Ad exhibendum
(Von der [Klage auf] Auslieferung1.)
1Die verschiedenen Bedeutungen von exhibere s. bei Glück zu diesem Titel. Mir scheint für die Uebersetzung: ausliefern, ebenso entsprechend, als die verschiedenen Bedeutungen, je nachdem die Römischen Gesetze eine engere und ausgedehntere Exhibition annehmen, umfassend und in sich vereinigend; denn unter ausliefern kann man, wie unter exhibere, sowohl ein blosses Darstellen und Vorzeigen, als die Herausgabe verstehen.
1Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Diese Klage ist eine sehr nothwendige, es geschieht ihrer Wirkung täglich Gebrauch und sie ist hauptsächlich wegen der Eigenthumsklagen eingeführt worden.
3Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Bei dieser Klage muss der Kläger alle Merkmale der Sache, um die es sich handelt, kennen, und deren Eigenschaften angeben22Ich begnüge mich, wegen der Erklärung der meisten Gesetze und vieler Ausdrücke in diesem Titel, im Allgemeinen auf Glücks Alles erschöpfenden Commentar zu verweisen.. 1Wer Klage auf Auslieferung erhebt, behauptet nicht durchaus, dass er Eigenthümer sei, noch braucht er den Beweis davon zu führen, indem vielerlei Gründe zur Erhebung dieser Klage vorhanden sind. 2Uebrigens ist bei dieser Klage zu bemerken, dass der ungehorsame Beklagte durch den Würderungseid des Klägers, während der Richter alsdann die Summe veranschlagt, verurtheilt werden könne. 3Diese Klage ist eine persönliche und kommt demjenigen zu, der irgend eine dingliche Klage zu erheben im Begriff steht, auch die Servianische Pfand- oder die hypothecarische Klage, die den Gläubigern zustehen. 4Auch dem, der auf den Niessbrauch klagen will, sagt Pomponius, stehe die Klage auf Auslieferung zu. 5Auch wer, um ein Interdict anzustellen, die Auslieferung einer Sache verlangt, wird Gehör erhalten. 6Ebenso kann ich bekanntlich auf Auslieferung klagen, wenn ich mir einen Sclaven, oder eine andere Sache, deren Wahl mir letztwillig hinterlassen worden ist, auswählen will, um von den ausgelieferten [Gegenständen] einen eigenthümlich zu verlangen. 7Wer die Noxalklage erheben will, dem ist die Klage auf Auslieferung von Nöthen; denn wie, wenn der Eigenthümer zwar die Vertheidigung übernehmen will, der Kläger aber, wenn [die Sclaven] nicht gegenwärtig sind, nicht bestimmen kann, [wer es gewesen sei], weil er den Sclaven entweder nicht kennt, oder den Namen nicht mehr weiss? Ist es hier nicht billig, dass ihm das ganze Gesinde vorgestellt werde, um den Sclaven herauszuerkennen, der den Schaden angerichtet hat? — Es muss dies daher nach Befinden geschehen, um denjenigen zu bezeichnen, wegen dessen Jemand, nach vorangegangener Aufzählung der Sclaven, Klage erheben will. 8Wenn ein Anderer als der Erbe verlangt, dass ihm ein Testament, oder Codicille, oder ein sonstiger Zubehör des Testaments vorgezeigt werde, so muss er sich dazu dieser Klage nicht bedienen, indem die zu diesem Ende ihm zustehenden Interdicte genügen; so auch Pomponius. 9Ad Dig. 10,4,3,9ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 121, S. 395: Klage des Inhabers des Umlaufexemplars (Secunda) gegen den Verwahrer des Acceptexemplars (Prima) des Wechsels auf Herausgabe. Begründung der Klage.Es ist aber zu bemerken, dass nicht nur denen, die wir genannt haben, die Klage auf Auslieferung zuständig sei, sondern auch dem, der ein Interesse an der Auslieferung hat. Der Richter muss daher summarisch untersuchen, ob derselbe betheiligt sei, nicht ob ihm die Sache gehöre, und alsdann die Auslieferung entweder anbefehlen, oder nicht, wenn er nicht betheiligt ist. 10Ja, es sagt Julian, ich könne, selbst wenn mir die Eigenthumsklage [noch] nicht zustehe, doch einstweilen auf Auslieferung klagen, wenn mir an der Auslieferung liegt, z. B. wenn mir ein Sclav nach des Titius Auswahl vermacht worden ist; hier klage ich auf Auslieferung, weil mir an dieser gelegen ist, damit Titius wählen könne, und so werde ich denn die Eigenthumsklage erheben können, wiewohl ich den Ausgelieferten nicht wählen kann. 11Wenn wider mich Klage auf Auslieferung erhoben worden ist, so kann ich nicht selbst deshalb, dass ich auf Auslieferung belangt worden bin, auf Auslieferung Klage erheben, wiewohl mir insofern daran ein Interesse zuzustehen scheint, weil ich zur Herausgabe genöthigt werde. Dies reicht nämlich nicht hin [, die Klage zu begründen], denn sonst würde auch derjenige, welcher sich arglistig des Besitzes entledigt hat, auf Auslieferung klagen können, da er doch weder Eigenthumsklage noch Interdict anstellen kann, sowie der Dieb oder Räuber; dies ist keinen Falls zulässig. Neratius sagt vielmehr scharfsinnig so: es habe der Richter in der Klage auf Auslieferung darüber Untersuchung anzustellen, ob [der Kläger] eine rechtmässige und erweisliche Ursache zur Klage habe, deren wegen er die Auslieferung verlangt. 12Ad Dig. 10,4,3,12ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 121, S. 395: Klage des Inhabers des Umlaufexemplars (Secunda) gegen den Verwahrer des Acceptexemplars (Prima) des Wechsels auf Herausgabe. Begründung der Klage.Pomponius schreibt, es können auch Mehrere wegen desselben Sclaven auf Auslieferung klagen, z. B. wenn der Sclav dem Ersten eigenthümlich gehört, der Zweite den Niessbrauch daran hat, der Dritte den Besitz in Anspruch nimmt, und der Vierte ein Pfandrecht an ihm behauptet; allen diesen steht die Klage auf Auslieferung zu, weil allen an der Auslieferung des Sclaven gelegen ist. 13An demselben Orte schreibt er, der Richter würdige, vermöge ihm bei dieser Klage überlassenen Ermessens, auch die Einreden, welche der Besitzer vorschütze, und wenn nun eine auf der Stelle so klar sei, dass sie den Kläger sehr leicht abwehrt, so müsse der Besitzer losgesprochen, wenn aber unerweislich oder von der Art sei, dass sie eine weitere Erörterung erheische, dieselbe zur Hauptklage verwiesen werden, während die Auslieferung der Sache anbefohlen wird; über einige Einreden muss jedoch der Richter bei der Klage auf Auslieferung jeden Falls erkennen, z. B. über die des vertragsmässigen Uebereinkommens [, sich der beabsichtigtwerdenden Klage nicht bedienen zu wollen], die der Arglist33Nämlich welche der Kläger wider den Beklagten in Betreff der fraglichen Sache ausgeübt hat. Glück XI. p. 202., des Eides44Wenn der Beklagte schon vor Erhebung der Klage geschworen hat, dass die Sache dem Kläger nicht gehöre. Glück ebendas., der rechtlich entschiedenen Sache55Wenn er derselben Sache wegen früher schon einmal belangt, und die Sache durch Urtheil entschieden ist.. 14Zuweilen bewirkt der in Ansehung der Auslieferung vorherrschende Billigkeitsgrundsatz, dass, wiewohl nicht auf Auslieferung Klage erhoben werden kann, dennoch eine Klage auf das Geschehene zugelassen wird, wovon Julian handelt. Er führt nämlich den Fall an, dass ein meiner Ehefrau gehöriger Sclav meine Rechnungen geführt hat, welche du besitzest, und deren Auslieferung ich von dir verlange; wenn dieselben, sagt Julian, auf mein Papier geschrieben sind, so findet die Klage Statt, weil ich ihrer wegen dann auch die Eigenthumsklage erheben kann; denn wenn das Papier mein ist, so gehört mir auch, was darauf geschrieben worden ist; ist aber das Papier nicht mein, so kann ich, weil ich es nicht eigenthümlich wieder verlangen kann, auch nicht die Klage auf Auslieferung anstellen; darum steht mir die Klage auf das Geschehene zu. 15Es ist zu bemerken, dass diese Klage nicht nur wider den bürgerlichrechtlichen, sondern auch gegen den blos natürlichen Besitzer Statt finde. So z. B.66Denique s. Note 2) S. 351 d. B. nach Glück XI. p. 212. muss der Gläubiger, der eine Sache zum Pfande empfangen hat, auf Auslieferung haften.
5Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Celsus schreibt, wenn Jemand Waaren zu verfahren sich verdungen, und sie in einem Magazin niedergelegt hat, so kann wider den, der die Verdingung eingegangen ist, die Klage auf Auslieferung angestellt werden. Ebenso muss, wenn nach des Lohnfuhrmanns Tode ein Erbe desselben vorhanden ist, wider diesen geklagt werden. Ist kein Erbe da, so muss wider den Eigenthümer des Magazins Klage erhoben werden; denn wenn sie keiner besitzt, so ist offenbar der Magazineigenthümer entweder Besitzer, oder wenigstens derjenige, der sie ausliefern kann. In welcher Art aber, sagt er, besitzt derjenige, der den Transport in Verdingung genommen hat, etwa pfandweise77Quia pignus tenet. Cujaz Recitat. solemn. ad h. l. erklärt dies daraus, dass der Fuhrmann ein stillschweigendes Pfandrecht an den Waaren wegen seines Lohnes habe, was die von ihm angeführte l. 6. §. 2. qui pot. in pign. beweist, und wobei zu berücksichtigen ist, dass er nach der Vulgate wahrscheinlich pignori gelesen hat. Da nun diese Erklärung so ungezwungen und so einleuchtend ist, so ist es ebenfalls nur aus dem Note 34) angeführten Grunde zu erkklären, wenn Glück (XI. p. 218.) Pothiers Erklärung: si convenerit ut pro hac mercede merces essent pignori richtiger als die des Cujaz findet. Welches Wort im Gesetz lässt eine Convention ahnden? Wie kann man darauf verfallen, diese anzunehmen, wenn man l. 6. §. 2. qui potior. in pign. gelesen hat? — Anton Fabers Erklärung endlich macht der Cujazischen den Rang immer nocht nicht streitig; denn quia pignus tenet als quasi pignus zu verstehen, ist gar nicht nöthig; weil mann diese Worte auch recht gut und dem Cujaz gemäss, so geben kann: etwa weil er [nämlich sie, die Waaren] als Pfand besitzt? — Und dann ist das letztere nicht Frage, sondern Grund: mithin fällt die Cujazische und Fabersche Erklärung zusammen.? — Dieser Umstand beweist, dass auch diejenigen, welche die Fähigkeit zur Auslieferung besitzen, dazu verpflichtet seien. 1Julian sagt so: mittelst der Klage auf Auslieferung hafte jeder, wer sich zur Aufrechterhaltung von Vermächtnissen im Besitz befinde; ebenso derjenige, wer eine Sache wegen Niessbrauches inne habe, wiewohl auch er eigentlich nicht besitze. Daher behandelt Julian die Frage, inwiefern dieselben zur Auslieferung verbunden seien, und beantwortet sie dahin: der erstere insofern, dass der Kläger den Besitz [zwar] erlangt88S. Glück XI. p. 220. der Beklagte aber zur Erhaltung der Sache im Besitz bleibt; der Niessbraucher aber dergestalt, dass der Kläger den Besitz der Sache erlangt, der Beklagte aber den Niessbrauch übt. 2Gleichfalls, schreibt Julian, hafte der Käufer, der das, was [auf einem verkauften Grundstück] ausgegraben und umgehauen vorhanden ist99Ruta caesa, s. Glück II. p. 530. n. 100., nicht herausgibt, auf Auslieferung, insoweit ich den Streitgegenstand eidlich gewürdert habe; er fügt jedoch hinzu, es müsse sich der Käufer im Besitz befinden, oder sich arglistig des Besitzes entledigt haben. 3Ferner, schreibt Celsus, kannst du durch die Klage auf Auslieferung erlangen, den Dünger, den du auf meinen Hof hingeschafft hast, wieder hinwegnehmen zu dürfen, und zwar ganz und gar; anders [d. h. theilweise] kannst du es nicht. 4Auch wenn ein Floss durch Stromesgewalt auf eines Andern Acker fortgetrieben worden, kann derselbe mit der Klage auf Auslieferung, wie Neratius schreibt, belangt werden. Daher untersucht Neratius die Frage, ob dem Eigenthümer des Ackers nur wegen des künftigen, oder auch wegen des der Vergangenheit angehörigen Schadens Sicherheit bestellt werden müsse? Und bejahet die Verbindlichkeit zum Letztern. 5Auch wenn etwas von einem eingestürzten Gebäude auf deinen Hof, oder in deine Gebäude herabgefallen ist, haftest du auf Auslieferung, selbst wenn du es nicht besitzest. 6Auf der andern Seite haftet aber derjenige, dem die Fähigkeit zur Auslieferung ermangelt, auch wenn er besitzt, dennoch nicht auf Auslieferung; so z. B. haftet [der Herr], wenn ein Sclav flüchtig geworden, nur insoweit, dass er Sicherheit leistet, ihn stellen zu wollen, sobald er seiner wieder habhaft geworden sei; dasselbe gilt, auch wenn er nicht flüchtig ist, sondern du ihm gestattet hast, sich aufzuhalten wo er will; oder wenn er von dir auf Reisen geschickt worden ist, oder auf deinen Landgütern sich befindet, wirst du blos zu der [gedachten] Sicherheitsbestellung verpflichtet.
6Paul. lib. XIV. ad Ed. Ein in einem Andern gehöriges Gold eingeschlossener Edelstein, oder an einen Armleuchter [angesetztes] Schild, kann nicht mit der Eigenthumsklage gefordert, sondern es muss zu deren Trennung auf Auslieferung geklagt werden. Anders ist es bei einem in ein [fremdes] Gebäude verbaueten Balken, wessen wegen nicht auf Auslieferung geklagt werden kann, weil das Zwölftafelgesetz die Absonderung verbietet; allein es kann aus demselben Gesetz die Klage wegen des verbaueten Balkens auf das Doppelte erhoben werden.
7Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Unter der Benennung Balken verstehen wir im Zwölftafelgesetz, wie Einige richtig meinen, jeden Stoff. 1Wenn du aber mein Rad an [deinem] Wagen befestigt hast, so haftest du auf Auslieferung. Dies sagt Pomponius, wiewohl du dann keinen bürgerlichrechtlichen Besitz hast. 2Dasselbe ist der Fall, wenn du ein mir gehöriges Brett an [d]einem Schrank oder Schiff, oder an einem Becher einen mir gehörigen Henkel befestigt, oder Figuren an einem Trinkgeschirr, oder Purpurfäden in ein Kleid eingewebt, oder einer Statue einen Arm angesetzt hat. 3Auch Stadtgemeinden können auf Auslieferung belangt werden, weil sie die Fähigkeit zur Herausgabe besitzen; denn sie können bekanntlich besitzen und ersitzen; dasselbe gilt von Innungen und anderen Gemeinheiten. 4Wenn Jemand zur Zeit der Einleitung des Verfahrens nicht im Besitz ist, nachher aber noch vor der Entscheidung in den Besitz gekommen ist, so muss er, wenn er nicht herausgibt, dazu verurtheilt werden. 5Wer zur Zeit der Einleitung des Verfahrens sich im Besitz befindet, nachher aber ohne böse Absicht um den Besitz gekommen ist, muss losgesprochen werden, wenn ihm nicht1010Quamvis, s. Glück XI. p. 227., sagt Pomponius, das zum Vorwurf gereicht, dass er nicht gleich die Herausgabe bewirkt, sondern es auf die Klage hat ankommen lassen. 6Derselbe schreibt: wenn Jemand zur Zeit der Einleitung des Verfahrens sich im Besitz befunden, nachher zu besitzen aufgehört, und kurz darnach aus demselben oder einem andern Grunde wieder in den Besitz gekommen ist, so muss derselbe, wenn er nicht zur Herausgabe schreitet, verurtheilt werden. 7Ad Dig. 10,4,7,7ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 121, S. 395: Klage des Inhabers des Umlaufexemplars (Secunda) gegen den Verwahrer des Acceptexemplars (Prima) des Wechsels auf Herausgabe. Begründung der Klage.Hierzu fügt Pomponius nicht übel hinzu, es müsse aber auch derjenige, der auf Auslieferung geklagt habe, zu beiden Zeitpuncten bei der Herausgabe der Sache betheiligt gewesen sein, d. h. sowohl zu der der Einleitung des Verfahrens, als der der Verurtheilung; dies ist des Labeo Ansicht auch.
8Julian. lib. IX. Dig. Wenn wider den, der weder besass, noch arglistiger Weise sich des Besitzes entledigt hat, Klage auf Auslieferung erhoben worden ist, und nach dessen Ableben sich sein Erbe im Besitz der Sache befindet, so muss er zur Auslieferung angehalten werden. Denn wenn ich ein Landgut oder einen Sclaven klagend gefordert habe, und der Erbe aus demselben Grunde in den Besitz gekommen ist1111Nämlich durch Fortsetzung dessen des Erblassers., so wird er auch zur Herausgabe genöthigt.
9Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Julian schreibt: wer einen Sclaven, den er besass, getödtet, oder dessen Besitz auf einen Andern übertragen, oder eine Sache dergestalt verdorben hat, dass sie gar nicht mehr als vorhanden betrachtet werden kann, der haftet auf Auslieferung, weil er sich des Besitzes arglistiger Weise entledigt hat. Wenn er daher Wein, Oel, oder etwas Anderes ausgegossen oder zerbrochen hat, so haftet er auf Auslieferung. 1Auf mein Landgut sind Früchte von deinem Baume gefallen; mein Vieh, das ich dahin getrieben, frisst sie weg; mit welcher Klage kann ich belangt werden? Pomponius antwortet: wenn ich das Vieh in der Absicht dahin getrieben, dass es sie wegfressen solle, so sei die Klage auf Auslieferung zuständig. Denn du wirst1212Ulpian wechselt hier wie öfters die Person. auch, wenn die Früchte noch vorhanden wären, und mir nicht gestatten wolltest, sie aufzulesen, auf Auslieferung haften, gleichwie derjenige, der mir zugehöriges auf seinen Acker fortgeschwemmtes Bauholz nicht hinfortschaffen lassen will. Uns gefällt hier des Pomponius Ansicht, es mögen die Früchte noch vorhanden, oder bereits verzehrt sein. Wenn sie aber noch vorhanden sind, so kann ich auch das Interdict wegen aufzulesender Früchte, wenn ich Sicherheit wegen drohenden Schadens gestellt habe, anstellen, um die Freiheit, allemal den dritten Tag die Früchte aufzulesen, zu erlangen. 2Wer es dahin gebracht hat, dass eine Sache an einen Andern gelangt ist, wird, vorausgesetzt, dass er es arglistiger Weise gethan, so angesehen, als habe er sich des Besitzes arglistiger Weise entledigt. 3Hat Jemand eine Sache im verschlechterten Zustande ausgeliefert, so haftet er, sagt Sabinus, ebenfalls auf Auslieferung. Dies gilt auch dann, wenn eine Sache arglistiger Weise in einen andern Körper verwandelt, z. B. aus einem Becher eine Masse geworden ist; denn wenn er dann auch die Masse ausliefert, so haftet er dennoch auf Auslieferung; denn durch die Verwandlung der Form verändert er gewissermaassen die Substanz der Sache selbst. 4Marcell schreibt: wenn dir zehn Münzen unter einer Bedingung vermacht worden sind, und mir der Niessbrauch an denselben zehn1313Ich halte das eorum der Vulgate für unerlässlich. unbedingt, und nachher der Erbe, während die Bedingung noch obschwebte, ohne Sicherheit zu fordern, dem Niessbraucher die zehn ausgezahlt hat, so haftet derselbe durch die Klage auf Auslieferung, als habe er sich arglistiger Weise des Besitzes entledigt; denn die Arglist liegt darin, dass er versäumte, vom Niessbraucher Sicherheit zu fordern, wodurch es dahin gekommen ist, dass dein Vermächtniss verloren ging, indem du die Münzen [nun] nicht [mehr] mit der Eigenthumsklage fordern kannst. Die Klage auf Auslieferung hat natürlich nur dann Statt, wenn die Bedingung des Vermächtnisses eingetreten ist. Doch kannst du dich durch die Stipulation der Vermächtnisse vorsehen, und wenn du dies gethan hast, so hast du die Klage auf Auslieferung nicht nöthig. Wenn er aber unbekannt mit dem dir zu leistenden Vermächtniss vom Niessbraucher keine Sicherheit gefordert hat, so, sagt Marcell, falle die Klage auf Auslieferung weg, weil dann keine Arglist im Spiel ist; doch, setzt er hinzu, sei dem Vermächtnissinhaber mit einer Klage auf das Geschehene wider den Nutzniesser zu Hülfe zu kommen. 5Ad Dig. 10,4,9,5ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 121, S. 395: Klage des Inhabers des Umlaufexemplars (Secunda) gegen den Verwahrer des Acceptexemplars (Prima) des Wechsels auf Herausgabe. Begründung der Klage.In Beziehung auf diese Klage heisst ausliefern (exhibere): [eine Sache] in demselben Zustande darstellen, worin sie sich bei der Einlassung auf die Klage befand, um nach Vergegenwärtigung der Sache, [das Verfahren] mit der Klage, welche man beabsichtigt hat, während die gefordert werdende [Sache] in keiner Art verletzt sein darf, fortsetzen zu können1414Copiam rei habens possit exsequi actione, quam destinavit, in nullo casu, quam intendit, laesa. Es sind vielfache Versuche geschehen diese sehr schwere Stelle zu erklären; wegen der sehr abweichenden Lesarten und der Bemühungen der Kritik verweise ich auf Glück XI. p. 169. n. 12. Wenn unser Text hinter exsequi judicium eingeschoben wissen will, so muss er wenigstens dann vor actione ein Komma stellen; casu in caussa abzuändern halte ich kaum für zulässig, geschweige für annehmbar; denn was soll dann mit quam intendit werden? Dass quam nicht auf caussa gehen könne, ist klar; ich beziehe quam vielmehr auf rem, wodurch die Stelle sehr an Licht gewinnt; auf diese Annahme hat mich besonders das intendit geführt, es ist auch dann das laesa ganz einleuchtend zu erklären, während ich mir bei laesa actio nichts denken kann., obwohl nicht wegen Herausgabe, sondern wegen Auslieferung geklagt wird. 6Wenn er daher [den fraglichen Gegenstand] nach der Einleitung des Verfahrens zwar ausliefert, allein als ersessen, so wird die Auslieferung als gar nicht geschehen betrachtet, indem der Kläger seine Forderung verlieren würde; daher darf derselbe nicht freigesprochen werden, als wenn er sich bereit erklärt, sich dergestalt mit Zurückrechnung der Zeit1515Repetita die. Ueber diese ganze Stelle s. die citirten Stellen aus Cujaz, Noodt und Donell bei Glück XI. p. 173. auf die Klage einzulassen, dass die Nutzungen dem [Zwölftafel]gesetz gemäss veranschlagt werden. 7Weil dem Kläger bei dieser Klage auch aller Zubehör herausgegeben wird, so glaubte Sabinus, dass auch die Sclavenkinder herausgegeben werden müssen, es mag die Sclavin schon schwanger gewesen oder erst nachher geschwängert worden sein; diese Meinung billigt auch Pomponius. 8Sind übrigens Nutzungen durch nicht geschehene, oder verspätete Auslieferung verloren gegangen, so muss sie der Richter veranschlagen. Daher sagt Neratius, es werde der Vortheil des Klägers, und nicht der Werth der Sache veranschlagt; dieser Vortheil, setzt er hinzu, wird zuweilen geringer sein, als die Sache selbst.
10Paul. lib. XXVI. ad Ed. Wenn mir die Wahl [eines Sclaven] binnen einer bestimmten Zeit zugestanden, und dieses Verfahren so lange Zeit hingezogen worden ist, dass die Auslieferung vergeblich wird, so muss der Vortheil des Klägers aufrecht erhalten werden. Wenn es aber nicht in des Erben Gewalt stand, die Auslieferung zur Zeit der Einlassung auf die Klage zu bewirken, so muss derselbe freigesprochen werden.
11Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Auch wenn eine Erbschaft deswegen verloren gegangen, dass ein Sclav nicht ausgeliefert worden ist, ist es billig, dass der Richter den Schaden wegen der Erbschaft veranschlage. 1Lass sehen, an welchem Ort, und auf wessen Kosten der Gegenstand ausgeliefert werden muss; Labeo sagt, es müsse da geschehen, wo er sich befand, als die Einleitung des Verfahrens erfolgte, und er müsse auf Gefahr und Kosten des Klägers dahin gebracht oder geführt werden, wo geklagt worden ist. Atzung, Bekleidung und Curkosten für einen Sclaven müsse der Besitzer tragen. Meiner Ansicht nach muss aber in einigen Fällen dies der Kläger übernehmen, z. B. wenn sich der Sclav [an seinem Aufenthaltsort] durch seine Arbeit oder Kunst selbst zn ernähren1616Exhibere in dieser besondern Bedeutung s. Brisson. h. v. pflegte, und jetzt genöthigt wird, seine Arbeit liegen zu lassen. Es muss ferner, wenn der auszuliefernde [Sclav] bei den Gerichtsbedienten1717Officium, s. Brisson. auch l. 17. D. de in jus voc. in Verwahrung gegeben worden ist, derjenige die Atzungskosten übernehmen, der die Auslieferung verlangt hat, wenn der Besitzer nicht denselben zu ernähren pflegte; denn wenn er dies gethan, so kann er, so gut er ihn sonst ernährte, auch nun die Atzungskosten nicht verweigern. Zuweilen muss aber der Gegenstand dennoch daselbst [, wo geklagt wird,] auf Kosten [des Beklagten] ausgeliefert werden, z. B. wenn man den Fall annimmt, dass er absichtlich den Gegenstand an einen abgelegenen Ort hingeschafft habe, um die Auslieferung für den Kläger beschwerlicher zu machen; in diesem Fall muss er ihn auf seine Kosten und Gefahr an dem Orte stellen, wo geklagt wird, denn sonst würde er aus seiner List Vortheil ziehen. 2Wer wegen mehrerer Sachen belangt worden ist, und zur Zeit der Einleitung des Verfahrens alle besitzt, wiewohl er nachher, obschon ohne Arglist, einige davon verloren, muss verurtheilt werden, wenn er nicht diejenigen ausliefert, welche er [noch ausliefern] kann.
12Paul. lib. XXVI. ad Ed. Die Klage wegen Auslieferung desjenigen, den Jemand als Freien in Anspruch nehmen will, ist zulässig. 1Auch ein Familiensohn haftet, wenn er die Fähigkeit zur Auslieferung eines Gegenstandes besitzt, durch diese Klage. 2Oft, sagt Julian, steht demjenigen, der [zum zweiten Male] auf Auslieferung, und zwar aus demselben Grunde klagt, eine Einrede entgegen. Ein neuer Grund tritt aber dann ein, wenn derjenige, der, um die Eigenthumsklage zu erheben, klagbar geworden war, nach der Einleitung des Verfahrens die [fragliche Sache] von irgend Jemand erhalten hat; deshalb steht ihm die Einrede dann nicht entgegen. Ingleichen wenn derjenige, welcher um die Diebstahlsklage zu erheben auf Auslieferung geklagt hat, von Neuem bestohlen worden ist. Nicht weniger kann derjenige, der, um [einen Sclaven] zu wählen, auf Auslieferung angetragen hatte, und dem nach Einleitung des Verfahrens auch aus dem Testamente eines Andern die Wahl anheimgestellt ist, auf Auslieferung klagen. 3Wer aus meinen Trauben Most bereitet, oder aus Oliven Oel, oder aus Wolle Kleider gemacht hat, und wusste, dass dieselben ihm nicht gehörten, haftet wegen beider Gegenstände durch die Klage auf Auslieferung, weil das, was aus einer uns gehörigen Sache bereitet worden ist, richtiger Annahme nach unser ist. 4Ad Dig. 10,4,12,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 124, Note 9.Wenn ein Sclav nach Einleitung des Verfahrens gestorben ist, obwohl ohne Arglist oder Schuld des Besitzers, so muss er zuweilen dennoch zu soviel verurtheilt werden, als dem Kläger daran gelegen war, dass jener ihn gleich damals, als die Einlassung auf die Klage geschah, ausgeliefert hätte; dies ist dann um so mehr der Fall, wenn es sich ergibt, dass derselbe durch einen Umstand um’s Leben gekommen, der, wenn er damals ausgeliefert worden wäre, nicht eingetreten sein würde. 5Wenn ein Gegenstand aus einer rechtmässigen Ursache nicht gleich ausgeliefert werden kann, so muss [der Besitzer] auf Geheiss des Richters Sicherheit bestellen, ihn an einem bestimmten Tage ausliefern zu wollen. 6Der Erbe kann diese Klage auch im eigenen Namen, und nicht blos als Erbe anstellen. Ingleichens haftet der Erbe des Besitzers im eigenen Namen. Daher ist es ganz überflüssig, zu erörtern, ob sie dem Erben und gegen den Erben zu ertheilen sei. Wegen Arglist des Erblassers ist die Klage freilich wider den Erben zu ertheilen, wenn die Erbschaft dadurch bereichert worden ist, z. B. weil er den Erlös aus dem Gegenstande erhalten hat.
13Ad Dig. 10,4,13ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 121, S. 395: Klage des Inhabers des Umlaufexemplars (Secunda) gegen den Verwahrer des Acceptexemplars (Prima) des Wechsels auf Herausgabe. Begründung der Klage.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 474, Note 5.Gaj. lib. ad Ed. Praet. Urb. tit. de liberali caussa. Wenn behauptet wird, es befinde sich ein freier Mensch in Jemandes Besitz, so kann wegen dessen Auslieferung wider den, der des Besitzes bezüchtigt wird, ein Interdict angestellt werden; denn die Klage auf Auslieferung erscheint für diesen Fall als unnütz, weil dieselbe nur dem als zuständig angenommen wird, der ein pecuniäres Interesse1818Unser Text hat nach der Florentine peculiariter; allein es ist die übereinstimmende Lesart aller andern Manuscripte: pecuniariter vorzüglicher, s. Glück XI. p. 177. dabei hat.
15Idem lib. XVIII. ad Sabin. Ein mir gehöriger Schatz befindet sich auf deinem Landgute, und du willst ihn mich nicht ausgraben lassen; wenn du ihn nicht von der Stelle rührst, so sagt Labeo zwar, könne ich weder wegen Diebstahls noch auf Auslieferung klagen, weil du ihn weder besitzest, noch dich arglistiger Weise seines Besitzes entledigt hast, da es ja möglich ist, dass du von dem Vorhandensein dieses Schatzes auf deinem Landgute gar nichts weisst; allein es sei nicht unbillig, mir, wenn ich geschworen, dass ich die Forderung nicht aus Chicane thue, entweder eine Klage oder ein Interdict dergestalt zu ertheilen, dass, wenn die Bestellung der Sicherheit an dich wegen durch die Ausgrabung drohenden Schadens meiner Seits nicht verabsäumt worden, du mir in Betreff der Ausgrabung, Hebung und Fortschaffung des Schatzes keine Gewalt anthun dürfest. Wenn der Schatz gestohlenes Gut ist, so kann man auch wegen Diebstahls klagen.
16Paul. lib. X. ad Sabin. Wenn der Sclav etwas besitzt, so haftet sein Herr seinetwegen auf Auslieferung; hat sich aber der Sclav wider Wissen des Herrn arglistiger Weise des Besitzes entledigt, so muss wegen des Sclaven entweder die Diebstahlsklage, oder die Noxalklage wegen Arglist ertheilt werden; eine analoge Klage auf Auslieferung ist nicht zulässig.
17Ulp. lib. IX. de omn. tribun. Wer einen Sclaven im geschwächten Zustande, oder mit ausgeschlagenem Auge ausgeliefert hat, der muss zwar von der Klage auf Auslieferung freigesprochen werden; denn er hat die Auslieferung bewirkt, und eine Auslieferung in dieser Art verhindert die directe Klage nicht; der Kläger kann aber wegen dieses Schadens aus dem Aquilischen Gesetz klagen.
19Ad Dig. 10,4,19ROHGE, Bd. 11 (1874), Nr. 121, S. 395: Klage des Inhabers des Umlaufexemplars (Secunda) gegen den Verwahrer des Acceptexemplars (Prima) des Wechsels auf Herausgabe. Begründung der Klage.Paul. lib. IV. Epitom. Alfeni. Auf Auslieferung kann Jeder klagen, der ein Interesse dabei hat. Es fragte einer um Rath, ob diese Klage die Wirkung haben könne, dass die Rechnungen seines Gegners, an deren Auslieferung ihm sehr viel lag, ausgeliefert würden? Man hat geantwortet: das bürgerliche Recht dürfe nicht zur Chicane werden, und die Worte nicht falsch gedrehet, sondern es müsse der Sinn derselben richtig aufgefasst werden; denn nach dieser Auslegung könne auch ein irgend einer Wissenschaft Beflissener behaupten, es sei ihm an Auslieferung dieser oder jener Bücher gelegen, weil, wenn dies geschehen und er sie gelesen hätte, er Belehrung und Bildung daraus schöpfen würde.