu­ta­bat, mi­hi vi­de­tur te­ne­ri eum opor­te­re: ma­ius enim de­lin­quit, qui li­be­rum pu­tans cor­rum­pit: et id­eo, si ser­vus fue­rit, te­ne­bi­tur. 2Haec ac­tio et­iam ad­ver­sus fa­ten­tem in du­plum est, quam­vis Aqui­lia in­fi­tian­tem dum­ta­xat co­er­ceat. 3Si ser­vus ser­va­ve fe­cis­se di­ce­tur, iu­di­cium cum no­xae de­di­tio­ne red­di­tur. 4Haec ac­tio re­fer­tur ad tem­pus ser­vi cor­rup­ti vel re­cep­ti, non ad prae­sens, et id­eo et si de­ces­se­rit vel alie­na­tus sit vel ma­nu­mis­sus, ni­hi­lo mi­nus lo­cum ha­be­bit ac­tio, nec ex­tin­gui­tur ma­nu­mis­sio­ne se­mel na­ta ac­tio:

5Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Der Begriff der bösen Absicht ist auch auf den zu beziehen, der ihn bei sich eingenommen hat, so dass nur derjenige haftet, der es in böser Absicht gethan hat; wer ihn übrigens in der Absicht, um ihn für seinen Herrn festzuhalten, oder aus Menschlichkeit oder Mitleid veranlasst, oder aus einem andern guten und rechtmässigen Grunde bei sich eingenommen hat, der haftet nicht. 1Wer einen Sclaven in böser Absicht überredet hat, den er für einen Freien hielt, der muss nach meiner Ansicht haften; denn wer ihn für einen Freien hält und verführt, begeht ein noch grösseres Verbrechen, und darum haftet er, wenn es ein Sclav war. 2Diese Klage findet auch wider den Geständigen auf das Doppelte Statt, wiewohl die Aquilie nur wider den Leugnenden gerichtet ist. 3Wenn ein Sclav oder eine Sclavin der That beschuldigt wird, so findet die Klage mit der Auslieferung an Schädens Statt Anwendung. 4Diese Klage wird auf die Zeit, wo der Sclav verführt oder versteckt ward, und nicht auf die Gegenwart bezogen; darum kommt sie, auch wenn er gestorben, oder veräussert, oder freigelassen worden ist, nichts desto weniger zur Anwendung; auch wird die einmal entstandene Klage durch die Freilassung nicht aufgehoben,

6Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. prae­ter­itae enim uti­li­ta­tis aes­ti­ma­tio in hoc iu­di­cium ver­sa­tur:

6Paul. lib. XIX. ad Ed. (denn es handelt sich in dieser Klage um die Schätzung eines früher vorhanden gewesenen Nutzens,)

7Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. nam et ma­li ser­vi for­si­tan con­se­quun­tur li­ber­ta­tem et pos­te­rior cau­sa in­ter­dum tri­buit ma­nu­mis­sio­nis ius­tam ra­tio­nem.

7Ulp. lib. XXIII. ad Ed. weil zuweilen auch schlechte Sclaven die Freiheit erlangen, und ein später entstandener Umstand hin und wieder einen rechtmässigen Grund für die Freilassung darbietet.

8Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. Sed et he­res eius, cu­ius ser­vus cor­rup­tus est, ha­bet hanc ac­tio­nem, non so­lum si man­se­rit in he­redi­ta­te ser­vus, sed et si ex­ie­rit, for­te le­ga­tus.

8Paul. lib. XIX. ad Ed. Auch der Erbe dessen, dessen Sclav verführt worden ist, hat diese Klage nicht blos wenn der Sclav bei der Erbschaft geblieben, sondern auch, wenn er, etwa durch ein Vermächtniss, aus derselben herausgetreten ist.

9Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. Si quis ser­vum com­mu­nem meum et suum cor­ru­pe­rit, apud Iu­lia­num li­bro no­no di­ges­to­rum quae­ri­tur, an hac ac­tio­ne te­ne­ri pos­sit, et ait te­ne­ri eum so­cio: prae­ter­ea pot­erit et com­mu­ni di­vi­dun­do et pro so­cio, si so­cii sint, te­ne­ri, ut Iu­lia­nus ait. sed cur de­te­rio­rem fa­cit Iu­lia­nus con­di­cio­nem so­cii, si cum so­cio agat, quam si cum ex­tra­neo agit? nam qui cum ex­tra­neo agit, si­ve re­ce­pit si­ve cor­ru­pe­rit age­re pot­est, qui cum so­cio, si­ne al­ter­na­tio­ne, id est si cor­ru­pit. ni­si for­te non pu­ta­vit Iu­lia­nus hoc ca­de­re in so­cium: ne­mo enim suum re­ce­pit11Die Großausgabe liest re­ci­pit statt re­ce­pit.. sed si ce­lan­di ani­mo re­ce­pit, pot­est de­fen­di te­ne­ri eum. 1Si in ser­vo ego ha­beam usum fruc­tum, tu pro­prie­ta­tem, si qui­dem a me sit de­te­rior fac­tus, poteris me­cum ex­per­i­ri, si tu id fe­ce­ris, ego age­re uti­li ac­tio­ne pos­sum; ad om­nes enim cor­rup­te­las haec ac­tio per­ti­net et in­ter­es­se fruc­tua­rii vi­de­tur bo­nae fru­gi ser­vum es­se, in quo usum fruc­tum ha­bet. et si for­te alius eum re­ce­pe­rit vel cor­ru­pe­rit, uti­lis ac­tio fruc­tua­rio com­pe­tit. 2Da­tur au­tem ac­tio quan­ti ea res erit eius du­pli. 3Sed quaes­tio­nis est, aes­ti­ma­tio utrum eius dum­ta­xat fie­ri de­beat, quod ser­vus in cor­po­re vel in ani­mo dam­ni sen­se­rit, hoc est quan­to vi­lior ser­vus fac­tus sit, an ve­ro et ce­te­ro­rum. et Ne­ra­tius ait tan­ti con­dem­nan­dum cor­rup­to­rem, quan­ti ser­vus ob id, quod sub­per­tus sit, mi­no­ris sit.

9Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Bei Julian findet sich im neunten Buche seiner Digesten die Frage, ob derjenige durch diese Klage hafte, der einen mir und ihm gemeinschaftlich gehörigen Sclaven verführt hat? Er beantwortet sie dahin, dass er seinem Mitgenossen hafte; ausserdem, sagt Julian, könne er auch mit der Gemeingutstheilungsklage und der Gesellschaftsklage, wenn sie Gesellschafter sind, angegriffen werden. Warum macht aber Julian das Verhältniss des Gesellschafters zu einem nachtheiligeren11Diese Stelle hat Schwierigkeiten; dass sie schon früh gefühlt worden sind, bezeugen Haloanders Aenderungsversuche, der statt teneri eum socio liest pro socio, und dann nachher diese Worte weglässt. Allein hierdurch ist die Schwierigkeit nicht gehoben, sondern vergrössert. Man muss eum socio beibehalten. Was nämlich die fragweise Stellung betrifft, so wird die deterior conditio erst durch das nachfolgende nam etc. erläutert; Ulpian fiel überhaupt auf diese Frage blos durch den Ausdruck corruperit, in der Eingangs des Gesetzes gestellten Frage Julians. Die Frage Ulpians ist aber nicht gestellt, um direct beantwortet zu werden, sondern blos gewissermaassen ein Vorwurf, eine Rüge der des Julian, von der das folgende nisi forte etc. das enthält, was zu Julians Entschuldigung gesagt werden kann. Das nachherige Sed si celandi etc. ist die definitive Entscheidung Ulpians., wenn er wider einen Gesellschafter klagt, als wenn gegen einen Dritten? Denn wer wider einen Dritten klagen will, kann es thun, er mag ihn versteckt oder verführt haben, wer aber wider seinen Gesellschafter, nicht in beiden Fällen, d. h. [nur] wenn er ihn verführt hat; vielleicht ist Julian der Ansicht gewesen, dass dies den Gesellschafter nicht treffe, denn Niemand kann einen ihm gehörigen [Sclaven] verstecken. Allein wenn er ihn in der Absicht bei sich versteckt hat, um ihn verborgen zu halten, so kann man wohl sagen, dass er hafte. 1Wenn mir an einem Sclaven der Niessbrauch und dir die Eigenheit zusteht, und ich denselben verschlechtert habe, so kannst du wider mich Klage erheben, und wenn du es gethan, kann ich die analoge Klage erheben; denn diese Klage bezieht sich auf Verführungen aller Art, und es ist anzunehmen, dass dem Niessbraucher daran gelegen sei, dass der Sclav, an dem er den Niessbrauch hat, von unbescholtenen Sitten sei. Auch wenn ihn ein Dritter versteckt oder verführt hat, steht dem Niessbraucher eine analoge Klage zu. 2Die Klage wird auf den doppelten Werth des Betrags gegeben. 3Es ist aber die Frage, ob die Schätzung sich blos darauf erstrecken dürfe, inwieweit der Sclav an seinem Körper oder Gemüth verschlechtert worden ist, d. h. um wieviel er an seinem Werthe verloren hat, oder auch auf andere [Beziehungen]22Ceterorum, s. Noodt Commentar. ad h. l. Opp. T. II. p. 208b. Er erklärt dies von Sachen, die z. B. ein entlaufener Sclav mitgenommen hat, wovon das folgende Gesetz spricht.? Neratius sagt: der Verführer sei zu [doppelt] soviel zu verurtheilen, als der Sclav deshalb, dass er verführt worden, an Werth verloren habe.

10Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. In hoc iu­di­cium et­iam re­rum aes­ti­ma­tio venit, quas se­cum ser­vus abs­tu­lit, quia om­ne dam­num du­pla­tur, ne­que in­ter­erit, ad eum per­la­tae fue­rint res an ad alium si­ve et­iam con­sump­tae sint: et­enim ius­tius est eum te­ne­ri, qui prin­ceps fue­rit de­lic­ti, quam eum quae­ri, ad quem res per­la­tae sunt.

10Paul. lib. XIX. ad Ed. Bei dieser Klage werden auch diejenigen Sachen veranschlagt, welche der [versteckte] Sclav mit sich genommen hat, weil aller Schaden doppelt gerechnet wird, und es ist gleich, ob die Sachen zu, dem [Beklagten] gebracht worden, oder zu einem Andern, oder auch ob sie verbraucht sind; denn es ist dem Rechte angemessener, dass der Urheber des Verbrechens hafte, als den aufzusuchen, zu dem die Sachen hingebracht worden sind.

11Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. Ne­ra­tius ait post­ea fur­ta fac­ta in aes­ti­ma­tio­nem non venire. quam sen­ten­tiam ve­ram pu­to: nam et ver­ba edic­ti ‘quan­ti ea res erit’ om­ne de­tri­men­tum re­ci­piunt. 1Ser­vo per­sua­si, ut chi­ro­gra­fa de­bi­to­rum cor­rum­pat: vi­de­li­cet te­ne­bor. sed si con­sue­tu­di­ne pec­can­di post­ea et ra­tio­nes ce­te­ra­que si­mi­lia in­stru­men­ta sub­tra­xe­rit vel in­ter­le­ve­rit de­le­ve­rit, di­cen­dum erit cor­rup­to­rem ho­rum no­mi­ne non te­ne­ri. 2Quam­vis au­tem re­rum sub­trac­ta­rum no­mi­ne ser­vi cor­rup­ti com­pe­tat ac­tio, ta­men et fur­ti age­re pos­su­mus, ope enim con­si­lio sol­li­ci­ta­to­ris vi­den­tur res ab­es­se: nec suf­fi­ciet al­ter­utra ac­tio­ne egis­se, quia al­te­ra al­te­ram non mi­nuit. idem et in eo, qui ser­vum re­ce­pit et ce­la­vit et de­te­rio­rem fe­cit, Iu­lia­nus scri­bit: sunt enim di­ver­sa ma­le­fi­cia fu­ris et eius qui de­te­rio­rem ser­vum fa­cit: hoc am­plius et con­dic­tio­nis no­mi­ne te­ne­bi­tur. quam­vis enim con­dic­tio­ne ho­mi­nem, poe­nam au­tem fur­ti ac­tio­ne con­se­cu­tus sit, ta­men et quod in­ter­est de­be­bit con­se­qui ac­tio­ne ser­vi cor­rup­ti,

11Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Neratius sagt: später verübte Diebstähle kommen bei der Schätzung nicht in Betracht; diese Ansicht halte ich für richtig, denn auch die Worte des Edicts: wieviel der Gegenstand beträgt, begreifen [nur] allen [gegenwärtigen] Schaden. 1Habe ich einen Sclaven überredet, die Handschriften von Schuldnern zu vernichten, so muss ich haften; hat er aber durch Angewohnheit, schlechte Handlungen zu begehen, nachher Rechnungen und andere ähnliche Urkunden gestohlen, oder verdorben, oder zerstört, so haftet der Verführer dieserhalb nicht. 2Ad Dig. 11,3,11,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 326, Note 8.Wiewohl aber die Klage wegen der Verführung des Sclaven auch in Betreff gestohlener Sachen Statt findet, so kann man doch auch die Klage wegen Diebstahls erheben; denn die auf Anrathen des Zuredenden geschehene Entfremdung der Sachen wird als mit dessen Hülfe geschehen angenommen; auch ist es mit der Anstellung der einen Klage nicht abgethan, weil die eine die andere nicht aufhebt. Dasselbe schreibt Julian auch von dem, der einen Sclaven versteckt und verborgen gehalten und verschlechtert hat; denn die Uebelthat des Diebes ist eine andere, als die dessen, der den Sclaven verschlechtert. Um so mehr haftet derselbe auch durch die Condiction; denn wenn [der Betheiligte] auch den Sclaven selbst durch die Condiction, die Strafe aber durch die Diebstahlsklage erlangen kann, so darf er dennoch auch sein Interesse mittelst der Klage wegen der Verführung des Sclaven fordern,

12Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. quia ma­net reus ob­li­ga­tus et­iam re­bus red­di­tis.

12Paul. lib. XIX. ad Ed. weil der Beklagte verpflichtet bleibt, wenn auch die Sachen wieder herausgegeben worden sind.

13Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo ter­tio ad edic­tum. Haec ac­tio per­pe­tua est, non tem­po­ra­ria: et he­redi ce­te­ris­que suc­ces­so­ri­bus com­pe­tit, in he­redem non da­bi­tur, quia poe­na­lis est. 1Sed et si quis ser­vum he­redi­ta­rium cor­ru­pe­rit, hac ac­tio­ne te­ne­bi­tur: sed et pe­ti­tio­ne he­redi­ta­tis qua­si prae­do te­ne­bi­tur,

13Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Diese Klage ist eine immerwährende, und keine zeitliche, und steht dem Erben wie den übrigen [Rechts-] Nachfolgern zu; wider den Erben findet sie nicht Statt, weil sie eine Strafklage ist. 1Auch wer einen Erbschaftssclaven verführt hat, haftet durch diese Klage; er wird jedoch auch durch die Erbschaftsklage gleichsam als ein Räuber gehalten,

14Pau­lus li­bro no­no de­ci­mo ad edic­tum. ut tan­tum ve­niat in he­redi­ta­tis pe­ti­tio­nem quan­tum in hanc ac­tio­nem. 1De fi­lio fi­lia­ve fa­mi­lias cor­rup­tis huic edic­to lo­cus non est, quia ser­vi cor­rup­ti con­sti­tu­ta ac­tio est, qui in pa­tri­mo­nio nos­tro es­set, et pau­pe­rio­rem se fac­tum es­se do­mi­nus pro­ba­re pot­est dig­ni­ta­te et fa­ma do­mus in­te­gra ma­nen­te: sed uti­lis com­pe­tit of­fi­cio iu­di­cis aes­ti­man­da, quon­iam in­ter­est nos­tra ani­mum li­be­ro­rum nos­tro­rum non cor­rum­pi. 2Si ser­vus com­mu­nis meus et tuus pro­prium meum ser­vum cor­ru­pe­rit, Sa­b­inus non pos­se agi cum so­cio, per­in­de at­que si pro­prius meus ser­vus cor­ru­pis­set con­ser­vum. item si ser­vus com­mu­nis ex­tra­neum cor­ru­pe­rit, vi­den­dum est, utrum cum duo­bus agi de­beat an et cum sin­gu­lis ex­em­plo ce­te­ra­rum no­xa­rum: et ma­gis est, ut unus­quis­que in so­li­dum te­n­ea­tur, al­te­ro au­tem sol­ven­te al­te­rum li­be­ra­ri. 3Si is, in quo usum fruc­tum ha­beo, ser­vum meum cor­ru­pe­rit, erit mi­hi ac­tio cum do­mi­no pro­prie­ta­tis. 4Pig­no­ris da­ti no­mi­ne de­bi­tor ha­bet hanc ac­tio­nem. 5In hac ac­tio­ne non ex­tra rem du­plum est: id enim quod dam­ni da­tum est du­pla­tur. 6His con­se­quen­ter et il­lud pro­ba­tur, ut si ser­vo meo per­sua­se­ris, ut Ti­tio fur­tum fa­ciat, non so­lum in id te­ne­ris, quo de­te­rior ser­vus ef­fec­tus est, sed et in id quod Ti­tio prae­sta­tu­rus sim. 7Item non so­lum si mi­hi dam­num de­de­rit con­si­lio tuo, sed et­iam si ex­tra­neo, eo quo­que no­mi­ne mi­hi te­ne­ris, quod ego le­ge Aqui­lia ob­no­xius sim: aut si ex con­duc­to te­neor ali­cui, quod ei ser­vum lo­ca­vi et prop­ter te de­te­rior fac­tus sit, te­ne­be­ris et hoc no­mi­ne, et si qua ta­lia sint. 8Aes­ti­ma­tio au­tem ha­be­tur in hac ac­tio­ne, quan­ti ser­vus vi­lior fac­tus sit, quod of­fi­cio iu­di­cis ex­pe­die­tur: 9In­ter­dum ta­men et in­uti­lis sit, ut non ex­pe­diat ta­lem ser­vum ha­be­re. utrum er­go et pre­tium co­gi­tur da­re sol­li­ci­ta­tor et ser­vum do­mi­nus lu­cri­fa­cit, an ve­ro co­gi de­bet do­mi­nus re­sti­tue­re ser­vum et pre­tium ser­vi ac­ci­pe­re? et ve­rius est elec­tio­nem do­mi­no da­ri, si­ve ser­vum de­ti­ne­re cu­pit et dam­num, quan­ti de­te­rior ser­vus fac­tus est, in du­plum ac­ci­pe­re, vel ser­vo re­sti­tu­to, si co­piam hu­ius rei ha­beat, pre­tium con­se­qui, quod si non ha­beat, pre­tium qui­dem si­mi­li mo­do ac­ci­pe­re, ce­de­re au­tem sol­li­ci­ta­to­ri pe­ri­cu­lo eius de do­mi­nio ser­vi ac­tio­ni­bus. quod ta­men de re­sti­tu­tio­ne ho­mi­nis di­ci­tur, tunc lo­cum ha­bet, cum ho­mi­ne vi­vo agi­tur. quid au­tem si ma­nu­mis­so eo aga­tur? non fa­ci­le apud iu­di­cem au­die­tur di­cen­do id­eo se ma­nu­mis­sis­se, quon­iam ha­be­re no­lue­rat do­mi, ut et pre­tium ha­beat et li­ber­tum.

14Paul. lib. XIX. ad Ed. so dass auch bei der Erbschaftsklage ebensoviel in Betracht kommt, wie bei dieser Klage. 1Wegen Verführung von Familiensöhnen und Töchtern findet dieses Edict nicht Statt, weil die Klage wegen der Verführung von Sclaven begründet ist, die zu unserm Vermögen gehören, und der Herr beweisen kann, dass er ärmer geworden sei, ohne dass die Würde und der Ruf seines Hauses angegriffen wird; allein es ist eine der Schätzung der richterlichen Amtspflicht anheimzugebende analoge Klage zuständig, weil uns daran gelegen ist, dass das Gemüth unserer Kinder nicht verführt werde. 2Wenn ein dir und mir gemeinschaftlich gehöriger Sclav einen mir allein gehörigen verführt hat, so sagt Sabinus, könne wider den Genossen ebensowenig Klage erhoben werden, wie wenn ein mir allein gehöriger Sclav einen Mitsclaven verführt hätte. Ebenso ist es die Frage, ob, wenn ein Zweien gehöriger Sclav einen fremden verführt hat, wider beide Klage zu erheben sei, oder, nach Art der übrigen Noxen, gegen jeden Einzelnen [geklagt werden könne]? Es spricht mehr dafür, dass Jeder auf das Ganze haftet, jedoch durch die geschehene Zahlung von Seiten des Einen der Andere befreiet werde. 3Wenn derjenige [Sclav], an dem ich den Niessbrauch habe, meinen Sclaven verführt hat, so steht mir die Klage wider den Eigenheitsherrn zu. 4Der Schuldner hat diese Klage wegen eines zum Pfande bestellten Sclaven. 5Der doppelte Betrag ist bei dieser Klage nicht ausser der Sache selbst zu rechnen, denn es wird [nur] der wirklich angerichtete Schaden verdoppelt. 6Diesem gemäss ist auch das richtig, dass wenn du meinen Sclaven beredet hast, den Titius zu bestehlen, du nicht blos dazu verpflichtet wirst, um wieviel der Sclav verschlechtert worden ist, sondern auch dazu, was ich dem Titius gewähren muss. 7Ad Dig. 11,3,14,7ROHGE, Bd. 15 (1875), Nr. 19, S. 48: Interesse, der dem Dritten vom Beschädigten gezahlte Betrag.Ingleichen haftest du mir nicht nur, wenn er mir auf deinen Rath Schaden zugefügt hat, sondern auch, wenn einem Dritten, weil ich durch das Aquilische Gesetz selbst haften muss; oder wenn ich Jemandem aus einem Miethcontract verpflichtet bin, weil ich ihm einen Sclaven vermiethet habe, und dieser durch dich verschlechtert worden ist, so haftest du sowohl in diesem, als auch in andern ähnlichen Fällen. 8Die Schätzung geschieht bei dieser Klage darnach, um wieviel der Sclav schlechter geworden ist, was durch die Amtspflicht des Richters ermittelt wird. 9Es tritt aber zuweilen der Fall ein, dass [der Sclav] ganz unnütz und es von gar keinem Interesse ist, einen solchen Sclaven zu besitzen; wird in diesem Fall nun der Anreizer auch zur Erlegung des Werthes genöthigt, und profitirt der Herr den Sclaven noch ausserdem, oder muss der Herr zur Herausgabe des Sclaven und Annahme des Werths gezwungen werden? Es ist richtiger, dem Herrn die Wahl zu lassen, entweder den Sclaven zu behalten, und den Schadensbetrag, um den der Sclav verschlechtert worden, doppelt zu nehmen, oder nach Herausgabe des Sclaven, wenn er dazu befähigt war, den Werth zu verlangen; hat er [diese Befähigung] nicht, so muss er zwar den Werth auf gleiche Weise erhalten, jedoch dagegen dem Anreizer auf dessen Gefahr die Klagen über das Eigenthum an dem Sclaven abtreten. Was über die Herausgabe des Sclaven gesagt worden ist, hat natürlich nur dann Statt, wenn es sich um einen lebenden Sclaven handelt. Wird hingegen nach dessen Freilassung Klage erhoben, so wird er nicht leicht bei dem Richter Gehör erlangen, wenn er den Grund der Freilassung dahin angibt, dass er ihn nicht habe im Hause behalten wollen, so dass er den Werth und den Freigelassenen erhält.

15Gaius li­bro sex­to ad edic­tum pro­vin­cia­le. Cor­rum­pi­tur ani­mus ser­vi et si per­sua­dea­tur ei, ut do­mi­num con­tem­ne­ret.

15Gaj. lib. VI. ad Ed. prov. Das Gemüth des Sclaven wird auch dann verführt, wenn er überredet worden ist, seinen Herrn geringschätzend zu behandeln.

16Al­fe­nus Va­rus li­bro se­cun­do di­ges­to­rum. Do­mi­nus ser­vum dis­pen­sa­to­rem ma­nu­mi­sit, post­ea ra­tio­nes ab eo ac­ce­pit et cum eis non con­sta­ret, con­perit apud quan­dam mu­lier­cu­lam pe­cu­niam eum con­sump­sis­se: quae­re­ba­tur, pos­set­ne age­re ser­vi cor­rup­ti cum ea mu­lie­re, cum is ser­vus iam li­ber es­set. re­spon­di pos­se, sed et­iam fur­ti de pe­cu­niis quas ser­vus ad eam de­tu­lis­set.

16Alfen. Varus lib. II. Dig. Ein Herr ertheilte seinem Sclaven, der Verwalter war, die Freiheit, empfing, von demselben nachher die Rechnungen, und erfuhr, als es mit denselben nicht richtig stand, dass er das Geld bei einer Dirne durchgebracht habe; es entstand nun die Frage, ob er wider das Frauenzimmer wegen der Verführung des Sclaven klagen könne, da doch der Sclav schon frei war? Ich habe zur Antwort ertheilt, er könne es allerdings, jedoch könne er auch die Diebstahlsklage wegen der Gelder, die der Sclav derselben zugesteckt habe, erheben.

17Mar­cia­nus li­bro quar­to re­gu­la­rum. Ser­vi cor­rup­ti no­mi­ne et con­stan­te ma­tri­mo­nio ma­ri­to in mu­lie­rem da­tur ac­tio, sed fa­vo­re nup­tia­rum in sim­plum.

17Marcian. lib. IV. Regul. Die Klage wegen geschehener Verführung des Sclaven wird auch dem Ehemann wider die Frau während stehender Ehe verstattet, jedoch zur Begünstigung der Ehe nur auf den einfachen Betrag.