De his, qui effuderint vel deiecerint
(Von denen, die [Etwas aus dem Hause auf die Strasse] gegossen oder geworfen haben.)
1Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Der Prätor spricht von denen, die [Etwas aus dem Hause auf die Strasse] gegossen oder geworfen haben, folgendermaassen: Wider denjenigen, welcher in dem Hause wohnt, aus welchem auf einen Ort, wo eine gewöhnliche Strasse entlang geht, oder wo Leute zu stehen pflegen, Etwas geworfen oder gegossen worden ist, werde ich eine Klage auf den doppelten Betrag des dadurch angerichteten und entstandenen Schadens ertheilen. Ist durch eine daher entstandene Verletzung ein freier Mensch umgekommen, so werde ich Klage auf 50 Goldstücke ertheilen; wenn er aber am Leben geblieben und [nur] beschädigt worden ist, so ertheile ich Klage auf so hoch, als dem Richter dieserhalb billig scheinen wird, den Beklagten zu verurtheilen. Hat ein Sclav es ohne Wissen seines Herrn gethan, so werde ich bei [Ertheilung] der Klage hinzusetzen: oder an Schädens Statt auszuliefern. 1Dass der Prätor dies so zum grössten [allgemeinen] Nutzen verfügt habe, wird Niemand in Abrede stellen; denn es ist zum allgemeinen Besten, dass man ohne Furcht und Gefahr über die Strassen gehen kann. 2Es ist auch einerlei, ob der Ort ein öffentlicher, oder ein Privatort ist, sobald über denselben nur die gewöhnliche Strasse führt, weil für die Vorübergehenden gesorgt wird, und man nicht [blos] für die öffentlichen Wege beflissen ist; denn diejenigen Stellen, über welche die gewöhnliche Strasse zu führen pflegt, müssen stets dieselbe Sicherheit darbieten. Wenn übrigens das Volk eine Zeitlang auf einer Strasse nicht hin- und wiedergegangen, und dann Etwas [aus einem Hause] geworfen oder gegossen worden ist, so lange keine Passage Statt fand, nachher aber der Durchgang durch jene Strasse wieder anfängt, so findet keine Verpflichtung aus diesem Edict Statt. 3Dasjenige, was, während es aufgehangen wird, herunterfällt, wird als herabgeworfen angesehen, aber auch was bereits aufgehangen ist und herabfällt, wird für herabgeworfen angenommen. Deshalb findet auch das Edict Anwendung, wenn Etwas, das aufgehangen worden, ausgegossen worden ist11Etwa durch einen Windstoss; man muss hier nämlich einen Fall denken, wo eine Flüssigkeit in einem Gefäss auf die Strasse hinausgehangen worden ist., selbst wenn es Niemand ausgegossen hat. 4Diese Klage auf das Geschehene kommt gegen denjenigen zur Anwendung, welcher in dem Hause wohnt, während Etwas herausgeworfen oder gegossen worden ist, nicht gegen den Eigenthümer des Gebäudes; denn die Schuld ist auf Seiten jenes. Es geschieht auch der Schuld oder des Leugnens keiner Erwähnung [in dem Edict], so dass die Klage [nur in diesen Fällen] auf das Doppelte gehe, wiewohl die Klage wegen widerrechtlichen Schadens beides berücksichtigt. 5Ist ein freier Mensch umgekommen, so findet keine Schadensschätzung auf das Doppelte Statt, weil an einem Freien keine Schätzung des Körpers geschehen kann, sondern es findet Verurtheilung zu 50 Goldstücken Statt. 6Die Worte: wenn er am Leben geblieben und [nur] beschädigt worden ist, beziehen sich nicht auf den der Sache eines Freien zugefügten Schaden, z. B. wenn ihm Kleider oder etwas Anderes zerrissen oder verdorben worden ist, sondern auf das, was seinen Körper selbst verletzt. 7Wenn ein Familiensohn ein Stockwerk gemiethet hat, und aus demselben Etwas herausgeworfen oder gegossen worden ist, so findet in Beziehung auf das Sondergut wider den Vater keine Klage Statt, weil ihr keine Contractsverbindlichkeit zum Grunde liegt; die Klage geht vielmehr gegen den Sohn selbst. 8Ist der Bewohner ein Sclav, so fragt es sich, ob die Noxalklage zu ertheilen sei, weil die Verbindlichkeit nicht aus der Geschäftsführung, oder die wegen des Sonderguts, weil keine solche aus einem Verbrechen desselben vorhanden ist? Denn von einer Noxa des Sclaven kann nicht füglich die Rede sein, wenn er keinen Schaden gestiftet hat. Nach meinem Dafürhalten darf aber der Sclav nicht ungestraft davonkommen, sondern er muss von Richter Amtswegen mit einer ausserordentlichen Ahndung belegt werden. 9Wohnen kann Jemand in seinem eignen, einem gemietheten oder ihm umsonst dazu überlassenen Hause. Ein Gast haftet aber nicht, weil er nicht daselbst wohnt, sondern nur auf einige Zeit da einkehrt; aber derjenige, welcher ihn als Gast eingenommen hat, haftet dafür. Zwischen dem Bewohner und dem Gast ist aber ein ebenso grosser Unterschied, wie zwischen dem, der seinen festen Wohnsitz wo hat, und einem Reisenden. 10Wenn Mehrere in demselben Stockwerk wohnen, woraus Etwas geworfen worden ist, so findet diese Klage gegen jeden Statt;
2Gaj. lib. VI. ad Ed. prov. indem es unmöglich ist, zu wissen, wer herausgeworfen, oder herausgegossen habe;
3Ulp. lib. XXIII. ad Ed. und zwar auf das Ganze. Wenn aber wider den eine Klage erhoben worden ist, so werden die übrigen
5Ulp. lib. XXIII. ad Ed. Wenn Mehrere ein unter sich getheiltes Stockwerk bewohnen, so findet die Klage gegen den allein Statt, welcher denjenigen Theil bewohnt, aus dem Etwas herausgegossen worden ist. 1Wer seinen oder seiner Gattin Freigelassenen und Clienten unentgeldliche Wohnungen eingeräumt hat, der, sagt Trebatius, haftet selbst für sie; dies ist richtig. Dasselbe ist der Fall, wenn Jemand seinen Freunden kleine Zimmer angewiesen hat. Denn es haftet auch derjenige allein, welcher aus dem Vermiethen von Zimmern ein Gewerbe macht, selbst aber den grössten Theil des Stockwerkes inne hat; ebenso jeder für seine Fremdenzimmer22Hier folgen in unserm Text die Worte: sed si quis coenaculi ipse solus aeque tenebitur. Diese sind nach allgemeiner Uebereinstimmung der Codd. (s. not. 28. zu dieser Stelle in der Göttinger Ausgabe des Corp. Jur.) falsch. Da sie nur eine Wiederholung etwas schon Gesagten ohne Sinn enthalten, so habe ich sie ausgelassen.. Wenn aber Jemand Zimmer zu vermiethen pflegt, und sich selbst nur eine kleine Wohnung vorbehalten, alles Uebrige aber an Mehrere vermiethet hat, so haften Alle, als Bewohner des Stockwerkes, woraus Etwas geworfen oder gegossen worden ist. 2Zuweilen muss jedoch der Prätor aus dem Grunde der Billigkeit, dafern es nur ohne Gefährdung des Klägers geschieht, gegen den allein die Klage zulassen, aus dessen Schlafzimmer oder Saal Etwas geworfen worden ist, wenn auch Mehrere in demselben Stockwerk wohnen; ist aber Etwas aus der Mitte eines Stockwerkes geworfen worden, so ist es richtiger, dass Alle haften. 3Wenn der Miether einer Scheuer Etwas aus derselben geworfen oder gegossen hat, oder der Miether einer Niederlage, oder derjenige, wer einen Raum blos zu dem Zweck gemiethet hat, um daselbst eine Werkstätte anzulegen, oder um zu unterrichten, so findet eine Klage auf das Geschehene Statt, wenn auch einer von den Arbeitern oder den Lernenden Etwas herausgeworfen oder gegossen hat. 4Wer dieserhalb, dass ein Gast oder ein Anderer Etwas aus dem Stockwerk herabgeworfen hat, durch die Klage aus dem Aquilischen Gesetz verurtheilt worden ist, dem wird, sagt Labeo, mit Recht gegen den Thäter eine Klage auf das Geschehene gegeben; dies ist richtig. Hatte er an denselben vermiethet, so steht ihm ohnehin die Klage aus der Vermiethung zu. 5Die Klage wegen des Herausgeworfenen und Herausgegossenen ist immerwährend, und geht auch auf den Erben über; gegen den Erben aber findet sie nicht Statt. Die Klage wegen Tödtung eines Freien dauert nur ein Jahr, findet aber weder gegen den Erben Statt, noch geht sie auf den Erben und ähnliche Personen [als solche] über, denn sie ist eine Straf- und Volksklage, wobei nur zu bemerken ist, dass, wenn Mehrere dieselbe verlangen, sie vorzugsweise dem gegeben werden müsse, der dabei betheiligt ist, oder mit dem Verstorbenen in Verwandschafts- oder Schwägerschaftsverhältniss steht. Ist ein Freier beschädigt worden, so ist für ihn selbst die Klage immerwährend; will sie ein Anderer austellen, so dauert dieselbe für ihn nur ein Jahr; denn den Erben steht sie in Folge des Erbrechtes nicht zu, weil der dem Körper eines Freien zugefügte Schaden nicht auf die Nachfolger vermöge Erbrechts übergehen darf, indem derselbe gleichsam kein zu Geld anzuschlagender Schaden ist, denn [die Schätzung desselben] entspringt aus einem billigen Ermessen. 6Der Prätor sagt: Es soll Niemand auf einem Regen- oder Wetterdach über einen Ort, wo eine gewöhnliche Strasse geht, oder Leute zu stehen pflegen, Etwas aufstellen, dessen Herabfall Jemandem Schaden zufügen kann. Wer dawider handelt, gegen den werde ich eine Klage auf das Geschehene auf Höhe von 10 Goldstücken ertheilen, oder, wenn es ein Sclav ohne Wissen seines Herrn gethan hat, befehlen, denselben an Schädens Statt auszuliefern. 7Dieses Edict ist ein Theil des vorherigen; denn es war folgerichtig, dass der Prätor auch für den Fall Sorge trage, dass, was in diesen Theilen der Gebäude gefährlicher Weise hingesetzt worden, keinen Schaden verursache. 8Der Prätor sagt: dass Niemand auf einem Regen- oder Wetterdach; die Worte: dass Niemand, beziehen sich auf einen Jeden, auf Miethsleute, wie auf die Eigenthümer der Gebäude, sie mögen darin wohnen oder nicht, sobald sie nur Etwas an dergleichen Stellen hingestellt haben. 9Ueber diejenige Stelle, wo die gewöhnliche Strasse geht, oder wo Leute zu stehen pflegen, Etwas hingestellt hat; das Wort hingestellt muss von irgend einem Orte der Wohnung, oder des Stockwerkes, oder der Scheuer, oder irgend eines andern Gebäudes verstanden werden. 10Etwas hingestellt zu haben wird auch von demjenigen mit Recht angenommen, der es zwar selbst nicht hingestellt, aber, dass es von einem Andern hingestellt worden, gelitten hat. Wenn es daher ein Sclav hingestellt, der Herr aber es hat stehen lassen, so haftet der Herr nicht durch die Noxalklage, sondern wegen seiner eigenen Handlung. 11Der Prätor sagt: dessen Herabfall Schaden anrichten kann; aus diesen Worten erhellt, dass der Prätor nicht für Alles, was hingestellt worden, sondern blos für dasjenige, was so hingestellt worden ist, dass es Schaden anrichten kann, Sorge trage, dass dies nicht geschehe; und es wird nicht so lange gewartet, bis der Schade geschehen ist, sondern das Edict kommt sogleich zur Anwendung, wenn nur die Möglichkeit des Schadens vorhanden ist. Bestraft wird aber derjenige, welcher Etwas hingestellt gehabt hat, es möge dasselbe bereits Schaden gestiftet haben, oder nicht. 12Wenn dasjenige, was hingestellt worden war, herabgefallen ist, und Schaden angerichtet hat, so findet Klage wider denjenigen Statt, welcher es hingestellt hat, und nicht wider denjenigen, welcher [in dem Stockwerk] wohnt, weil wider denselben diese Klage nicht anwendbar ist, indem nicht durchaus derjenige, welcher Etwas hingestellt hat, so angesehen werden kann, als habe er es hingestellt gehabt, ausser wenn er Eigenthümer oder Bewohner des Hauses gewesen ist33Diese schwierige und bestrittene Stelle habe ich ganz wörtlich wiedergegeben. Wer dieselbe (die verschiedenen Erläuterungsversuche s. bei Glück X. p. 403. ssq.) auch so, wie sie übersetzt ist, besonders, wenn man fortwährend l. 1. §. 9. und l. 5. §. 4. dieses Titels vor Augen hat, cum grano salis versteht, wird zwar in der Sache selbst nichts Auffallendes finden, indessen möge hier noch folgende kurze Erläuterung stehen. Die im obigen Fall Statt findende Klage (welche zu verstehen sei s. bei Glück a. a. O. — actio de posito vel suspenso utilis —) geht nur wider denjenigen Thäter, welcher zugleich Eigenthümer oder Bewohner des Hauses ist, von dem etwas Aufgehangenes oder Hingestelltes herabgefallen ist, und nicht gegen den Eigenthümer oder Bewohner, sobald er nicht zugleich der Thäter ist. Dies ist, in die Kürze gezogen, der Sinn obiger Stelle. Denn gegen den Thäter, der nicht zugleich Eigenthümer oder Bewohner des Hauses ist, kann zwar auch Klage erhoben werden, aber eine andere, als die im obigen Fall gemeinte, nämlich die actio ex lege Aquil. utilis, und der Unterschied liegt darin, dass nicht diese, sondern nur die ebengenannte eine actio poenalis und popularis ist.. Es muss aber auch, lehrt Servius, wenn ein Maler in einem offenen Laden ein Schildgemälde oder Bild ausgestellt gehabt, und dieses herausgefallen ist, und einem Vorübergehenden Schaden zugefügt hat, nach Art dieser Klage, eine Klage ertheilt werden; denn dass jene [direct] nicht Statt finden könne, ist klar, indem das Bild weder auf einem Regen-, noch einem Wetterdach ausgestellt war. Dasselbe, sagt er, sei zu beobachten, wenn ein Gefäss aus einem Netze gefallen ist, worin es aufgehangen gewesen, und Schaden angerichtet hat, weil die gesetzmässige und prätorische Klage nicht Statt hat. 13Jene Klage ist aber eine Volksklage, und geht [nach der Einleitung des Verfahrens]44Dieser Zusatz nach Glück X. 401. auf den Erben und ähnliche Personen über; gegen die Erben aber nicht, weil sie eine Strafklage ist.
6Paul. lib. XIX. ad Ed. Dieses Edict bezieht sich nicht blos auf Städte und Dörfer, sondern auch auf Landstrassen, über welche gewöhnlich Passage Statt findet. 1Labeo sagt, es habe dieses Interdict nur Statt, wenn Etwas bei Tage herabgeworfen worden ist, und nicht, wenn bei Nacht; allein an manchen Orten ist auch bei Nacht Passage. 2Der Bewohner muss seine und der Seinigen Schuld vertreten. 3Ist Etwas von einem Schiffe herabgeworfen worden, so findet wider den Vorsteher des Schiffes eine analoge Klage Statt.
7Gaj. lib. VI. ad Ed. prov. Wenn der Körper eines freien Menschen durch Etwas, was herausgeworfen oder gegossen worden, verletzt worden ist, so berechnet der Richter das verlegte Arztlohn und die übrigen auf die Heilung verwendeten Kosten, und überdies noch die Arbeit, welche jener nicht hat verrichten können, oder künftighin darum, dass er untüchtig dazu gemacht worden, nicht mehr wird verrichten können. Eine Schätzung der Wunden oder Entstellungen findet nicht Statt, weil der Körper eines freien Menschen keiner Schätzung unterliegt.