Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Erstes Buch übersetzt von Sintenis
Dig. I18,
De officio praesidis
Liber primus
XVIII.

De officio praesidis

(Von der Amtspflicht des Präsidenten.)

1Ma­cer li­bro pri­mo de of­fi­cio prae­si­dis. Prae­si­dis no­men ge­ne­ra­le est eo­que et pro­con­su­les et le­ga­ti Cae­sa­ris et om­nes pro­vin­cias re­gen­tes, li­cet se­na­to­res sint, prae­si­des ap­pel­lan­tur: pro­con­su­lis ap­pel­la­tio spe­cia­lis est.

1Macer. lib. I. de off. Praes. Der Name Präsident ist ein allgemeiner, und es werden die Proconsulen, die Legaten des Kaisers, und alle Vorsteher der Provinzen, wenn sie auch Senatoren sind, Präsidenten genannt; die Benennung Proconsul ist eine besondere.

2Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo sex­to ad Sa­binum. Prae­ses apud se ad­op­ta­re pot­est, quem­ad­mo­dum et em­an­ci­pa­re fi­lium et ma­nu­mit­te­re ser­vum pot­est.

2Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Der Präsident kann vor sich an Kindes Statt annehmen, sowie auch seinen eigenen Sohn aus der Gewalt entlassen, und Sclaven freilassen.

3Pau­lus li­bro ter­tio de­ci­mo ad Sa­binum. Prae­ses pro­vin­ciae in suae pro­vin­ciae ho­mi­nes tan­tum im­pe­rium ha­bet, et hoc dum in pro­vin­cia est: nam si ex­ces­se­rit, pri­va­tus est. ha­bet in­ter­dum im­pe­rium et ad­ver­sus ex­tra­neos ho­mi­nes, si quid ma­nu com­mi­se­rint: nam et in man­da­tis prin­ci­pum est, ut cu­ret is, qui pro­vin­ciae prae­est, ma­lis ho­mi­ni­bus pro­vin­ciam pur­ga­re, nec di­stin­guun­tur un­de sint.

3Paul. lib. XIII. ad Sabin. Der Präsident der Provinz hat blos über die Einwohner seiner Provinz Gewalt, und zwar nur, so lange er in der Provinz ist; denn wenn er sich ausserhalb derselben befindet, ist er Privatperson. Zuweilen hat er auch über Ausländer Gewalt, [nämlich] wenn sie sich thätig vergangen haben; denn in den, von den Kaisern erlassenen, Bestallungen ist auch gesagt, dass derjenige, welcher einer Provinz vorsteht, dafür sorgen soll, die Provinz von Gesindel zu reinigen, und es ist einerlei woher es ist.

4Ul­pia­nus li­bro tri­gen­si­mo no­no ad edic­tum. Prae­ses pro­vin­ciae ma­ius im­pe­rium in ea pro­vin­cia ha­bet om­ni­bus post prin­ci­pem.

4Ulp. lib. XXXIX. ad Ed. Der Provincialpräsident hat in der Provinz nach dem Kaiser eine grössere Gewalt als irgend Jemand.

5Idem li­bro pri­mo de om­ni­bus tri­bu­na­li­bus. Prae­ses pro­vin­ciae non ma­gis tu­to­rem quam spe­cia­lem iu­di­cem ip­se se da­re pot­est.

5Id. lib. I. de omn. tribun. Der Provincialpräsident kann sich selbst eben so wenig zum Vormund, als zum Richter für einen besondern Fall bestellen.

6Idem li­bro pri­mo opi­nio­num. Il­li­ci­tas ex­ac­tio­nes et vio­len­tia fac­tas, et ex­tor­tas me­tu ven­di­tio­nes et cau­tio­nes vel si­ne pre­tii nu­me­ra­tio­ne pro­hi­beat prae­ses pro­vin­ciae. item ne quis in­iquum lu­crum aut dam­num sen­tiat, prae­ses pro­vin­ciae pro­vi­deat. 1Ve­ri­tas re­rum er­ro­ri­bus ges­ta­rum non vi­tia­tur: et id­eo prae­ses pro­vin­ciae id se­qua­tur quod con­ve­nit eum ex fi­de eo­rum quae pro­ba­bun­tur. 2Ne po­ten­tio­res vi­ri hu­mi­lio­res in­iu­riis ad­fi­ciant ne­ve de­fen­so­res eo­rum ca­lum­nio­sis cri­mi­ni­bus in­sec­ten­tur in­no­cen­tes, ad re­li­gio­nem prae­si­dis pro­vin­ciae per­ti­net. 3Il­li­ci­ta mi­nis­te­ria sub prae­tex­tu ad­iu­van­tium mi­li­ta­res vi­ros ad con­cu­tien­dos ho­mi­nes pro­ce­den­tia pro­hi­be­re et de­pre­hen­sa11Die Großausgabe liest de­prae­hen­sa statt de­pre­hen­sa. co­er­ce­re prae­ses pro­vin­ciae cu­ret, et sub spe­cie tri­bu­to­rum il­li­ci­tas ex­ac­tio­nes fie­ri pro­hi­beat. 4Ne­que li­ci­ta neg­otia­tio­ne ali­quos pro­hi­be­ri ne­que pro­hi­bi­ta ex­er­ce­ri ne­que in­no­cen­ti­bus poe­nas ir­ro­ga­ri ad sol­li­ci­tu­di­nem suam prae­ses pro­vin­ciae re­vo­cet. 5Ne te­nuis vi­tae ho­mi­nes sub prae­tex­tu ad­ven­tus of­fi­cio­rum vel mi­li­tum, lu­mi­ne uni­co vel bre­vi sup­pel­lec­ti­li ad alio­rum usus trans­la­tis, in­iu­riis ve­xen­tur, prae­ses pro­vin­ciae pro­vi­de­bit. 6Ne quid sub no­mi­ne mi­li­tum, quod ad uti­li­ta­tes eo­rum in com­mu­ne non per­ti­net, a qui­bus­dam pro­pria si­bi com­mo­da in­ique vin­di­can­ti­bus com­mit­ta­tur, prae­ses pro­vin­ciae pro­vi­deat. 7Sic­uti me­di­co im­pu­ta­ri even­tus mor­ta­li­ta­tis non de­bet, ita quod per im­pe­ritiam com­mi­sit, im­pu­ta­ri ei de­bet: prae­tex­tu hu­ma­nae fra­gi­li­ta­tis de­lic­tum de­ci­pien­tis in pe­ri­cu­lo ho­mi­nes in­no­xium es­se non de­bet. 8Qui uni­ver­sas pro­vin­cias re­gunt, ius gla­dii ha­bent et in me­tal­lum dan­di po­tes­tas eis per­mis­sa est. 9Prae­ses pro­vin­ciae si mul­tam quam ir­ro­ga­vit ex prae­sen­ti­bus fa­cul­ta­ti­bus eo­rum, qui­bus eam di­xit, red­igi non pos­se de­pre­hen­de­rit: ne­ces­si­ta­te so­lu­tio­nis mo­de­re­tur re­pre­hen­sa22Die Großausgabe liest re­prae­hen­sa statt re­pre­hen­sa. ex­ac­to­rum il­li­ci­ta ava­ri­tia. re­mis­sa prop­ter in­opiam mul­ta a pro­vin­cias re­gen­ti­bus ex­igi non de­bet.

6Id. lib. I. Opin. Der Provincialpräsident soll unerlaubte und gewaltsame Erpressungen, durch Gewalt abgezwungene Käufe und ohne empfangene Zahlung ausgestellte Quittungen hintertreiben. Nicht minder soll derselbe Vorkehrungen treffen, dass Niemand einen unbilligen Gewinn oder Schaden habe. 1Die Wahrheit von etwas Geschehenem wird durch Irrthum nicht vermindert, und darum soll der Provincialpräsident sich darnach richten, was er nach der Glaubwürdigkeit dessen, was bewiesen worden sein wird, für angemessen erachtet. 2Es ist Pflicht des Provincialpräsidenten, [darauf zu achten,] dass sich Mächtige gegen Niedere keine Widerrechtlichkeiten erlauben, und deren Stellvertreter nicht Unschuldige mit verbrecherischen Verläumdungen verfolgen. 3Der Provincialpräsident soll unerlaubte Bedienten, die unter dem Vorwande, dass sie den Militärbeamten Hülfe leisten, darauf ausgehen, die Einwohner zu plagen, nicht zulassen, und wenn sie ergriffen worden, sie bestrafen; auch soll er unerlaubte, unter dem Vorgeben, es seien Steuern, geschehene Erpressungen verhindern. 4Der Provincialpräsident möge es sich auch angelegen sein lassen, weder Jemanden in erlaubten Beschäftigungen zu stören, noch unerlaubte zuzulassen, noch Unschuldige zu bestrafen. 5Er soll ferner dafür Sorge tragen, dass nicht unbemittelte Leute, unter dem Vorwande der Ankunft von Beamten oder Soldaten, widerrechtliche Weise beunruhigt und ihres einzigen Zimmers und geringen Hausgeräthes zum Bedarf Anderer beraubt werden. 6Er soll auch dafür sorgen, dass nichts, angeblich für Soldaten, was zu deren Bedarf im Allgemeinen nicht gehört, von solchen geschehe, die dabei unredlicher Weise ihren eigenen Vortheil suchen. 7Sowenig dem Arzt der tödtliche Ausgang einer Krankheit zugerechnet werden darf, so sehr muss ihm dass, was er aus Unerfahrenheit begangen hat, zugerechnet werden; denn das Verbrechen desjenigen, der die Leute, wenn Gefahr vorhanden ist, betrügt, darf unter dem Vorwande menschlicher Gebrechlichkeit nicht ungestraft bleiben. 8Wer ganze Provinzen verwaltet, hat das Recht über Leben und Tod, und es ist ihnen auch Gewalt gegeben, zu Bergwerksarbeit zur verurtheilen. 9Wenn der Provincialpräsident einsihet, dass Geldstrafen, welche er auferlegt hat, aus dem vorhandenen Vermögen derer, wider welche er sie verhängt hat, nicht eingezogen werden können, so muss die Nothwendigkeit11Necessitate. Diese Lesart möchte schwerlich beizubehalten und daher entweder das Brencmannsche necessitati oder das Haloandrische necessitatem (was Ed. Frad. sowie Baudoza auch haben) anzunehmen sein; beides giebt denselben Sinn. deren Zahlung ermässigt werden, und es ist unerlaubte Habsucht der Hülfsvollstrecker zu tadeln. Eine von den Vorstehern der Provinzen wegen Armut erlassene Geldstrafe darf nicht eingetrieben werden.

7Idem li­bro ter­tio opi­nio­num. Prae­ses pro­vin­ciae in­spec­tis ae­di­fi­ciis do­mi­nos eo­rum cau­sa co­gni­ta re­fi­ce­re ea com­pel­lat et ad­ver­sus de­trac­tan­tem com­pe­ten­ti re­me­dio de­for­mi­ta­ti au­xi­lium fe­rat.

7Id. lib. III. Opin. Der Provincialpräsident soll nach der Besichtigung [schadhafter] Gebäude und Untersuchung der Sache derer Eigenthümer zur Ausbesserung anhalten, auch gegen die Säumigen durch passende Mittel [vorschreiten, um] hässlichen Entstellungen ab[zu]helfen.

8Iu­lia­nus li­bro pri­mo di­ges­to­rum. Sae­pe au­di­vi Cae­sa­rem nos­trum di­cen­tem hac re­scrip­tio­ne: ‘eum qui pro­vin­ciae prae­est ad­ire potes’ non im­po­ni ne­ces­si­ta­tem pro­con­su­li vel le­ga­to eius vel prae­si­di pro­vin­ciae sus­ci­pien­dae co­gni­tio­nis, sed eum aes­ti­ma­re de­be­re, ip­se co­gnos­ce­re an iu­di­cem da­re de­beat.

8Julian. lib. I. Dig. Ich habe oft gehört, dass unser Kaiser gesagt hat: „durch die Verordnung: man kann sich an denjenigen, welcher der Provinz vorsteht, wenden, werde dem Proconsul, oder dessen Legate, oder dem Provincialpräsident nicht die Nothwendigkeit auferlegt sich einer Untersuchung selbst zu unterziehen, sondern es solle von seiner Wahl abhängen, ob er die Untersuchung selbsst leiten, oder einen Richter bestellen wolle.“

9Cal­lis­tra­tus li­bro pri­mo de co­gni­tio­ni­bus. Ge­ne­ra­li­ter quo­tiens prin­ceps ad prae­si­des pro­vin­cia­rum re­mit­tit neg­otia per re­scrip­tio­nes, vel­uti ‘eum qui pro­vin­ciae prae­est ad­ire poteris’ vel cum hac ad­iec­tio­ne ‘is aes­ti­ma­bit, quid sit par­tium sua­rum’, non im­po­ni­tur ne­ces­si­tas pro­con­su­li vel le­ga­to sus­ci­pien­dae co­gni­tio­nis, quam­vis non sit ad­iec­tum ‘is aes­ti­ma­bit quid sit par­tium sua­rum’: sed is aes­ti­ma­re de­bet, utrum ip­se co­gnos­cat an iu­di­cem da­re de­beat.

9Callistrat. lib. I. de Cognition. Es wird überhaupt, allemal, so oft der Kaiser dem Provincialpräsidenten Geschäfte durch Rescripte überträgt, wie z. B. du kannst dich an denjenigen, welcher der Provinz vorsteht, wenden, oder mit dem Zusatz: dieser wird erwägen, was er zur thun hat, dem Proconsul oder Legaten nicht die Nothwendigkeit, die Untersuchung selbst zu leiten, auferlegt, wenn auch nicht hinzugesetzt ist: dieser wird erwägen, was er zu thun hat, sondern er kann wählen, ob er selbst erkennen, oder einen Richter bestellen will.

10Her­mo­ge­nia­nus li­bro se­cun­do iu­ris epi­to­ma­rum. Ex om­ni­bus cau­sis, de qui­bus vel prae­fec­tus ur­bi vel prae­fec­tus prae­to­rio item­que con­su­les et prae­to­res ce­te­ri­que Ro­mae co­gnos­cunt, cor­rec­to­rum et prae­si­dum pro­vin­cia­rum est no­tio.

10Hermogen. lib. II. jur. Epitom. Ueber alle Angelegenheiten, deren Untersuchung zu Rom der Stadtvorsteher, oder der Präfectus Prätorio, sowie auch die Consulen, Prätoren und übrigen Beamten leiten, gehört die Untersuchung und Entscheidung vor die Correctoren und Präsidenten der Provinzen.

11Mar­cia­nus li­bro ter­tio in­sti­tu­tio­num. Om­nia enim pro­vin­cia­lia de­si­de­ria, quae Ro­mae va­rios iu­di­ces ha­bent, ad of­fi­cium prae­si­dum per­ti­nent.

11Marcian. lib. III. Instit. Denn alle Anliegen der Provincialeinwohner, welche zu Rom mehreren verschiedenen Richtern zukommen, gehören vor den Präsidenten.

12Pro­cu­lus li­bro quar­to epis­tu­la­rum. Sed li­cet is, qui pro­vin­ciae prae­est, om­nium Ro­mae ma­gis­tra­tuum vi­ce et of­fi­cio fun­gi de­beat, non ta­men spec­tan­dum est, quid Ro­mae fac­tum est, quam quid fie­ri de­beat.

12Proculus lib. IV. Epist. Wiewohl aber der Vorsteher der Provinz die Obliegenheiten und das Amt aller Behörden zu Rom verwalten muss, so braucht er sich doch nicht darnach zu richten, was zu Rom geschieht, sondern was geschehen muss,

13Ul­pia­nus li­bro sep­ti­mo de of­fi­cio pro­con­su­lis. Con­gruit bo­no et gra­vi prae­si­di cu­ra­re, ut pa­ca­ta at­que quie­ta pro­vin­cia sit quam re­git. quod non dif­fi­ci­le op­ti­ne­bit, si sol­li­ci­te agat, ut ma­lis ho­mi­ni­bus pro­vin­cia ca­reat eos­que con­qui­rat: nam et sa­c­ri­le­gos la­tro­nes pla­gia­rios fu­res con­qui­re­re de­bet et pro­ut quis­que de­li­que­rit, in eum anim­ad­ver­te­re, re­cep­to­res­que eo­rum co­er­ce­re, si­ne qui­bus la­tro diu­tius la­te­re non pot­est. 1Fu­rio­sis, si non pos­sint per ne­ces­sa­rios con­ti­ne­ri, eo re­me­dio per prae­si­dem ob­viam eun­dum est: sci­li­cet ut car­ce­re con­ti­nean­tur. et ita di­vus Pius re­scrip­sit. sa­ne ex­cu­tien­dum di­vi fra­tres pu­ta­ve­runt in per­so­na eius, qui par­ri­ci­dium ad­mi­se­rat, utrum si­mu­la­to fu­ro­re fa­ci­nus ad­mi­sis­set an ve­ro re ve­ra com­pos men­tis non es­set, ut si si­mu­las­set, plec­te­re­tur, si fu­re­ret, in car­ce­re con­ti­ne­re­tur.

13Ulp. lib. VII. de off. Procons. Es kommt einem guten und tüchtigen Präsidenten zu, Sorge dafür zu tragen, dass in der Provinz, welche er regiert, Ruhe und Frieden herrsche. Dies wird ihm nicht schwer fallen, wenn er es sich angelegen sein lässt, die Provinz von Gesindel rein zu halten, und ihm nachstellt; denn er muss Kirchenräubern, Strassenräubern, Menschenräubern, und Dieben nachstellen, und je nachdem, was jeder verbrochen, ihn bestrafen, auch ihre Heeler züchtigen, ohne welche der Strassenräuber nicht länger verborgen bleiben kann. 1Wahnsinnige, welche durch ihre Angehörigen nicht festgehalten werden können, muss der Präsident dadurch unschädlich machen, dass er sie einsperren lässt; dies hat der Kaiser Pius verordnet. Ueber die Person dessen, der einen Verwandtenmord begangen hat, soll, nach der Ansicht der kaiserlichen Brüder, eine Untersuchung angestellt werden, ob er ie That in erheucheltem Wahnsinn verübt hat, oder ob er wirklich seines Verstandes nicht mächtig sei, um, wenn er sich [wahnsinnig] gestellt, gestraft, wenn er wirklich wahnsinnig wäre, im Gefängniss festgehalten zu werden.

14Ma­cer li­bro se­cun­do de iu­di­ciis pu­bli­cis. Di­vus Mar­cus et Com­mo­dus Sca­pu­lae Ter­tul­lo re­scrip­se­runt in haec ver­ba: ‘Si ti­bi li­qui­do com­per­tum est Ae­lium Pris­cum in eo fu­ro­re es­se, ut con­ti­nua men­tis alie­na­tio­ne om­ni in­tel­lec­tu ca­reat, nec sub­est ul­la su­spi­cio ma­trem ab eo si­mu­la­tio­ne demen­tiae oc­ci­sam: potes de mo­do poe­nae eius dis­si­mu­la­re, cum sa­tis fu­ro­re ip­so pu­nia­tur. et ta­men di­li­gen­tius cus­to­dien­dus erit ac, si pu­ta­bis, et­iam vin­cu­lo co­er­cen­dus, quon­iam tam ad poe­nam quam ad tu­te­lam eius et se­cu­ri­ta­tem pro­xi­mo­rum per­ti­ne­bit. si ve­ro, ut ple­rum­que ad­so­let, in­ter­val­lis qui­bus­dam sen­su sa­nio­re, non for­te eo mo­men­to sce­lus ad­mi­se­rit nec mor­bo eius dan­da est ve­nia, di­li­gen­ter ex­plo­ra­bis et si quid ta­le com­pe­re­ris, con­su­les nos, ut aes­ti­me­mus, an per im­ma­ni­ta­tem fa­ci­no­ris, si, cum pos­set vi­de­ri sen­ti­re, com­mi­se­rit, sup­pli­cio ad­fi­cien­dus sit. cum au­tem ex lit­te­ris tuis co­gno­ve­ri­mus ta­li eum lo­co at­que or­di­ne es­se, ut a suis vel et­iam in pro­pria vil­la cus­to­dia­tur: rec­te fac­tu­rus no­bis vi­de­ris, si eos, a qui­bus il­lo tem­po­re ob­ser­va­tus es­set, vo­ca­ve­ris et cau­sam tan­tae neg­le­gen­tiae ex­cus­se­ris et in unum­quem­que eo­rum, pro­ut ti­bi le­va­ri vel one­ra­ri cul­pa eius vi­de­bi­tur, con­sti­tue­ris. nam cus­to­des fu­rio­sis non ad hoc so­lum ad­hi­ben­tur, ne quid per­ni­cio­sius ip­si in se mo­lian­tur, sed ne aliis quo­que ex­itio sint: quod si com­mit­ta­tur, non im­me­ri­to cul­pae eo­rum ad­scri­ben­dum est, qui neg­le­gen­tio­res in of­fi­cio suo fue­rint.’

14Macer. lib. II. de Jud. Publ. Die Kaiser Marcus und Comodus haben an den Scapula Tertyllus ein Rescript folgenden Inhalts erlassen: Wenn du volle Gewissheit darüber erlangt hast, dass Aelius Priscus in solchem Wahnsinn befangen sei, dass er in immerwährender Geistesabwesenheit aller Einsicht entbehrt, und kein Verdacht wider ihn vorhanden ist, dass er seine Mutter in erheuchelter Geistesabwesenheit getödtet habe, so kannst du über die Bestrafung desselben hinwegsehen, da er genugsam durch seinen Wahnsinn selbst bestraft wird; dennoch aber muss er sorgfältiger bewacht, und, wenn du für nöthig erachtest, auch gefesselt werden, weil es sowohl zur Strafe, als zum Schutz seiner selbst, und zur Sicherheit seiner Umgebungen gehört. Wenn er aber, wie es öfters geschieht, in lichtem Zwischenräumen hellern Verstandes ist, so forsche darnach, ob er22Die Haloandrische Lesart sanior est num, statt saniore, non, welche unser Text in der Note giebt, ist anerkannt besser; da nun auch Ed. Fradin. ebenso liest, nur, dass sie, wie Brencmann in der Göttinger C. J.-Ausgabe richtig desiderirt, nachher statt danda sit venia (wie Haloander und auch Baudoza haben), d. est v. lieset, auch Brencmann Uebereinstimmung von Codicibus bezeugt, so kann man wohl jene Lesart ohne Zweifel annehmen. etwa in einem solchen Augenblick — und es darf hier auf die Krankheit keine Rücksicht genommen werden — das Verbrechen begangen hat, und wenn du etwas darauf bezügliches erfahren hast, so frage deshalb bei Uns an, damit Wir erwägen, ob er, wegen der Unmenschlichkeit seiner That, wenn es scheinen könnte, dass er mit Bewusstsein gehandelt habe, mit Strafe zu belegen sei. Da Wir aber aus deinem Bericht ersehen haben, dass er von einem solchen Stande und Range sei, dass er von den seinigen in einem eigenen Landhause bewacht wird, so würdest du gut daran thun, diejenigen, welche ihn zu jener Zeit beobachtet haben, zusammenzuberufen, und den Grund einer so grossen Nachlässigkeit zu erforschen und gegen einen jeden derselben je nachdem er dir mehr oder weniger in Schuld zu sein scheint, zu verfügen. Denn die Wächter werden für die Wahnsinnigen nicht blos dazu bestellt, dass sie nichts Verderbliches wider sich selbst unternehmen, sondern auch, damit sie Niemand anderem Unheil bereiten; was daher vorfällt, ist nicht mit Unrecht deren Schuld zuzuschreiben, welche nachlässig in ihrer Pflicht gewesen sind.

15Mar­cia­nus li­bro pri­mo de iu­di­ciis pu­bli­cis. Il­lud ob­ser­van­dum est, ne qui pro­vin­ciam re­git fi­nes eius ex­ce­dat ni­si vo­ti sol­ven­di cau­sa, dum ta­men ab­noc­ta­re ei non li­ceat.

15Marcian. lib. I. de Jud. Publ. Es ist zu beachten, dass Niemand, wer eine Provinz regiert, deren Grenzen überschreiten darf, ausser um ein Gelübde zu lösen; nur darf er nicht über Nacht ausbleiben.

16Ma­cer li­bro pri­mo de of­fi­cio prae­si­dis. Se­na­tus con­sul­to ca­ve­tur, ut de his, quae pro­vin­cias re­gen­tes, com­ites aut li­ber­ti­ni eo­rum, an­te­quam in pro­vin­ciam ve­ne­rint, con­tra­xe­runt, par­cis­si­me ius di­ca­tur, ita ut ac­tio­nes, quae ob eam cau­sam in­sti­tu­tae non es­sent, post­ea­quam quis eo­rum ea pro­vin­cia ex­ces­se­rit, re­sti­tue­ren­tur. si quid ta­men in­vi­to ac­ci­dit, vel­uti si in­iu­riam aut fur­tum pas­sus est, hac­te­nus ei ius di­cen­dum est, ut li­tem con­tes­te­tur res­que ab­la­ta ex­hi­bea­tur et de­po­na­tur aut sis­ti ex­hi­be­ri­ve sa­tis­da­to pro­mit­ta­tur.

16Macer. lib. I. de off. Praes. Durch einen Senatsbeschluss ist verordnet worden, dass über solche Rechtsgeschäfte, welche die Provincialverwalter, und ihre Begleiter oder Freigelassenen, bevor sie in die Provinz gekommen, [mit Einwohnern derselben] eingegangen sind, nur ausnahmsweise ein Rechtsspruch erfolgen soll, so dass also aus diesem Grunde nicht erhobene Klagen, nach der Abreise der betheiligten Person aus der Provinz, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten. Wenn jedoch etwas ohne den Willen [einer solchen Person] vorfällt, z. B. sie injuriirt oder bestohlen worden ist, so findet sie insoweit rechtliches Gehör, dass das Verfahren eingeleitet, und die gestohlene Sache ausgeantwortet und niedergelegt, oder das Versprechen, sich zu stellen, und auszuantworten, mittelst Bürgschaftsstellung geleistet wird.

17Cel­sus li­bro ter­tio di­ges­to­rum. Si for­te prae­ses pro­vin­ciae ma­nu­mi­se­rit vel tu­to­rem de­de­rit, prius­quam co­gno­ve­rit suc­ces­so­rem ad­ve­nis­se, erunt haec ra­ta.

17Cels. lib. III. Dig. Wenn der Provincialpräsident eine Freilassung vollzogen oder einen Vormund bestellt hat, ehe er erfahren hat, dass sein Nachfolger angelangt sei, so sind jene Handlungen gültig.

18Mo­des­ti­nus li­bro quin­to re­gu­la­rum. Ple­bi sci­to con­ti­ne­tur, ut ne quis prae­si­dum mu­nus do­num ca­pe­ret ni­si es­cu­len­tum po­tu­len­tum­ve, quod in­tra dies pro­xi­mos prod­iga­tur.

18Modestin. lib. V. Regul. Durch einen Volksbeschluss ist verordnet worden, dass kein Präsident eine Gabe oder Geschenk annehmen soll, ausser Speise und Trank, was in den nächsten Tagen verzehrt werden soll.

19Cal­lis­tra­tus li­bro pri­mo de co­gni­tio­ni­bus. Ob­ser­van­dum est ius red­den­ti, ut in ad­eun­do qui­dem fa­ci­lem se prae­beat, sed con­tem­ni non pa­tia­tur. un­de man­da­tis ad­ici­tur, ne prae­si­des pro­vin­cia­rum in ul­te­rio­rem fa­mi­lia­ri­ta­tem pro­vin­cia­les ad­mit­tant: nam ex con­ver­sa­tio­ne ae­qua­li con­temp­tio dig­ni­ta­tis nas­ci­tur. 1Sed et in co­gnos­cen­do ne­que ex­can­des­ce­re ad­ver­sus eos, quos ma­los pu­tat, ne­que pre­ci­bus ca­la­mi­to­so­rum in­la­cri­ma­ri opor­tet: id enim non est con­stan­tis et rec­ti iu­di­cis, cu­ius ani­mi mo­tum vul­tus de­te­git. et sum­ma­tim ita ius red­di de­bet, ut auc­to­ri­ta­tem dig­ni­ta­tis in­ge­nio suo au­geat.

19Callistr. lib. I. de Cogn. Wer Recht spricht, der möge darauf achten, dass er den Zutritt zu sich zwar nicht erschwere, aber sich auch nicht geringschätzende begegnen lasse. Es wird daher in den Bestallungen hinzugesetzt, dass die Provincialpräsidenten mit den Provinzeinwohnern keinen vertraulichen Umgang haben sollen; denn aus einer Gleichsstellung im täglichen Umgang entsteht Geringschätzung der Würde. 1Bei Untersuchungen darf er sich weder durch Hitze wider diejenigen, welche er für Bösewichter hält, hinreissen, noch durch Bitten der Unglücklichen rühren lassen; denn derjenige ist kein unerschütterlicher und tüchtiger Richter, dessen Gemüthsbewegung seine Mienen ausdrücken. Er muss überhaupt beim Rechtsspruch so verfahren, dass er das Ansehen seiner Würde durch seine Einsicht [in der Entscheidung] bereichere.

20Pa­pi­nia­nus li­bro pri­mo re­spon­so­rum. Le­ga­tus Cae­sa­ris, id est prae­ses vel cor­rec­tor pro­vin­ciae, ab­di­can­do se non amit­tit im­pe­rium.

20Papin. lib. I. Respons. Der Legat des Kaisers, d. h. der Präsident oder Verwalter der Provinz, verliert dadurch, dass er abdankt, seine Gewalt nicht.

21Pau­lus li­bro sin­gu­la­ri de of­fi­cio ad­ses­so­rum. Prae­ses cum co­gnos­cat de ser­vo cor­rup­to vel an­cil­la de­vir­gi­na­ta vel ser­vo stu­pra­to, si ac­tor re­rum agen­tis cor­rup­tus es­se di­ce­tur vel eius­mo­di ho­mo, ut non ad so­lam iac­tu­ram ad­ver­sus sub­stan­tiam, sed ad to­tius do­mus ever­sio­nem per­ti­neat: se­ve­ris­si­me de­bet anim­ad­ver­te­re.

21Paul. lib. singul. de off. Assessor. Wenn der Präsident eine Untersuchung wegen Verführung eines Sclaven, oder Entjungferung einer Sclavin, oder wegen Schädigung eines Sclaven führt, so muss er, wenn wegen Verführung des Geschäftsführers des Klägers, oder eines solchen Sclaven Klage erhoben worden ist, dass der Verlust nicht blos den körperlichen Werth, sondern eine Veränderung des ganzen Hauswesens betrifft, dies ganz besonders streng ahnden.